Protokoll der Sitzung vom 09.05.2003

Demgegenüber kommt aber die Sachverständigenkommission im Ergebnis ihres Elften Kinder- und Jugendberichts am Ende zu der Feststellung, dass verantwortliches Handeln von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Eltern heute nur noch - nur noch, sage ich - vor dem Hintergrund einer öffentlichen Verantwortung für das Aufwachsen denkbar ist. Insgesamt wird damit die öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen für uns deutlich überbetont und wir, die CDU-Fraktion, ich habe es gesagt, halten dies für einen schlichtweg falschen Grundansatz. Für uns ist klar, im Zentrum muss immer die Elternverantwortung stehen, die Elternverantwortung ist das Wesentliche. Das Aufwachsen von Kindern ist nicht in erster Linie Bestandteil öffentlicher Verantwortung, sondern liegt natürlich stets in Verantwortung der Eltern. Ich bin auch froh darüber, dass bei den Folgerungen der Landesregierung aus dem Elften Kinder- und Jugendbericht dies gleich zu Beginn ganz unmissverständlich herausgestellt wird. Und daraus zitiere ich: "Die Familie und ihre Erziehung kann durch keine staatliche oder sonstige gesellschaftliche Einrichtung, und sei sie noch so gut, ersetzt werden. Der Staat kann und muss Familien bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen unterstützen, aber er kann nicht ihre Aufgabe übernehmen. In diesem Sinne kann es eine von der Familie losgelöste Kinder- und Jugendpolitik nicht geben."

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Die Sachverständigenkommission kommt hingegen - und das setzt sie an die Überschrift des Elften Kinder- und Jugendberichts - zu dem Leitmotiv "Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung", wie ich bereits eingangs gesagt habe. In öffentlicher Verantwortung, eben nicht, Frau Pelke, wie Sie es gesagt haben, mit öffentlicher Mitverantwortung, sondern in öffentlicher Verantwortung. Und so steht es in diesem Elften Kinder- und Jugendbericht. Die Sachverständigenkommission betont dabei die Rahmenbedingungen und die soziale Infrastruktur. Es werden Verbesserungen gefordert, ohne dass diese Verbesserungen klar bezeichnet oder gar verbindlich festgelegt werden. Rotgrün im Bundestag hat im Sommer des letzten Jahres bei der Debatte dazu in diesem Zusammenhang einen Perspektivwechsel gefordert und es damit begründet, dass

1. eine materielle Besserstellung der Familien erreicht werden konnte und

2. nun der Schwerpunkt auf den Ausbau der sozialen Infrastruktur gelegt werden sollte.

Fakt ist aber das Erstere, was ich gesagt habe. Was dort im Bundestag behauptet wurde, ist schlichtweg geschwindelt. Denn die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen für Kinder von allein Erziehenden und Familien mit mehreren Kindern haben sich erheblich verschlechtert.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Auch die von der SPD im letzten Bundestagswahlkampf versprochene Kindergelderhöhung ist in deutlich unbestimmte Ferne gerückt.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Das Zweite, nämlich den Auf- und Ausbau sozialer Infrastruktur, das ist bis jetzt schlichtweg eine inhaltsleere Versprechung, die durch nichts untermauert wurde.

Ich habe es eben schon deutlich gemacht, der Vorrang der Förderung infrastruktureller Angebote ist nach unserem Dafürhalten falsch. Ich sage Vorrang, nicht insgesamt die Förderung. Rotgrün macht mit seinem Perspektivwechsel hin zur Vorrangigkeit infrastruktureller Angebote vor verbesserten finanziellen Transferleistungen deutlich, dass den Eltern eigenverantwortliche Entscheidungen für das Wohl ihrer Kinder ein Stück weit aus der Hand genommen werden sollen. Wir wollen ganz genau das Gegenteil. Wir wollen mit finanziellen Transferleistungen Eltern in ihren Entscheidungen unabhängiger machen. Wir wollen das Armutsrisiko von allein Erziehenden und Familien mit mehreren Kindern reduzieren. Wir haben in Thüringen ein Landeserziehungsgeld in Ergänzung des Bundeserziehungsgeldes. Und wir wollen immer noch ein Familiengeld, Frau Pelke.

