Protocol of the Session on November 17, 2017

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Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich.

Ich teile Ihnen mit, dass erkrankt sind die Abgeordneten Wolf Rüdiger Fehrs, Kerstin Metzner und Marlies Fritzen. Wir wünschen ihnen von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt ist Herr Abgeordneter Bernd Heinemann. Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind beurlaubt Herr Ministerpräsident Daniel Günther und Herr Minister Dr. Robert Habeck. Landtagspräsident Schlie wird nach einer Vereinbarung im Ältestenrat zur Wahrnehmung eines auswärtigen Termins an der heutigen Nachmittagssitzung nicht teilnehmen. Die Abgeordneten Baasch und Kubicki haben nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert sind.

(Zurufe)

- Es geht weiter, meine Damen und Herren. Wir begrüßen ganz herzlich Gäste auf der Besuchertribüne, und zwar Schülerinnen und Schüler der KätheKollwitz-Schule aus Kiel. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsausschuss hat sich in der gestrigen Sitzung mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Straßen- und Wegegesetzes, Drucksache 19/313, beschäftigt und bittet den Landtag, die zweite Lesung noch in dieser Tagung durchzuführen. Der entsprechende Tagesordnungspunkt 7 wird am Ende der Tagung ohne Aussprache aufgerufen. - Ich sehe keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Sofortprogramm Sanierung Frauenhäuser

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/293 (neu) - 2. Fassung

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/349

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich gehe davon aus, dass sich der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/349, durch die Mitantragstellung zum Antrag Drucksache 19/293 (neu) - 2. Fassung erledigt hat. - Ich sehe keinen Widerspruch, ich sehe Zustimmung. Dann verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache. Für die Antragsteller hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Aminata Touré das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Bei dem aktuellen Debattenpunkt zum Sofortprogramm Sanierung von Frauenhäusern ist es mir wichtig, dass wir die Problematik, um die es eigentlich geht, in den Fokus stellen. Wir sprechen über Gewalt gegen Frauen, und deshalb reden wir jetzt darüber, ob wir es Frauen ermöglichen wollen, dass sie wieder ein selbstständiges, angstfreies, gewaltfreies Leben führen können.

Wir müssen über strukturelle Gewalt gegen Frauen sprechen. Meiner Meinung nach müssen wir aber genauso dringend über die Täter sprechen, und ich sage Ihnen auch warum: Bei der Kampagne „MeToo“ haben etliche Frauen darüber berichtet, welche Gewalterfahrungen sie im Alltäglichen machen. Sie berichten von dummen Sprüchen, über das unsittliche Anfassen bis hin zu sexuellen Übergriffen auf der Straße, in Clubs, beim Einkaufen, im beruflichen Alltag und zu Hause. Viele Frauen haben den Mut gehabt, das öffentlich kundzutun; eine weitere Kampagne, bei der die Opfer von persönlichsten Erfahrungen berichten.

Sie haben davon berichtet und mussten sich im Gegenzug abermals anhören, es sei nicht so schlimm, sie sollten sich nicht so anstellen, Männern passiere das auch. Letzteres stimmt. Auch Jungen und Männer erfahren sexuelle Gewalt, und das gilt es zu keinem Zeitpunkt kleinzureden oder zu relativieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, SSW und vereinzelt AfD)

Was ich aber nicht verstehen kann, ist, dass man es immer wieder schafft, zu relativieren, dass 40 % der Frauen in Deutschland, seitdem sie 16 sind, körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben, dass 25 % der Frauen in Deutschland häusliche Gewalt erfahren haben, dass 13 % der Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erlebt haben. Die Liste kann man noch ewig weiterführen. Die Informationen

sind unter anderem auf der Seite www.frauen-gegen-gewalt.de zu finden. Diese Zahlen sagen uns, dass das keine Nebensächlichkeit ist.

Der Deutsche Bundestag hat im Juni dieses Jahres die Instanbul-Konvention beschlossen. Es ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der für europäische Staaten die Verpflichtung zu umfassenden und spezifischen Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen vorsieht. Wir haben hier im Land zum Glück Verbände wie den Landesverband Frauenberatung SchleswigHolstein, der bereits ein Konzept entwickelt hat und bereit wäre, das hier im Land umzusetzen. Das unterstütze ich ausdrücklich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und vereinzelt AfD)

In Schleswig-Holstein haben wir 16 Frauenhäuser mit 322 Plätzen. Diese Schutzräume sind notwendig für Frauen und ihre Kinder, wenn ihr Alltag von Gewalt bestimmt ist. Unser Ziel muss es im Prinzip sein, dass es ein gesellschaftliches Klima gibt, in dem Frauen keine Angst vor ihren gewalttätigen Partnern mehr haben müssen. Deshalb ist es richtig gewesen, dass die vergangene Regierung die Kürzung der schwarz-gelben Regierung zurückgenommen hat,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW)

und deshalb ist es gut, dass die derzeitige schwarzgrün-gelbe Koalition an diesem Kurs festhält und sich für Schutzräume von Frauen einsetzt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Deshalb freut es mich, dass SPD und SSW unsere Forderungen hier unterstützen. Egal aus welchem Land die Frauen kommen, welchen Hintergrund die Frauen haben oder welche Sprache sie sprechen, eine Erfahrung teilen sie immer, und zwar die, dass es bei der Gewalterfahrung immer um wirtschaftliche und/oder soziale Kontrolle geht und dass die Täter in diesem Punkt dieselbe Sprache sprechen.

