Protocol of the Session on September 25, 2020

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Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Wir setzen die Tagung fort.

Nach Mitteilung der Fraktionen sind erkrankt: in der SPD-Fraktion der Abgeordnete von Pein, in der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordneten Dr. Bohn und Touré. Wir wünschen gute Besserung.

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind für die Landesregierung Frau Ministerin Sütterlin-Waack und Herr Minister Albrecht beurlaubt.

Nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtages hat die Abgeordnete von Kalben von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Ebenso hat der Abgeordnete Lukas Kilian von der CDU-Fraktion nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung unseres Landtages mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Alarmstufe Rot - Veranstaltungsbranche retten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2382

Veranstaltungen verantwortungsvoll ermöglichen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2453

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herrlich lockt der neue Tag. Viele von uns hatten in der Sommerpause die Gelegenheit, sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen, wie die Menschen und die Wirtschaft in Schleswig-Holstein die ersten Monate der Coronapandemie überstanden haben. Da gibt es die Eindrücke, die man aus Heimen hat, wo über Wochen Besuche nicht möglich waren,

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oder die Schilderung von Familien, die über lange Zeit Arbeit und Kinderbetreuung unter extremen Bedingungen stemmen mussten.

Aber wir haben in Gesprächen bei Firmen, Unternehmerinnen und Unternehmern festgestellt, dass Corona viele getroffen hat, und dabei manche härter als andere.

Wenn die Einschränkungen am Ende des Lockdowns nicht vorbei gewesen sind und jetzt immer noch andauern, gibt es kaum noch die Chance, verlorene Umsätze nachzuholen. Dadurch, dass angekündigt worden ist, dass es erst einmal keine weiteren Lockerungen gibt, bleibt es ein richtig großes Problem für die Veranstaltungsbranche. Die Unternehmen in diesem Bereich waren im März 2020 die ersten, die aufhören mussten, und sie werden mit ziemlicher Sicherheit die letzten sein, die zu so etwas wie einer Normalität, wenn es das in der Form überhaupt noch einmal gibt, zurückkehren können.

Anders als im produzierenden Gewerbe sind Veranstaltungen und Events nicht etwas, was man auf Lager legen und später verkaufen kann. Sie finden entweder statt oder die Umsätze gehen verloren. Das ist die bittere Realität, die trotz aller Kreativität, die es bei virtuellen Dingen, bei Konzerten in Parks und was es alles gegeben hat, sichtbar wird.

Die Produkte der Veranstaltungsbranche stehen regelmäßig im Mittelpunkt, die Branche selbst aber fast nie. Dabei wären ohne die hochprofessionellen Anbieter keine größeren Veranstaltungen möglich, kein Wirtschaftsevent, keine Messen. Das allein ist für die Wirtschaft unerlässlich. Erst recht für kleine und mittelständische Unternehmen, die es sich nicht erlauben können, das dauerhaft selbst vorzuhalten.

Aber auch das kulturelle Leben ist ohne professionelle Infrastruktur, Veranstalter und Dienstleister kaum vorstellbar. In der Veranstaltungsbranche sind in Deutschland mehr Menschen beschäftigt als in der Automobilindustrie, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir reden von Tausenden Arbeitsplätzen und Existenzen.

Meine Fraktion - und Sie sicher auch - möchte gern, dass es wieder Veranstaltungen geben kann, wenn die Umstände es zulassen. Das wird aber nur dann klappen, wenn bis dahin von der Branche noch etwas übrig ist. Darum brauchen wir dringend eine klare Perspektive. Wir freuen uns über jede innovative und kreative Lösung aus der Branche für Veranstaltungen, die trotz der widrigen Umstände möglich sind. Aber wir wollen auch keinen Wettlauf, bei dem Veranstalter aus der Not heraus zu Egoisten werden und derjenige durchkommt, des

sen Konzept gerade noch mit viel Trickserei den Vorgaben entspricht. Das ist nicht das, was wir uns wünschen.

