Protocol of the Session on January 23, 2019

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um seine ehemalige Abgeordnete Dr. Rosemarie Fleck, die am 13. Januar 2019 im stolzen Alter von 97 Jahren verstorben ist.

Die 1921 in Halle an der Saale geborene DiplomKauffrau erlebte das Ende des Zweiten Weltkrieges in Leipzig. Dort war sie von 1943 bis 1948 als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Weltwirtschaft tätig. 1950 folgte die Promotion am Kieler Institut für Weltwirtschaft mit einer Arbeit zur Frage der amerikanischen Stahlkapazität. Nachdem sie drei Jahre lang als freie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Apothekerkammer Schleswig-Holstein beschäftigt war, entschied sich Frau Dr. Fleck 1953 aus familiären Gründen dafür, Hausfrau zu sein.

Ihren Weg in die Politik fand Dr. Rosemarie Fleck durch den langjährigen Direktor des Instituts für Weltwirtschaft, Prof. Dr. Fritz Baade, der nicht nur ein hoch anerkannter Wissenschaftler war, sondern als ehemaliger Reichstagsabgeordneter, Delegierter auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und Bundestagsabgeordneter auch ein prägender sozialdemokratischer Politiker.

Von 1967 bis 1971 gehörte Frau Dr. Fleck als Mitglied der SPD-Landtagsfraktion dem SchleswigHolsteinischen Landtag an. Hier wirkte die enge Weggefährtin Jochen Steffens in einer ganzen Reihe von Ausschüssen mit, unter denen ich den Finanzausschuss sowie die Ausschüsse für Wirtschaft und für Volkswohlfahrt ganz besonders erwähnen möchte.

Mit großer Beharrlichkeit und Akribie brachte sich Dr. Rosemarie Fleck in die Arbeit des in der 7. Wahlperiode eingesetzten Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Situation an der Universitäts-Frauenklinik in Kiel ein. Hier war sie nicht nur treibende Kraft hin zur Einsetzung des Ausschusses, sondern auch entschiedene, unbeirrbare Streiterin in der parlamentarischen Untersuchungsarbeit.

Meine Damen und Herren, wir erinnern uns heute in Dankbarkeit an Dr. Rosemarie Fleck, die eine selbstbewusste, kämpferische Parlamentarierin war. Unser Mitgefühl gilt ihren Angehörigen und insbesondere ihrem Sohn, dem ich im Namen des ganzen Hauses unsere tiefe Anteilnahme ausspreche.

Ich bitte Sie, einen Moment innezuhalten im Gedenken an die ehemalige Abgeordnete Dr. Rosemarie Fleck. - Sie haben sich erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln:

Zu den Tagesordnungspunkten 6, 24, 31, 32 und 39 ist eine Aussprache nicht geplant.

Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 5, 18, 19, 29, 35, 38, 40, 41, 42, 43 und 45.

Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 4 und 9, Einführung einer pauschalen Beihilfe für gesetzlich krankenversicherte Beamtinnen und Beamte und Wahlmöglichkeit bei der Krankenversicherung schaffen, die Tagesordnungspunkte 14 und 23, Gewalt gegen Frauen entschlossen entgegentreten und Geschlechtssensible Asylverfahren umsetzen, die Tagesordnungspunkte 26 und 33, Bericht zu Naturkindergärten und Einführung einer verpflichtenden Kita-Datenbank, sowie die Tagesordnungspunkte 28 und 37, Zugang zu Schwimmunterricht in Schleswig-Holstein stärken und Schwimmausbildung in Schleswig-Holstein fördern.

Anträge zu einer Fragestunde liegen nicht vor.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 18. Tagung.

Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr, am Freitag mit einer einstündigen Mittagspause bis voraussichtlich 17 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages gemeinsam mit mir Schülerinnen und Schüler des RBZ Wirtschaft Kiel, Anwärterinnen und Anwärter und Auszubildende des Amtsgerichts

Kiel sowie Vertreter der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde Neuer Fahrplan der Landesregierung für die Windenergieplanung

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1190

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Oppositionsführer Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Unglück, vor dem wir heute stehen, begann im Landtagswahlkampf 2017. Der CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther war auf der Suche nach Themen mit Skandalisierungspotenzial, und es folgten großspurige Versprechungen zur A 20, zu den Kommunen, zur Kita-Politik, zu Straßenausbaubeiträgen und, ja, auch zur Windplanung: größere Abstände, weniger Belastung, alles wird besser bei der Küstenkoalition, und Energieziele wie das Zweiprozentziel werden erreicht. Wir sollten beim Klimaschutz auf Kurs bleiben, und die wichtige Windbranche sollte keine Einbußen hinnehmen.