Mit dem Sonderprogramm Sanierung von Frauenhäusern in Höhe von 3 Millionen € wird, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ein erster Schritt gegangen. Wir Grüne wollen ausdrücklich einen besseren Betreuungsschlüssel. Zu wenige Mitarbeiterinnen müssen zu viele Frauen betreuen. Statt eins zu sechs wollen wir einen Schlüssel von eins zu fünf. Wir wollen, dass es mehr Plätze in den Frauenhäusern gibt. Deshalb müssen die Förderrichtlini

en überprüft werden, wie wir es in unserem Antrag fordern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist das notwendig? - Die Tatsache, dass es nicht genügend Frauenhausplätze gibt, führt dazu, dass Frauen abgewiesen werden. Die Schätzungen liegen für das vergangene Jahr in Schleswig-Holstein zwischen 3.000 bis 4.000 Frauen. Was passiert mit Frauen, die abgewiesen werden? Sie kehren oftmals in das gewaltvolle Zuhause zurück. Das können wir so nicht hinnehmen. Beim Schutz von Frauen geht es schlicht und ergreifend um Menschenrechte. Deshalb werden wir uns als Grüne und als Jamaika-Koalition dafür einsetzen, dass Frauen den notwendigen Schutz bekommen, den sie brauchen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP, SSW und vereinzelt AfD)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Häusliche Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache mehr. Gewalt, die oft in den eigenen vier Wänden stattfindet, also an einem Ort, an dem man sich eigentlich geborgen und sicher fühlen sollte, ist leider Realität für viele Frauen in unserem Land. Der Ausweg ist oftmals nur noch das Frauenhaus. Ich selbst habe schon mehrere Frauen in ein Frauenhaus begleitet, und ich habe feststellen können, dass dieser Gang den Frauen oftmals sehr schwer fällt, weil sich die Frauen oft selbst die Schuld daran geben, dass es in der Familie nicht funktioniert hat.

Ich finde, genau hier setzt dieser Antrag an, und ich freue mich ganz besonders, dass es uns allen gemeinsam gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch ich freue mich sehr, dass die Arbeit der Küstenkoalition nun in der Jamaika-Koalition fortgesetzt wird.

Ein besonderes Anliegen unserer Fraktion war, und dies haben Sie dankenswerterweise aufgenommen, dass neben der Bestandsanalyse auch eine Bedarfsanalyse gemacht werden muss, denn auch wir teilen

(Aminata Touré)

die Auffassung der Kollegin Touré, dass wir wahrscheinlich feststellen werden, dass wir im Land auch dann, wenn die Mittel abgeflossen sind, keine ausreichende Anzahl von Plätzen haben. Der Sanierungs-, Umbau- und Ausbaubedarf ist wirklich enorm. Wir müssen zu besseren, modernen Standards kommen. Es kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Frauen immer noch in Vierbettzimmern untergebracht werden müssen,

(Beifall SPD und Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

ganz abgesehen davon, dass - das hat meine Kollegin schon gesagt - viele Frauen von den Frauenhäusern abgewiesen werden müssen.

Wir werden, nachdem wir uns die konkreten Zahlen angeschaut haben, miteinander darüber ins Gespräch kommen, ob wir in Schleswig-Holstein mehr Angebote und vielleicht sogar einen Neubau brauchen - aber dies, wie gesagt, erst, nachdem die Analyse erfolgt ist.

Meine Fraktion hat festgestellt - Frau Ministerin, vielleicht können Sie gleich in Ihrem Redebeitrag etwas dazu sagen -, dass die Verweildauer der Frauen in den Frauenhäusern viel zu lang ist, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden.

Letztes Jahr, im Oktober 2016, wurde eine länderübergreifende Anlaufstelle geschaffen. Diese hat die Küstenkoalition mit auf den Weg gebracht. Dabei handelt es sich um die Anlaufstelle der Frauenhäuser mit dem Namen „24/7“. Hier finden von Gewalt bedrohte und betroffene Frauen Schutz und Beratung durch pädagogische Fachkräfte rund um die Uhr, und das jeden Tag. Darüber hinaus koordiniert diese Anlaufstelle aber auch die Belegungen von und nach Schleswig-Holstein. Wir möchten wissen, wie diese Anlaufstelle angenommen worden ist und ob Sie es gut finden, diese auch weiterhin zu unterstützen, um das Platzproblem anzugehen.

Ein weiteres und sehr wichtiges Projekt ist für uns die Vermittlung von bezahlbarem Wohnraum. Sie, Frau Ministerin, haben bereits vorgestern den Startschuss zu diesem Projekt gegeben. Dieses hatten wir bereits in der Küstenkoalition beschlossen. Ich nehme an, es ist jetzt auch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband angesiedelt worden. Dass es nun dieses Projekt gibt, das den Frauen in Schleswig-Holstein helfen soll, bezahlbaren Wohnraum zu finden, freut uns sehr. Wir würden uns auch sehr freuen, wenn dieses Projekt zu einem Programm würde und eine Verstetigung fände.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Lars Harms [SSW])

Für uns als SPD-Fraktion ist es aber genauso wichtig, dass die Präventionsmaßnahmen, die bereits auf den Weg gebracht worden sind, fortgesetzt werden. Das Kooperations- und InterventionsKonzept, kurz KIK genannt, muss fortgeführt werden, um den Aufenthalt in den Frauenhäusern so kurz wie möglich zu gestalten.

Nun habe ich noch eine allerletzte Frage. Frau Ministerin, vielleicht können Sie uns auch darüber berichten. Laut unseren Informationen ist die Abfrage in den Frauenhäusern bereits erfolgt. Das heißt, der Antrag, eine Bestandsanalyse durchzuführen, greift fast ins Leere. Bis zum 15. November 2017 wurden die Frauenhäuser darüber informiert, dass es 3 Millionen € geben wird, dass die erste Million im Jahr 2018 fließt und 2 Millionen € im Jahr 2019 gezahlt werden.