Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Kompli- ment, erst der Presse etwas erzählen, dann daraus zitieren.)

Herr Wolf, Mäßigung, Mäßigung!

Einige Details weiter: Dann werden die Spielchen mit Versiegelungen betrieben und die Akten werden nicht aus der Staatskanzlei herausgegeben. Herr von der Krone, haben Sie bitte Verständnis, in Anbetracht des geringen Zeitbudgets möchte ich gern weiterreden. Lassen wir das mit der Versiegelung. Jetzt befinden sich die Akten Gott sei Dank da, wo sie hingehören, nämlich beim Landgericht in Mühlhausen. Nur, wer soll das Siegel brechen? Das Verfahren wird also schließlich weiter behindert. Das Ganze wird schließlich angereichert durch eine Presseerklärung aus der Staatskanzlei vom 29.09., wonach der Chef der Staatskanzlei, Herr Minister Gnauck, in die Gerichtsakten Einsicht nehmen will, um - ich darf zitieren - "festzustellen, was Staatsanwaltschaft und Gerichte unternommen haben, um die Strafbarkeit des Pilz'schen Handelns aufzuklären." Das ist zumindest absurd. Die Exekutive, meine Damen und Herren, hat in einem demokratischen Rechtsstaat keine derartigen Überprüfungsrechte über die Judikative. Aber es zeigt die Absicht, man will in Thüringen offenkundig nach der Maxime verfahren "Macht geht vor Recht".

Herr Ministerpräsident, das waren kurz zusammengefasst die Handlungen Ihrer Minister, die inzwischen immer heftiger, aber auch immer hilfloser reagieren. In der Kynologie, meine Damen und Herren, kennt man den Begriff des Angstbeißers. Ich werde ihn ausdrücklich hier nicht anwenden. Aber, Herr Ministerpräsident, ich bedanke mich bei Ihnen, Sie haben Ihre von einer Presseagentur verbreitete Attacke gegen die Staatsanwaltschaft Mühlhausen inzwischen zumindest mir gegenüber korrigiert, worum ich Sie ja gebeten hatte.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Bitte entschuldigen Sie, ich habe nichts korrigiert.)

Ich danke Ihnen. Sie ist verbreitet worden

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Sie haben falsche Dinge in die Welt gesetzt.)

und Sie haben nichts dagegen getan. Hin und wieder scheint es Ihnen doch zu unterlaufen... Nein, ich habe die dpa...

Also, meine Herren, was soll das denn?

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Dr. Vogel, ich bin überrascht, dass Sie das noch nicht einmal anerkennen wollen, aber Sie haben es ja mir gegenüber korrigiert. Ich bedanke mich dafür.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Kein Wort habe ich korrigiert.)

Ich bedanke mich dafür, aber haben Sie das auch den Staatsanwälten in Mühlhausen gegenüber erklärt? Um das geht es mir.

Meine Damen und Herren, fassen wir zusammen: Was wir in den letzten Tagen und Wochen unter dem Gesichtspunkt der rechtsstaatlichen Verantwortung von dieser Landesregierung erleben mussten, ist das unrühmliche, ja beängstigende Verhalten nach dem bekannten Motto "Macht geht vor Recht".

Meine Damen und Herren von der Regierung, da beschweren Sie sich, dass im Pilz-Verfahren eine Schieflage entstanden sei: Nicht die Landesregierung sei angeklagt, natürlich nicht. Nur, meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie verhalten sich exakt so, wie ich es in meiner Praxis bisher allein von Angeklagten erlebt habe. Anstatt das Gericht und die Staatsanwaltschaft in Mühlhausen bei der Wahrheitsfindung zu unterstützen, wird taktiert und finassiert. Anstatt den notwendigen Respekt vor der Judikative, vor Gericht und Staatsanwaltschaft zu zeigen, wird verschleiert, behindert, verzögert, und wenn das nicht mehr hilft, wird draufgeschlagen auf Richter und Staatsanwälte dieses Landes. Anstatt sich zumindest der Justizminister, was seine Aufgabe wäre, vor seine Richter und Staatsanwälte stellt und sie vor den vielfältigen Angriffen schützt, beteiligt er sich maßgeblich an den Attacken, wie in den letzten Tagen wieder festgestellt werden musste.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Tatsa- chenverdrehung!)

Andererseits, meine Damen und Herren, und das will ich hier besonders hervorheben, wir alle können stolz sein auf unsere Justiz!

(Beifall bei der SPD)

Ich erwarte Ihren Beifall, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ich erwarte Ihren Beifall!

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Aber nicht aus Ihrem Mund.)

