Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie recht herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags und eröffne diese Sitzung auch ganz formell. Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreter der Medien.
Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Hennig. Die Rednerliste führt Herr Abgeordneter Gumprecht.
Für die heutige Sitzung haben sich Herr Abgeordneter Bärwolff, Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen, Herr Abgeordneter Hausold, Frau Abgeordnete Prof. Dr.-Ing. habil. Schipanski entschuldigt.
und ich hoffe, dass der Tag in der heutigen Plenarsitzung wenigstens ein bisschen Zeit gibt, ein paar feierliche Glückwünsche entgegenzunehmen und vielleicht in der einen oder anderen Minute mal auszuspannen. Also, alles Gute!
Ich möchte zu Beginn der heutigen Sitzung an ein bedeutendes historisches Datum erinnern. Heute vor 64 Jahren, am 8. Mai 1945, endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat in seiner wegweisenden Rede vor dem Deutschen Bundestag am 8. Mai 1985 den Platz dieses Tages in der deutschen Erinnerungskultur bestimmt. Er charakterisierte den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.
Aber - und darauf hat Richard von Weizsäcker hingewiesen - dieser Tag ist „für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft.“
15 Jahre nach Richard von Weizsäcker hat Bundeskanzler Gerhard Schröder im Centrum Judaicum anlässlich der Ausstellungseröffnung „Juden in Berlin 1938 - 1945“ den gefundenen historischen Grund
konsens erneut auf einen Punkt gebracht: „… dieses Datum (ist) prägend für die Geschichte der Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg so unermessliches Leid über andere Völker und zuletzt auch über sich selbst gebracht haben.“ „… es ist nicht nur ein Tag der Befreiung, sondern auch ein Tag des Gedenkens und der Erinnerung.“
Ich denke, wenn wir den heutigen Plenarsitzungstag beginnen, in diesem Sinne uns gemeinsam zu erinnern.
Regierungserklärung des Minis- ters für Bundes- und Europaan- gelegenheiten und Chef der Staatskanzlei zum Thema „Thü- ringen wählt Europa!“ dazu: Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 4/5155 -
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich danke der Landtagspräsidentin ausdrücklich für die Erinnerung an den 8. Mai. Das ist eine gute Brücke zur heutigen Regierungserklärung, denn mit dem 8. Mai 1945 ist der Beginn einer erfolgreichen Entwicklung in Europa eingeleitet worden, wie sie kaum eine andere Entwicklung ihresgleichen findet. Auch daran kann man an dieser Stelle einmal erinnern.
Meine Damen und Herren, „Thüringen wählt Europa!“, unter dieses Motto habe ich meine Regierungserklärung aus gutem Grund gestellt, denn am 7. Juni sind Europawahlen. Über 1,9 Mio. wahlberechtigte Thüringerinnen und Thüringer sind aufgerufen, das Europäische Parlament mitzuwählen.
Das Europäische Parlament ist das größte multinationale Parlament der Welt. Seine 785 Abgeordneten aus 27 Nationen vertreten derzeit rund 490 Mio. Bürgerinnen und Bürger. Aus Deutschland kommen 99 Abgeordnete, 4 davon sind aus Thüringen. Ich möchte mit allem Nachdruck die Thüringerinnen und Thüringer dazu aufrufen: Gehen Sie zu den Wahlen! Wahlen gehören zu unseren wichtigsten demokratischen Grundrechten. Leider nutzen immer weniger Bürger ihr Wahlrecht. 1994 beteiligten sich in Thüringen knapp 72 Prozent an den Europawahlen, im
Jahr 2004 waren es nur noch 53 Prozent. Das ist zwar mehr als im Bundesdurchschnitt - im Bundesdurchschnitt waren es 43 Prozent -, aber es ist trotzdem noch zu wenig. Eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung zeigt, 66 Prozent der Befragten in Deutschland - für Thüringen liegt leider keine repräsentative Umfrage vor - wissen nicht, dass im Juni überhaupt Europawahlen stattfinden. Über die Hälfte, nämlich 51 Prozent, der Bürger hat kein Interesse an den Wahlen. Das muss uns nachdenklich machen, gerade in diesem Jahr der Demokratie. Wir sollten die Menschen umso mehr motivieren, zur Europawahl zu gehen.
