Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich. Nach Mitteilung der SPD-Fraktion sind folgende Personen erkrankt: die Kollegen Regina Poersch und Dr. Kai Dolgner. Wir wünschen gute Besserung!
Wegen auswärtiger Verpflichtungen ist für die Regierung Minister Jan Philipp Albrecht ab 15 Uhr beurlaubt, und die Abgeordnete Raudies hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung ab 15 Uhr verhindert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom Kreisbauernverband Segeberg den Präsidenten, Herrn Jens-Walter Bohnenkamp, und den Geschäftsführer, Herrn Lennart Butz. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Bitte begrüßen Sie ebenfalls Schülerinnen und Schüler der Boje-C.-Steffen-Gemeinschaftsschule aus Elmshorn aus dem schönen Kreis Pinneberg. Herzlich willkommen!
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich erteile somit das Wort dem Herrn Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Demonstrationen der Bäuerinnen und Bauern der letzten Wochen und Monate zeigen deutlich: Hier ist etwas auseinandergeraten. - Die Wahrnehmungen derer, die seit vielen Jahren in der Landwirtschaft für uns alle bereit sind, viel zu leisten und viel einzusetzen, um uns mit Lebensmitteln zu versorgen, und die Wahrnehmung derer in der Bevölkerung und unter den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die schlichtweg nur problematische Verhältnisse sehen und wahrnehmen und die Bäuerinnen und Bauern für diese Verhältnisse durchaus verantwortlich machen, machen deutlich, welche Veränderungen es braucht und dass es ein „Weiter so“ in der Landwirtschaft nicht geben darf.
Meine Damen und Herren, beide Wahrnehmungen haben einen wahren Kern, und beide sind sehr ernst zu nehmen. Vor allen Dingen ist es ernst zu nehmen, dass die Landwirtinnen und Landwirte sagen: So wie bisher kann es nicht weitergehen! Ein solches Auseinandergehen der Wahrnehmungen können wir nicht weiter hinnehmen.
Ich bin auch deswegen gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Haus zu der größeren Demonstration in Rendsburg gefahren. Ich glaube, es ist absolut richtig, dass wir hier in Schleswig-Holstein sehr deutlich gezeigt haben: Wir treten in den Dialog mit denjenigen ein, die sich dort zu Wort melden, mit den vielen landwirtschaftlichen Betrieben, ihren Familien, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Agrarwirtschaft, die deutlich machen: Wir haben eine schwierige Situation, weil die Betriebe an der Grenze des Leistbaren angekommen sind. Die Belastungen der Betriebe waren in den letzten Jahren sehr deutlich, und heute besteht eben nicht mehr die Möglichkeit, einfach immer wieder neu zu investieren, nachzubessern und neue Anforderungen zu erfüllen.
Gleichzeitig ist aber nicht nur auf dieser Demonstration, sondern auch in den vielen Gesprächen, die ich im vergangenen Jahr geführt habe, deutlich geworden, dass den Bäuerinnen und Bauern durchaus sehr bewusst ist, dass sie sich und ihren Betrieb verändern müssen, dass sie eine neue Zukunft suchen müssen und dass sie dafür gemeinsam mit uns an der Zukunft der Landwirtschaft arbeiten müssen.
Es ist deutlich geworden, dass diejenigen Betriebe, die bereit sind, Veränderungen mitzugehen; die bereit sind, mehr Tierwohl auch zum Beispiel im Sinne der vielen Beschlüsse, die hier im Haus dazu gefasst wurden, zu liefern; die bereit sind, den Gewässerschutz ernsthaft als eine Grundlage ihres landwirtschaftlichen Betriebs anzunehmen, wie es die Europäische Union schon seit einigen Jahren vorsieht; die bereit sind, gerade für den Klimaschutz etwas zu tun, unserer Unterstützung bedürfen und nicht unserer Verurteilung oder eines Bashings aus dem Internet. Dafür habe ich mich auf dieser Demonstration klar ausgesprochen.
Ja, für dieses klare Bekenntnis habe ich durchaus Kritik erfahren. Gerade jüngst, vor wenigen Tagen, habe ich ein Schreiben vom NABU erhalten, in dem mir vorgeworfen wird, dass ich dort diese klaren Worte ausgesprochen und sehr deutlich gemacht habe, dass wir die Finanzierung und die Förderung der Landwirtschaft weiterhin brauchen werden, dass wir sie ausbauen und auch umbauen müssen und dass es dabei eben nicht darum geht, die Landwirtinnen und Landwirte verantwortlich für das zu machen, was in der Landwirtschaft passiert und schiefläuft. Denn das Problem sind nicht die Bäuerinnen und Bauern, sondern es ist die Agrarpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte, die in die falsche Richtung geführt hat, und das insbesondere im Bund, meine Damen und Herren.
Ich habe dann die Empfehlung vom Kollegen Rickers bekommen, ich solle doch ein deutliches Signal setzen und insbesondere zum Beispiel bei der Düngeverordnung weitere Ausnahmen zulassen, um sozusagen ein „Weiter“ so wie bisher zuzulassen.
Meine Damen und Herren, das ist das Hauptproblem, dem wir gegenüberstehen, nämlich das „Weiter so“ der Agrarpolitik der letzten zehn bis zwanzig Jahre, das dazu geführt hat,
dass die Landwirte eben nicht wussten, was auf sie zukommt, dass ihnen versprochen wurde, es könne so weitergehen wie bisher, dass sie eben nicht Klarheit darüber bekommen haben, dass die Gewässer und die Böden nicht in dem Zustand sind, in dem
wir sie haben wollen, und nicht in dem Zustand sind, wie wir ihn in den 90er-Jahren verpflichtend beschlossen haben.