Das ist eine Quadratur des Kreises, die von Anfang an utopisch war. Wir haben darauf hingewiesen, und während Sie sich wegen Ihrer gebrochenen Versprechen zur A 20 mit flapsigen Bemerkungen, dass diese endlich bis 2030 fertig werde, durch die Neujahrsempfänge witzeln, muss man sagen: Sie haben bei den Planungen die der Küstenkoalition komplett über den Haufen geworfen und alles zurück auf Anfang gesetzt.

Wir wundern uns bis heute, dass die Grünen sich haben vor diesen Karren spannen lassen. Sie hatten das ja nicht versprochen. Nur muss ich Ihnen ehrlich sagen: Jetzt ist das ernüchternde Ergebnis, vor dem diese Koalition nach eineinhalb Jahren steht, eines, das auch Sie mit zu verantworten haben werden. Nur eine Woche nach dem Ende der Beteiligungsfrist für die ohne Not vom Zaun gebrochenen neuen Pläne mussten Sie jetzt einräumen, dass es mindestens eine weitere Auslegungsphase braucht. Die braucht es nach so kurzer Zeit.

Entweder wussten Sie das schon vorher und haben es verschwiegen, oder Sie haben schon beim ersten Blick in die Einwendungen den Murks erkannt.

(Präsident Klaus Schlie)

Beides wäre ein politisches Debakel, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Dazu sollten Sie sich heute einmal klar äußern, was das denn nun heißt.

Dann kommen wir einmal zum Thema Dialogkultur. Schon das Verfahren, in dem Sie den Kriterienkatalog für die zweite Phase beschlossen haben, war bemerkenswert - ein Deal, im Koalitionshinterzimmer ausgeklüngelt, der Öffentlichkeit im Hauruck-Verfahren präsentiert - so sieht bei Ihnen Dialogkultur aus.

Wir waren ganz überrascht, dass Sie im Herbst für Informationsveranstaltungen der Landesplanung sage und schreibe bisher 100 € ausgegeben haben. Sonst sind Sie in derartigen Fragen doch nicht so zurückhaltend, wie wir wissen. Auf unsere Nachfrage dazu haben Sie uns schwarz auf weiß gesagt: Nein, es gebe keinen Bedarf. Bei über 5.000 Einwendungen, die bis zur letzten Woche eingegangen sind, dürfte auch dem Letzten in der Koalition auffallen, dass eine solche Argumentation daneben ist, wenn man keinen Dialog führt.

(Beifall SPD)

Mögen diese 5.000 Einwendungen auch etwas weniger sein als beim ersten Planentwurf der Küstenkoalition, so ist die Zahl umso bemerkenswerter, weil wir die Bürgerinnen und Bürger intensiv beteiligt haben. Sie hingegen haben die Beteiligung deutlich erschwert. Wer auf Fehmarn wohnt - das sollen ja einige Beteiligte sein -, kann sich die ausgedruckten Pläne nicht einmal vor Ort anschauen, sondern fährt eine knappe Stunde bis zur Kreisverwaltung nach Eutin, um sich das anzuschauen. Das heißt bei Ihnen Bürgernähe, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zurufe CDU)

Auch das Parlament wird von Ihnen reichlich dürftig informiert. Im September 2018 werden die Pläne veröffentlicht. Im Dezember 2018 wird erstmals der Innenausschuss, also auch wir als Abgeordnete, informiert. Da kann ich nur sagen: Schönen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das Dialogkultur sein soll!