(Beifall bei der CDU)

Am Dienstag dieser Woche waren beim Erfurter Dialog in der Staatskanzlei leider nur wenige Kollegen der Oppositionsfraktionen anwesend, aber deswegen gehe ich noch auf ein paar Punkte ein. Professor Wingen hat dort in seinem Vortrag zur Familie als Stabilitätsfaktor im demographischen Wandel auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Er betonte, dass die relative Armut bei mehreren Kindern die Freiheit nach Kinderwünschen einschränkt. Gegen diese relative Armut müssen wir Entscheidungen setzen, die dafür sorgen, dass Familien mehr als heute und mindestens genauso viel Geld zur Verfügung haben wie Kinderlose. Er räumt darüber hinaus mit dem Vorurteil auf, dass die außerhäusliche Kinderbetreuung, wie z.B. in Schweden, zur stärkeren Realisierung des Kinderwunsches führt. Dies ist keineswegs mehr so. Im Gegensatz dazu werden in Norwegen zwar außerhäusliche Betreuungsangebote vorgehalten, aber Familien, die die Selbstbetreuung ihrer Kinder vorziehen, erhalten die Kosten vom Staat und

dies funktioniert und das halten wir für einen vernünftigen Ansatz.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Herr Nothnagel ging vorhin auf die Betreuungsangebote in Kindertagesstätten ein. Ja, ich räume ein, es gibt nichts, was man nicht ein Stück weit besser machen könnte. Qualität in Kindertagesstätten ist ein Thema, womit wir uns nicht nur hier im Thüringer Landtag, sondern auch in den Gremien, in der Enquetekommission auseinander setzen. Aber, und das knüpft dann an den Elften Kinder- und Jugendbericht an, ein bedarfsgerechtes und qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot an Kindertagesstätten, wie wir sie im Übrigen hier in Thüringen schon haben, wird im Elften Kinder- und Jugendbericht für alle Regionen in Deutschland gefordert. Das ist richtig, das können wir bekräftigen. Aber da können auch die anderen Regionen in Deutschland ein Stück weit von dem Thüringer Modell der Kinderbetreuung lernen.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Falsch ist allerdings, dass diese Verantwortung dafür allein den Ländern und Kommunen auferlegt wird. Der Bundestag fordert gar u.a. - und da zitiere ich aus den Bundestagsdokumenten dazu: "Die durch den demographischen Wandel im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe frei werdenden Finanzmittel sollen gezielt für die Qualifizierung des Betreuungsangebots und seinen Ausbau, z.B. für 0- bis 3-Jährige und für Ganztagsbetreuung eingesetzt werden." Sehr geehrte Damen und Herren, das ist völlig realitätsfern. In den Kommunen gibt es derzeit keine frei werdenden Mittel in der Kinder- und Jugendhilfe. Derzeit werden in diesem Bereich auch in Thüringen Kürzungen vorgenommen, aber dies vor allem aufgrund der dramatischen Finanzlage der Kommunen. Da bleibt kein Euro übrig, den man vielleicht irgendwo zusätzlich noch investieren könnte oder sollte. Und wer in diesem Zusammenhang dann eine Verlagerung von Finanzmitteln hin zur Ganztagsbetreuung fordert, gefährdet - das sage ich ganz offen - die offenen Angebote der Jugendhilfe und er gefährdet damit auch die Arbeit der freien Träger, die in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Aber neben der geschilderten Finanzfrage ist es auch schlichtweg fachlich falsch, denn eine deutliche Ausweitung des staatlichen Betreuungsangebots für Kleinkinder in Kinderkrippen kann doch überhaupt gar nicht das Ziel sein. Das Ziel muss doch eigentlich sein, dass man Familien in ihrer Erziehungsverantwortung stärkt. Wir wollen in Thüringen gemäß dem Subsidiaritätsprinzip Familien dort unterstützen, wo Hilfen notwendig sind, deshalb werden Krippenplätze beispielsweise vorrangig für allein Erziehende oder für junge Mütter in Ausbildung oder im Studium vorgehalten. Ich habe es gesagt, wir wollen die Erziehungskompetenz der Eltern stärken und das ist doch ein Stückchen ein Gegensatz zu dem, was im Elften Kinder- und Jugendbericht steht. Da steht nämlich - und das ist im Bericht der Sachverständigenkommission nachzulesen -, dass die Politik erst die

