Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen sich Kriege mit Kriegen verhüten? Nutzen Kriege, die im Namen der Zivilisation geführt werden, tatsächlich der Demokratie und einem Ende des Terrors? Wer sich diese Fragen nicht stellt und sie nicht beantwortet, verdient

nichts anderes als Misstrauen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Täglich erreicht uns über das Fernsehen eine Flut schrecklicher Bilder: Bilder von Verwundeten und Toten, Bilder von Bomben und Raketen, Bilder von zerstörten Wohnhäusern und verzweifelten Menschen. Und die Menschen, die vielleicht in diesem Augenblick sterben, sind Menschen wie wir und sie werden voller Entsetzen sterben und das Schrecklichste ist, sie werden für nichts sterben.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Was heißt hier "nichts"?)

"Vor ein paar Tagen konnten wir noch von Frieden und Sicherheit träumen, aber jetzt wissen wir nicht mehr, was diese Wörter bedeuten, weil Gewalttätigkeit, Leiden und Angst uns einengen." Diese Worte stammen aus einem dramatischen Friedensappell der Dominikanerinnen im Irak an US-Präsident George W. Bush - ich zitiere: "Er verspricht, keine Zivilisten zu verletzen - wirft er Blumen auf die Menschen?" So wie bei den Dominikanerinnen hat der Krieg generell bei den Kirchen und Religionsgemeinschaften tiefe Betroffenheit ausgelöst. Papst Johannes Paul II. appellierte mit eindringlichen Worten, den Krieg zu beenden. Ich zitiere: "Wenn der Krieg wie in diesen Tagen das Schicksal der Menschheit bedroht, ist es noch dringender, mit lauter und deutlicher Stimme zu verkünden, dass nur durch Frieden eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft errichtet werden kann. Nie

(Beifall bei der PDS, SPD)

können Gewalt und Waffen die Probleme der Menschen lösen."

(Beifall bei der SPD)

Die christlichen Kirchen in Deutschland haben in einer gemeinsamen Erklärung den Krieg im Irak als eine "Niederlage der Menschheit" bezeichnet. Die Bischöfe betonen, sie sehen keine "ethischen" und "völkerrechtlichen" Rechtfertigungen für das Blutvergießen.

(Beifall bei der SPD)

Der Weltkirchenrat verurteilt den Angriff auf den Irak als "unmoralisch" und "illegal". Die friedlichen Mittel zur Beilegung des Konflikts seien bei weitem nicht ausgeschöpft. So sieht das auch der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Reinhard Marx, es hätte sehr wohl friedliche Mittel gegeben, "den Verbrecher Saddam Hussein in Schach zu halten". Professor Hans Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, reagierte mit "Bedauern und Unverständnis" auf die Entscheidung der amerikanischen Regierung. Der

Krieg werde eine ohnehin labile internationale Rechtsordnung erschüttern und verheerende Folgen für die Zukunft des Mittleren und Nahen Ostens und seines Verhältnisses zum Westen haben. Auch der Fuldaer Bischof Algermissen hält den Krieg für ethisch nicht zu rechtfertigen. Der Präsident der Deutschen Sektion der Katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" sagt wörtlich: "Trotz der bitteren Enttäuschung gibt es für die Kirche keine Alternative zum Programm der Kriegsächtung und eines gerechten Friedens. Trotz allem, die Zukunft gehört den Friedfertigen."

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, es ist für mich in dieser Zeit ein sehr wichtiger Halt zu wissen, dass die Kirchen eine klare und eindeutige Haltung gegen diesen Krieg einnehmen. "Kein Krieg, nicht in unserem Namen, erst recht nicht in Gottes Namen." Bischof Joachim Wanke hat der religiösen Rhetorik von Präsident Bush die richtige Antwort gegeben.

