Protokoll der Sitzung vom 09.07.2014

Die letzten 25 Jahre waren in Sachsen in der Politik davon geprägt, den Mut aufzubringen, finanzpolitisch solide zu arbeiten. Das war mutig. Der nächste Mut, vor dem wir sächsischen Politiker stehen, ist der,

(Gitta Schüßler, NPD: … Sachsen endlich aufzulösen!)

dass wir den demografischen Rahmenbedingungen Rechnung tragen, dass wir Zuwanderung auch gestalten, und auf der anderen Seite aber auch zivilisatorisch, verfassungsrechtlich und gerne auch christlich unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden und das Wachsen als Gesellschaft, dass eben dann vielleicht doch ein modernes, demokratisches Völkchen am Fuße des Erzgebirges sein wird, betreiben.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es fehlt an Willen, nicht an Geld, hat der Herr Saft kommentiert. Das ist ein schlimmer Vorwurf. Aber er trifft zu. So wie ich diesen Haushaltsentwurf gelesen habe, ist er eine Aufforderung an die Bevölkerung, Herr Tillich, für die CDU einen tüchtigeren Koalitionspartner als jetzt dazuzuwählen – wenn sie nicht ganz von Ihnen lassen will. Aber: Sie sind beliebt, und deswegen glaube ich, dass das schon so ungefähr stimmt, was ich hier sage.

Vor diesem Hintergrund: Wir hätten uns mehr gewünscht zum Thema Solidarität, zur Barrierefreiheit zum Beispiel.

Da müsste man einen eigenen Budgetplatz schaffen; das ist wichtig. Die Jugendpauschale wäre wieder anzuheben, einen integrierten Taktfahrplan bei der Bahn zu haben. Es gibt richtige Verkehrslücken zwischen Riesa und Dresden, Dresden und Görlitz, Zittau und Cottbus, Leipzig – Plauen – Zwickau.

Natürlich auch ein Bekenntnis und auch eine menschliche Anerkennung für die Arbeit der Demokratieinitiativen gegen Rechtsextremismus. Die 3,3 Millionen Euro sind eine erfreuliche Bewegung, fünf würden besser tun.

(Zuruf von der NPD)

Von den Mitarbeiterinnen meiner Fraktion soll ich Ihnen ausrichten, Herr Tillich, dass Sie bitte nicht die Kinder, die sie haben, die die Mitarbeiter unserer Fraktion haben, als Ihren persönlichen Erfolg verbuchen.

(Leichte Heiterkeit)

Wir leben vielfältige Lebensentwürfe, und das hat nicht nur etwas mit Erziehungsgeld zu tun, und sind trotzdem kinderreich. Es gibt also auch andere Chancen und Möglichkeiten in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Also, ich soll das ausrichten, ich habe es gerne getan.

Ich wünsche mir mehr von dem Stanislaw Tillich, den ich hörte, als er nach Herrn Milbradt das Amt angetreten hat. Ich wünsche mir weniger von dem Stanislaw Tillich, den ich in den letzten fünf Jahren hier gesehen habe. Ich weiß nicht, ob man das so persönlich formulieren darf, aber ein Ministerpräsident gibt nun einmal die Richtlinien der Regierung vor, und das muss ja aus Ihrem Inneren kommen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Frau Kollegin Hermenau. Jetzt spricht für die NPD-Fraktion Herr Szymanski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie sprechen von einem soliden Fundament für eine erfolgreiche Zukunft in Ihrer Regierungserklärung. Ja, ein solches Fundament, ein solides Fundament, wäre hierfür nötig. Doch wer die Grundlagen und Perspektiven besieht, der stellt fest, dass Sie von Luftschlössern reden, die auf Sand gebaut sind.

Herr Tillich hat offensichtlich gerade seinen Platz verlassen – auch interessant im Umgang mit dem Parlament.

(Jürgen Gansel, NPD: Er muss ja auch nicht wiederkommen! Braucht eigentlich hier keiner!)

Die Regierungserklärung von Herrn Tillich war ein Versuch, die Bürger in eine Sorglosigkeit hineinzureden, für die es keine Veranlassung gibt; denn egal, auf welches Feld man blickt, wo auch immer man einen nicht nur oberflächlichen Blick hinwirft, zeigen sich Defizite auf,

die Anlass zur Sorge geben. Ich möchte Ihnen einige der wesentlichen Problemfelder aufzeigen.

