Protokoll der Sitzung vom 07.05.2004

Herr Abgeordneter Dittes, bitte schön.

Herr Pietzsch, das ist zum Beispiel ein großer Irrglaube, ich trete auch für die Gleichstellung der Frauen ein und bin keine Frau.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Insofern kann ich wohl auch gegen die Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten sein, ohne selbst einer im persönlichen Leben zu sein.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Na, na, na.)

Meine Damen und Herren, Herr Zeh, Frau Arenhövel, wir hatten es gerade vom Glauben, wenn ich Ihre Redebeiträge so höre und ich wäre ein gläubiger Mensch,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Gott sei Dank nicht.)

würde ich sagen, die Büchse der Pandora wurde gerade geöffnet. Thüringen muss ja angesichts der Forderung von SPD, immerhin einer Volkspartei, der PDS, sie hat hier in Thüringen 20 Prozent, und der Grünen ja wirklich gerade vor dem drogenpolitischen Desaster stehen, Frau Arenhövel. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir Ihnen das in der letzten Debatte im Thüringer Landtag zu diesem Problem sachlich widerlegt haben. Aber Sie wollen unbedingt Recht haben ohne Recht zu besitzen. Da haben Sie sich offensichtlich bei Arthur Schopenhauer bedient, der ja mal Kunstgriffe veröffentlicht hat, um Recht zu behalten ohne es selbst zu besitzen. Ich habe Sie wiederentdecken können im Kunstgriff 35, der im Übrigen alle andern verzichtbar macht. Dort heißt es "Statt durch Gründe auf den Intellekt, wirke man durch Motive auf den Willen und der Gegner wie auch die Zuhörer, wenn sie gleiches Interesse mit ihm haben, sind sogleich für unsere Meinung gewonnen und wäre dieser aus dem Tollhause geborgt, denn meistens wiegt der Not Wille mehr als ein Zentner Einsicht und Überzeugung."

(Beifall bei der PDS)

Frau Arenhövel, das ist das Wesen ihres Beitrags gewesen und das ist das Wesen auch der Erklärung von Minister Zeh. Um es gleich am Anfang deutlich zu machen und auch keine Differenzen aufkommen zu lassen oder Unterstellungen mir hier gefallen lassen zu müssen, natürlich ist die PDS tatsächlich gegen den Drogenmissbrauch. Da ist, glaube ich, die tatsächliche Unterscheidung, die wir vornehmen müssen, aber darauf komme ich im Einzelnen zurück. Bloß wir müssen dort, wo es um den Gebrauch von Drogen geht - denn, Herr Zeh, eine drogenfreie Gesellschaft gab es noch nie und wird es auch nie geben, denken Sie an den letzten parlamentarischen Abend am gestrigen Abend - einen anderen Umgang finden, nicht nur in der Politik, sondern wir müssen den Menschen selbst einen anderen persönlichen selbstbewussten Umgang ermöglichen.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie haben ja Ihren Antrag diesmal nicht mit den klassischen Argumenten begründet, zumindest schriftlich nicht, Herr Zeh hat Ihnen die Arbeit abgenommen. Er hat die ganzen klassischen falschen Argumente wiederholt. Sie haben geschrieben: "Aber 10.000 Jugendliche seien bundesweit wegen ihrer Abhängigkeit von dieser Droge in Behandlung." Das ist natürlich, Herr Panse, Sie wissen das, absoluter Unfug. Erstens sind nicht 10.000 Jugendliche wegen ihrer Abhängigkeit in Behandlung, aber es ist in der Tat so, dass mehr als 10.000 Jugendliche in Behandlung sind. Der größte Teil von diesen über 10.000 Jugendlichen, die sich in Behandlung befinden, befinden sich nicht wegen des Cannabis-Konsums selbst in Behandlung, sondern befinden sich in psychosozialer Behandlung, weil sie ein Problem mit legalen Drogen haben, mit Medikamenten, mit

Alkohol, aber zudem noch ein Cannabis-Beikonsum festgestellt wird.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Haben Sie nicht die Drogen als...)

