Erkrankt sind folgende Abgeordnete: von der CDUFraktion Barbara Ostmeier, von der SPD-Fraktion Regina Poersch und von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Marret Bohn. Wir wünschen allen Kolleginnen gute Besserung!
Der Abgeordnete Professor Dr. Dunckel hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Der Abgeordnete Knöfler hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 12 Uhr verhindert ist. Der Abgeordnete Vogel hat ebenfalls nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Nachmittagssitzung ab circa 14.30 Uhr verhindert ist.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen Sie mit mir bitte gemeinsam auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler der Holstenschule Neumünster. - Seid uns herzlich willkommen!
„Upskirting“ strafrechtlich sanktionieren Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1539
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Somit eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.
Guten Morgen Frau Präsidentin! Guten Morgen meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Upskirting - das werden die meisten sicherlich nicht gekannt haben. Was ist das eigentlich? Was haben wir damit zu tun? Warum wollen wir das gleich verbieten? - Das möchte ich Ihnen heute erklären und Sie dafür sensibilisieren, dass das ein wichtiges Thema ist, über das wir uns heute hier unterhalten wollen.
Der Begriff Upskirting - man könnte es fast schon erraten - kommt aus dem Englischen und heißt „unter den Rock“. Gemeint ist das Filmen und Fotografieren von - meistens - Frauen unter dem Rock, dass also mit einem Smartphone oder mit einer Spionagekamera Aufnahmen gemacht werden, um zu sehen, wie die Frau unter dem Rock aussieht.
Das klingt befremdlich - ist es auch. Mit diesen Bildern vergnügen sich dann Männer mit diesen Neigungen - ich würde sagen: perversen sexuellen Neigungen. Sie werden auch auf einschlägige Pornoseiten geladen, sodass andere Benutzer sich so etwas angucken und sich daran ergötzen können und das alles meistens ohne das Wissen der Frauen. Frauen werden so missbraucht.
Das ist besonders perfide, da es die Frauen nicht wissen und auf den Bildern auch nicht erkannt werden. Sie können sich überhaupt nicht wehren, weil sie meistens nicht erkannt werden. Die Würde der Frau wird hier mit Füßen getreten.
Es ist ein ekelhafter und abstoßender Gedanke, dass in allen möglichen Lebenslagen Frauen so abgebildet werden und diese Aufnahmen dann durchs Netz geistern. Ich finde es unerträglich. Rein vom Gefühl her würde doch jeder von uns sagen: Das gehört verboten, oder das sollte verboten sein.
Eigentlich gilt in Deutschland § 201 a Strafgesetzbuch: Strafbarkeit bei Verletzung des höchst persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Das ist eigentlich strafbar; das gilt allerdings nur im privaten und geschlossenen Raum wie etwa der Umkleidekabine oder der Toilette, aber - und das ist das Schlimme - eben nicht im öffentlichen Raum. In Nordrhein-Westfalen erfasste die Polizei 2018 2.000 solcher Fälle, die unter diesen Paragrafen fielen.
Im Noch-EU-Land Großbritannien hat der Gesetzgeber bereits reagiert und Upskirting unter das Sexualstrafrecht gestellt: Seit April ist es im Vereinten Königreich verboten, und es drohen bis zu zwei Jahre Haft.
Wir wollen mit diesem Antrag sensibilisieren, aufklären und die hiesigen gesetzlichen Lücken schließen. Das ist wichtig, denn die Dunkelziffer in die
sem Bereich ist riesig groß. Viele Frauen melden sich nicht, weil sie es nicht wissen, aber auch aus Scham. - Deswegen müssen wir gegen diese Schande handeln!
Dafür, dies zu überwinden, hilft auch eine aktuelle Petition an den Deutschen Bundestag: In kürzester Zeit haben sich 80.000 Menschen gefunden, die unterstützen, dass das verboten wird. Dieses Thema wird dadurch auch in die große Öffentlichkeit gerückt. Diese juristischen Schlupflöcher müssen endlich geschlossen werden.
Juristisch problematisch ist, dass die Frauen es oft nicht bemerken - das sagte ich bereits -, wenn solche Aufnahmen gemacht werden. In mehreren Urteilen wurde der Tatbestand der sexuellen Beleidigung abgelehnt. In der Urteilsbegründung heißt es oftmals - das muss ich ablesen -, dass die bloße sexuelle Beleidigung nicht als ehrverletzend bestraft werden könne. Das ist doch skandalös!