Ist Ihnen, Herr Ministerpräsident – wo immer er auch gerade steckt –, bewusst, dass es in bis zu einem Viertel der sächsischen Gemeinden im ländlichen Raum kaum mehr möglich ist, vor Ort Waren des täglichen Bedarfs zu erwerben? Und ist diese Daseinsvorsorgewüste das Fundament, auf dem Sie weiter aufbauen wollen? Die NPD nennt ein derartiges Fundament nicht solide, sondern baufällig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der NPD)

Die Politik dieser Staatsregierung geht zulasten des Hauptfundamentes dieses Landes, nämlich der Sachsen. Das solideste Fundament – und das haben ja einige Vorredner auch schon gesagt –, das dieses Land besitzt, sind seine Einwohner. Nur drohen diese bis 2025 um bis zu 350 000 zu schrumpfen. Und was ist Ihre Antwort darauf? Sie sprechen von Entleerungsräumen, Rückbau und Zuwanderung. Hätten Sie, wie wir von der NPD, die Heimat im Herzen und die Zukunft wirklich im Blick, würden Sie dieses resignative Vokabular einer politischen Bankrotterklärung längst über Bord geworfen haben und stattdessen diese Heimatregionen nicht verloren geben, sondern zu Revitalisierungszonen erklären.

(Beifall bei der NPD)

Welches sind aber nun die Ergebnisse Ihrer jahrelangen Leuchtturmpolitik im Freistaat? Bruttowertschöpfung wie Bruttoentgelte liegen etwa ein Drittel unter dem Bundesdurchschnitt, die unternehmerischen Eigenmittel sogar fast 60 % darunter. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben liegen 65 % unter dem vergleichbaren Bundeswert.

Deutschlandweit unterdurchschnittlich ist Sachsen aber auch beim Bruttoinlandsprodukt, der Kaufkraft und dem Steueraufkommen. Beim Arbeitnehmerentgelt und dem verfügbaren Einkommen nimmt Sachsen die beschämenden Plätze 13 und 12 im bundesweiten Vergleich ein. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Altersarmut sind heute leider eine sächsische Realität. Aber das alles, Herr Tillich, wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, sondern Sie ruhen sich lieber aus auf Ihren vermeintlichen Erfolgen.

Doch es ist nicht allein die Altersarmut. Wenn man danach sucht, wo Sachsen über dem Bundesdurchschnitt liegt, möge man auf die Armutsquote mit 19,6 % blicken; diese ist in der Tat überdurchschnittlich. Der gemessen an der Kaufkraft im Ländervergleich ärmste Landkreis ist mit Görlitz in Sachsen zu finden. Welches solide Fundament für eine erfolgreiche Zukunft, Herr Ministerpräsident!

Herr Tillich, Ihr Fundament hält keinem Durchschnittsvergleich stand. Doch Sie suggerieren, als stünde der Freistaat an der Spitze. Deshalb ist Ihre Politik auch alles andere als glaubwürdig.

Solch prekäre Strukturdaten und eine derartig unterdurchschnittliche Regierung haben die Sachsen nicht verdient; denn die Sachsen an sich sind überdurchschnittlich, und zwar in ihrem Arbeitspensum, das 68 Stunden über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Das ideologische Fundament Ihrer Landespolitik, meine Damen und Herren, ist eine brüsselzentrierte MetropolenRegionen-Strategie, die regionale Disparitäten zulasten der ländlichem Räume willig hinnimmt. Doch was bedeutet das perspektivisch für unser Land, für unseren Freistaat Sachsen?

Die Struktur der sächsischen Wirtschaft weist eine langfristige Verschiebung zum Dienstleistungssektor aus, ohne dass allerdings Ihre Politik dahin geht, die schleichende Deindustrialisierung weiterer Regionen im Freistaat zu bekämpfen. Der Zuwachs der Beschäftigung, der sich also gerade auf diesen Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen fokussiert, ist daher kein solides Fundament und keineswegs nachhaltig zukunftsfähig. Die Staatsregierung sollte sich vielmehr endlich um die Wirtschaftsstruktur in den ländlichen Räumen kümmern.

Meine Damen und Herren, es wird gegenwärtig so oft von dem Fachkräfteproblem gesprochen. Herr Ministerpräsident, das allergrößte Fachkräfteproblem in Sachsen ist doch in Ihrem Regierungskabinett zu finden.

(Beifall bei der NPD)

Diese Erkenntnis ist auch ohne die in Sachsen fehlende Fachkräftestudie klar ersichtlich. Abgesehen davon handelt Ihre Regierung auch auf diesem Feld im Blindflug. Ihre Antwort auf drastische Reduzierung der Ausbildungsleistungen der noch ausbildenden Unternehmen, wie es beispielsweise eine Umfrage der IHK Leipzig ergab, oder der mangelnden Ausbildungsanstrengungen im Tourismusbereich ist lediglich ein fantasieloser, ideologisch völlig verfehlter Ruf nach einem Fachkräfteimport. Und dies ohne vorhergehende, mit den Berufs- und Hochschulplanungen korrespondierende Bedarfsstudie und bei gleichzeitiger Vernachlässigung jeglicher familienpolitischer Fördermaßnahmen. Fachkräfteimport

angesichts einer Schulabbrecherquote von 10 %, das ist ein Offenbarungseid, meine Damen und Herren.

