Protocol of the Session on June 18, 2020

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung. Mir wurde mitgeteilt, dass heute niemand erkrankt ist und wir vollzählig sind. Das freut mich sehr. - Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind für die Landesregierung beurlaubt: Herr Minister Claussen ganztägig, Herr Minister Dr. Garg vormittags, Frau Ministerin Heinold ganztägig, Frau Ministerin Prien ganztägig und Frau Ministerin Dr. Sütterlin-Waack ganztägig.

Für den SSW hat der Abgeordnete Meyer nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert ist. Ebenso hat der Abgeordnete von Pein nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtags mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 15 Uhr verhindert ist.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserer Abgeordneten Jette Waldinger-Thiering ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. - Liebe Jette, alles Gute zum neuen Lebensjahr!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 49, 50, 51 und 52 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Schiffbau infolge der Coronapandemie stützen und öffentliche Aufträge vorziehen

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2225 (neu)

b) Keine Dividenden bei Staatshilfe

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2226

Ökonomisch wirksam und ökologisch klug gemeinsam mit unseren Kommunen aus der Krise

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2264

c) Mündlicher Bericht zur Situation des Beherbergungs- und Gastronomiegewerbes

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2227

d) Mündlicher Bericht zu den Wirtschaftshilfen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2228

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit den Anträgen zu c) und d) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse somit darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile damit das Wort für die Landesregierung dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Herrn Dr. Bernd Buchholz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte auf diese Pandemie gut verzichten können.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wenn ich diese Pandemie schon erleben muss, dann bin ich froh darüber, dass ich sie in Deutschland und in Schleswig-Holstein erlebe.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt AfD und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, ich sage diesen Satz nicht nur, weil das meine persönliche Überzeugung ist, sondern weil das ein Satz ist, den mir in den letzten Wochen ganz viele Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Land zugerufen haben. Sie sagen: Trotz aller Belastungen und Bedrohungen bis hin zur existenziellen Bedrohung nehmen wir zur Kenntnis, dass das, was ihr zur Bekämpfung dieser Pandemie getan habt, nachvollziehbar und richtig war, auch wenn wir darunter erheblich leiden. - Ich finde, das ist auch vonseiten der Wirtschaft eine respektable und große Haltung.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Der Wirtschaft in Schleswig-Holstein geht es in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich gut oder schlecht. Es gibt auch Unternehmen, denen geht es gut. Denken Sie an die Unternehmen der Medizintechnik oder im Lebensmitteleinzelhandel. Auch den Versandhändlern geht es gut. Es gibt aber auch

Unternehmen, die durch Schließungsmaßnahmen über sechs Wochen lang null Umsatz machen konnten und die auch absehen, dass es weiter sehr wenig Geschäft geben wird - entweder weil es noch verboten ist, oder weil keine Kundschaft kommt. Ein Beispiel ist der stationäre Einzelhandel. Wem macht es schon Spaß, mit einem Mund- und Nasenschutz Shopping zu erleben?

Aber auch die Reiseveranstalter, die Reisebusunternehmer und diejenigen, die als Eventmanager größere Veranstaltungen organisieren wollten und organisiert hätten, sie alle werden noch über viele Monate mit ausfallenden oder sehr geringen Umsätzen zu kämpfen haben. Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe sieht es nicht nur aufgrund der Abstandsregelungen, sondern auch aufgrund der fehlenden Lust vieler Menschen, sich in einen gastronomischen Betrieb zu setzen, immer noch sehr mau aus.

Der Landesregierung war von Anfang an und schon zu Beginn der Pandemie und der Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, klar, dass es uns darum gehen muss, alle vor der Krise gesunden Unternehmungen und diejenigen, die unverschuldet in diese Lage gekommen sind, durch diese Krise zu bringen. Wir wollen alles dafür tun, dass am Ende der Krise so viele wie möglich diese Krise überlebt haben und die Arbeitsplätze, die sie geschaffen haben, erhalten bleiben. Deshalb haben wir frühzeitig alles dafür getan, um Liquiditätshilfen zu schaffen, die diesen Unternehmen, die über Monate keine Umsätze hatten oder Umsatzeinbrüche hinnehmen mussten, einen Ausgleich geben.

