haben die Landesregierung von der Rolle des Geschädigten in diejenige eines Beschuldigten gedrängt. Tatsache ist aber, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, der Betrüger Pilz sitzt auf der Anklagebank und nicht die Landesregierung.
Weil wir heute bei dem Eingestehen von Fehlern sind, will ich auch eingestehen, ich habe einen Fehler gemacht.
die BKA-Beamten weitestgehend und bereitwillig zu unterstützen. Ich hätte in der Tat auf dem üblichen Verfahren, schriftlich und formal ein Amtshilfeersuchen an die Thüringer Staatskanzlei zu richten, bestehen sollen. Meine Hilfsbereitschaft ist hier in einer Art und Weise böse missbraucht worden, wie ich es im Umgang mit Behörden nicht erwartet hätte.
Ich habe, und das ist zutreffend, dann im Verlaufe des Tages die weitere Einsichtnahme in die Akten bzw. deren Mitnahme verweigert. Aber nicht deshalb, weil ich Justiz- und Strafverfolgungsbehörden behindere oder geheimnisvoll etwas zu vertuschen habe, sondern weil ich Verantwortung für die schutzwürdigen Rechte Dritter trage. Denn das ursprüngliche Begehren der Beamten, nämlich Unterlagen zu Förderentscheidungen in Sachen Pilz - und nicht die Dinge, die Sie heute angesprochen haben, Herr Gentzel - insbesondere aus den Jahren 1990 und 1991 einzusehen, wurde am 15.06.2000 gar nicht mehr verfolgt. Da die Beamten, aus welchem Grund auch immer, an diesem Tag nicht präzisieren konnten, was sie wollten, habe ich in der Mittagszeit angeordnet, dass die Einsichtnahme abgebrochen werden soll, und ich habe darum gebeten, dass die Beamten ihr Anliegen bzw. das Anliegen des Landgerichts Mühlhausen schriftlich vortragen möchten. Um es noch einmal ganz klar und eindeutig zu sagen: Hätten sich die Beamten ausschließlich mit den Pilzunterlagen beschäftigt, hätte ich keinerlei Einwände erhoben. In der Tat wurden aber Unterlagen angesehen, von denen nur, auch das bestreitet niemand, ein ganz kleiner Teil Pilz betraf. Vielmehr standen Aufzeichnungen über viele
andere Unternehmen, Förderrichtlinien, Ansiedlungsvorhaben, Industrieprojekte etc. im Mittelpunkt des Interesses. Das hatte ersichtlich mit dem Pilz-Verfahren nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Im Nachhinein, und auch das hat die Debatte heute für mich bestätigt, könnte man sogar auf den Gedanken kommen, dass bewusst ganz andere Ziele verfolgt wurden, denn - und ich halte fest - Koordinierungsprotokolle zu Pilz und Förderakten waren dem BKA seit 1995 bekannt. Warum werden aber jetzt, fünf Jahre später, allgemeine wirtschaftspolitische Unterlagen beschlagnahmt? Vielleicht können Sie mir ja von der Opposition darauf eine Antwort geben.
Mit Schreiben vom 22.06.2000 hat das Landgericht Mühlhausen durch den Vorsitzenden Richter Krämer im Rahmen eines Amtshilfeersuchens verschiedene Unterlagen erbeten. Ich habe mit Schreiben vom 21.07.2000 alle Pilz betreffenden Unterlagen, und zwar entsprechend der Anforderung des Gerichts, übersandt, allerdings mit einer Ausnahme - den Kabinettsunterlagen. Diese, und zu dieser Auffassung stehe ich heute noch, gehören zum geschützten Kernbereich der Exekutive mit der Folge, dass eine Verpflichtung zur Herausgabe nicht besteht. Auf dieses Schreiben hat das Gericht dann mit einer Gegenvorstellung vom 09.08.2000, die uns am 16.08.2000 ohne jedes Anschreiben erreicht hat, erneut um Unterlagen gebeten. Ich habe daraufhin meine Bedenken zurückgestellt, und zwar, damit das Gericht die Schutzbehauptung des Betrügers Pilz ohne jeden Zweifel entkräften kann. Dem Gericht wurden die gewünschten Kabinettsunterlagen übersandt. Wir haben ja heute eine neue Variante gehört, was die übersandten Kabinettsunterlagen anbetrifft, dass es mir jetzt zum Nachteil gereichen soll, dass ich sie geschickt habe. Da sage ich, Herr Buse, für eine Variante, was Sie mir vorwerfen, müssten Sie sich schon entscheiden.
