Protokoll der Sitzung vom 18.06.2020

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Sorgen wir durch unser eigenes Verhalten alle dafür, dass wir gerade diese Spezies der Betriebe in Schleswig-Holstein, die auch für die Kultur des Landes so wichtig ist, nicht nur insgesamt durchbringen, sondern dass wir sie in diesem Jahr, alle, die Sie hier Abgeordnete sind, wir in der Regierung, aber auch die Menschen draußen, während der Sommermonate mindestens einmal, besser zweimal besuchen, dort anständig essen gehen und für eine Umsatzsteigerung sorgen. Dieser Bereich macht mir größte Sorgen, denn im Bereich der Hotels und Gaststätten droht uns ansonsten ein größeres Sterben. Ich bitte Sie alle, hier mitzumachen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und Bei- fall Volker Schnurrbusch [AfD])

Der Herr Minister hat die vorgesehene Redezeit um 2 Minuten erweitert. Diese Zeit steht nun auch allen anderen Fraktionen zur Verfügung.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits am Anfang dieser Coronapandemie war sehr klar, dass wir nicht nur gesundheitspolitisch vor enormen Herausforderungen stehen; denn konsequenter Gesundheitsschutz und ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens, wie wir dies in 70 Jahren nicht hatten, würde zwangsläufig enorme Einschnitte bedeuten und große Teile unserer Wirtschaft und die Arbeitsplätze mit voller Wucht treffen.

Dennoch gilt nach wie vor: Der Weg war richtig. Wir haben in den letzten Wochen ja gesehen, dass man sagen muss: Es verbietet sich, Menschenleben gegen die Konjunktur aufzurechnen. Das ist ein Spiel, auf das man sich nicht einlassen darf. Vielmehr muss Gesundheitsschutz Vorrang haben.

Was die gesundheitlichen Folgen angeht, ist Deutschland bislang einigermaßen glimpflich davongekommen. Ich teile ausdrücklich Ihre Ein

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

schätzung, Herr Wirtschaftsminister, dass es dann, wenn man schon eine solche Krise erleben muss, besser ist, man erlebt sie in unserem Land, wenn man das einmal im Vergleich zu anderen Ländern sieht. Wir sollten also dankbar und zufrieden sein, dass das so ist. Das liegt übrigens zum Teil an der Bevölkerung, wie diese sich verhält, zum Teil aber auch daran, dass der Staat handlungsfähig ist und über Fraktionsgrenzen hinweg funktioniert.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dennoch muss man jetzt aufpassen, dass man es im Wettbewerb um Lockerungen nicht übertreibt. Der Blick nach Peking und auch ein Blick von anderer Warte - darauf komme ich noch zu sprechen - zeigt, dass das volatil ist.

Klar ist natürlich auch, dass der größere Teil der Herausforderungen, was die wirtschaftlichen Folgen angeht, noch vor uns liegt.

Der Spagat muss gelingen: Es gilt, akut bedrohte Existenzen zu sichern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Coronafolgen nicht zu einer überschweren Hypothek für die kommenden Jahre werden. Ich bin froh über die starken Impulse des Berliner Konjunkturpakets. Was diesen Spagat angeht, so werden wir morgen intensiv darüber sprechen. Kollegin Serpil Midyatli wird unsere Haltung dazu darlegen.

Es zeigt sich jedenfalls - auch, was die wirtschaftlichen Folgen angeht -: So schlecht war der Job nicht, den die Politik bisher gemacht hat. Ein starker Sozialstaat ist eben nicht Wachstums- und Innovationsbremse, wie viele meinen, sondern er sorgt in der Krise dafür, dass negative Folgen abgefedert werden können und Existenzen nicht binnen Wochen zerbrechen. Kurzarbeitergeld und ähnliche Maßnahmen sind extrem wichtig; sie haben sehr geholfen. Es ist gut, dass wir solche Möglichkeiten zur Verfügung haben und nicht in der Situation sind, in der einige andere Länder sich befinden.

(Beifall SPD)

Wir haben auch in Schleswig-Holstein gemeinsam, über Fraktionsgrenzen hinweg, frühzeitig die Weichen gestellt und auf die Krise reagiert. Ich bin stolz darauf, dass meine Fraktion eine ganze Reihe von Impulsen einbringen konnte. Herr Wirtschaftsminister, Sie haben die Unternehmen mit über zehn Mitarbeitern erwähnt. Zur Überbrückung drohender Förderlücken haben wir Vorschläge gemacht. Für die bedrohten Schausteller und viele andere Berufs

gruppen haben wir ebenfalls Unterstützungsmaßnahmen angeregt. Das war richtig so.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Investitionsbank bedanken, die in den vergangenen Wochen enormen Einsatz gezeigt haben, um der Antragsflut Herr zu werden. Das alles war nicht alltäglich.