Das sind die Richter und Staatsanwälte dieses Staates. Wenden Sie sich gegen diese? Ich muss feststellen, Sie sind noch nicht einmal bereit, das anzuerkennen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Aber nicht aus Ihrem Mund.)

(Unruhe bei der CDU)

Also Herr...

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Herr Wunderlich.)

Herr Wunderlich, richtig - das ist schon wunderlich. Ich muss schon eines feststellen, der Abgeordnete gleichen Namens.

Meine Damen und Herren, wir können stolz sein auf diese Justiz. Sie handelt getreu ihrem gesetzlichen Auftrag und ist durch politische Beeinflussungsversuche und Pressionen nicht zu beeindrucken. Bis jetzt, meine Damen und Herren, müssen wir feststellen, hat der Rechtsstaat funktioniert.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das auch ganz bewusst als jemand, der von Anfang an am Aufbau der Justiz in Thüringen mitgearbeitet hat. Und, meine Damen und Herren, es sei mir gestattet, hier vor allem auch an Herrn Dr. Jentsch zu erinnern, den ersten Thüringer Justizminister. Ich bin davon überzeugt, unter ihm wäre ein solcher Eklat nicht vorgekommen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, o tempora, o mores - o Zeiten, o Sitten! Ich fordere Sie, Herr Ministerpräsident, deshalb auf: Ordnen Sie Ihr Kabinett! Sorgen Sie dafür, dass diese unsägliche, den Ruf Thüringens deutschlandweit belastende Konfrontation zwischen Landesregierung und Justiz beendet wird! Wagen Sie einen Neuanfang!

(Beifall bei der PDS, SPD)

Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Wolf zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wir sind heute hier zu einer Show-Veranstaltung zusammengekommen, einer Show-Veranstaltung der Opposition. Ich darf nur an die Einbringungsrede der Kollegin Pelke erinnern oder das, was wir von Herrn Buse oder Herrn Gentzel hier erleben durften, und mit zum Höhepunkt gehört das hier mit dem Pathos eines Ministers a.D. Vorgetragene.

(Beifall bei der CDU)

Ich würde über die Rede eine Überschrift setzen "Wider besseres Wissen".

(Beifall bei der CDU)

Wenn ein ehemaliger Justizminister, der sogar mal als Staatsanwalt tätig war, davon spricht, dass Staatsanwälte

Gefälligkeitsgutachten ausstellen, dann frage ich mich wirklich, ob das hier der richtige Platz ist, an dem wir uns befinden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie stellen einen Antrag zur heutigen Sitzung, stellen keine Fragen, sondern treffen vor allem unwahre Behauptungen.

(Beifall bei der CDU)

Alle Fragen zu diesem Thema - und der Justizausschuss hat sich in den vergangenen Wochen ausführlich mit der Problematik befasst - wurden ausführlich und abschließend im Justizausschuss beraten. Aber bereits da wurde klar, dass es der Opposition nicht darum geht, Aufklärung zu erreichen. Es ging allein um Populismus und das haben uns die Reden heute hier gezeigt.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf auch noch mal auf das Verhalten nach den Ausschuss-Sitzungen und während der Ausschuss-Sitzungen reflektieren. Aufgrund der Pressemitteilung stellte die Opposition am 13. September in der 9. Justizausschuss-Sitzung den Antrag, jeder kann ihn nachlesen in der Vorlage 3/413. Gerade der Verlauf dieser Sitzung und das Verhalten einzelner Abgeordneter während und nach dieser Sitzung machen klar, dass es nicht um Aufklärung ging, es ging um reine Stimmungsmache, um reinen Populismus.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich darf nach Geschäftsordnung nicht zitieren, was der eine oder andere Abgeordnete in einer Ausschuss-Sitzung gesagt hat. Aber wenn ich hier berichte, dass es Abgeordnete gab, die nichts gesagt haben respektive somit auch nichts gefragt haben, dürfte es keine Probleme mit der Geschäftsordnung geben. Übrigens ist mir immer noch nicht klar, wie in einer Ausschuss-Sitzung auf nicht gestellte Fragen geantwortet werden soll oder muss. So kann ich nicht nachvollziehen, dass dann der Presse gegenüber beklagt wird, dass auf nicht gestellte Fragen im Ausschuss auch nicht geantwortet wurde. Ich kann ja nachvollziehen, dass es den Abgeordneten Ramelow nervös macht und auch seine Fraktion vielleicht beunruhigt, dass es immer noch Unterlagen gibt, die noch nicht im Internet auf seiner Seite stehen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Lassen Sie mir nur Zeit.)

Ich verstehe aber nicht, wie der Abgeordnete Dewes, der nur kurze Zeit im Ausschuss anwesend war, dann vor die Vertreter der Medien tritt, um aus der Ausschuss-Sitzung

zu berichten.