Am 19. September hat mich ein vom 15. September diesen Jahres datiertes Schreiben des Landgerichts Mühlhausen erreicht, in dem nunmehr auch um die Herausgabe sämtlicher Aktenordner zu den Koordinierungsrunden gebeten wurde. Jetzt wurden wieder die Koordinierungsrunden thematisiert, die dem BKA doch seit 1995 bekannt waren. Man kann wieder nur spekulieren, warum plötzlich in der Strafsache Pilz prozessentscheidend sein sollte, was seit fünf Jahren hinreichend offen gelegt war. Hier geht es ganz offensichtlich der Verteidigung darum, Einblicke in die Unternehmenslandschaft in unserem Land zu erhalten mit dem fragwürdigen Ziel, inzwischen erfolgreich sanierte Firmen, die Hunderte von Dauerarbeitsplätzen geschaffen haben, ins Gerede zu bringen. Wir lassen uns das Erreichte nicht deshalb schlechtreden, weil ein Krimineller alle Möglichkeiten nutzen will, sich aus der Verantwortung zu stehlen, und es ist ein Armutszeugnis, dass sich die Opposition offenbar für seine Ziele in
Obwohl ich dann, passen Sie auf, Herr Gentzel, dem Gericht bereits im Juli alle Pilz betreffenden Unterlagen aus den Koordinierungsrunden übergeben habe, habe ich der Kammer am 22. September zusätzlich angeboten, die Akten einzusehen. Ich zitiere wörtlich aus meinem Antwortschreiben: "Wegen des großen Aufklärungsinteresses der Landesregierung bin ich jedoch bereit, der Kammer in den Räumen der Thüringer Staatskanzlei Einsicht in die 14 Ordner zu gewähren, damit Sie sich von der Vollständigkeit der übersandten Kopien überzeugen können." Damit will und wollte ich dem Gericht beweisen, dass versucht wird, es zu instrumentalisieren im Rahmen einer politischen Kampagne und dass es bei den angeforderten Unterlagen überhaupt nicht um Pilz geht. Hier sollen lediglich vertrauliche Firmendaten in die Öffentlichkeit gebracht werden, um unserem Land, den Firmen und denjenigen, die dort einen Arbeitsplatz gefunden haben, zu schaden. Die Staatskanzlei hat alles getan, um die Sachaufklärung des Gerichts zu fördern, so wie es unsere Pflicht ist. Aber genauso haben wir die Pflicht, schutzwürdige Interessen Dritter zu beachten. Und das bedeutet, dass wir dem Gericht nur diejenigen Teile aus diesen Ordnern zur Verfügung stellen können, die für das Verfahren gegen den Betrüger Pilz relevant sind. Sie wissen selbst, dass Unterlagen, die Gegenstand eines strafrechtlichen Verfahrens sind, für viele Personen zugänglich sind und Manches auf diesem Weg an die Presse gelangt. Unternehmen, die sich vertrauensvoll an die Regierung wenden und um Mithilfe und Unterstützung bitten, erhalten diese auch. Dies soll sich nicht ändern. Das ist ein ganz entscheidender Grundpfeiler unserer Wirtschaftspolitik. Würden die Interna und die Absichten dieser Unternehmen als frei handelbares Gut auf der Straße vermarktet werden, wäre das Vertrauen in Thüringen verspielt. Das kann und darf nicht geschehen, weil es unabsehbaren Schaden anrichten würde. Es entspricht im Übrigen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nur Kopien von Unterlagen herauszugeben. Wenn es nur auf den Inhalt der Urkunde ankommt, dann reicht eben eine Kopie. So sind übrigens Gericht und Staatsanwaltschaft auch verfahren. Passagen, die das Strafverfahren nicht berühren, dürfen dabei geschwärzt werden. Diese Verhältnismäßigkeit kann jeder Bürger für sich beanspruchen. Sie ist aber zugleich erforderlich, um die staatlichen Gewalten voneinander abgrenzen zu können und Kernbereiche ihrer Anliegen zu schützen. Für Unterlagen, die den Fall "Pilz" nicht im Geringsten berühren und da möchte ich auch ein Beispiel nennen, nehmen wir etwa den Fall der Thesys-Privatisierung, die äußerst erfolgreich war -, besteht keine Herausgabepflicht. Und mit einer Geschichte möchte ich heute auch noch aufräumen: Auch der Bund hat, entgegen anders lautenden Meldungen, die Treuhandunterlagen nicht freigegeben. Was darüber in der Presse kolportiert wird, ist schlichtweg falsch. Der Bund hat dem Gericht vorgeschlagen, dass die Unterlagen unter Wahrung der erforderlichen Vertraulich
keit durch das Gericht geprüft werden. Sofern sich ergeben sollte, dass Unterlagen von Bedeutung sind, wird das BMF prüfen, ob eine Sperrerklärung nach § 96 abgegeben wird. Zitat aus einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. Oktober 2000: "Inwieweit Sperrerklärungen abzugeben sind, bedarf einer eingehenden Prüfung. Ich", der Bearbeiter, "werde nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung für jedes Protokoll entscheiden, ob eine Sperrerklärung nach § 96 StPO abzugeben ist." Nur auszugsweise, und auch das ist falsch dargestellt worden in der Vergangenheit, ist ein Teil des Protokolls der Verwaltungsratssitzung der Treuhandanstalt vom 17. Dezember 1993 freigegeben worden.