Voraussetzung für die familiäre Erziehung durch Förderung und Unterstützung schaffen muss. Ich weiß nicht, welche Erfahrungen und welches Familienbild der Sachverständigenkommission dem zugrunde lag, denn in der übergroßen Mehrheit der Familien sind natürlich die Voraussetzungen für die familiäre Erziehung gegeben. Diese Familien kennen nämlich die Binsenweisheit, dass für die frühkindliche Entwicklung die persönliche Nähe und das Erfahren einer liebevollen Zuneigung durch die engsten Bezugspersonen, das sind nun mal die Eltern, das Elementare sind. Kleinkinder zu erziehen, also in ihrer Entwicklung nicht nur zu begleiten, sondern sie auch zu fördern, ihnen Grenzen aufzuzeigen, dies gelingt im Normalfall am besten in der Familie und kann nicht - auch das ist schon gesagt worden - auch durch noch so gut ausgebildete Erzieherinnen oder Erzieher umfänglich ersetzt werden. Da komme ich Ihnen schon noch mit einem Zitat, das vielleicht alle kennen. Der kleine Prinz sagt: "Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, die macht deine Rose so wichtig." Ich knüpfe dem an: Die Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen, dies macht die Beziehung so wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Die Elternerziehung und Zuwendung für ihre Kinder ist es, die diese Kinder zeitlebens prägen. Allerdings - und das sage ich auch ehrlich - müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es in unserer Gesellschaft Eltern gibt, die die geschilderte Art der familiären Erziehung selbst nicht oder nur unzureichend erlebt haben. Damit fällt es ihnen dann ungleich schwerer aus eigener Erfahrung Werte weiterzuvermitteln. Aber auch diesen Eltern wollen wir die Erziehungsverantwortung nicht nehmen, denn der Staat kann die intakte Familie niemals ersetzen. Wir müssen ihnen aber helfen und wir müssen sie stärken. Deshalb legen wir auch so großen Wert auf die Hilfen zur Erziehung und die Vermittlung von Erziehungskompetenz. Wir haben gestern hier im Landtag zur Elternbildung beim Erwachsenenbildungsgesetz diskutiert. Ich halte es für wichtig, ich halte es für genauso wichtig die Elternbildung wie die Stärkung der Medienkompetenz von den Eltern. Dafür wollen wir uns im Landtag einsetzen und ich denke, darüber besteht auch parteiübergreifend Einigkeit.

Lassen Sie mich zu einem nächsten wichtigen Punkt kommen. Das ist die Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe. Ich bedaure es, dass im Elften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung sich dazu nicht allzuviel findet. Die Sachverständigenkommission spricht sich in einem Forderungspunkt zwar dafür aus, dass die Ausgaben den Aufgaben folgen müssten und nicht umgekehrt. Hinlänglich bekannt ist auch die sich daraus ergebende Forderung: wer bestellt, bezahlt. Aber interessanterweise geht die Bundesregierung auf diese Empfehlung der Sachverständigenkommission gar nicht ein. Die Folge wäre dann nämlich auch, dass das Finanzierungssystem zwischen den einzelnen Ebenen verändert werden müsste, insbesondere vom Bund auf die Länder und punktuell natürlich auch zwischen Land und Kommunen. Auch wir müssen uns des