Bei dieser Gelegenheit will ich daran erinnern, wir begehen in diesem Jahr nicht nur die drei Demokratiejubiläen in Deutschland; nämlich 90 Jahre Weimarer Reichsverfassung, 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre friedliche Revolution, nein, wir begehen auch noch 30 Jahre Wiederkehr der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments, denn diese fand 1979 statt.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen, die bereits dazu aufgerufen haben, das Wahlrecht zu gebrauchen. Ich bedanke mich bei den Kirchen, die bereits dazu aufgerufen haben. Ich bedanke mich bei den Medien, die das Thema bereits aufgegriffen haben. Ich kann Sie alle nur bitten, verstärken Sie diese Aktivitäten.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch an den 7. Mai 1989 erinnern, nämlich gestern vor 20 Jahren. Damals wurde der Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen in der DDR offenkundig. Der Unmut über die gefälschten Wahlen führte letztlich auch zur friedlichen Revolution im Herbst 1989 und zu unserer Hauptforderung nach „Freien Wahlen!“. Was hätten viele Menschen damals darum gegeben, in freier, gleicher und geheimer Abstimmung an einer Europawahl teilnehmen zu können. Heute, 20 Jahre später, können wir gemeinsam mit über 370 Mio. anderen wahlberechtigten Europäern an die Wahlurnen gehen - ein weltweit einmaliges Demokratieereignis. Wir sollten dieses hart erkämpfte Recht nicht ungenutzt lassen. Die Vorstellung, wenn einst Europa zerfiele, nicht, weil es zu viele Euroskeptiker gäbe, sondern zu wenig Europabegeisterte, dann wäre das keine gute Vorstellung. Aber ich bin sicher, das wird so nie geschehen. Europa wird stark bleiben.
Man fragt sich schon, warum einerseits der Wunsch, der EU anzugehören, für so viele Nicht-EU-Staaten nach wie vor ungebrochen ist. Ich erinnere an die Ukraine, Georgien und die Türkei. Man fragt sich, warum andererseits die EU von manchen Mitgliedern, die nachweislich massiv von dieser Mitgliedschaft profitieren, die EU so wenig wertschätzen. Gilt hier vielleicht die Volksweisheit: „Was man hat, das
schätzt man nicht, und was man schätzt, das hat man nicht?“ Ich vermute, ein solches psychologisches Moment wird sicherlich dabei sein.
Meine Damen und Herren, ohne Frage, Europa ist komplex, Europa ist schwierig, aber entscheidend ist, die europäische Einigung hat uns Frieden und Wohlstand in nie gekannter Form gebracht und sichert auch in gewisser Form unsere Freiheit. Das allein ist Grund genug, zu sagen: Unser Herz muss weiter für Europa schlagen.
Für mich gehört neben der deutschen Wiedervereinigung auch die europäische Integration zu den schönsten Geschenken, die ich in meinem Leben erleben durfte. An dieser Stelle darf ich daran erinnern, dass wir uns nicht wie andere Länder bewerben oder in der Schlange anstellen mussten, um unsere Europawürdigkeit unter Beweis zu stellen. Nein, man kann sagen, im Beipackzettel des Einigungsvertrags von 1990 befanden sich auch die EG-Verträge von 1986, die sogenannte Einheitliche Europäische Akte. Man muss auch sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutsche Einigung ist gerade durch die Integration Deutschlands in Europa so problemlos möglich geworden, weil die Nachbarn Deutschlands nicht mehr vor einem übermächtigen Deutschland Angst zu haben brauchen.
Um Europa wieder wertzuschätzen, sollten wir uns öfter bewusst machen, was Europa für jeden Einzelnen heißt. Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Premierminister, hat das im März dieses Jahres in der Erfurter Messehalle geraten. Er sagte, ich zitiere: „Vielleicht sollte man mal zwei Monate Grenze spielen, Visum beantragen, Geld tauschen und an den Grenzen warten, stundenlang warten, dann weiß man unter anderem wieder, was es heißt, sich grenzenlos zu bewegen.“ Unsere Botschaft heißt, Europa findet nicht irgendwo statt, sondern im Alltag jedes Einzelnen, und zwar immer mehr, beim Studium oder bei der Arbeit vielleicht in einem anderen Mitgliedstaat, beim grenzüberschreitenden Einkaufen oder natürlich auch bei Urlaubsreisen. Die Menschen müssen konkret erleben, um es zu mögen, was Europa heißt. Dazu tragen in Thüringen über 370 europäische Schulpartnerschaften und über 200 Städtepartnerschaften zu Kommunen in der EU bei. Heute können unsere Kinder problemlos ein Austauschsemester in London belegen oder in Frankreich ein Praktikum absolvieren. Was für die heutige Generation selbstverständlich ist, war zu meiner Studienzeit unvorstellbar. In den Erfahrungen mit anderen Ländern und Kulturen aber wurzelt auch die Begeisterung für Europa. Jean Monnet, einer der Gründer des heutigen Europas sagte einmal, ich zitiere: „Wir vereinigen keine Staaten, wir bringen Menschen zusammen.“
Meine Damen und Herren, Verständnis über Europa zu vermitteln, geschieht am besten durch Begegnung. Das ermöglichen die europäischen Strukturen, das ermöglichen die Beschlüsse des Europäischen Parlaments; denn das Europäische Parlament ist kein zahnloser Tiger mehr. In der EU läuft kaum noch etwas ohne die Europaabgeordneten. Sie entscheiden über die politische Richtung Europas und wie die Brüssler Milliarden ausgegeben werden. Der Vertrag von Lissabon wird das Europäische Parlament noch mehr stärken, es erhält zukünftig die volle Mitbestimmung über den EU-Haushalt und die jährlichen Finanzfragen. Zum Beispiel hatte es bei den umfangreichen Agrarausgaben in der Vergangenheit nichts zu sagen. Nunmehr soll es die volle Budgethoheit besitzen und damit das bedeutendste Recht eines Parlaments erhalten.