(Beifall bei der SPD; Abg. Kummer, PDS)

Meine Damen und Herren, der Krieg im Irak ist überflüssig, er ist ungerecht und unangemessen, er ist grausam, tödlich und hässlich und er übertrifft die schlimmsten Befürchtungen. Es ist zu befürchten, dass er alles sprengt, was wir an humanitären Katastrophen in den letzten Jahren bislang kannten. Es sind vor allem die Kinder, die unter dem Krieg zu leiden haben. Das Kinderhilfswerk UNICEF befürchtet, dass ein Kollaps in der Wasserversorgung für viele Kinder einem Todesurteil gleichkommen kann. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist gefährdet und deshalb sind wir gerade jetzt in der Verantwortung, humanitäre Hilfe zu leisten, und jeder von uns ist aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Bush-Regierung wird diesen Krieg zwar gewinnen, aber wir alle werden den Frieden dabei verlieren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es ist sehr wohl zu befürchten, dass der Irak-Krieg den Terrorismus eben nicht besiegt, nicht einmal lähmt, sondern eher beflügeln wird, weil voraussichtlich eine Konfrontation der Kulturen mit allen verheerenden Konsequenzen aufbrechen wird, und die Löcher, die der Bush-Krieg in das Gebäude des Völkerrechts reißt, könnten es am Ende ganz einstürzen lassen mit irreparablen Folgen. Schon jetzt ist vorauszusehen, dass es einen neuen globalen Wettlauf um Massenvernichtungswaffen geben wird und der Krieg die Rüstungsspirale in neue Rekordumdrehungen versetzen wird.

Meine Damen und Herren, ich sage es klar und deutlich, es ist für mich erschreckend, welche plumpe Desinformation und Verdummung von der Bush-Administration betrieben wurde, um den Krieg im Irak vorzubereiten. Da könnte man wirklich ständig Max Liebermann zitieren. Plakativ

und vordergründig wurde mit Werten wie Demokratie und Menschenrechten argumentiert, in Wahrheit - und das wissen wir alle - verbergen sich hinter dieser Rechtfertigungsrhetorik auch wirtschaftliche Interessen und geopolitische Strategien. Die Bush-Regierung war seit vorigem Jahr fest entschlossen, diesen Kampf zu führen, ganz egal, wie ihre Verbündeten dazu stehen. Das ist die bittere Wahrheit.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Und, Kollege Althaus, weil Sie Herrn Blix zitiert haben, ich will ihn auch zitieren, denn er hat das indirekt bestätigt. Ich zitiere: "Kurz vor ihrer Entscheidung in den Krieg zu ziehen, hatte ich das Gefühl, dass unsere Arbeit sie irritierte. Ich hatte das Gefühl, sie wollten, dass wir verschiedene Ergebnisse unserer Inspektion so herausstreichen, dass sie eine Resolution im Sicherheitsrat erhalten hätten." Der amerikanische Autor Wallace Shawn schreibt im Januar 2003 in sein Tagebuch, nachzulesen in der Kulturzeitung "Lettre", ich zitiere: "Die Waffendiskussion ist das PR-Element für die Vorbereitung zum Krieg. Bush wird sagen, der Irak besitze viele Waffen, die Gegner des Kriegs werden sagen, der Irak besitze wenige. Die Diskussion wird sich bis in den Frühling fortschleppen, wenn für den Krieg das richtige Wetter herrscht, und in diesem Moment wird Bush erklären, dass er bei dem schleppenden Fortgang der Waffendiskussion die Geduld verloren habe und er wird in den Krieg ziehen." Meine Damen und Herren, die Bush-Regierung hat bewiesen, dass sie bereit ist das Recht zu brechen, wenn sie sich dazu berufen fühlt. Bei der Verteidigung von Freiheit und Recht wurden Freiheit und Recht einfach beiseite geschoben. Diese Feststellung hat nichts mit Antiamerikanismus zu tun, Bush ist nicht Amerika, das amerikanische Volk ist nicht Bush.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU:... steht zum Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, unsere wichtigste Hoffnung liegt in unserem persönlichen Handeln, darin, unsere Stimme gegen diesen Krieg zu erheben. Unsere einzige Chance besteht darin, diesen Krieg, Kollege Althaus, bei seinem wahren Namen zu nennen, und ich bin sehr froh, dass uns gestern im Kreistag Eichsfeld der Kompromiss einer gemeinsamen Erklärung gelungen ist und wir damit dem guten Beispiel der Stadt Heiligenstadt folgen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