Dort ist nicht der Cannabis-Konsum ursächlich für die Behandlung, sondern er wurde nur im Rahmen der Behandlung selbst dargestellt. Aber, Herr Panse, ich gehe davon aus, dass Sie auch noch zu diesem Thema reden, es gibt tatsächlich auch einen Teil von Jugendlichen, die als Hauptgrund für ihre Behandlung den Cannabis-Konsum tatsächlich haben. Da gibt das Institut für Therapieforschung in München auch Zahlen heraus. Die Zahlen bewegen sich gegenwärtig zwischen 3.000 und 4.000. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen doch auch fragen, mit welcher Problematik diese Jugendlichen sich tatsächlich in der Drogenberatung, Drogenbehandlung befinden. Da sagen die Drogenberater selbst, dass nicht der Konsum ursächlich für die Probleme ist, die dann zur Beratung führen, sondern der größte Teil der Jugendlichen Drogenberatungsstellen aufsuchen, weil sie Probleme mit der Justiz haben, weil sie Probleme mit dem Entzug des Führerscheins haben und der allergrößte Teil dieser Jugendlichen begibt sich in Beratung, weil es eine gerichtliche Verpflichtung ist. Ohne dass sie selbst Probleme bei sich ausmachen, ohne dass selbst Probleme vorhanden sind, die therapiebedürftig sind, verpflichten Gerichte Jugendliche, sich in Drogenberatung zu begeben, und das ist eben auch Hintergrund dieser Zahlen, die Sie versuchen, hier als Beleg für Ihre absurde Behauptung über die Gefährlichkeit des Cannabisgebrauchs darzustellen. Aber - und ich glaube, wir müssen hier auch ehrlich diskutieren und damit habe ich keine Not - es befinden sich natürlich auch Jugendliche wegen Cannabisgebrauch in stationärer Behandlung. Das sind bei 1.000 Konsumenten 1,1 Menschen.

In Holland - um Ihnen das noch mal als Beispiel zu nennen -, wo ja die Drogenpolitik, Herr Zeh, gescheitert ist, sind pro 1.000 Konsumenten 0,9 Konsumenten in Behandlung. Ich muss mich korrigieren, das ist natürlich die Zahl der ambulanten Behandlung und Beratung. Die Zahlen der stationären Behandlung weisen beim Cannabis-Konsum pro 1.000 Konsumenten 0,049 Konsumenten aus. Ich will Ihnen den Vergleich nicht ersparen, wie sich die Zahlen beim Alkoholmissbrauch oder Alkoholgebrauch darstellen. Dort haben wir im Bereich der ambulanten Behandlung und Beratung einen Anteil von 2 Konsumenten pro 1.000 Konsumenten und bei der stationären Behandlung sogar von 0,62; also 40 mal so viel Konsumenten von Alkohol befinden sich in Relation zu den eigentlichen Konsumenten in stationärer Behandlung wegen des Gebrauchs einer legalen Droge als beispielsweise wegen des Gebrauchs einer illegalen Droge wie Cannabis. Dieses Beispiel und auch die 70.000 Toten im Jahr, die im Zusammenhang mit Alkoholvergiftungen ihr Leben lassen mussten, zeigen doch schon deutlich, dass die qualitative Bewertung dieser Drogen sich nicht einzig und allein am Strafrecht oder am Bundesbetäubungsmittelgesetz orientie