(Beifall SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Am Anfang hat es etwas gehakt; aber man muss feststellen, dass es erheblich besser geworden ist.

Die bisherigen Zahlen zeigen, dass die Soforthilfeprogramme von Bund und Land sowie der Mittelstandssicherungsfonds bei Weitem nicht ausgeschöpft sind. Aber auch die bisher ausgezahlten rund 620 Millionen € sind schon eine enorme Summe.

Da sich in der Öffentlichkeit Stimmen mehren, die die Frage stellen, ob das sinnvoll sei oder nicht, und die mit Blick auf die vermeintliche Generationengerechtigkeit gern zum Sparkurs zurückkehren wollen, will ich betonen: Das Gegenteil von Generationengerechtigkeit wäre ein Sparkurs, der zu Verwerfungen führte, an denen wir viele Jahre zu leiden hätten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Konjunktur wieder in Gang kommt, dass Wachstum stattfindet, Arbeitsplätze gesichert werden und Zukunft stattfinden kann. Insofern ist jeder Euro, der hilft, Arbeitsplätze zu retten, Existenzen zu sichern und Innovationsfähigkeit zu schaffen, ein gut investierter Euro. Dazu bekennen wir uns ausdrücklich.

Lassen Sie mich auch ein Wort zu denen sagen, die die Hilfen missbrauchen: Das passiert, wenn man unbürokratisch handelt. - Das sollten wir übrigens tun. Wir sind aufgefordert, schnell zu handeln und zu helfen. Es nützt ja nichts, wenn wir ewig brauchen. - Aber diejenigen, die andere betrügen, die Hilfe des Gemeinwesens in Anspruch nehmen, die sie nicht brauchen und für die sie nicht anspruchsberechtigt sind, sind ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Solchen Fällen muss konsequent nachgegangen werden. Hilfe für diejenigen, die sie brauchen, ist notwendig. Diejenigen, die sie nicht brauchen, sollen auch keine bekommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir sind in vielen Dingen miteinander sehr einig, Herr Minister; wir haben ja auch vieles gemeinsam beschlossen. Trotzdem haben wir das eine oder andere zu bemängeln, was nicht so gut geklappt hat.

(Dr. Ralf Stegner)

Über die Sinnhaftigkeit einer Sand- oder StrandApp will ich jetzt nicht reden. Man hätte auch eine App für Pleiten, Pech und Pannen entwickeln können, wenn man sich ansieht, wie es an der einen oder anderen Stelle gelaufen ist. Ich muss schon sagen: Unmittelbar vor Einführung der Maskenpflicht einen verkaufsoffenen Sonntag einzuführen war nun wirklich eine Schnapsidee sondergleichen. Es hat sich übrigens gezeigt, dass die Bevölkerung Schleswig-Holsteins, auch die meisten Geschäftsinhaber, sehr viel vernünftiger waren, als einige dachten. Herr Minister, Sie hatten quasi paternalistisch eine Verkaufslenkung vor nach dem Motto: Der Onkel Wirtschaftsminister sagt euch, wie es am besten geht. - Das fanden selbst Teile Ihrer Koalition nicht sinnvoll, wir übrigens auch nicht. Deshalb ist das ja abgelehnt worden.

Der Stufenplan der Landesregierung für den Tourismus war im Grundsatz eine gute Idee. Allerdings waren am Ende wenig Stufe und wenig Plan zu sehen. Dann ging es eben doch wieder nach dem Motto: Schneller! Weiter! Höher!

Herr Minister, die Akzeptanz von Regeln ist deutlich besser, wenn man die Kommunikation einigermaßen auf einer geraden Linie hält und nicht einen Zickzack-Kurs fährt, bei dem die Menschen am Ende nicht mehr wissen, was sie davon halten sollen.

Ich finde überhaupt, dass Gemeinsamkeiten notwendig sind. Herr Ministerpräsident, ich habe mit Interesse Ihren Appell vernommen, es müsse Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern geben. Mein Eindruck ist allerdings, dass auch Schleswig-Holstein das Ziel, gemeinsam vorzugehen, inzwischen verlassen hat. Nicht einmal von der norddeutschen Gemeinsamkeit ist noch viel zu sehen. Das ist bedauerlich. Gerade im Hamburger Rand ist es den Bürgern schwer zu erklären, dass auf der anderen Straßenseite, wo das andere Bundesland beginnt, die Dinge komplett anders gehandhabt werden. Dort ginge mehr Gemeinsamkeit, und diese wäre auch sinnvoll.