Dabei hat der Bund dies mit seinem Soforthilfeprogramm sicherlich ein gutes Stück nach vorn bewegt, aber wir waren als Landesregierung aufgefordert, dies unbedingt ergänzen zu müssen, denn für Unternehmen mit zehn bis 50 Beschäftigten war kein Zuschussprogramm vorgesehen. Wir wussten auch, dass die Not im Hotel- und Gaststättengewerbe besonders groß sein wird. Deshalb haben wir einen Mittelstandssicherungsfonds aufgelegt, mit dem wir Darlehen mit langen Laufzeiten und zweijähriger Tilgungsfreiheit bei fünfjähriger Zinslosigkeit in den Markt gegeben haben. Dankenswerterweise haben viele dieses Angebot in Anspruch genommen.

Das Ergebnis heute ist, dass wir - Stand gestern Nachmittag - mit Bundes- und Landesmitteln gemeinsam über 610 Millionen € an Liquiditätshilfen in die Unternehmungen des Landes gegeben haben. Um die ungeheure Kraftanstrengung bewerten zu können, die dies auch für das Land Schleswig-Hol

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

stein bedeutet, sage ich: Von diesen 610 Millionen € sind 394 Millionen € Bundesmittel, aber fast 220 Millionen € sind aus Landesmitteln in Darlehen und in Zuschussprogramme für Unternehmen mit zehn bis 50 Beschäftigten geflossen.

Ich finde, das ist für ein Bundesland, das mit seiner Wirtschaftskraft nun wirklich nicht zu den größten der Republik gehört, und im Verhältnis zu dem, was andere machen, eine große Leistung. Das ist eine große Kraftanstrengung. Für diese und für die Unterstützung durch die Zurverfügungstellung der Mittel möchte ich mich beim ganzen Haus sehr herzlich bedanken.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Die Phase, in der wir diese Hilfen geben müssen, ist noch nicht zu Ende. Der Bund hat mit seinem Konjunkturpaket ein Überbrückungshilfeprogramm aufgelegt, das gut und richtig ist. Es ist aber leider nicht - wie ursprünglich vorgesehen - auf sieben Monate mit einer Gewährung von monatlich bis zu 50.000 € ausgelegt, sondern es ist verkürzt worden auf drei Monate und gestaffelt nach Betriebsgrößen. Für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern gibt es eine Höchstgrenze. Diese betrifft bei uns im Land 98 % der Unternehmen. Diesen Unternehmen werden nur bis zu 15.000 € gewährt. Das, meine Damen und Herren, wird für viele nicht reichen. Deshalb haben wir am Montag - auch in der Koalition gemeinsam gesagt: Wir müssen mehr tun und noch etwas auf das oben drauflegen, was der Bund hier bereits tut. Wir haben deshalb einen Härtefallfonds ins Leben gerufen, den wir mit 80 Millionen € ausstatten, um denen zu helfen, die entweder die Bedingungen des Bundes nicht erfüllen, weil sie in den Monaten April und Mai noch nicht in einer entsprechenden Lage waren, oder für die die Mittel des Bundes nicht ausreichen, weil ihnen durch die 15.000 € ihre Liquiditätssorgen nicht genommen werden. Das wollen wir erheblich aufstocken und bis zu 750.000 € an Darlehen oder an stillen Beteiligungen gewähren.

Ich danke der Koalition auch insoweit dafür, als sie dies möglich macht, weil ich glaube, dass es notwendig ist. Und, Kollege Hölck, wir machen das natürlich unter bestimmten Bedingungen. So schreiben wir in das Antragsformular hinein: Wer staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, der braucht an dieser Stelle keine Dividenden zu zahlen. Bei den Bedingungen, die Sie in Ihren Antrag hineingeschrieben haben, wäre ich dankbar gewesen, wenn das zu Ihren Bedingungen auch in Berlin zumindest zum Teil jemand mitgemacht hätte. - Das hat man

