Protocol of the Session on September 22, 2017

Login to download PDF

Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle recht herzlich.

Wegen auswärtiger Verpflichtungen - Bundesrat sind beurlaubt Ministerin Dr. Sütterlin-Waack, Minister Dr. Buchholz und Minister Dr. Habeck.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Probstei in Schönberg sowie Gäste der Abgeordneten Anita Klahn aus dem FDP-Kreisverband Stormarn. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 und 6 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/150

b) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Abschaffung der Pflicht zur Erhebung von Beiträgen gemäß § 8 Absatz 1 KAG

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 19/159

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich höre und sehe, das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Grundsatzberatung. Die Antragsteller zu a) haben sich darauf verständigt, dass die FDP-Fraktion beginnt. Insofern hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Stephan Holowaty von der FDP-Fraktion.

Einen wunderschönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Besucher, herzlich willkommen an der sonnigen Förde! Wir haben es heute mal geschafft, zum Ende dieses Tagungsabschnitts auch mal ordentlich gutes Wetter zu bestellen.

Meine Damen und Herren, Jamaika macht sich mit diesem Gesetzentwurf auf den Weg, eines der größten Ärgernisse für die Menschen in Schleswig-Hol

stein aus der letzten Legislaturperiode zu beseitigen, nämlich die Straßenausbaubeiträge.

Es geht dabei - das sei vorausgeschickt - nicht um die berühmten 2,15 €, sondern es geht um echte Probleme. Jeder, der sich heute in den Kommunen mit kommunalem Straßenbau beschäftigt, weiß es. Straßenausbaubeiträge für die Anlieger sind eine ständige Quelle für Unfrieden, sind auch eine ständige Quelle von echten Härtefällen.

Die Menschen empfinden es als ungerecht und unverständlich, dass manch eine Gemeinde erst - so erscheint es jedenfalls vielen - jahrelang Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen verschleppt und dann nach teuren Ausbauten den Anliegern Gebührenbescheide und Beitragsbescheide zusendet.

Es geht dabei um junge Familien, die gerade eben ihr mit viel Mühe und Eigenleistung gebautes Häuschen beziehen und nach der horrenden Grunderwerbsteuer nun auch noch zusätzlich große Summen für einen plötzlichen Straßenausbau bezahlen sollen. Es geht um den mittelständischen Gewerbebetrieb, der sich plötzlich einer Millionenforderung gegenübersieht. Es geht um Senioren, die auch mit viel Mühe kurz vor dem Abbezahlen ihres Hauskredites stehen und von ihrer Bank aufgrund ihres Alters - Stichwort Bankenregulierung - keinen Kredit mehr für die Zahlung ihrer Straßenausbaubeiträge bekommen und deshalb plötzlich vor dem Zwangsverkauf ihrer Altersvorsorge stehen können.

Das, meine Damen und Herren, sind keine Horrorszenarien, das sind reale Szenarien, die wir in den letzten Jahren in manchen Gemeinden erkannt haben.

Meine Damen und Herren, es geht nicht um einen Pappenstiel, sondern es geht um Existenzen, es geht um Hoffnungen, es geht um Lebenspläne. Wollen wir wirklich, dass Menschen ihr mühsam gebautes und bezahltes Eigenheim plötzlich verkaufen müssen oder Angst haben, es verkaufen zu müssen und vor dem Ruin stehen, weil die Gemeinde die Entscheidung trifft, ihre Straße auszubauen? Das Eigenheim wird damit zum unkalkulierbaren Existenzrisiko. Dabei sollte es doch ein bedeutendes Standbein der Altersvorsorge sein.

Bereits in der letzten Wahlperiode - Sie wissen das - gab es hierzu eine öffentliche Petition mit Tausenden von Mitzeichnern und Unterstützern. Straßenausbaubeiträge sind also ein echtes Thema bei den Menschen im Land.

