Wir kommen jetzt zur Aussprache der Regierungserklärung. Folgende Redezeiten wurden für die Fraktionen festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 14 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, NPD 12 Minuten. Die erste Runde wird eröffnet von Herrn Kollegen Gebhardt für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war‘s, Herr Ministerpräsident! Die 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtages ist fast Geschichte. Damit steht auch die letzte schwarz-gelbe Koalition Deutschlands vor dem Ende. So etwas nennt sich im Land des Automobilbaus „Auslaufmodell“. Ob sich die FDP nach dem Schokoladenriegelmodell „Raider/Twix“ demnächst umbenennt oder nicht, ändert an ihrem Aus wohl nichts mehr.
Aus eigenen Erfahrungen mit Umbenennungen, Herr Zastrow, weiß ich nämlich: Das funktioniert nur, wenn der Markenwechsel inhaltlich untersetzt ist. Die SED hieß schließlich PDS, weil sie nicht mehr die SED war.
Hier steht im Übrigen: „Heiterkeit vorprogrammiert“. Aus der PDS wurde DIE LINKE, nachdem aus der ostdeutschen eine gesamtdeutsche Partei geworden war.
Es geht weiter. Dass wir nicht mehr die SED sind, ist inzwischen selbst von der sächsischen CDU gewissermaßen amtlich bestätigt worden, zwar mit einer im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern jahrzehntelangen Erkenntnisverzögerung, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, im Jahr 2013 hat es auch bei Ihnen klick gemacht und wir haben gemeinsam die sächsische Verfassung geändert.
Eine seit einem Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution noch nie dagewesene Kooperation zwischen den politischen Polen des demokratischen Spektrums dieses Landes wurde Realität.
Ja, Teile meiner Fraktion und Partei waren in dieser Sache anderer Meinung, übrigens auch Abgeordnete von SPD und GRÜNEN. Der Abgeordnete Herr Kollege Schiemann von der CDU wiederum hatte stets durchblicken lassen, dass er eigentlich überhaupt keine Änderung der Verfassung wollte, und die FDP wollte eigentlich überhaupt keine Schuldenbremse, sondern ein Krawallthema für den Landtagswahlkampf: Seht her! Die LINKEN
Sachsens Linksfraktion und die LINKE in Sachsen können aber nicht nur kontroverser diskutieren als die politische Konkurrenz, sondern wir haben auch die stärkeren Nerven. Deshalb haben wir in Sachsen eine Schuldenbremse mit einem sozialen Ausgleich bei der Haushaltsaufstellung erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schwarz-Gelb hat die Jugendpauschale im Jahr 2010 um ein Drittel zusammengestrichen und damit in der Jugendarbeit gerade im ländlichen Raum großen Schaden angerichtet. Das ist schlicht unsozial und schwächt den ländlichen Raum.
(Beifall bei den LINKEN – Widerspruch bei der CDU – Alexander Krauß, CDU: Die Zahl der Stellen ist gestiegen in den letzten Jahren!)
Schwarz-Gelb hinterlässt uns ein Land, dessen Sozialstandards hinter denen von Brandenburg und Thüringen liegen und die im Gesamtländervergleich bestenfalls Mittelmaß und streckenweise Schlusslicht sind.
Sächsische Behinderte erhalten die niedrigsten Eingliederungsleistungen, Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfegruppen eine vergleichsweise niedrige Förderung. Das ist schlicht unsozial und dient nicht dem sozialen Zusammenhalt in diesem Land.
Schwarz-Gelb hat ein Standortegesetz produziert, das Behördenmitarbeiter zu sinnlosen Umzügen zwingt bzw. längere Arbeitswegen nötig macht und Menschen ohne Auto den Weg zum Amt erheblich erschwert. Das ist sozial ungerecht.
Sachsen braucht dringend die verfassungsmäßige Verpflichtung zum sozialen Ausgleich bei der Haushaltsaufstellung, damit nicht länger bei den Falschen gespart wird. DIE LINKE hat dafür gesorgt und eine bundesweit einzigartige Regelung durchgesetzt; denn wir sind 100 % sozial, und das erst recht in Sachsen!
Natürlich kam der Konsens in der Verfassungsdebatte auch deshalb zustande, weil wir Erzgebirgler – nicht wahr, Herr Flath? – nach dem Motto verfahren: In der Ruhe liegt die Kraft. Wir lassen uns bei ernsthaften Verhandlungen nicht von polemischen Phrasendreschern irritieren und gehen unseren Weg, begleitet von klugen Fachleuten und Unterhändlern.
Leider hat die schwarz-gelbe Verstocktheit bei der eigentlich selbstverständlichen Anpassung der Haushaltsordnung an die neue Verfassungsklage erneut gezeigt, dass Ihre politische Beziehungsfähigkeit noch auf sehr gerin
gem Niveau ausgeprägt ist. Lernen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, können Sie das nur in der Opposition. Uns als LINKE ist das klar.
Noch einmal zurück zu Ihnen, Herr Flath, dem konservativen Gewissen des Landtags. Sie müssen nach mir reden und ich deswegen vor Ihnen. Ich sage es aber trotzdem: Ich glaube, ich werde Sie demnächst im Sächsischen Landtag vermissen.