halb in Thüringen dieser Forderung stellen. Ich weise deshalb aber so eindringlich auf diesen Punkt hin, weil wir derzeit eine ganze Zahl von Bundesgesetzen haben, z.B. das Gesetz zu den Kindertagesstätten und zu den Hilfen zur Erziehung, wo wir gänzlich unter finanzieller Mitfinanzierung des Bundes an den Aufgaben, diese Aufgaben dann gemeinsam mit den Kommunen zu realisieren haben. Erwähnt werden muss, deswegen sage ich es auch hier an dieser Stelle noch, auch der Rückzug des Bundes aus dem Unterhaltsvorschussgesetzesbereich, welcher ebenfalls eine deutliche Mehrbelastung letztendlich für die Länder und für die Kommunen bedeutet. Auch da hat der Bund Gesetze gemacht und hat die Kosten letztendlich auf andere Partner verlagert.

Ich habe es gesagt, wenngleich auch bei uns im Land noch nicht alle Ausgaben den Aufgaben folgen, gibt es aber doch eine ganze Menge an Beispielen, wo dies geschieht, wo wir dies auch tun. Das ist insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe das Landeserziehungsgeld, der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz ab 2,5 Jahren und die Jugendpauschale, das sind die drei Beispiele, die ich zuallererst nennen möchte. Bei der bundesweiten Finanzierungsstruktur - Frau Pelke, Sie haben das angesprochen - sagt die Sachverständigenkommission aber auch noch mehr als diese Forderung nach 15 Prozent. Die Sachverständigenkommission weist nämlich darauf hin, dass im Bund die Jugendhilfe nur mit ganzen 7 Prozent am Sozialbudget des Bundes dabei ist. Die Länder tragen von den Gesamtausgaben der Jugendhilfe 30 Prozent und die Kommunen tragen über 60 Prozent der öffentlichen Kosten der Kinder- und Jugendhilfe. Ich halte dies für eine bemerkenswerte und für eine zu kritisierende Schieflage, angesichts dessen, dass es sich beim SGB VIII, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, um ein Bundesgesetz mit überwiegender Leistungsverpflichtung für die örtliche und für die Landesebene handelt. Bei der gegenwärtigen Finanzlage im Freistaat Thüringen und den Kommunen muss sich auch zukünftig der Bund stärker seiner Verantwortung für die Umsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes stellen. Alle zweckgebundene durch die Länder und Kommunen selbst verantwortete Förderung in die Infrastruktur für die Kinder- und Jugendhilfe in den neuen Bundesländern würde wesentlich mehr bringen als Modellprojekte, auf denen die Bundesländer und Kommunen dann nach einer Anschubfinanzierung sitzen gelassen werden. Ich habe auch ein Beispiel dazu. Das jüngste Beispiel, worüber wir diskutieren, wo der Bund populistisch sehr viel Geld ausgegeben hat - es ist wenig dabei herausgekommen und trotzdem werden nun die Länder gedrängt, dies weiter zu finanzieren - sind viele der Programme gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Die Stellungnahme der Bundesregierung lobt unverdrossen diese Aktivitäten, aber die Fakten sehen ganz anders aus. Denn selbst im Elften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung ist der Satz zu finden - und den zitiere ich: "Außerdem sollte die Kinder- und Jugendhilfe erst gar nicht den Eindruck entstehen lassen, als sei sie in der Lage das Problem des Rechtsextremismus zu lösen". Ver

schiedene Studien, u.a. eine Studie der Friedrich-EbertStiftung, stellen die Wirksamkeit solcher Programme gegen Rechtsextremismus und Gewalt in Frage. Und trotzdem sollen nun die ursprünglichen Bundesprogramme und Projekte, wie z.B. in Thüringen das MOBITH-Projekt von den Ländern übernommen und fortgeführt werden. Ich sage Ihnen ganz offen, wir werden das so nicht mitmachen und ich habe Ihnen erklärt, warum wir das nicht mitmachen werden.

