Protocol of the Session on May 8, 2020

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages.

Der Abgeordnete Meyer hat nach § 47 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist, ebenso die Abgeordnete Ostmeier und der Abgeordnete Kilian.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich gern unserem Kollegen, dem Abgeordneten Lasse Petersdotter, zu seinem Geburtstag heute sehr herzlich gratulieren und ihm alles Gute wünschen, vor allen Dingen natürlich Gesundheit.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute vor 75 Jahren endete mit der Gesamtkapitulation der Deutschen Wehrmacht in Berlin der Zweite Weltkrieg. Mit dem 8. Mai 1945 gingen nicht allein fast sechs Kriegsjahre in Europa zu Ende, sondern dieser Tag beendete vor allem auch zwölf Jahre nationalsozialistischer Terrorherrschaft und den bisher größten, unvorstellbar grausamen Massenmord an Millionen von Menschen.

Dieser Tag war und ist ein Tag der Befreiung. Daran gibt es nicht den leisesten Zweifel. Er befreite Zehntausende geschundener und gequälter Menschen aus den Folter- und Mordlagern der Nazis, er befreite Völker und Nationen von der brutalsten Besetzung durch deutsche Truppen, und er befreite nicht zuletzt die Deutschen selbst von einer Diktatur, die eine überwiegende Mehrheit von ihnen begrüßt und aktiv unterstützt hatte.

Schleswig-Holstein steht in einer besonders verhängnisvollen Beziehung zum Zweiten Weltkrieg und den NS-Verbrechen. Unser Land stand - symbolisch, aber auch ganz konkret - sowohl am Beginn als auch am Ende dieses Krieges: Es war ein deutsches Kriegsschiff, das den Namen unseres Landes führte, das 1939 mit seinem Geschützfeuer auf die polnische Küste den Krieg begann. Schleswig-Holstein war dann im letzten Kriegsmonat im Mai 1945 der Sitz der letzten von Hitler eingesetzten Nazi-Regierung.

Es war in Schleswig-Holstein, wo sich am 3. Mai 1945 in der Neustädter Bucht das letzte große Verbrechen an unschuldigen Opfern, an erschöpften und jahrelang gequälten KZ-Häftlingen ereignete.

Auf die Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ gepfercht, wurden sie Opfer eines von den Deutschen einkalkulierten Bombenangriffes. Und es war in Schleswig-Holstein, wo noch nach dem 8. Mai 1945 Todesurteile durch deutsche Militärbehörden verhängt und ausgeführt wurden.

Meine Damen und Herren, der 8. Mai war ein Tag der Befreiung, er ist es, und er bleibt es, denn er hängt unmittelbar mit einem anderen Datum deutscher Geschichte zusammen, dem 30. Januar 1933, dem Tag, an dem der Antidemokrat, der Diktator Hitler, zum Reichskanzler ernannt wurde.

Dieser Tag hat eine entscheidende Bedeutung nicht nur allein für unsere Vergangenheit, sondern für unsere Gegenwart und Zukunft. Er verpflichtet uns in besonderem Maße zu Wachsamkeit gegenüber allem, was unsere Demokratie und unsere Freiheitsordnung infrage stellt und bedroht, und er verpflichtet uns zur Wehrhaftigkeit gegen alles, was unsere demokratisch-freiheitliche Gesellschaft infrage stellt.

Er verpflichtet uns auf die Grundwerte unserer Verfassung, allen voran der Menschenwürde, die immer und allen Menschen gegenüber unverrückbare Richtlinie unseres Handelns sein muss.

Der 8. Mai verpflichtet uns in besonderem Maße dazu, unsere demokratische Ordnung stets für ein gemeinsames Europa und in engster Zusammenarbeit mit allen unseren europäischen Partnern weiterzuentwickeln.

Der 8. Mai verpflichtet uns gegenüber den Opfern der NS-Verbrechen und deren Nachfahren dazu, das Geschehene niemals zu vergessen und alles dafür zu tun, dass sich die von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen niemals wiederholen.

Der 8. Mai verpflichtet uns gegenüber jenen Staaten und Völkern, die uns trotz der begangenen Verbrechen das Vertrauen entgegenbrachten, mit uns Deutschen und für uns Deutsche den demokratischen Neuanfang zu wagen.

Weniger als ein Jahr nach dem 8. Mai 1945, im Februar 1946, ermöglichten es uns die britischen Besatzungsbehörden, zum ersten Mal als Schleswig-Holsteinischer Landtag zusammenzukommen. Der Tag der Befreiung und der Tag des demokratischen Neuanfangs unseres Landes gehören untrennbar zusammen.

Demokratie und Frieden sind keine Selbstverständlichkeit, sondern sie fordern von jedem von uns den täglichen Einsatz aller politisch Verantwortlichen und aller Bürgerinnen und Bürger. Das ist eine ent

scheidende Erkenntnis des 8. Mai 1945, vor allem aber auch der nachfolgenden Zeit.

Diese 75 Jahre Leben in Frieden, Freiheit, Demokratie und sich entwickelndem Wohlstand, die wir erleben durften, waren kein Geschenk, sondern sie sind das Ergebnis unnachgiebigen Festhaltens an den Grundwerten und Grundrechten unserer Demokratie.