Seitdem laufen wir in der Bundesrepublik - ja, auch in Schleswig-Holstein - den Zielen hinterher. Deswegen ist es so katastrophal, wenn 2017 die Große Koalition in Berlin eine Düngemittelverordnung gegen den Widerstand der Wissenschaft und gegen den Widerstand der Opposition beschließt, obwohl deutlich gemacht wurde und auch deutlich war, dass diese eben nicht den Vorgaben der Europäischen Union entspricht und wir jetzt zwei Jahre später wieder in der gleichen Auseinandersetzung sind, weil erwartungsgemäß die Europäische Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof nicht nur verklagt, sondern auch eine Verurteilung erreicht hat.
Herr Minister, für einen Abgeordneten, der sich zugegebenermaßen nicht jeden Tag mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt, waren Sie eben so zu verstehen, als ob Sie eine unterschiedliche Meinung zu der des Kollegen Rickers hätten und als ob es eine Diskrepanz der Beurteilung der Frage: „Kann es so weitergehen wie bisher?“ auch in Schleswig-Holstein gebe. Vor diesem Hintergrund verstehe ich den Schwenk nicht, warum dann allein die Große Koalition in Berlin die Verantwortung für alles trägt, was da schwierig ist.
- Genau. Sie sehen es ganz recht, dass es in diesem Haus durchaus vorkommt, dass zwischen unterschiedlichen Farben einer Koalition die eine oder andere Meinungsverschiedenheit auftritt. Das ist überhaupt nicht problematisch, solange wir gemeinsam daran mitwirken, die Ziele, auf die wir uns gemeinsam geeinigt haben, zu erreichen.
In diesem Fall geht es darum, dass ich der Auffassung bin, dass wir als Landesregierung nach außen gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten nicht den Eindruck vermitteln dürfen, dass wir die Möglichkeit hätten, an der Stelle verbindliches EURecht abzuschwächen. Vielmehr müssen wir ihnen reinen Wein einschenken und ihnen deutlich machen: Es gibt Ziele, die wir vereinbart haben, und die müssen erreicht werden. Jetzt müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass diese Ziele Hand in Hand mit den landwirtschaftlichen Betrieben erreicht werden können.
Ich sage Ihnen auch dieses: Die Situation, die wir in der Großen Koalition im Bund haben, ist für uns Länder alles andere als einfach. Ich bin mehrere Male nach Berlin zitiert worden, um dort mit den beiden zuständigen Ministerinnen zur Düngeverordnung ins Gespräch zu kommen. Ich musste erleben, dass in diesen Sitzungen keine gemeinsame Linie zwischen den beiden Ressorts bestand und dass das Problem inzwischen über ein Jahr andauert, weil Entscheidungen nicht getroffen werden.
Wenn eines bei den landwirtschaftlichen Betrieben draußen wirklich problematisch ist, dann nicht, dass die Herausforderungen zu groß sind, sondern dass die Entscheidungen für diese Herausforderungen, nämlich sowohl die wirtschaftliche Zukunft der landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern als auch die Ziele beim Klimaschutz, beim Artenschutz, beim Gewässerschutz zu erreichen, immer wieder vertagt werden und nicht Klartext darüber geredet wird, wo wir in 20 oder 30 Jahren sein wollen. Das tun wir hier.
Das tun wir hier als Koalition vor allem auf eine Art und Weise, die geeignet ist, alle Beteiligten dabei ins Boot zu holen. Wir haben hier vor über einem Jahr gemeinsam mit dem Bauernverband, mit den Naturschutz- und Umweltverbänden, mit anderen Vertretern und gesellschaftlichen Akteuren im Land einen Dialogprozess in Gang gebracht. Gerade gestern Abend hatten wir eine weitere Werkstattrunde, zu der ich nach dem Plenum noch hingefahren bin. Wir sind in den Gesprächen durchaus an einem Punkt angelangt, an dem man sagen kann: Wir kommen vom Reden, vom Dialog ins Handeln, wir kommen dazu, dass wir tatsächlich gemeinsam eine Perspektive bieten, wie es im Land weitergehen
Die jungen Landwirtinnen und Landwirte sagen: Übernehme ich heute einen Betrieb, dann muss ich wissen, wofür ich in 20 Jahren noch meine Abträge zahle, welche Investitionen ich leiste. Ist das die Biogasanlage, die ich in Zukunft stärker mit Gülle befahre, damit eben sowohl dem Klimaschutz als auch dem Gewässerschutz ein Dienst erwiesen ist? Ist es das Vertragsnaturschutzprogramm zum Moorschutz, bei dem ich in der Lage bin, durch einen höheren Wasserstand deutlich mehr CO2 zu binden? Ist das möglicherweise sogar die Investition in eine Neuwaldbildung? Ist das möglicherweise in Zukunft eine andere Form des Wirtschaftens durch eine stärkere Fruchtfolge, durch ein Direktvermarktungssystem?
Es gibt also viele Fragen, die sich die Landwirtinnen und Landwirte stellen und die ganz konkret beantwortet werden müssen. Wir als Landesregierung müssen dann auch die entsprechenden Hebel in Bewegung setzen, um das im Rahmen der Möglichkeiten, die uns im Bundesrecht gegeben sind, dann auch umzusetzen.
Meine Damen und Herren, es ist absolut wichtig, dass wir eine intensive Diskussion miteinander führen. Wir sitzen hier zusammen in einem Boot. Das wissen beide Seiten ganz genau. Auch die Naturschutzverbände wissen es ganz genau. Ich war auf den Naturschutztagen der letzten beiden Jahre. Dort wurde immer wieder deutlich: Wir wissen, es kann nur mit der Landwirtschaft gelingen, dass wir die Ziele beim Klimaschutz, beim Artenschutz, beim Naturschutz erreichen, die wir uns gemeinsam vornehmen.