Ein nächster wichtiger Punkt, der sich in den Folgerungen der Landesregierung und auch im Elften Kinder- und Jugendbericht findet, das ist die Fachlichkeit und das Fachkräfteangebot in der Jugendhilfe. Die Sachverständigenkommission fordert im Elften Kinder- und Jugendbericht unter dem Anstrich - Fachlichkeit und Fachkräfteangebot als Voraussetzung zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe - ein Fachkräfteangebot auf allen Ebenen und in allen Leistungsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe. In diesem Sinne hält der Elfte Kinder- und Jugendbericht an anderer Stelle den vorwiegend in den neuen Bundesländern verbreiteten Einsatz von ABM und SAM in der Jugendhilfe für ungeeignet. Die Landesregierung unterstützt in ihren Folgerungen diese Aussage ganz klar. Wie Sie alle wissen, haben wir genau deswegen 1997 die Jugendpauschale eingeführt. Berechtigt verweist die Landesregierung auf die erheblichen Anstrengungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fachpersonal in Thüringen. Für Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen mit dem Landesprogramm für Fortbildung und Toleranz für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Jugendhilfe und verschiedene andere Projekte leistet das Land seit Jahren auch seine Beiträge zur Unterstützung des Fachkräftebedarfs und des Fachpersonals auf der örtlichen Ebene. Da uns die Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe wichtig ist, muss die Auseinandersetzung mit dieser Problematik fortlaufend und fortführend erfolgen. Das Land sollte nach meiner Auffassung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Spitzenverbänden der Wohlfahrtspflege Vorschläge erarbeiten, wie dem Fachkräftegebot zukünftig Rechnung getragen werden kann. Ich weiß - das sage ich ehrlich - auch, dass viele Träger derzeit nur noch nach dem SGB entlohnen, weit unter einem Tarif, der notwendig wäre, um Fachkräfte zu halten oder neu zu gewinnen.

Wenn wir mehr Qualität als Quantität wollen, müssen wir uns auch dieser Diskussion stellen. Es bringt beispielsweise nichts, in der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe ganze Bereiche im Rahmen der begrenzt zur Verfügung stehenden Finanzmittel auszudünnen. Effektiver wäre es nach meinem Dafürhalten dann einzelne Angebote ganz einzustellen, um an anderer Stelle auch wirklich stärkere Qualität finanzieren zu können. Die Sachverständigenkommission misst insgesamt der Jugendverbandsarbeit eine wichtige Bedeutung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen gerade bei den Mitwirkungsmöglichkeiten von ihnen in Politik und Gesellschaft bei.

Erlauben Sie mir, da ich selbst aus der Jugendverbandsarbeit komme, dies kann ich nur bekräftigen und unterstützen. Auch die Landesregierung hat dies immer wieder betont und nicht zuletzt der Landesjugendförderplan, über den wir hier vor geraumer Zeit auch im Landtag ausführlich diskutiert haben, ist ein Beleg dafür.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, wo ich vorhin gesagt habe, wie das Kritisieren und das Schönreden im Verhältnis zueinander steht. Wissen Sie, Herr Nothnagel, man muss dann auch zur Kenntnis nehmen, dass Thüringen nach einer Studie der Vereinigung der Regionen als jugendfreundlichste Region Europas gilt.

