Protocol of the Session on September 21, 2017

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Meine Damen und Herren, ich eröffne die heutige Sitzung.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gratuliere ich dem Herrn Abgeordneten Thomas Hölck zu seinem heutigen Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch im Namen des Hauses!

(Beifall)

Auf der Tribüne begrüßen wir Schüler und Schülerinnen der Logistikschule der Bundeswehr Garlstedt bei Bremen. - Herzlichen willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Rente für die Zukunft sichern - Altersarmut verhindern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/144

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/198

Funktionsfähigkeit des Rentensystems auch in Zukunft sicherstellen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/207

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Herr Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rente ist für das Vertrauen der Menschen in unseren Sozialstaat entscheidend. Wer jahrzehntelang hart gearbeitet hat, muss sich darauf verlassen können, im Alter vernünftig versorgt zu werden. Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit, und das ist auch eine Frage der Würde.

Die gesetzliche Rente muss dabei auch weiterhin die Hauptsäule der sozialen Sicherung im Alter bilden. Wir können uns nicht auf Kapitalmärkte ver

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lassen. Wir müssen jetzt handeln, damit das Rentenniveau im Jahre 2030 nicht bei 43 % liegt. Wir müssen jetzt auch deshalb handeln, damit die junge Generation nicht dauerhaft steigende Beiträge schultern muss.

Was zumindest Teile der CDU beim Renteneintrittsalter für dringend erforderlich halten, ist kein Geheimnis mehr. Jens Spahn macht kein Hehl daraus, die Menschen künftig bis zum Alter von 70 Jahren arbeiten lassen zu wollen. Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht das im Kern genauso, möchte darüber aber erst nach der Wahl reden, wie die Kanzlerin übrigens auch.

Schon heute werden Menschen zunehmend gezwungen, den Gang zum Sozialamt anzutreten, um ihre Rente aufzustocken. Das sind Menschen, die viele Jahre eingezahlt haben, aber zum Beispiel in Berufen mit niedriger Bezahlung tätig gewesen sind. Wenn wir nichts unternehmen, wird das noch weiter zunehmen. Wollen wir, dass Menschen, die über viele Jahre ihren Beitrag geleistet haben, im Alter darauf angewiesen sind, zum Sozialamt zu gehen?

Die Folgen der Untätigkeit - deswegen reden wir darüber auch hier - fallen für die Menschen in Schleswig-Holstein härter aus als in anderen Teilen der Republik. Die Menschen im echten Norden mögen deutschlandweit am glücklichsten sein, die höchsten Einkommen aber haben sie nicht. Deswegen muss der entschlossene Kampf für eine gerechte und auskömmliche Rente für jede Landesregierung, egal unter welcher Führung, Priorität haben.

(Beifall SPD und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben Ihnen heute einen Antrag mit drei Haltelinien vorgelegt:

Erstens. Wir müssen das weitere Absinken des Rentenniveaus verhindern. Wir wollen als künftige Höhe des Rentenniveaus mindestens 48 % gesetzlich garantieren.

Zweitens. Der Anstieg der Beiträge muss gestoppt werden. Der paritätisch zu zahlende Beitrag darf 22 % nicht übersteigen.

Drittens. Das Renteneinstiegsalter darf nicht weiter angehoben werden. Wer 67 Jahre alt ist, hat es verdient, in den Ruhestand zu gehen. Sonst wird die Rente irgendwann „totsicher“, weil sie viele nicht mehr erleben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist Zynismus. Deswegen braucht es weiterer Haltelinien.

Wer viele Jahre lang Beiträge gezahlt hat und sich um Kinder gekümmert hat oder Verwandte gepflegt hat, der muss Anspruch auf eine Solidarrente haben. Diese muss endlich eingeführt werden.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass diese sich deutlich von der Grundsicherung abhebt, und es ist eine Frage der Würde, dass die Solidarrente ohne den Gang zum Sozialamt beantragt werden kann.

Wir brauchen auch Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente für diejenigen, deren Gesundheit nicht mehr mitmacht. Wer lange gearbeitet hat und nicht mehr kann, darf nicht gezwungen werden, seinen Lebensstandard im Alter deutlich senken zu müssen.