(Beifall SPD)

Gerade jetzt, in der Sommerzeit, muss es die Landesregierung auf die Reihe kriegen, dass Vorgaben frühzeitig, verständlich und ohne innere Widersprüche bei Kommunen und Unternehmen ankommen.

Zum Tourismus und zur Gastronomie wird meine Kollegin Regina Poersch nachher noch ein paar Sätze mehr sagen. An dieser Stelle will ich schon feststellen: Das ist für uns eine enorm wichtige Branche. Nicht nur, weil ich Gastwirtssohn bin, weiß ich, wie die Verhältnisse dort sind. Wir haben uns

intensiv bemüht, gerade den Gastwirten zu helfen; denn sie spielen in unserem Land eine besonders große Rolle.

Ein gastfreundliches Land hat natürlich Mühe, den Leuten zu erklären: „Jetzt kommt bitte nicht!“ Leider sind die Kommunen mit der Umsetzung der Regelungen manchmal alleingelassen worden. An der Ostseeküste war das teilweise sehr schwierig.

Wir wissen auch, dass die Regelungen allein nicht ausreichen. Die Leute müssen auch wieder Lust haben, die Gastronomie aufzusuchen und dort ihre Feiern stattfinden zu lassen. Insofern ist noch vieles gemeinsam zu tun.

Herr Minister, es ist sehr wichtig, dass wir auch Zeichen von Optimismus setzen. Wir alle gemeinsam sollten verdeutlichen: Es geht wieder nach oben, auch wenn die Dinge sich nicht gleich komplett normalisieren - das werden sie so schnell nicht -, was Masken und Abstände angeht.

Mich hat sehr beeindruckt, was manches kleine Unternehmen in diesem Land spontan auf die Reihe bekommen hat, um Dinge zu regeln und die Vorgaben umzusetzen - gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das alles leisten müssen.

Einen Punkt möchte ich hervorheben, wenn wir hier mit Plexiglasscheiben sitzen und einige von uns sich über unsere Verhältnisse beklagen: Das, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land leisten - teilweise unter deutlich schwierigeren Bedingungen! -, verdient unsere Anerkennung. Auch das sollten wir hier erwähnen.

(Beifall SPD, CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Fraktion hat zwei Anträge vorgelegt, die hier mit beraten werden. Zum einen wollen wir eindeutige Regeln haben für Unternehmen, die jetzt Staatshilfe erhalten. Es ist niemandem zu erklären, dass Unternehmen, die massiv Staatsgeld bekommen, gleichzeitig Dividenden ausschütten oder gar Boni an Manager zahlen. Dass Sie in diesem Punkt die Bundesregierung kritisiert haben, nehme ich als Werbung für unseren Antrag.

(Christopher Vogt [FDP]: Nein!)

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass niemandem geholfen wird, der sich mittels Steueroasen aus der Verantwortung zieht. „Steueroasen“ ist übrigens ein falsches Wort; es müsste eigentlich „Gerechtigkeitswüste“ heißen. Es wäre wirklich daneben, solchen Unternehmen zu helfen. Das Bei

(Dr. Ralf Stegner)

spiel Lufthansa zeigt, dass es nötig ist, Einfluss zu nehmen und auch darauf zu drängen, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und nicht abgebaut werden. Deswegen finde ich es schade, dass in dem Alternativantrag von Jamaika just diese beiden Punkte fehlen, die wir, wie ich finde, richtigerweise angesprochen haben. Nur derjenige, der sich an die Regeln hält, sollte Hilfe bekommen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, aber die Regeln macht der Bund!)

Lassen Sie mich noch etwas als Nachtrag zu der gestrigen Debatte über die Fleischindustrie sagen: Die war kaum zu Ende, als wir gehört haben, was bei Tönnies in NRW wieder los ist. Dann hinzugehen wie Ministerpräsident Laschet und zu behaupten, daran seien die rumänischen Arbeiter Schuld, ist echt eine Frechheit. Das zeigt aber wieder einmal, dass die Unternehmen sich an die Dinge halten müssen, die wir ihnen sagen. Das müssen wir hier auch im Interesse der Beschäftigten anmahnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?

Wenn Sie die Uhr anhalten - sehr gern.