(Beifall bei der CDU)

Im November 2002 - das ist noch nicht so lange her - hat Thüringen dafür einen zweiten Preis hinter einer Region in Norwegen erhalten und wir können berechtigt darauf stolz sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, das gehört dazu, dass wir das hier an dieser Stelle auch formulieren. Denn das ist natürlich der Punkt, Herr Nothnagel, wenn Sie ein Umsteuern in der Jugendhilfe und der Jugendpolitik fordern, gleichzeitig aber dies ein Ausdruck und ein Beleg dafür ist, dass unsere Jugendhilfe und unsere Jugendarbeit so schlecht nicht sein kann, wenn wir unter 33 Regionen, die ausgewertet wurden, den zweiten Platz belegt haben. Ich denke, dann muss man das sagen und dann kann man hier berechtigt auch stolz darauf sein.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch einige Punkte ansprechen, die aufgrund der begrenzten Zeit, die wir hier zur Diskussion haben, nicht umfänglich diskutiert werden können. Im Elften Kinder- und Jugendbericht und auch in den Folgerungen zum Bericht der Landesregierung wird darauf eingegangen, was die Aufgaben und Funktionen der Jugendämter und der Jugendhilfeausschüsse angeht, auch was die Fortentwicklung des SGB VIII angeht. Da müssen wir diskutieren, da müssen wir Vorschläge auf den Tisch legen, wie wir das fortentwickeln wollen. Da sind wir in einem Prozess, der läuft, da sind wir nicht fertig, aber wir werden auch hier von Seiten des Landes Vorschläge erwarten dürfen. Ich denke, dann werden wir uns hier im Landtag auch damit auseinander setzen und diese unterstützen. Ich weise darauf hin, wir haben im vergangenen Jahr, als es um den Kinder- und Jugendschutz ging, konkrete Vorschläge erlebt. Nicht alles war durchsetzbar im Bund, aber auch wir haben hier im Landtag konkrete Vorschläge dazu unterbreitet. Das knüpft an das an, Frau Pelke, was Sie eingefordert haben, das ist nämlich die Teilhabe und Partizipation von Jugendlichen. Ich sage es, wir haben eine ganze Menge Teilhabe und Partizipation. Der Beleg dafür ist, dass wir funktionierende und gut arbeitende Ju

gendhilfeausschüsse haben, wo junge Leute über Verbände, über Träger beteiligt werden, dass wir jeden Jugendförderplan, den wir in einer Kommune diskutieren, nicht nur öffentlich auslegen, sondern, Sie wissen das vielleicht auch aus Ihrer kommunalen Tätigkeit, mit einer Vielzahl von Kindern und Jugendlichen diskutieren, sie an der Fortschreibung von Jugendförderplänen beteiligen.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Das ist für mich ein Beitrag zur Beteiligung. Vielleicht nicht alles das, was Sie sich unter Kinder- und Jugendparlamenten vorstellen, aber das ist für mich ein Beitrag von Beteiligung. Wir erleben das in anderen Bereichen auch, wenn wir nämlich einen Kindertagesstättenbedarfsplan fortschreiben, wird er nicht nur öffentlich ausgelegt, sondern es wird die Stellungnahme auf kommunaler Ebene auch eingearbeitet und es wird sich damit auseinander gesetzt. Bitte erwecken Sie hier nicht den Eindruck, als ob es Mitbeteiligungs- und Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in Thüringen nicht gäbe.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen - auch darüber müssen wir ehrlich sprechen -, das ist nämlich die Entwicklung der Finanzen der Jugendhilfe, wie es im Elften Kinder- und Jugendbericht anklingt, der Finanzen in Bezug zur demoskopischen Entwicklung. Wir müssen in Thüringen zur Kenntnis nehmen, dass wir im Jahr 2007 - das ist nicht mehr so weit hin, da handelt es sich um die demographische Entwicklung, richtig, Frau Kollegin Arenhövel - in Thüringen nur noch ein Drittel der Kinder und Jugendlichen im Alter des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Vergleich zum Jahr 1997 haben, ein Drittel nur noch von dem, was vorher vorhanden war. Darüber müssen wir diskutieren, wie dann natürlich eine bedarfsgerechte Kinder- und Jugendhilfe aussieht. Da müssen wir vorbehaltlos diskutieren. Ich bin sehr dafür, dass wir trotzdem so viel wie möglich Finanzmittel in der Kinder- und Jugendhilfe einsetzen. Aber wir erleben wie oftmals vor diesem Hintergrund der demographischen Entwicklung dann auch die Diskussion vor Ort abläuft.