Schauen Sie in unser Land: Ob es Henstedt-Ulzburg ist oder Seedorf bei Bad Oldesloe, ob es Eck

horst ist, Groß Vollstedt oder Lübeck; alle Größen sind dabei. Straßenausbaubeiträge produzieren vor allem eines: wütende Bürger. Aus diesem Grund hat Jamaika das Ziel, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, aus eigener Verantwortung auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten. Es ist, so sehe ich es, die Verpflichtung der Gemeinde, für den Unterhalt und Ausbau der gemeindlichen Straßen zu sorgen. Und genauso sehen das auch die meisten Bürger in den Gemeinden. Gute Infrastruktur ist die Sache aller.

(Beifall FDP und CDU)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist - bei aller Kürze des heutigen Gesetzentwurfs - der Einstieg in das Ende der Straßenausbaubeiträge und damit eine wirklich gute Nachricht für die Menschen in diesem Land am heutigen Tag. Wir begeben uns heute auf einen Weg, mit dem am Ende Gemeinden und Bürger entlastet werden. Jeder, der den Finger am Puls der Sorgen der Kommunen hat, weiß ganz genau, dass der Gesetzentwurf, über den wir heute in Erster Lesung beraten, ein Einstieg ist. Wir wissen sehr wohl, dass die Kommunen viele Fragen haben und viele Fragen haben werden, die wir natürlich gut beantworten müssen.

Wir werden sicherstellen, dass es echte Wahlmöglichkeiten gibt. Wir werden sicherstellen, dass der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht zum Nachteil bei der Genehmigung von Kommunalhaushalten oder der Mittelzuweisung des Landes führt. Wir werden sicherstellen, dass Konsolidierungsgemeinden nicht schlechter gestellt oder gar bestraft werden. Konsolidierungsgemeinden brauchen unsere Hilfe und Unterstützung, meine Damen und Herren, nicht ein weiteres Verrotten ihrer Infrastruktur und ihrer Straßen.

(Beifall FDP und CDU)

Wir werden weiter sicherstellen, dass Fehlbedarfszuweisungen nicht mit dem Hinweis, „Ihr könntet ja Straßenausbaubeiträge erheben!“, gekürzt werden oder gar entfallen. Und wir werden sicherstellen, dass ein erneuertes, ein verbessertes Finanzausgleichsgesetz dafür sorgt, dass Gemeinden im ganzen Land ihre Infrastruktur in einem hervorragenden Zustand halten können. Darüber freue ich mich sehr. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort haben jetzt die Antragsteller zu b), also die AfD-Fraktion. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Vielen Dank, sehr geehrter Herr Holowaty, dass Sie dieses Thema so gut umrissen haben. Ich werde das unterstützen.

Straßenausbaubeiträge sind wichtig für die Kommunen; das ist richtig. Sie sind aber auch ein ständiges Ärgernis für die Bürger; denn Anlieger werden oft noch nach Jahren zur Kasse gebeten, um die Ausbesserung ihrer Wohnstraßen nachträglich zu finanzieren.

Mich hat es im letzten Jahr selber erwischt. Plötzlich wurden ein paar tausend Euro fällig. Und manche meiner Nachbarn traf es viel schlimmer. Da gab es Landwirte, die eine frisch asphaltierte Dorfstraße mitfinanzieren mussten, und zwar mit fünfstelligen Beiträgen, weil neben ihrem Wohngrundstück auch noch ihre Felder und Wiesen in die Berechnung einbezogen wurden, wenn auch mit einem geringeren Erhebungsschlüssel. Auch wenn der Landwirt gar keine Asphaltrennbahn zu seinen Äckern braucht, weil sein Traktor auch mit einem Feldweg zurechtkäme, muss er tief in die Tasche greifen.

Dasselbe Schicksal ereilt, beziehungsweise ähnliche Gebührenbescheide ereilen, auch ältere Mitbürger, die das Pech haben, dass ihr Altenteil auf einem großen Grundstück liegt. Ob und wie die Senioren die frisch aufgebesserte Straße überhaupt nutzen, spielt für die Bauämter keine Rolle. Leider kommt es dadurch immer wieder zu sozialen Härten für manche Anwohner. Gerade in ländlichen Regionen sind sie bereits durch den Preisverfall am lokalen Immobilienmarkt betroffen und werden durch die Erhebung von vierstelligen oder höheren Straßenausbaubeiträgen nochmals gebeutelt, was in solchen Fällen in einem krassen Missverhältnis zum Wert ihrer Immobilie steht.