In unserer gemeinsamen Erklärung verurteilen wir den Krieg der USA auf das Schärfste und fordern die sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen, Schonung der Zivilbevölkerung und die sofortige Rückkehr der Kriegsparteien an den Verhandlungstisch unter Führung der Vereinten Nationen. Ich zitiere aus unserer Erklärung: "Unser

Streben sollte dahin gehen, über ein Festhalten an bewährten humanistischen Grundsätzen die eigene Glaubwürdigkeit zu bewahren." Über diesen Kernsatz der Erklärung, getragen von der CDU-Fraktion des Landkreises Eichsfeld, sollten Sie, meine Damen und Herren, und auch Sie, Kollege Althaus, intensiv nachdenken.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es ist töricht, sehenden Auges seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Meine Damen und Herren, es ist ja sehr einfach hier vom Pult aus zu sagen, der Krieg richtet sich nicht gegen das irakische Volk, nicht gegen den Islam, sondern einzig gegen Husseins Regime. Den unschuldigen Opfern in den brennenden Häusern und in den Bombentrichtern muss das ein Hohn sein. Ein Angriffskrieg ist und bleibt die schlimmste Versündigung gegen das Leben und deshalb sollten wir hier gemeinsam feststellen: Der Krieg im Irak ist nicht zu rechtfertigen!

(Beifall bei der PDS, SPD)

In der Zeit der Friedensinitiative "Schwerter zu Pflugscharen" schrieb ich ein Gedicht, das vielleicht auch heute für den einen oder anderen des Nachdenkens wert ist:

Er und der Frieden

Dagegen war ich nie als er dieses seinen vier Wänden anvertraute lachten sie und stürzten zusammen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Seitens der Abgeordneten gibt es keine Redemeldungen mehr. Herr Ministerpräsident, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, wir sollen unterschiedliche Standpunkte deutlich machen und von diesem Recht möchte ich auch Gebrauch machen. Ich widerspreche den Ausführungen von Herrn Döring von diesem Pult. Herr Döring, so einfach kann man sich die Auseinandersetzung nicht machen.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, was ich zum Krieg gesagt habe. Wir beklagen, dass dieser Krieg nicht verhindert worden ist. Wir haben den Krieg nicht gewollt, die Politik hat versagt und die Diplomatie hat versagt. Dieser Krieg wäre vermeidbar gewesen. Ich wiederhole diese Sätze und bekenne mich dazu. Die Politik hat versagt in der ganzen

Welt, aber auch bei uns in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Dass dieser Krieg nicht verhindert worden ist, liegt auch daran, dass die deutsche Politik zum ersten Mal seit 50 Jahren sich jeder Mitwirkung an der Friedenssicherung versagt hat.

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist jeder Krieg eine Niederlage der Politik. Natürlich hat Bischof Marx Recht. Es hätte andere Mittel gegeben, aber dann hätte sich beispielsweise die stärkste europäische Macht nicht seit dem ersten Tag jeder Bereitschaft zur Diskussion, wie ein Krieg verhindert werden könnte, entziehen dürfen, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Beifall bei der CDU)

Natürlich hat Frau Zimmer Recht, wenn sie sagt, die Stimmung, die Zeichen der Zeit stehen auf dem Willen der Menschen zum Frieden, aber den Frieden wird man nicht sichern, indem man zu feige ist, sich einem Terroristen zu stellen und einem Diktator zu stellen.