Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

In einem Vermerk der Kriminalbeamten, die an der Durchsuchung teilgenommen haben, ist festgehalten, dass im Justizministerium über den Wunsch nach Geheimhaltung vor der Weitergabe an Minister Birkmann lange diskutiert worden ist. Es ist lange diskutiert worden, es handelt sich ja auch um einen absolut außergewöhnlichen Umstand.

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Justizminister: Das stimmt nicht, das stimmt nicht.)

Erstens die Kombination, ein Ministerium soll durchsucht werden. Das ist in der Bundesrepublik nach meiner Erinnerung, Herr Ministerpräsident, Sie haben da längere Erinnerungen, seit 1945 in der Bundesrepublik nicht durchgeführt worden.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Aber selbstverständlich!)

In Rheinland-Pfalz vielleicht,

(Heiterkeit bei der SPD)

aber die Durchsuchung einer Staatskanzlei auf keinen Fall.

Es handelt sich hier um einen absolut einmaligen Vorgang, bei dem auch noch darum gebeten wird, bitte unterrichte nicht diesen Minister, was ja normalerweise nach der Geschäftsordnung der Landesregierung üblich ist. Insoweit bekenne ich mich dazu, natürlich, ich habe das veranlasst, dass bei vorgesehenen Aktenherausgaben gesagt wird, die kommen zu euch, wollen die Akten heraushaben.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU)

Das ist üblich. Herr Wunderlich, Sie wundern sich vielleicht darüber, weil es zu Ihrem Namen passt, ja. Aber wenn das Gericht dazu sagt, bitte nicht vorab unterrichten, dass dann der Minister dennoch unterrichtet, das ist der besondere Vorgang und ich kann mir nicht vorstellen, denn ich kenne die meisten Beamten aus dem Justizministerium,

(Beifall bei der SPD)

dass sie von diesem absolut unüblichen Verhalten den Minister nicht vorab unterrichtet haben sollten, denn, meine Damen und Herren, die Beamten, zumindest aus dem Justizministerium, sind weder pflichtvergessen noch illoyal.

Halten wir außerdem fest, meine Damen und Herren, bei dem Telefonat, das der Justizminister mit dem Wirtschaftsminister geführt hat, war der maßgebliche und verantwortliche Mitarbeiter anwesend. Will der Justizminister etwa sagen und so weit gehen, dass dieser Beamte ein Dienstvergehen begangen hat, indem er seinen Minister nicht unterrichtet hat?

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Er hat es doch erläutert, haben Sie nicht zugehört?)

Herr Wolf, das war so unpräzise, das kann man ihm nicht abnehmen.

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Justizminister: Ich habe genau das Gegenteil gesagt.)

(Unruhe bei der CDU)

Das ist völlig lebensfremd. Wenn Sie sich mit lebensfremden Erklärungen zufrieden geben, bitte sehr. Es ist meines Erachtens hier schon ein "Bauernopfer" vorgesehen und es wäre aus meiner Sicht ein Abgrund von Zynismus und Kaltblütigkeit, wenn man diesen Beamten opfern wollte. Dieser Tatbestand wird auch durch das mehr beals entlastende Interview in der heutigen TA nicht widerlegt.

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Genau das Gegenteil hat der Justizminister vorhin gesagt!)

Es ist, nein nein, es ist der untaugliche Versuch der "Mohrenwäsche", um sich reinzuwaschen. Das ist untauglich. Es kam anschließend zu den Behinderungen vom 15.06., wo die im Wirtschaftsministerium Erschienenen wie in der Geschichte von Hase und Igel zwischen Ministerium und Staatskanzlei hin- und hergeschickt wurden. Dank der dazu im Hintergrund geführten Telefonate blieben die Durchsuchungsbemühungen natürlich erfolglos. Die Behinderung hatte also geklappt.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Lesen Sie jetzt aus der Lan- deszeitung vor?)

Meine Damen und Herren, besondere Hervorhebung verdient hier aber das Telefonat, es waren wohl mehrere, des Justizministers mit dem OLG-Präsidenten, und zwar während der Durchsuchungsaktion. Wenn der Justizminister jetzt behauptet, er habe den OLG-Präsidenten nicht zu einem Eingreifen veranlassen wollen, dann ist das wiederum völlig unglaubwürdig. Wollte er etwa mit ihm nur plaudern? Zunächst wusste der OLG-Präsident ganz offenkundig, was von ihm erwartet wurde und der Minister wusste das auch. Machen wir uns doch nichts vor. Der Justizminister hat zielgerichtet quasi in mittelbarer Täterschaft auf die richterliche Durchsuchung Einfluss ge

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Unverschämt!)