Festzuhalten bleibt, die Bundesregierung geht also exakt den gleichen Weg, den die Landesregierung eingeschlagen hat.
Ich bin sehr gespannt, Herr Gentzel, ob Sie die Stirn haben, zu behaupten, der Kollege Eichel verhindere die Verurteilung des Betrügers Pilz.
Die von der Opposition wiederholt aufgestellte Behauptung, der Bund gebe im Gegensatz zur Thüringer Landesregierung bereitwillig alle Unterlagen frei, gehört also in das Reich der Phantasie. Zusammenfassung, damit es Sie sich alle besser merken können: Die Thüringer Staatskanzlei hat die Strafverfolgungsbehörden und das Gericht während des ganzen Verfahrens korrekt und entgegenkommend behandelt. Die Thüringer Staatskanzlei hat alle Pilz betreffenden Unterlagen herausgegeben und darüber hinaus angeboten, dass sich das Gericht von der Vollständigkeit der übergebenen Unterlagen überzeugen kann. Auch die Kabinettsbeschlüsse und -vorlagen, die ich anfangs gesperrt hatte, habe ich, wie bereits dargelegt, freigegeben, um keinen bösen Schein aufkommen zu lassen. Warum auf meinen Vorschlag, die Unterlagen einzusehen, nicht eingegangen wurde, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Von der Opposition wird gesagt, nur die Kammer könne entscheiden, inwieweit Teile dieser Unterlagen für das Verfahren von Relevanz sind. Stimmt, das sehe ich auch so. Genau dieses haben wir der Kammer ausdrücklich angeboten.
Es bleiben eine Reihe von Fragen. Fragen Sie sich doch selbst: Kann es sein, dass eine Bereitstellung und Durchsicht von Akten abgelehnt wird, um sie dann später zu beschlagnahmen und durchzusehen? Ich frage mich, wessen Interessen hier verfolgt werden. Und es ist ganz offensichtlich, das Gericht soll von Dritten instrumentalisiert werden, um unserem Land Schaden zuzufügen. Um Aufklärung in Sachen Pilz geht es schon lange nicht mehr.