(Beifall SPD)

Die Branche hatte schon Ende Mai 2020 zu Gesprächen eingeladen. Ich war mit der Kollegin Bockey unterwegs bei verschiedenen Runden, und wir haben dort diskutiert. Ich muss ehrlich sagen, die Branche hat am Anfang ein bisschen vermisst, dass der Dialog breit geführt wurde, wir sollten uns unbedingt daran beteiligen. Es braucht für Veranstaltungen Vorgaben im Land, die so einheitlich wie möglich sind. Jeder hat Verständnis, dass bei Hotspots besondere Vorsicht walten muss. Aber niemand kann verstehen, wenn die Planung dadurch erschwert wird, dass in drei Kommunen mit vergleichbar niedrigen Infektionszahlen drei komplett verschiedene Vorgaben gelten.

Wir müssen informelle Sicherheit für die Kommunen schaffen. Manche verweigern die Genehmigung aus Angst, Fehler zu machen. Es wäre natürlich schlecht, wenn nur da, wo wir gute City-Manager haben, etwas stattfinden kann und anderswo alles kaputtgeht. Es braucht daher einer breiten Informationskampagne. Sprechen Sie das in Ihren Wahlkreisen an, weisen Sie daraufhin, dass das Sozialministerium bei den Hygienekonzepten Beratung anbietet und man sich erkundigen kann, was in welcher Form möglich ist.

Außerdem brauchen wir Überbrückungshilfen. Ohne dem vorweggreifen zu wollen, was heute Nachmittag gesagt wird, bin ich schon optimistisch, dass wir im Oktober bei der Beratung des Nachtragshaushaltes eine solide Grundlage für Überbrückungshilfen für die Veranstaltungsbranche schaffen können.

(Beifall SPD)

Hinsichtlich der Großveranstaltungen brauchen wir auch bundesweit mehr Einheitlichkeit. Wenn ein Event in verschiedenen Bundesländern stattfindet und jedes Mal komplett neu konzipiert werden muss, weil es an die jeweilige Landesverordnung angepasst werden muss, dann ist das Kleinstaaterei, die uns meines Erachtens nicht hilft.

Corona wird von uns noch auf viele Monate Vorsicht und Zurückhaltung abverlangen. Die Landesregierung hat gestern noch einmal betont, dass es noch keine Zeit für Lockerungen ist. Vielleicht werden wir uns in der kalten Jahreszeit auch damit anfreunden müssen, auf einige der gewonnenen Freiheiten wieder verzichten zu müssen. Aber gerade

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(Dr. Ralf Stegner)

darum braucht es Lösungen für diejenigen, die den Preis zahlen, damit Gesundheitsschutz weiter Priorität hat.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Kultur ist ein altes Wort, aber Kultur ist ein Lebensmittel. Es sind ganz viele, die daran beteiligt sind: die Beleuchter, die Tontechniker, die Veranstalter, die Manager, alle möglichen Menschen, die größere wie kleinere Veranstaltungen durchführen. Wir wären deutlich ärmer, wenn wir diese Menschen nicht hätten. Sie sind oft nicht zu sehen, aber sie verdienen unsere Unterstützung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Stephan Holowaty [FDP])

Wir wissen, es gibt immer unterschiedliche Probleme, die gelöst werden müssen. Lassen Sie uns helfen, wo wir es können, damit das vielfältige Leben, das wir haben und unseren Touristen hier anbieten, wenn sie zu uns zwischen Nord- und Ostsee kommen, in allen Teilen des Landes weiter stattfinden kann.

Ich wäre sehr dankbar, das haben wir jetzt nicht weiter besprochen, wenn wir beide Anträge in den Ausschuss überweisen und dann mit dem Nachtragshaushalt im Oktober zu einer Lösung kommen. Das ist das, was ich Ihnen jetzt spontan empfehlen möchte, nachdem wir gestern miteinander gesprochen haben. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt FDP)

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben mir mitgeteilt, dass folgende Tagesordnungspunkte auf die Oktober-Tagung verschoben werden: Tagesordnungspunkt 22, Neue EU-Förderperiode gestalten!, sowie der Tagesordnungspunkt 29, Mündlicher Bericht zur aktuellen Ausbildungssituation in Schleswig-Holstein.