Ein niedriges Einkommen kann in solchen Fällen gerade ältere Mitbürger vor existenzielle Probleme stellen. Doch gegen die gefürchteten Bescheide ist meistens kein Kraut gewachsen, denn das Kommunalabgabengesetz schreibt in Schleswig-Holstein die Erhebung von Beiträgen zwingend vor. Doch die Proteste von Bürgern gegen diese Form der Finanzierung nehmen zu. In Niedersachsen gibt es bereits 50 Bürgerinitiativen, die sich gegen die Bei

(Stephan Holowaty)

tragssatzungen ihrer Gemeinden zur Wehr setzen. In Schleswig-Holstein - wir haben es gerade gehört - gab es Petitionen, und der Eigentümerverband Haus & Grund bearbeitet Hunderte von Einsprüchen und Klagen von Bürgern.

Das ist kein Wunder, denn die derzeitige Rechtslage kann zu gravierenden Ungleichbehandlungen führen. Das beginnt bei der Tatsache, dass manche Gemeinden keine Beitragssatzungen haben. Wo solche Satzungen vorliegen, werden sie teilweise nicht oder nur intransparent umgesetzt. Manche Kommunen sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt ich finde: zu Recht -, dass die Instandhaltung der Straßen zunächst vernachlässigt wurde, um dann später die Kosten für eine viel aufwendigere Sanierung auf die Anlieger abzuwälzen.

Wie ist denn die Situation für Grundstückseigentümer? Für die erstmalige Erschließung eines Grundstücks muss bezahlt werden. Hinzu kommen die Belastungen durch die in Schleswig-Holstein sehr hohe Grunderwerbsteuer. Wir wissen: In Schleswig-Holstein ist das ein großes Thema. Genau wie die Straßenausbaubeiträge hat die AfD das in ihrem Wahlprogramm. Das ist übrigens weder rechts noch populistisch, sondern bürgernah, familienfreundlich und sozial gerecht.

(Beifall AfD)

Dazu kommen für den Eigentümer steigende Grundsteuersätze, und schließlich langen die Kommunen noch mit ihren Abgaben hin. Die Erhebung von Beiträgen sollte daher aus unserer Sicht nicht länger auf der Grundlage einer generellen Beitragspflicht, sondern im Rahmen einer Ermessensregelung durch die Gemeinden erfolgen. Ersatzweise könnten Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung gestellt werden, wie es Minister Dr. Garg im November 2016 in diesem Haus schon vorgeschlagen hatte. Eine solche Forderung könnten auch wir als AfD-Fraktion mittragen, wohingegen wir einen finanziellen Ausgleich, zum Beispiel durch die Anhebung der Grundsteuer, in einer Zeit steigender Steuereinnahmen selbstverständlich ablehnen würden.

Unser Antrag möchte diese generelle Beitragspflicht abschaffen und sie in das Ermessen der Kommunen stellen. Dies verschafft den kommunalen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern größere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Bemessung von Beiträgen, unterstreicht aber auch die Verantwortung der Gemeinden gegenüber den Bürgern zur spürbaren Abmilderung finanzieller Belastungen.

Denn die Kosten für Infrastrukturmaßnahmen bewegen sich am ehesten in einem verträglichen Rahmen, wenn eine regelmäßige Instandhaltung erfolgt. Hierbei stehen das Land und die Kommunen gleichermaßen in der Pflicht gegenüber uns Bürgern.

Die neue Kann-Regelung, die wir vorschlagen, ist bürgernah und flexibel. Daher beantragen wir die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da liegt er nun auf dem Tisch, Ihr Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, zwar nicht, wie in Ihrem 100-Tage-Programm versprochen, als Gesetzentwurf der Regierung, aber in kleinen Dingen sind wir großzügig.

(Zuruf CDU: Oh!)

Mit einer Abschaffung hat dieser Gesetzentwurf leider nichts zu tun; das hat sogar der Kollege Holowaty zugegeben.

(Beifall SPD)