ren kann. Es muss doch andere Kriterien für diese Einordnung geben und dann letztendlich auch einen anderen Umgang in der Politik herbeiführen. Herr Zeh, ich fand es skandalös, dass sich ein Sozialminister genau bei dieser Frage hier hinstellt und bezeichnet Alkohol als weiche Droge. Das finde ich skandalös.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt tatsächlich zwei Kriterien für die Unterscheidung von harten und von weichen Drogen und es sind nämlich keine politischen Kampfbegriffe, die dort in die Debatte eingeführt worden sind. Die Unterscheidung in harte und weiche Drogen fällt wirklich sehr leicht, denn die wesentlichsten Kriterien sind deren Abhängigkeitspotenz und deren dauerhaft zerstörende Wirkung auf den Körper. Wenn beides oder auch nur eines dieser Kriterien erfüllt ist, dann spricht man von einer harten Droge, und das ist eben bei Alkohol, bei Nikotin, aber auch bei Heroin der Fall. Ist beides - ich betone -, beides gering bis gar nicht ausgeprägt und gar nicht vorhanden, dann sprechen wir von weichen Drogen und das ist nun mal bei Marihuana und bei allen Cannabis-Produkten der Fall, die gewonnen werden. Das ist nun auch keine politische Erfindung, die die PDS hier in die politische Debatte mit einbringt, sondern - Herr Zeh, ich gehe davon aus, dass Sie dieses Buch nicht kennen "Auswirkungen des Cannabis-Konsums", sonst hätten Sie eine solche Rede hier nicht halten können, aber dieses Buch empfehle ich Ihrem Haus sehr dringend. Das ist die so genannte Kleiberstudie. Auftraggeber war Horst Seehofer, CSU-Bundesgesundheitsminister, im Jahr 1996 und diese Studie wurde 1997 veröffentlicht. Das sind nicht - Frau Arenhövel, bei allem Respekt gegenüber Ihren erwähnten Journalisten - journalistisch arbeitende Menschen, die diese Studie erarbeitet haben, sondern das sind in vielfältigen Themenbereichen arbeitende Wissenschaftler. Da Sie mir ja und der PDS und der SPD und den Grünen in diesem Zusammenhang nicht glauben, will ich Ihnen tatsächlich aus dieser wissenschaftlichen Studie/Expertise einige Zitate darlegen. Wie gesagt, ich empfehle Ihnen, die Langfassung dann im eigenen Haus selbst nachzulesen. Dort heißt es beispielsweise im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit, beeinträchtigt durch den Cannabis-Konsum: "Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse muss die allgemeine Annahme, dass der Konsum von Cannabis eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich zieht, zurückgewiesen werden. Belege für eine schädigende Substanzwirkung von Cannabis lassen sich nicht finden. Auf der anderen Seite gibt es auch Hinweise dafür, dass der Konsum von Cannabis sogar positive Konsequenzen haben kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Cannabiskonsum bleibende kognitive Beeinträchtigungen nach sich zieht" - ganz im Gegenteil zu Ihrer Aussage, Herr Zeh -. "Psychische Abhängigkeit wird mit einem starken psychischen Bedürfnis nach periodischem oder dauerndem Genuss der Droge zur Erhöhung des Wohlbefindens tatsächlich beschrieben, aber es gibt keine Abhängigkeit, die sich selbst aus der Substanz ableiten lässt. Der Konsum von Cannabis" - wird ausgeführt in der Klei

berstudie - "führt keineswegs zwangsläufig zu einer psychischen Abhängigkeit, es kann jedoch zu einer Abhängigkeitsentwicklung kommen. Eine solche Abhängigkeit vom Cannanbistyp kann jedoch nicht primär aus den pharmakologischen Wirkungen der Droge erklärt werden, ohne vorab bestehende psychische Stimmungen und Probleme zu berücksichtigen." Das zeigt doch schon mal deutlich, wo die eigentliche Diskussion auch gerade im Hinblick auf die Beratungsfälle ansetzen muss. Wir müssen schauen, wo Jugendliche überhaupt motiviert werden, Drogen zu konsumieren zur Lösung von Problemen, weil dort tatsächlich der Missbrauch anfängt und wo die Grenze vom Gebrauch überschritten ist.