aber nicht, sodass wir das Bundesprogramm der Überbrückungshilfe selbstverständlich nach den Bedingungen abwickeln, die uns der Bund gesetzt hat. Insoweit läuft Ihr Antrag teilweise ins Leere.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie es mich so sagen: Man hätte in Berlin sicherlich auch andere Voraussetzungen schaffen können - wie gesagt -, beispielsweise dass man seine Unternehmungen nicht in Steueroasen hat oder dass man dafür sorgt, angesichts von Staatsbeteiligungen nicht große Ausschüttungen oder Dividendenzahlungen vorzunehmen; das versteht sich von selbst. Wir werden das wegen der langen Laufzeit unserer Darlehen mit der Möglichkeit der Vorfälligkeitsablösung kombinieren, und zwar entschädigungsfrei, damit man dann, wenn man sich wieder berappelt hat, gegebenenfalls in der Lage ist, den Gesellschaftern wieder etwas auszukehren.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zu der Branche, zu der Sie, Herr Hölck, noch einen speziellen Antrag gestellt haben, nämlich zum Schiffbau. Der geht es durch die Pandemie natürlich auch schlecht, weil das Arbeiten auf den Werften dort drüben mit Abständen von 1,5 m, jedenfalls im U-Boot-Bau, völlig unmöglich ist. Bei den anderen Werften bricht schlicht und ergreifend die Auftragslage weg, weil es niemanden mehr gibt, der die Schiffe abnimmt oder bestellt. Deshalb ist es wichtig, dass wir dafür sorgen, dass auch in diesem Bereich, der in unserer Industrielandschaft Schleswig-Holsteins eine große Rolle spielt, gegebenenfalls geholfen werden kann, und wenn das dadurch stattfindet, dass - das hat Herr Kollege Hölck zu Recht beantragt - die öffentliche Hand Aufträge vorzieht und schon jetzt Schiffe bestellt und in Auftrag gibt, damit diese frühzeitiger abgewickelt, gebaut und bezahlt werden können.

Diese Idee hatte Herr Hölck aber nicht alleine, sondern die hatten die Wirtschaftsminister der norddeutschen Länder bereits am 27. April dieses Jahres. Das haben sie in einem gemeinsamen Aufruf zusammen mit dem VSM und der IG Metall bereits Ende April 2020 gemeinsam mit dem Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums verhandelt. Sie haben dabei versucht, Forderungen umzusetzen, wie unsere Schiffsfinanzierungsmaßnahmen auch ins Großbürgschaftsprogramm des Bundes einbezogen werden können. Insofern, Herr Hölck, vielen Dank für den Antrag; aber er ist erledigt. Wir haben das bereits alles gemacht.

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss zu dem Bereich des Tourismus und der Gastronomie noch zwei Worte sagen. Auch in diesem Bereich sehen wir ein durchaus heterogenes Bild. In diesen Tagen erreichten mich Meldungen von den Hoteliers an den Küsten des Landes, die mir sagen: „Wir haben für den Juni, den Juli und den August Buchungslagen, die zum Teil 15 bis 20 % über der im Vorjahr liegen.“ Da tut sich also angesichts der Pandemie durch die Tatsache, dass wir nicht nur Übernachtungstouristen haben, sondern eben auch Tagestouristen, das eine oder andere Problem auf. Deshalb ist es gut und richtig, darüber nachzudenken, wie wir nach wie vor in der Lage sein werden, den Tagestourismus zu steuern und darauf zu achten, dass wir in bestimmten Hotspots in diesem Lande keine Menschenansammlungen haben.

Ob der eine das so und der andere das anders regeln will, ist mir als Tourismusminister dieses Landes herzlich gleichgültig; Hauptsache, es wird geregelt. Frau Poersch, wir haben im Ausschuss bereits darüber gesprochen. Das muss natürlich auf freiwilliger Basis geschehen. Ich finde es ausgesprochen gut, wenn eine Gemeinde oder eine Region, wie die lokale Tourismusregion Lübecker Bucht, über bestimmte Maßnahmen nachdenkt und sich fragt: Können wir Bewegungsströme nicht auch dadurch steuern, dass wir die Interessenten durch eine App informieren, aus der ersichtlich ist, wo etwas frei ist und wohin man reisen kann? Vielleicht lässt sich dann dort sogar noch etwas reservieren. Das ist moderner Tourismus. Und deshalb ist die Entwicklung einer solchen App aus meiner Sicht zu befürworten. Das unterstützen wir auch ganz kräftig mit Landesmitteln. Denn es ist unabhängig von der Pandemie eine Zukunftsentwicklung, die wir befürworten, beschleunigen und verstärken sollen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben denen, denen es an den Küsten so gut geht, gibt es aber gerade im Hotel- und Gastronomiebereich auch die andere Seite der Medaille. Das sind diejenigen, die in ihren gastronomischen Betrieben im Wesentlichen auf Veranstaltungen angewiesen sind, auf die Hochzeitsfeiern, auf den 90. Geburtstag oder auf eine abendliche Party mit besonders vielen Leuten, die viel trinken und essen. Das alles fällt aus.

In diesem Bereich, der gerade auch im Binnenland eine riesengroße Rolle spielt, haben wir alle eine

Aufgabe. Und da appelliere ich an Sie wie an die Menschen im Land: Lassen Sie es in diesem Jahr nicht zu einem Sterben der schleswig-holsteinischen Landgasthöfe kommen.