Ja, das ist unverschämt, genau das ist unverschämt, das ist ein Verstoß gegen den Rechtsstaat. Herr Wunderlich, das müssen wir lernen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das wird zu Recht von allen Seiten, aber insbesondere von den Richtern und Staatsanwälten in Thüringen, als massiver Eingriff in ein laufendes Verfahren gewertet.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Sie versuchen, ihnen das ein- zureden.)

Das musste und hat, und das müssen wir hier feststellen, zu einer völligen Zerrüttung des Vertrauens in die Integrität des Justizministers geführt.

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU:... beige- tragen.)

Die heutige Pressemeldung des Hauptrichterrates - die sollten auch Sie lesen, Herr Wolf - die Ihnen vorgelesen worden ist, bestätigt das.

Meine Damen und Herren, ganz deutlich wird hier aber wieder die Handlungsmaxime dieser Landesregierung "Macht geht vor Recht" dokumentiert. Das Ganze wird dann noch damit garniert, dass der Justizminister vom primadonnenhaften Verhalten seiner Richter spricht. Weniger Sensibilität kann man nun wirklich nicht mehr zeigen.

Herr Dr. Birkmann, eines muss ich Ihnen allerdings sagen: Respekt, Respekt! Wozu Herr Heitmann in Sachsen zehn Jahre benötigte, das schaffen Sie in einem Jahr,

(Beifall bei der PDS, SPD)

nämlich die völlige Konfrontation mit den Richtern und Staatsanwälten. Ihnen ist ja inzwischen sogar ein von den Richtern angebotener Vermittlungsversuch grandios misslungen. Herr Heitmann hat den Konflikt anders gelöst und sich insbesondere nicht auf einen angeblichen Freispruch einer weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft berufen, deren Leiter in Erfurt Ihnen, Herr Birkmann, ja noch etwas schuldig ist.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ist eigentlich gegen dieses "Gefälligkeitsattest", so muss ich fragen, der Staatsanwaltschaft inzwischen Beschwerde

eingelegt worden, denn dagegen kann ja jeder Bürger dieses Staates Dienstaufsichtsbeschwerde erheben?

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Haben Sie es denn gemacht, Herr Kretschmer?)

Kommen wir zu den Akten, Herr Gnauck, weil Sie gerade darauf ansprechen, in der Staatskanzlei. Auf Anordnung des Ministerpräsidenten, so die Presse, wurden die Akten zunächst einmal nicht herausgegeben. Eine Sperrerklärung scheut man aber, ganz eindeutig. Diese könnte nämlich im Verwaltungsgerichtsverfahren überprüft werden, und, meine Damen und Herren, ein negativer Ausgang dieser Überprüfung wäre peinlich.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem, meine Damen und Herren, das Landgericht Mühlhausen könnte aus einer Sperre ja entsprechende Schlüsse ziehen, also verlegt man sich aufs Taktieren. Aber, hier bleibt es beim Versuch, "Macht geht vor Recht" zu praktizieren - immer wieder ist man erfolglos. Man könnte annehmen: "Pleiten, Pech und Pannen". Herr Gnauck, ich freue mich, Sie werden ja nun von einem rechtskundigen Rechtsanwalt beraten, das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei)

Einige Details seien hier angemerkt. Erst wird lauthals die Herausgabe mit einem besonderen Imponiergehabe verweigert, die werden nicht herausgegeben; dann will man höchstens dem Gericht Akteneinsicht in der Staatskanzlei gewähren und dann wundert man sich und ist völlig empört, dass daraufhin die Staatskanzlei am 04.10 insgesamt 11 Stunden lang durchsucht wird und die Akten beschlagnahmt werden - so die Presse.

(Heiterkeit bei der CDU)

Und, meine Damen und Herren von der Landesregierung...

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Sehr plausible Begründung.)

Herr Ministerpräsident, Sie haben doch so ein gutes Verhältnis zur Presse, warum dementieren Sie das nicht?

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Kompli- ment, erst der Presse etwas erzählen, dann daraus zitieren.)