Meine Damen und Herren, es versteht sich doch von selbst, dass wir in dieser Bundesrepublik - und wir sind doch ein zivilisiertes Land - nicht Menschen, die abhängig von harten Drogen, also krank im medizinischen Sinne sind, als Straftäter behandeln. Es sollte sich doch auch von selbst verstehen, meine Damen und Herren, dass wir Menschen, die weiche Drogen, die nicht abhängigkeitspotent sind und die keine langfristige gesundheitsgefährdende oder gesundheitsverändernde Wirkung haben, an ihre Freunde abgeben, nicht zu Straftätern in diesem Land machen. Das muss doch der Grundgedanke von Drogenpolitik in diesem Land sein. Ihre Politik ist doch gescheitert, Herr Zeh, aber auch die Politik der Bundesregierung, die ja bis jetzt die Legalisierung auch noch fordert, aber noch nichts unternommen hat, ist doch gescheitert auch angesichts der Zahlen, die Sie selbst genannt haben. 42 Prozent haben Erfahrung mit weichen Drogen. Das konnte ein Verbot nicht verhindern und Studien belegen, dass die Konsumquote in den USA um das Doppelte höher liegt als in Holland bei einer ungleich höheren Strafzumessung, die droht, wenn man mit Cannabis-Produkten erwischt wird. Dort ist die angedrohte Strafe sogar lebenslänglich und in Großbritannien, wo sich die Strafverfolgung auch noch restriktiver vollzieht, ist der Cannabis-Konsum noch mal ungleich höher. Wir können im Vergleich dieser vier Länder Bundesrepublik, Großbritannien, USA und Niederlande feststellen, dass in dem Land, wo es eine entkriminalisierte Situation gibt, der Gebrauch der weichen Droge Cannabis am geringsten ist, der regelmäßige Gebrauch am geringsten ist und auch der einmalige Gebrauch am geringsten ist. Das muss uns doch zu denken geben.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: So etwas Schwachsinniges!)

Wie bitte? Das ist kein Schwachsinn, alle Untersuchungen, die sich damit auseinander setzen, haben dies belegt. Ich will in diesem Zusammenhang noch auf das irrigste Argument eingehen: Cannabis als Einstiegsdroge. Dort kommt die Studie zu dem Ergebnis: "Diese These muss nach Analyse der vorliegenden Studien zurückgewiesen werden." Zurückgewiesen werden - Kleiber kommt nicht zu dem Ergebnis, es wäre nicht feststellbar, sondern er weist diese These definitiv zurück und schreibt dann weiter: "Opiatabgängige Personen haben tatsächlich in der Regel