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Hartmut Hamerich das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronakrise hat alle Wirtschaftszweige bei uns getroffen, den einen mehr, den anderen weniger. Während es bei einigen schon wieder vorwärtsgeht, stagniert es bei der Veranstaltungsbranche immer noch. Herr Kollege Stegner hat es gesagt, das Eventmanagement, die Veranstaltungsbranche war first-in und wird last-out sein. Sie sind jetzt noch

betroffen und werden auch im nächsten Jahr noch betroffen sein.

Die erste Reaktion war, Veranstaltungen ab 1.000 Personen zu untersagen, ab dem 22. März 2020 gab es Kontaktverbote, und alle Veranstaltungen wurden unterbunden. Dieser Zustand hält de facto bis heute an, auch wenn es vereinzelte Ausnahmen durch Lockerungen oder juristische Winkelzüge gibt, siehe die NordBau in Neumünster.

Die Krise stellt die Betreiber von Messen und Veranstaltungen vor sehr massive Herausforderungen. Aktionen wie „7 Lights of Hope“, die Lübecker werden das mit dem Holstentor noch erinnern, zeigen, dass Menschen Veranstaltungen wollen und auch brauchen. Für Fachplaner ist es allerdings auch möglich, Konzepte zu erkennen, nur fehlen einheitliche Konzepte und Verordnungen, die bundesweit als Muster dienen könnten.

Die Veranstaltungsbranche ist eine sehr junge Branche, die gut ausgestattet und gut aufgestellt ist und auf sehr hohem Niveau Veranstaltungen durchführt. Das beginnt bei dem Dorffest und hört bei Weltmeisterschaften auf. Es sind Veranstaltungen mit einer tiefen Wertschöpfung.

Veranstaltungen sind vielseitig mit unterschiedlichen Gewerken. Wir haben es mit Ingenieuren zu tun. Wir haben es mit Technikern zu tun. Wir haben es mit Reinigungskräften zu tun. Vereine und Verbände sind dabei, Veranstaltungen durchzuführen. Wir haben es mit Catering zu tun. Das ist also ein ganz breiter Strauß.

Einheitliche Parameter, die meistens beachtet werden, sind: 1,50 m Abstand, Hygienekonzept für größere Veranstaltungen und die Nachverfolgbarkeit in unterschiedlicher Form; in der Regel geht es da um die Dokumentation. Bei den Abständen gibt es unterschiedliche Regelungen in den Landesverordnungen. Wir in Schleswig-Holstein haben ja die 1,50 m gehabt, in Hamburg waren es von Anfang an 2 m.

Uneinheitlich sind leider das Sicherheitsniveau, die Grenzwerte und die Art der Umsetzung. Strukturen und Details werden unterschiedlich betrachtet. Verordnungen werden zeitlich aktualisiert, aber auch nicht immer in die Öffentlichkeit getragen. Veranstaltungen in geschlossenen Räumen und Freiluftveranstaltungen werden unterschiedlich betrachtet, und es gibt unterschiedliche Vorgaben zum Datenschutz. Ich denke da auch an die Dokumentationspflicht. Der eine oder andere macht es richtig, aber der eine oder andere macht es auch falsch.

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(Dr. Ralf Stegner)

Faktisch ist das eine Art Berufsverbot für die Veranstaltungsbranche, das muss man klipp und klar sehen. Problematisch sind starre Obergrenzen bei Veranstaltungen ohne Anpassung an die Gegebenheiten, die man vorfindet. Die Gleichbehandlung der verschiedenen Veranstaltungsformate ist falsch. Hier muss differenziert werden, weil es wirklich völlig unterschiedliche Veranstaltungstypen gibt.