Damit wären wir bereits auf dem Feld der bildungspolitischen Versetzungsgefährdung angelangt. Rücktritte im Ministerium und des langjährigen bildungspolitischen Sprechers Thomas Colditz in Ihrer Amtszeit sind wahrlich kein Ausweis von Solidität, Herr Tillich.

Immerhin gab es im Schuljahr 2012/2013 257 allgemeinbildende Schulen weniger, in denen unterrichtet wurde, als im Schuljahr 2003/2004. Auch der permanente Lehrermangel ist kein Novum, insbesondere bei den Ober- und Grundschulen.

Ein auf Korrekturbemühungen hinsichtlich der demografiebedingten sozialräumlichen Verwerfungen in der Bildungslandschaft ausgerichtetes Personalentwicklungskonzept? – Fehlanzeige. Einheitliche Schülerbeförde

rungssatzung in Sachsen? – Fehlanzeige. Elternbeitragslose Schülerbeförderung? – Ebenso Fehlanzeige.

In einer weiteren Diagnose möchte ich Ihnen aufzeigen, dass es auch im Gesundheitswesen an einigem krankt. Ich spreche hier nicht vom allseits bekannten Hausärztemangel, vom vorletzten Platz im Ländervergleich bei den Wartezeiten oder dem besonderen Ausdünnen der gesundheitlichen Versorgungseinrichtungen in Mittelsachsen, Bautzen oder der Sächsischen Schweiz.

Herr Tillich, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Sachsen heute über 32 Krankenhäuser und über 16 000 Betten weniger verfügt als noch 1991. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung stieg in dieser Zeit jedoch an, ebenso wie die Zahl der Diagnosefälle. Doch im laufenden Haushalt ist nicht einmal die Hälfte dessen für Krankenhausinvestitionen eingestellt, was nach deren Angaben vonnöten wäre, und dies angesichts eines bereits vorhandenen Investitionsstaus in dreistelliger Millionenhöhe. Diese Unterfinanzierung hat Auswirkungen auf die Betriebs- und Personalkostenfinanzierung, weshalb es nicht zuletzt zu einem ausnehmend hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung ausgerechnet im Gesundheitswesen kommt.

Meine Damen und Herren! Unterfinanziert sind allerdings nicht allein Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, sondern vor allem die Kommunen als dasjenige Fundament des Freistaates, welches für eine erfolgreiche Zukunft zuallererst solide gegründet sein sollte. Hier kann von einem soliden Fundament überhaupt keine Rede sein: Die Gesamtverschuldung der sächsischen Kommunen beläuft sich heute auf etwa 3,5 Milliarden Euro, wobei viele Schulden wenig transparent aus den Kommunalhaushalten in Beteiligungsunternehmen ausgelagert

wurden. Die schwachen Kommunalfinanzen, an denen nicht zuletzt die Staatsregierung aufgrund eines fehlerhaften Finanzausgleichgesetzes mit die Schuld trägt, hat die NPD immer wieder thematisiert.

Diese Tatsache führt zu einem ganz gravierenden Standortnachteil für Sachsen, nämlich den hohen Gewerbesteuerhebesätzen. Insbesondere kleinere Gemeinden sehen sich im Freistaat genötigt, ihre Hebesätze nicht nur für die Gewerbesteuer, sondern noch viel mehr für die Grundsteuer B im Vergleich zu anderen Bundesländern exorbitant hoch anzusetzen. Sachsen hat bundesweit den höchsten durchschnittlichen Grundsteuer-B-Hebesatz.

Angesichts dieser Heimatvergessenheit ist es kaum erträglich zu vernehmen, dass bei den jüngsten FAGVerhandlungen die Zuweisungen für Asylbewerber erhöht werden, anstatt einen rigorosen Aufnahmestopp an den Tag zu legen.

(Beifall bei der NPD)

Die künftige Zuweisung für Aufnahme und Unterbringung wird um 1 600 Euro auf nunmehr 7 600 Euro je Asylbewerber erhöht. Dabei ist dies nur der Landesanteil an den Kosten. Dadurch soll es zu Mehrkosten in Höhe von 42 Millionen Euro kommen. Auch angesichts der trotz verschwindend geringer Anerkennungsquote offiziell

erwarteten 100 Asylbewerberunterkünfte, die in Sachsen bis Jahresende errichtet sein sollen, ist das ein nicht zu verantwortender Skandal. Im Landkreis Görlitz kam es bereits im letzten Jahr zu einer Haushaltssperre, nur um die ausufernden Asylkosten tragen zu können – wohlgemerkt: durch einen CDU-Landrat.