zuvor Cannabis als erste illegale Droge konsumiert, ebenso wie Cannabis konsumierende Personen in der Regel vorher legale Drogen wie Alkohol und Tabak konsumiert haben. Hieraus ist aber nicht abzuleiten, dass Cannabis zu dem Konsum härterer Drogen führt. Sicher auszuschließen ist die These, dass die Substanzwirkung selbst für ein späteres Umsteigen verantwortlich ist. Möglicherweise" - meine Damen und Herren - "fördert auch die nach wie vor vorhandene Illegalität eine gewisse Assoziation zu anderen illegalen Drogen." Da, Herr Zeh, will ich Sie eindrücklich warnen, Sie haben die Zahl genannt: 42 Prozent der Thüringer Jugendlichen - haben Sie gesagt - haben Cannabis konsumiert. Und diesen 42 Prozent, die Erfahrungen gemacht haben, die dieser Studie widersprechen, sagen Sie, dass Cannabis eine selbe Gefährlichkeit aufweist wie tatsächlich abhängigkeitspotente, wie tatsächlich gesundheitsgefährdende Drogen, eben Heroin. Sie vermitteln dadurch das Bild, dass die gemachte Erfahrung bei Cannabis auch auf Erfahrungen bei Heroin übertragbar ist, und Sie treiben sie tatsächlich dazu, dass Cannabis zur Einstiegsdroge wird. Aber das liegt nicht im Cannabis selbst, das liegt nicht in der Substanz, das liegt auch nicht in einer wie auch immer gearteten Drogenkarriere, sondern das liegt an einer Gleichsetzung von absolut ungleichen Produkten, die letztendlich auch einen unverantwortlichen Umgang mit Jugendlichen in diesem Land zum Inhalt hat.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, man mag bei der Diskussion um die Legalisierung von weichen Drogen sich gern in den Reihen der Konservativen darauf konzentrieren, dass letztendlich nur diese Forderung erhoben wird. Aber die PDS, Frau Arenhövel, hat eine Reihe von damit im Zusammenhang stehenden Forderungen erhoben und die, bitte, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, weil die gehen in einer tatsächlichen Antidrogenpolitik noch sehr viel weiter, noch sehr viel resoluter vor, als das Ihre Positionen hier darstellen konnten. Das heißt nämlich als erste Forderung, gezielter Abbau von Desinformationen und Vorurteilen über Rauschmittel durch eine öffentliche Informationskampagne, und zwar durch Fachleute, meine Damen und Herren, und nicht durch die Politik, die andere Interessen verfolgt, um überhaupt einmal Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, entsprechend auch tatsächlichem Wissen selbstbestimmt mit sich umgehen zu können. Das heißt als Zweites, absolutes Werbeverbot für sämtliche Drogen, also auch Alkohol, Nikotin, Medikamente, Kaffee, Tee und andere Rauschmittel. Das heißt, dass ein absolutes Abgabeverbot für Jugendliche unter 16 Jahren für alle Drogen, ungleich legal oder illegal, durchgesetzt wird. Und das heißt eben auch in der Konsequenz, dass frei zugängliche Zigarettenautomaten aus der Öffentlichkeit verschwinden müssen.

(Beifall bei der PDS)

Das heißt auch, sofortige Legalisierung natürlich von Cannabis und dafür bei der dann legalisierten Abgabe sollte natürlich eine Beratungspflicht verbunden sein und auch

nicht jeder soll zum Händler werden können, wie Sie das möglicherweise unterstellen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Wahnsinn!)

Das heißt natürlich auch eine Entkriminalisierung des Konsums harter Drogen, weil, ich habe es schon gesagt, die Konsumenten oder Abhängigen harter Drogen sind keine Kriminellen, sondern sind wie Kranke zu behandeln. Das heißt eben auch, dass entsprechende Therapieangebote auf freiwilliger Basis ausgebaut werden müssen. Meine Damen und Herren, es gibt viel zu tun in der Drogenpolitik. Der Ansatz der CDU-Fraktion ist der falsche. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Panse, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Dittes, selbst wenn ich es gar nicht gewollt hätte, Ihre Rede hätte mich garantiert hier nach vorn getrieben, um etwas dazu zu sagen. Es war vergleichsweise wenig Neues, was Sie gebracht haben. Das Allermeiste von dem, was Sie gesagt haben, kann man ja sogar auf der Internetseite der PDS-Jugend nachlesen. Sie haben es absatzweise wortgleich vorgetragen. Sie haben aber einige Punkte herausgelassen und darauf werde ich nachher gern noch eingehen und sie Ihnen auch noch vorhalten, vielleicht Sie auch um eine Stellungnahme bitten.

Sehr geehrte Damen und Herren, der eben vom Minister für Soziales, Familie und Gesundheit gehaltene Sofortbericht bestätigt für uns, für die CDU-Fraktion, die dramatische Entwicklung des Konsums der so genannten legalen und illegalen Drogen. Der gerade erst im letzten Monat von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vorgelegte Drogen- und Suchtbericht bestätigt dies ebenfalls. Sie wissen vielleicht, dass dieser Bericht den Schwerpunkt auf die Besorgnis erregende Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen legt. Anlass für uns, dass wir uns zum wiederholten Mal heute hier mit dem Thema auseinander setzen, bietet u.a. auch die europäische Schülerstudie zu Alkohol und Drogen und eine Befragung von Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen in Thüringen. Diese Studie, und darauf ging am Rande Herr Dr. Zeh schon ein, weist darauf hin, dass 30 Prozent der unter 15-jährigen Jungen und 26 Prozent der gleichaltrigen Mädchen bereits Cannabis-Erfahrung haben. Mit 14 Jahren geht es also in der Regel los und hinter Alkohol und Zigaretten kommt Cannabis an dritter Stelle und nimmt eine ausgesprochen dominierende Rolle unter den illegalen Suchtmitteln ein. Es ist deswegen, denke ich, legitim, dass wir uns mit diesem Thema auseinander setzen und es ist konsequent, nach