Nun kann man nicht behaupten, wir hätten uns wie ein älteres Ehepaar aneinander gewöhnt; denn dafür bin ich viel zu kurz in meinem Amt. Ich habe an Ihnen aber etwas schätzen gelernt: Auf Ihr Wort konnte man sich verlassen. Das bedeutet in der Politik viel, eigentlich sehr viel. Vielen Dank für die gemeinsame Zusammenarbeit im Landtag.
Zurück zur Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident. Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie nicht der landespolitische Lautsprecher in der Bundesrepublik sind. Ich will auch nicht darüber richten, ob Sie nicht ein bisschen sehr viel Zeit mit Softterminen verbringen, bei denen oft ergebnislose Kommunikationsfolklore im Vordergrund steht. Worum es mir geht, sind die harten Fakten Ihres Regierungshandelns, zum Beispiel der rüde Umgang mit den Staatsbediensteten.
Es ist doch kein Zufall, dass es 11 000 Widersprüche und 4 000 Klagen sächsischer Beamter gibt. Sie haben zu Beginn dieser Legislaturperiode eine – ich wiederhole: eine – konkrete Ankündigung gewagt. Sachsens Bestand an Landesbediensteten müsse bis zum Jahr 2020 auf 70 000 schrumpfen. Dabei haben Sie nicht an die Lehrer und Polizisten gedacht, die Sachsen braucht, von den Erzieherinnen ganz zu schweigen. Ein Kultusminister stürzte – mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Ein bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion trat zurück – das habe ich bedauert; denn unbeschadet aller Meinungsverschiedenheiten im Detail war Thomas Colditz zumindest ein guter Lobbyist in Sachen Bildungspolitik. Er hat einen guten Job gemacht.
Am Ende dieser Wahlperiode erscheint diese offensichtlich letzte CDU-geführte Regierung wie eine chaotische Reparaturbrigade ihrer selbst; denn alles, was sie gerade verspricht zu heilen, hat sie selbst verursacht. Dafür steht zum Beispiel die komplette Fehlplanung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2009 und 2010 und auch des Doppelhaushaltes für die Jahre 2011 und 2012, den Sie nun mit Ihrem Entwurf für die Jahre 2015 und 2016 vergessen machen wollen. Nachträglich ein paar Lehrer mehr, weil Unterrichtsausfall und Protest zu sehr drücken, ein Plan
Fast das gleiche Spiel beim Umgang der Regierung mit der Polizei: Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wird jahrelang mit Füßen getreten, und nun entdecken Sie rechtzeitig vor der Wahl, dass Sachsen mehr Polizeinachwuchs braucht. Sie reden von 400 im Jahr. Aus dem Altersdurchschnitt der sächsischen Polizei ergeben sich im Schnitt aber 500 Abgänge pro Jahr, Tendenz steigend. Einen Plan für die Polizei haben Sie also: die planvolle Schrumpfung.
Ich will bei keinem Thema Ihren Versuchen auf den Leim gehen, mich in kleinteilige öffentliche Zahlenstreitereien zu verstricken, welche die Leute nur verwirren, was genau Ihre Absicht ist. Das haben wir bei den Lehrern gerade erlebt. Es geht nicht um ein paar 100 Lehrer oder Polizisten mehr oder weniger, sondern darum, dass Ihnen die Innovation für eine nachhaltige Politik fehlt. Ihnen fällt schlichtweg nichts mehr ein.
Sie sind der Dinosaurier unter den Landesregierungen. Sie bestrafen Wasserkraftbetreiber mit einer existenzgefährdenden Abgabe und drängen die Windkraft zurück. Zugleich setzen Sie verstärkt auf den Klimakiller Braunkohle, nehmen 1 700 Menschen ihre Heimat und verwüsten ganze Landstriche,
(Alexander Krauß, CDU: Das ist ja fast wie in Brandenburg, wo es einen linken Wirtschaftsminister gibt!)
Während Brandenburg, Kollege Krauß, bei der Förderung erneuerbarer Energien nachweislich führend ist
und damit den mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, den wir wollen, ermöglicht, feiert in Sachsen die Braunkohlepolitik der DDR Wiederauferstehung. Wirklich peinlich, Herr Ministerpräsident!
Die CDU ist ausgelaugt. Als Kronzeugen darf ich einen renommierten Politikwissenschaftler aus Sachsen zitieren, der Ihr Parteibuch trägt: Der CDU fehlt das – Zitat – „Verständnis für das Lebensgefühl in den Großstädten“ sagte Prof. Patzelt. Recht hat der Mann. Ich sage allerdings: nicht nur in Bezug auf die Großstädte, sondern auf die Menschen in ganz Sachsen.
Wir erleben in dieser Woche eine weitere Protestwelle, die sich gegen die unzumutbaren Zustände in sächsischen Kindertagesstätten richtet.
(Widerspruch bei der CDU – Robert Clemen, CDU: Sie hätten mal zu DDR-Zeiten in die Kindergärten gehen sollen!)
Nun haben Sie, Herr Ministerpräsident, den Erzieherinnen und Eltern wieder einmal etwas versprochen nach dem Modell, das wir schon von den Schulen und von der Polizei kennen. Die CDU verspricht Reparaturen an den Schäden, die vorher von der CDU-geführten Staatsregierung durch Nichtstun selbst angerichtet wurden.