In anderen Fällen fällt ein Urteil nur im Rahmen der Belästigung der Allgemeinheit nach § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz. Es ist nur eine Ordnungswidrigkeit und wird so bestraft wie Falschparken. Das kann doch auch nicht sein!
Auch hilft der Tatbestand nach § 184 i Strafgesetzbuch kaum weiter, denn hier wird die sexuelle Belästigung unter Strafe gestellt. Strafbar macht sich hiernach aber nur, wer eine andere Person in sexueller Art und Weise berührt. Das wird beim Filmen aber nicht passieren; insofern hilft das auch nicht richtig weiter.
Wir wollen diese Lücke schließen, den Frauen mehr Sicherheit geben und die Frauen vor diesen perversen Neigungen schützen. Wir sollten uns heute einig sein und ein Signal senden, dass das mit den Frauen und den Männern hier in Schleswig-Holstein und in der Bundesrepublik nicht zu machen ist. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich 2017 in den Landtag gewählt wurde, habe ich mich gefreut, denn ich wusste: Diese Erfahrung erweitert meinen Horizont. Ich bin ehrlich: Beim Thema Upskirting ist die Horizonterweiterung auf eine ganz besondere Art und Weise gelungen.
Glauben Sie mir: Ich habe in meinem Berufsleben schon viel gesehen; trotzdem war mir Upskirting kein Begriff. Das Thema hat mich überrascht. Meine erste Reaktion war: Das ist doch völlig absurd und krank. - Ich dachte auch: Das können doch nur Einzelfälle sein.
Im zweiten Moment war ich fassungslos, dass dieses Phänomen nicht strafbar ist. Frauen - egal ob in Rock oder Hose - sind heute selbstbewusster und wehrhafter denn je. Aber Frau kann sich natürlich nur wehren, wenn sie merkt, dass ihr jemand im wahrsten Sinne des Wortes nicht an, sondern unter die Wäsche geht.
Die Vorstellung, heimlich und unbemerkt an intimsten Stellen fotografiert oder gefilmt zu werden, löst Wut aus - okay -, aber vor allem auch Beklemmungen. Es versteht sich von selbst: Niemandem - egal welchen Geschlechts - darf es erlaubt sein, einen anderen Menschen derart zu demütigen und zu beschämen.
(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Meine Damen und Herren, wer eine Frau auf diese Weise zur Beute macht und die Bilder womöglich auch noch als Trophäe ins Netz stellt, gehört bestraft; da sind wir uns alle einig. Daher ist es logisch, dass wir diesem Antrag zustimmen.
Ich persönlich hätte mir angesichts dieses Themas gewünscht, dass wir darüber vielleicht schon vorher ins Gespräch gekommen wären, denn das wäre der Sache angemessen gewesen. Es ist aber auch kein Problem, zu einem wichtigen und guten Punkt einfach - in Anführungszeichen - „nur“ seine Zustimmung zu geben.
Ich möchte aber noch einmal an einem tatsächlichen Beispiel deutlich machen, das zeigt, wie unfassbar diese Vorgänge eigentlich sind. Ein ehemaliger Bürgermeister einer Gemeinde aus dem Landkreis Pfaffenhofen hat im Sommer 2013 einer 25
jährigen Frau unter den Rock fotografiert. Sie bemerkte dies, und der Verkäufer eines Obdachlosenmagazins alarmierte die Polizei. Der Täter wehrte sich gegen die Überprüfung durch die Polizisten unter anderem mit einem Ellenbogencheck. Die Polizei fand später 99 belastende Bilder und 27 Filme auf seinem Handy. Nur eine Frau hat offensichtlich tatsächlich bemerkt, was ihr passiert ist.
Das rechtliche Fazit, über mehrere Instanzen geklärt, war dann in der Tat so, wie Frau Rathje-Hoffmann es auch geschildert hat. Es gab keine Beleidigung der Einzelperson, aber eine Belästigung der Allgemeinheit, und das wiederum wurde als Ordnungswidrigkeit „abgestraft“ - in Anführungsstrichen.
Im Ergebnis wurde der Täter zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 750 € wegen Belästigung der Allgemeinheit verurteilt, und gleichzeitig musste er 4.200 € zahlen, weil er sich gegen die Beamten gewehrt hatte. Das eine wie das andere ist verwerflich. Ich finde auch eine Geldstrafe in Höhe von 4.200 € durchaus angemessen. Ich hätte sie aber auch für den anderen Fall und das Delikt, das ursprünglich behandelt wurde, für angemessen gehalten.