dem wir uns gerade erst vor einigen Wochen hier im Thüringer Landtag mit dem Alkohol- und Tabakmissbrauch beschäftigt haben. Herr Dittes, vor diesem Hintergrund ist es eben nicht richtig, dass wir uns nicht mit Alkohol und Tabak auseinander setzen. Wir haben dies getan und es ist konsequent, dass wir dies auch mit den illegalen Drogen tun.

Zu Cannabis verweist darüber hinaus eine Broschüre der Thüringer Koordinierungsstelle Suchtprävention AGETHUR und der AOK auf die Gesundheitsgefährdung, auf Gesundheitsgefährdungen, die objektiv bestehen. Diese Broschüre, die 2004 nun schon zum dritten Mal in einer dritten Auflage vertrieben wird und inzwischen mit 20.000 Stück aufgelegt ist, kann ich nur ausdrücklich Kindern und Jugendlichen, aber auch vor allem Eltern empfehlen und sicherlich auch dem einen oder anderen Oppositionspolitiker hier im Haus. Ich finde diese Broschüre ausgesprochen anschaulich gemacht und sie erklärt, worum es dabei geht, auch in verständlicher Form. Vielleicht auch in verständlicher Form, Herr Dittes, für den einen oder anderen aus Ihren Reihen.

Alle diese drei von mir aufgeführten Dokumente sollten, wenn sie gelesen und - ich hatte es auch gesagt - verstanden werden, durchaus PDS, Grüne und auch die SPD in Teilen zu einer Umkehr in ihrer Drogenpolitik bewegen,

(Beifall bei der CDU)

denn es war von Frau Kollegin Arenhövel schon gesagt worden, Liberalisierung und Legalisierung sind der falsche Weg. Dies bestätigt, das hat Herr Dr. Zeh gesagt, auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Und es ist, finde ich, umso schlimmer, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung damit nicht einmal mehr flächendeckend bei der SPD durchkommt. Nun mag der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium persönlich eine andere Auffassung dazu haben, aber als SPD-Landesvorsitzender trägt er ein Stückchen Verantwortung mit für das, was in einem SPD-Wahlprogramm steht. Ich denke, der aktuelle Beschluss der SPD, und da formuliere ich jetzt richtig, zur Entkriminalisierung von Konsumenten von Cannabis-Produkten, der spricht an dieser Stelle Bände.

(Beifall bei der CDU)

Denn wir müssen uns ja eines vor Augen führen: Was heißt denn, so wie es die SPD in ihrem Wahlprogramm beschreibt, der Besitz von Kleinstmengen zum Eigenverbrauch? Kleinstmengen zum Eigenverbrauch, das war, glaube ich, schon gesagt worden, umfasst eine ziemliche Spannbreite. Das wird in einigen Bundesländern bei 6 Gramm festgelegt, in anderen Bundesländern bei 30 Gramm. Und was das beispielsweise für die SPD heißen kann oder was es vielleicht auch heißen wird, hat gerade der rotrote Berliner Senat in der letzten Woche gezeigt. In Berlin wurde auf Antrag der Grünen in der letzten Woche am 29.04. ein Beschluss gefasst, wo eben genau die

se Grenze bei 30 Gramm gezogen wurde, eine Grenze, die ich für falsch und unangemessen halte, eine Grenze, wie sie im Übrigen auch in anderen Ländern besteht. Minister Zeh hatte auf Schleswig-Holstein hingewiesen. Ich halte dies für falsch und für die CDU-Fraktion können wir deutlich sagen: Mit uns wird so etwas nicht zu machen sein.