Ich möchte noch auf einen letzten offenen Punkt eingehen, das ist die Frage der Ausbildung und der Jugendberufshilfe. Frau Pelke, Sie sind auf eine ganze Menge umfänglich eingegangen, Herr Nothnagel, Sie auch. Dazu gehört, dass wir über die begrenzte Wirkung von Mobilitätshilfen diskutieren, dazu gehört auch, dass wir darüber reden, welche begrenzte Wirksamkeit das Jump-Programm entfaltet hat. Da wissen wir natürlich um die Probleme auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Wir diskutieren natürlich auch über die Jugendberufshilfe.

Frau Kollegin Pelke und Herr Kollege Nothnagel, es ist eben nicht so, dass 75 Prozent der Mittel in diesem Bereich weggefallen sind. Wir haben regelmäßig Beratungen mit den Vertretern der Jugendberufshilfe. Ich würde mir

wünschen, Frau Kollegin Pelke, Herr Kollege Nothnagel, dass Sie regelmäßig auch bei den Beratungen dabei wären, dann wüssten Sie nämlich, dass es weit mehr ist, was für den Bereich der Jugendhilfe zur Verfügung steht als die 400.000  .  (    $  / haben es bei der Aktuellen Stunde Ende vergangenen Jahres hier im Landtag deutlich gemacht, die ESF-Mittel, die dafür benutzt werden sollten, werden in der Tat zu einem ganz weiten Feld genutzt, nicht zu 100 Prozent, wie wir es uns damals vielleicht gewünscht hätten, aber sie werden in einem großen Umfang genutzt, deswegen ist es schlichtweg falsch, wenn Sie behaupten, die Jugendberufshilfe wäre um 75 Prozent reduziert worden. Dem ist nicht so.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Sie stellen die ESF-Ziele auf den Kopf.)

(Beifall bei der CDU)

Ich habe es gesagt, diese letzten vier Punkte, die ich angeschnitten habe, würden allein dazu ausreichen, um noch einmal eine eigenständige Diskussion zu führen. Ich bin mir sicher, dass wir das hier im Thüringer Landtag auch noch tun werden, aber das habe ich eingangs bei der Begründung des Antrags deutlich gemacht. Wir, die CDUFraktion, wollen die heute geführte Diskussion als Grundlage einer Diskussion in den Gremien, die dafür zuständig sind, nämlich dem Landesjugendhilfeausschuss und anderen, vor allem aber auch mit den Trägern in Thüringen verstanden wissen. Neben vielen Übereinstimmungen zwischen dem Bericht der Landesregierung und dem Elften Kinder- und Jugendbericht in der Bewertung der Kinderund Jugendhilfe bleibt aber der die ganze Zeit geschilderte gravierende Unterschied. Der Kinder- und Jugendbericht des Bundes ist überschrieben "Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung". Die nach Meinung der CDU-Fraktion richtige Überschrift hätte aber lauten müssen "Aufwachsen in Elternverantwortung mit öffentlicher Unterstützung". Wenn der Bericht der Bundesregierung dieser Überschrift gefolgt wäre, wären vermutlich ganz andere Schlussfolgerungen herausgekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Abschluss noch ein Zitat. Ich habe in der vergangenen Woche einen wichtigen Satz von Herrn Weinrich in der TLZ gelesen. Herr Weinrich hat gesagt, ich zitiere: "Kinder- und Jugendhilfe und auch Angebote der Schuljugendarbeit müssen stets familienergänzend und nicht familienersetzend sein."

(Beifall bei der CDU)

Er hat ganz uneingeschränkt Recht. Besser kann man es mit wenigen Worten auch nicht ausdrücken. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)