(Beifall SPD)

In Kürze läuft das vierjährige Moratorium zur Windkraft aus, mit dem wir dafür sorgen wollten, dass es eine anständige Planung gibt, dass gleichzeitig Rechtssicherheit da ist und die Energiewende nicht beschädigt wird. Jede weitere Verlängerung

muss sachlich begründet werden. Ich fürchte, Herr Ministerpräsident, wenn Sie nur sagen, ich habe den Mund zu voll genommen, wird das dem Gericht als Begründung nicht ausreichen. Sie müssen sich also schon etwas Intelligenteres einfallen lassen. Ich bin sehr gespannt, was das denn sein soll.

Ansonsten droht uns Folgendes: Wenn das Moratorium erfolgreich beklagt wird, bevor rechtssichere Pläne vorliegen, stürzt Ihr ganzes Kartenhaus ein. Dann haben wir überall in Schleswig-Holstein Wildwuchs. Dann werden auch die wohlmeinenden Menschen die Akzeptanz der Windenergie verlieren, und dann öffnet das überall in Schleswig-Holstein Tür und Tor für die Populisten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das wäre eine Katastrophe für die Energiewende, für die Windbranche, für viele Arbeitsplätze im Norden.

Ihre Antwort darauf sind Ausnahmegenehmigungen. Das Wort heißt übrigens „Ausnahmegenehmigung“, nicht Regelgenehmigung, und auf keinen Fall möglichst viel. Aber Sie schaffen damit Fakten, bevor rechtssichere Pläne vorliegen. Es ist das Gegenteil einer einheitlichen, transparenten und nachvollziehbaren Planung. Das ist Willkür. Das sorgt für Unverständnis, und wie wir aus Gutachten wissen, hat das womöglich sogar finanzielle Folgen, auch für das Land, die Sie zu verantworten haben.

Selbst wenn man das fragwürdige Verfahren im Moment einmal außer Acht lässt, eine der Hauptforderungen des Oberverwaltungsgerichts war die Einheitlichkeit der Planung. Ich formuliere das einmal sehr diplomatisch, Herr Ministerpräsident. Damit ist es bei Ihnen nicht weit her. In Ihren Entwürfen sind Flächen eingeplant, die nicht dabei waren. Wenn man das liest, stolpert man darüber. Da könnten gegebenenfalls Vorbehalte entstehen. Überraschung! Genau aus diesem Grund waren die Dinge auch nicht enthalten. Aber nur so kommen Sie auf Ihre Zahlen. Das ist wie bei den dubiosen Handyverträgen. Hinter dem Sternchen verbergen sich allerlei Tricksereien, und so ist das bei Ihnen auch. Nur so erreichen Sie nämlich das Zweiprozentziel. Ich dachte bisher, wenigstens die Grünen könnten rechnen. Sie haben ja eine Finanzministerin, die das kann. Ich dachte, Sie könnten das in der Koalition auch. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Man hat sehr stark den Eindruck, dass sich die Grünen haben hier über den Tisch ziehen lassen.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Quatsch!)

Der wahre Grund, die Windplanung der Vorgängerregierung über den Haufen zu werfen, Herr Minis

(Dr. Ralf Stegner)

terpräsident, waren die im wahrsten Sinne des Wortes windigen Versprechungen von Daniel Günther. Kein anderer Grund. Jeder wusste, wenn er sich auch nur fünf Minuten damit beschäftigt hat, dass das unhaltbar ist. Im Vergleich zu Ihnen, Herr Ministerpräsident Günther, war der Baron von Münchhausen geradezu ein Wahrheitsfanatiker, wenn man das einmal auf den Punkt bringt. Trotzdem hatten weder die Grünen noch die FDP den Mumm, die Pläne der CDU zu stoppen.

(Christopher Vogt [FDP]: Wieso sollten wir?)

Das fällt dieser Koalition nun mit Karacho auf die Füße. Sie stellen die Klimaziele aufs Spiel, während freitags die Schüler vor dem Landtag gegen die Klimakatastrophe demonstrieren. Das ist ein Fakt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie schlittern mit Ihrer Hinhaltetaktik in die rechtliche Grauzone, riskieren im schlimmsten Fall den Windradwildwuchs und erweisen damit den Menschen, die sich Sorgen über Windkraftanlagen vor ihrer Haustür machen, einen Bärendienst. Das ist das, was dabei herauskommt.