Meine Damen und Herren, unser Land und mit ihm ganz Deutschland, ganz Europa - ja, die ganze Welt - stehen zurzeit vor einer bisher nie dagewesenen Herausforderung. Die Coronapandemie bestimmt seit vielen Monaten buchstäblich unser aller Leben - und doch ist es notwendig, gerade in dieser Zeit auch den Blick auf unsere Vergangenheit zu richten.

Was kann uns angesichts der derzeitigen Situation der Tag der Befreiung sagen? Vieles, wie ich meine: Solidarität und Mitmenschlichkeit, der Schutz aller Menschen in unserer Gesellschaft, der Optimismus und der Wille, gemeinsam auch größte Herausforderungen zu meistern - das alles sind allgemeingültige Lehren, die vor allem wir Deutsche aus dem 8. Mai 1945 gezogen haben und die uns auch heute, am 8. Mai 2020, Leitlinien für unser Handeln sein müssen.

Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass wir als Landtag heute ein politisches Signal über die Fraktionsgrenzen hinweg senden, was gegenwärtiges und zukünftiges Handeln betrifft.

Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt am heutigen Tage der Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und des Holocaust sowie aller zivilen und militärischen Opfer des Zweiten Weltkrieges.

Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Wir gedenken heute in Trauer aller Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft. Wir gedenken insbesondere der Opfer des Holocaust, der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und Polens, die ihr Leben verloren haben.

Als Deutsche gedenken wir in Trauer der eigenen Landsleute, die als Soldaten, bei den Fliegerangriffen in der Heimat, in Gefangenschaft und bei der Vertreibung ums Leben gekommen sind. Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der getöteten Homosexuellen, der umgebrachten Menschen

mit Behinderung, der Menschen, die um ihrer religiösen oder politischen Überzeugung willen sterben mussten. Wir gedenken der erschossenen Geiseln. Wir denken an die Opfer des Widerstandes in allen von uns besetzten Staaten. Als Deutsche ehren wir das Andenken der Opfer des deutschen Widerstandes, des bürgerlichen, des militärischen und glaubensbegründeten Widerstandes, des Widerstandes in der Arbeiterschaft und bei den Gewerkschaften, des Widerstandes der Kommunisten. Wir gedenken derer, die nicht aktiv Widerstand leisteten, aber eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen.

Heute erinnern wir uns dieses unfassbaren menschlichen Leids und gedenken in tiefer Trauer und Scham. Ich bitte Sie, einen Moment im Gedenken an die Opfer innezuhalten.

- Sie haben sich zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir steigen dann in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

Starker Journalismus ist eine Säule der Demokratie

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2080

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Oppositionsführer, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Wochen zeigte sich der Wert faktenbasierter und ausgewogener Berichterstattung einmal mehr. Die Coronapandemie ist nicht nur für Politik, sondern auch mindestens ebenso für den Journalismus eine enorme Herausforderung, denn dringend notwendige Informationen und die Einordnung der Maßnahmen der Politik müssen mit dem kritischen Hinterfragen der Einschränkungen in Einklang gebracht werden.

Wie wichtig diese Arbeit ist, wird auch noch einmal deutlich vor dem Hintergrund zahlreicher obskurer Verschwörungstheorien, mit denen derzeit die sozialen Netzwerke geflutet werden. Erschreckend übrigens, wie viele mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich daran

(Präsident Klaus Schlie)

beteiligen, wie viele Wirrköpfe es in Demonstrationen und anderswo gibt.

Übergriffe auf Kamerateams von ARD und ZDF innerhalb einer Woche zeigen ausgerechnet rund um den Tag der Pressefreiheit, wie sich ein trauriger Höhepunkt dieser Spirale von Hetze gegen die freie Presse niederschlägt.

Dem müssen wir Demokratinnen und Demokraten uns mit aller Kraft entgegenstellen. Der Chefredakteur der „Welt“, Herr Poschardt, hat es richtig auf den Punkt gebracht:

„Wer Journalisten angreift, will keine Demokratie.“

Das ist der Punkt. Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten sind Angriffe auf uns alle.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Der Tag der Pressefreiheit ist vor dem Hintergrund gewisser aktueller Ereignisse auch ein guter Anlass, den eigenen Umgang mit Journalisten zu reflektieren. Für mich war immer klar, dass Journalisten auch jenseits von offiziellen Pressekonferenzen ohne Block und Bleistift Umgang mit Politikerinnen und Politikern haben müssen. Das gehört zum Job.

Da gelten zwei Regeln: Der Politiker darf keine geheimen Informationen verraten, der Journalist schützt seine Quellen. Ich möchte darauf an dieser Stelle gar nicht breit eingehen, aber letzteres wird zum Problem, wenn im Zuge von Ermittlungen von Staatsanwaltschaften Vier-Augen-Kommunikation mit Journalisten in Form von sogenannten BeStraBerichten Wege in die Landespolitik findet, dort politisch verwendet wird und von gewissen Kreisen sogar illegal in die Öffentlichkeit gebracht wird.

(Beifall Martin Habersaat [SPD])

Das ist eine Breitseite gegen Quellenschutz und investigativen Journalismus, die uns allen zu denken geben sollte und wo es dringender Aufklärung bedarf.

Es hat seine guten Gründe, warum Journalisten Berufsgeheimnisträger sind. Wir wollen keinen Beifang haben, mit dem illegale Kommunikation ausgespäht und gegen andere Menschen verwendet wird.