(Beifall bei der CDU)

Das Betäubungsmittelgesetz ist nach meinem Dafürhalten mit seiner Regelung in § 31 a, der das Absehen von Strafverfolgung regelt, völlig ausreichend. Es kann, und das sage ich deutlich, es muss aber nicht bei Kleinstmengen von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Das so genannte Karlsruher Haschisch-Urteil, Minister Zeh hatte es angesprochen, welches nun exakt zehn Jahre alt ist, hat auch gar nichts anderes angeregt, sondern es hat darüber hinaus noch eine bundesweit einheitliche Regelung gefordert. Fakt ist für mich, es müssen Programme bei den Jugendlichen ansetzen, die erstauffällig geworden sind und denen die Chance auf Aussetzung zu einer Strafverfolgung durchaus anzubieten ist und die diese Chance auch annehmen können. Ich bin dankbar dafür, dass die Anregung der CDU-Fraktion vom November letzten Jahres vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit aufgegriffen wurde und nunmehr das Programm "Frühintervention erstauffälliger Drogenkonsumenten" zum 1. April gestartet wurde. Dieses Programm, davon bin ich fest überzeugt, zeigt den richtigen Weg auf. Denn nach der Erstauffälligkeit, in der Regel bei Feststellung durch die Polizei, erfolgen über dieses Programm Hilfeangebote. Anknüpfend an das erfolgreiche Drogerieprojekt in Thüringen wurden dafür auch die richtigen Partner gefunden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die vorhin schon zitierte europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen stellt heraus, dass 30 Prozent der 15- bis 16-Jährigen Cannabis-Erfahrung haben und 44 Prozent der Jugendlichen auch in Thüringen die Beschaffbarkeit von Cannabis als leicht einschätzen. Erschreckend ist für mich noch eine andere Zahl aus dieser Studie. Das gesundheitliche Risiko bei regelmäßigem Cannabis-Konsum wird nur von der Hälfte der Jugendlichen als hoch eingestuft, wohlgemerkt, bei regelmäßigem Cannabis-Konsum. Und ich hatte es vorhin angedeutet, die Realität sieht an dieser Stelle völlig anders aus. Das gesundheitliche Risiko bei regelmäßigem Konsum besteht und es ist hoch, Herr Dittes, auch wenn Sie hier etwas anderes behaupten. Das sagen Mediziner und für mich sind die immer noch ein Stück weit glaubwürdiger als Drogenexperten der PDS.

(Beifall bei der CDU)

Auf alle Fälle ist den Ärzten

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Noch besser,... kennt keine Grenzen.)

- vielleicht auch selbst ernannte Drogenexperten, das mag jeder für sich selber entscheiden -, denke ich, eher zu folgen und eher zu glauben. Und Ärzte und Drogenexperten führen ja dazu auch die Beispiele an und ich kann sie Ihnen gern auch vortragen. Sie führen als Beispiele an Mundtrockenheit, rote Augen, Blutdruckanstieg, Steigerung der Herz- und Pulsfrequenz, Herabsetzen des Reaktionsvermögens, der Konzentration und der Merkfähigkeit. Das mag vielleicht noch harmlos klingen, aber ich glaube, wir müssen uns vor Augen führen, dass es sich bei den Konsumenten zu einem großen Teil um Schüler handelt, wo ich glaube, dass sich das in einer ganz anderen Art und Weise und auch verheerend auswirkt.

Herr Abgeordneter Panse, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Dittes zu?

Nein, ich glaube, speziell der Kollege Dittes weiß, wie wir das jedes Mal hier im Parlament machen. Am Ende der Rede gern.