Die Landesregierung hat im Rahmen der Amtshilfe alles getan, um die Aufklärung zu fördern. Dies beweist insbesondere die Anzeige des Wirtschaftsministeriums vom 22. Dezember 1994. Dies belegt weiter die freiwillige und vollständige Aktenübergabe im Jahre 1995 durch das Wirtschaftsministerium, die Aufbaubank und das Finanzministerium. Fünf Jahre später, fünf Jahre nach Herausgabe aller relevanten Unterlagen stellt sich die Frage: Warum wird erst jetzt festgestellt, dass Unterlagen angeblich fehlen sollen? Das Wirtschaftsministerium, auch das ist heute deutlich gesagt worden, hat doch bereits nachweisbar vor fünf Jahren die Originalakten herausgegeben. Es sind neuerdings weitere Personen benannt worden, die über die damaligen Zusammenhänge oder über die Akteninhalte berichten können, und nochmals die Frage: Warum waren die Unterlagen der Koordinierungsrunden im Jahr 1995 für das BKA ohne Relevanz? Warum genügt die freiwillige Einsichtnahme bzw. Herausgabe von Kopien plötzlich nicht mehr? Sie von der Opposition werden sich fragen lassen müssen, ob es dem Rechtsstaat dienlich ist, wenn Sie der Verteidigung des Betrügers Pilz das Wort reden. Sie, meine Damen und Herren, versuchen eine Affäre zu schaffen, die gar keine ist. Und dafür zahlen Sie einen hohen Preis: die Infragestellung der Rechtsstaatlichkeit - einen hohen Preis, den Sie für Ihren vermeintlichen politischen Gewinn zahlen wollen. Machen Sie dem Spuk ein Ende. Helfen Sie mit, wie es die Landesregierung tut, den Betrüger Pilz in einem rechtsstaatlichen Verfahren seiner Bestrafung für seine Taten in Thüringen zuzuführen. Missbrauchen Sie diesen Prozess nicht zur Vernichtung von Arbeitsplätzen in Thüringen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Gnauck, wenn man das so hört, ist meines Erachtens ein Zitat angebracht: "Macht geht vor Recht". Diese zutiefst rechtsstaatswidrige, ja zynische Handlungsmaxime wurde 1863 im preußischen Abgeordnetenhaus dem damaligen preußischen Ministerpräsidenten vorge
worfen, er hieß von Bismarck. Meine Damen und Herren, heute im Thüringer Landtag unter der Geltung des Grundgesetzes und der Thüringer Verfassung muss man sich unter dem Eindruck des Regierungshandelns rund um den Pilz-Prozess fragen, ob sich die Zeiten seit 1863 tatsächlich geändert haben.
Oder soll auch hier nach dem Grundsatz verfahren werden: "Macht geht vor Recht"? Halten wir fest, meine Damen und Herren, auf eine Strafanzeige der Landesregierung hat die Staatsanwaltschaft Mühlhausen Anklage gegen Pilz und andere wegen Subventionsbetrugs und anderer Straftaten erhoben. Als das Gericht in Ausübung seiner gesetzlichen Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung weitere Ermittlungen für notwendig erachtet, kommt es zu einer höchst seltsamen, ja verdächtigen Verweigerungshaltung dieser Landesregierung. Ein Eklat, diese Landesregierung verhält sich, und das sage ich ganz bewusst, rechtsstaatswidrig und behindert das Gericht bei der Wahrheitsfindung. Für diese Behinderungen, die unserem Freistaat nun schon seit Wochen einen Spitzenplatz in den Negativmeldungen der Presse sichern, tragen Sie, Herr Ministerpräsident, die politische Verantwortung.
Nein, Sie. Ich freue mich, dass Sie überhaupt da sind, denn im Allgemeinen, wenn hier eine Landtagssitzung stattfindet, sind Sie ja gleich wieder draußen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, die wichtigsten Fakten beleuchten, die seit Frühjahr dieses Jahres festzustellen sind und die uns alle seit September beschäftigen.
Da zeigt sich der Thüringer Wirtschaftsminister seit Anbeginn der Nachermittlungen kooperationsunwillig, ja, ich meine sogar hinderlich, obwohl er eigentlich ja ein Interesse an der Aufklärung haben müsste. Er wird am 03.04. vom Landgericht schriftlich gebeten, weitere Unterlagen herauszugeben. Er reagiert überhaupt nicht, so dass er Ende April gemahnt werden muss, und dann kommen völlig unerquickliche, ja ungenügende, ausweichende und nichts sagende Antworten. Als dann am 15.06., also etwa sechs Wochen später, durchsucht werden soll, kommt es zur nächsten Behinderung der Justiz. Der Justizminister gibt am Abend des Vortags, nämlich am 14.06., sein Wissen über die drohende Durchsuchung - und entgegen der ausdrücklichen Bitte von Staatsanwaltschaft und Gericht an den Wirtschaftsminister weiter. Meine Damen und Herren, das ist schlicht und einfach Prozessbehinderung.
Der Justizminister will von der Bitte nichts gewusst haben? Seit heute, meine Damen und Herren, seit der "Thüringer Allgemeinen", die das Interview veröffentlicht hat, wissen wir, dass er vielleicht auch nur unter Gedächtnisschwund leidet. Meine Damen und Herren, alles absolut unglaubwürdig. Werten wir die objektiven Tatsachen aus.