Deswegen sagen wir in aller Deutlichkeit: Wer die gesetzliche Rente zukunftsfest machen will, muss bereit sein, die Kosten auf breite Schultern zu verteilen. Die Rente ist keine Sozialleistung nach Kassenlage, sondern sie ist Ertrag von Lebensleistung am Ende gegenüber denen, die den Wohlstand in unserem Land erarbeitet haben. Sie muss auch fair gegenüber den Jungen sein; das ist nicht egoistisch. Das Beste, was einem als junger Mensch passieren kann, ist, dass man älter wird. Jede Alternative ist schlechter, kann ich Ihnen sagen. Wenn man die jungen Familien entlastet, dann ist es, glaube ich, richtig, beide Seiten der Solidarität zu betrachten.

Dazu muss es zusätzliche Steuermittel geben. Leistungen wie die Mutterrente gehören nicht in die Rentenversicherung, sondern die gehören gefälligst aus Steuermitteln bezahlt, also von allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes.

(Beifall SPD)

Darüber müssen wir hier auch reden; denn eines ist klar: Gute Renten gibt es nur mit guter Arbeit. Wir haben ja gestern bei dem Herrn Wirtschaftsminister gesehen, welcher Meinung er ist. Es ist Rhetorik, ob man sich an Koalitionsverträge hält oder nicht; dies hat er völlig beiseitegeschoben. Das war zwar nicht der interessante Punkt, aber er hat unverhüllt seine Meinung vorgetragen. Die bestand am Ende darin, dass es zumindest einige gibt, die sagen, prekäre Löhne seien okay, und diejenigen, die eigentlich dagegen sind, dass endlich Frauen und Männer für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen, was dringend erforderlich ist. Fest steht jedenfalls: Ohne gute Arbeit und ohne Tariflöhne gibt es auch keine guten Renten. Darüber streiten wir kontrovers mit Ihnen.

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(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall SPD)

Das werden wir hier auch tun. Wir brauchen ein hohes Lohnniveau.

(Zurufe FDP)

- Die dummen Zwischenrufe von Ihnen, Herr Kollege Kubicki, habe ich gestern schon gehört. Für Tarifautonomie im Land ist nicht die Landesregierung zuständig.

(Weitere Zurufe)

- Ich meine törichte Zwischenrufe, Frau Präsidentin. Das „dumme“ nehme ich wieder zurück. Ich möchte mich vornehmer ausdrücken. Aber gut, das muss er aushalten.

Sie haben uns doch vorgehalten, die Sozialdemokraten hätten hier sehr lange regiert, und trotzdem seien wir mit den Löhnen nicht weitergekommen. Die Erklärung ist ganz einfach: weil es hier Tarifautonomie gibt - das sollten auch Sie wissen -, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Tarife aushandeln. Wir wünschen uns mehr Tarifbindung, und wir wünschen uns starke Gewerkschaften. Wir wollen nicht, dass der Staat die Löhne festlegt.

(Beifall SPD)

Der Mindestlohn ist nur die unterste Grenze. Der Mindestlohn ist nicht unser Ziel, sondern er ist vielmehr die unterste Grenze, damit es wenigstens einen Deckel gibt und wir nicht skandalöse Ausbeuterlöhne haben. Das ist der Grund, warum wir für Mindestlöhne sind. Aber wir sind für starke Gewerkschaften.

(Zuruf CDU: Deckel drauf! - Weitere Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Christopher Vogt [FDP])

- Reden Sie nur so. Die Menschen haben SchwarzGelb in denkbar schlechter Erinnerung, was den Umgang mit Arbeit angeht.

(Widerspruch CDU und FDP)

Sie interessieren sich doch gar nicht für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen. Wir tun das, und wir wollen daran etwas ändern. Ich sage Ihnen ehrlich: Bestreiten Sie ruhig, dass Männer und Frauen unterschiedlich bezahlt werden. Gerade Frauen haben niedrige Renten, weil ihre Leistung nicht ordentlich gewürdigt wird. Wir wollen das ändern, und wir werden das auch ändern. Darauf können Sie sich gefasst machen.

(Beifall SPD)

Deswegen sage ich Ihnen: Ich finde es schade, dass die Union den Wettbewerb um diese Frage im Wahlkampf verweigert. Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen: Wir sind für einen neuen Generationenvertrag. Die Rente entscheidet am Ende über das Vertrauen der Menschen in unseren Sozialstaat. Wir finden: Menschen für Menschen. Die jungen Menschen für die, die älter sind; und die, die Arbeit haben, für die, die keine Arbeit haben; die, die gesund sind, für die, die krank oder pflegebedürftig sind. Wir sind der Meinung: Rente muss auskömmlich sein.