Außerdem räumt der Vertrag von Lissabon den nationalen Parlamenten erstmals eigene Mitspracherechte in der Europäischen Union ein. Wir können zukünftig politische Vorhaben stoppen und sogar verhindern, wenn wir überzeugt sind, dass wir das Problem besser vor Ort lösen können. Ich denke dabei z.B. an den Vorschlag der Kommission, einheitliche Regelungen im Verbrauchervertragsrecht zu schaffen. Damit soll grenzüberschreitender Einkauf einfacher sein; eine gute Idee, aber der Kommissionsvorschlag würde bedeuten, dass wir unseren Verbraucherschutzstandard senken müssten. Der Bundesrat hat mit der Stimme Thüringens am 6. März dies unmissverständlich klar gemacht. Ich denke, wäre der Vertrag von Lissabon bereits in Kraft, hätten wir jetzt die Chance, den Kommissionsvorschlag durch eine Subsidiaritätsrüge der nationalen Parlamente prüfen zu lassen. Ich denke, es ist schade, dass dieser Aspekt in der mündlichen Verhandlung zum Vertrag von Lissabon vor dem Bundesverfassungsgericht wenig Beachtung gefunden hat. Aber ich bin sicher, gerade weil der Vertrag die europäische Demokratie stärkt, wird er unser höchstes Gericht letztlich überzeugen. Das Vertragswerk stellt sicher, dass die Europäische Union der 27 Mitgliedstaaten schneller Entscheidungen treffen und handeln kann, dass sie mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Dafür braucht es den politischen Willen und das Ja der Iren, das wissen wir. Dass der tschechische Senat vorgestern dem Vertrag von Lissabon zugestimmt hat, stimmt optimistisch. Ohne Frage, der Vertrag von Lissabon ist immer noch ein Kompromiss, aber einer, der für die nächsten Jahre trägt, und darauf kommt es jetzt an.
Auch die aktuelle Wirtschaftskrise ist für die EU eine Herausforderung. Wie sich die weltweite Wirtschaftskrise entwickelt, weiß heute leider noch keiner. Wie sich Absatzmärkte, die Arbeitslosigkeit, die Steuereinnahmen, die Staatsschulden entwickeln, ist noch ungewiss. Das macht den Menschen Angst.
Gewiss ist aber, kein Staat könnte diese Krise im Alleingang bewältigen. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 hatte sich auch deshalb verschärft, weil die Länder isoliert voneinander gegen die Krise angekämpft haben. Heute kann ein starkes Europa unter Schulterschluss aller Mitgliedstaaten die Krise schneller meistern - ich ergänze ausdrücklich -, vor allem ohne Protektionismus. Wer sich heute vermeintlich vor ausländischer Konkurrenz schützen will, gefährdet morgen den eigenen Absatzmarkt. Wirtschaftlicher Erfolg steht und fällt mit dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr.
1. Jeder Mitgliedstaat kann sich auf die Solidargemeinschaft verlassen, er muss sich verlassen können auf die Solidargemeinschaft. Dennoch gehört dazu auch die nationale Verantwortung, unter anderem für einen gesunden Staatshaushalt, für eine effiziente Mittelverwaltung und für zukunftsgerechte Investitionen. Das gilt auch für die neuen Mitgliedstaaten, denen bereits Zahlungsbilanzhilfen gewährt wurden. Ich erinnere unter anderem an Ungarn und Lettland.
2. Der Euro als gemeinsame Währung beweist gerade jetzt seinen Vorteil. Ohne Euro stünden alle Euroländer den Währungsschwankungen schutzlos gegenüber, auch Deutschland. Auch deshalb drängen Länder wie Polen und Bulgarien auf einen baldigen Beitritt zur Eurozone.
3. Unser einheitlicher Binnenmarkt wird auch in Zukunft der zentrale Eckpfeiler der Wirtschaftskraft Europas sein. Die Europäische Union muss im Einklang mit den Mitgliedstaaten sowohl kurzfristig die Konjunktur stabilisieren als auch langfristig die Rahmenbedingungen für die Märkte gestalten, für die Finanzmärkte und für die realen Wirtschaftsmärkte und gleichermaßen für die Wirtschaftskreisläufe. Dabei geht es vor allem darum, umfassend Transparenz und Verantwortlichkeit in dem neuen Regelwerk unterzubringen. Ich als Sparer muss wissen, was macht die Bank mit meinem Geld, wie sicher sind meine Ersparnisse und wer ist für sie verantwortlich.
Derzeit werden in Europa Vorschläge für eine neue Eigenkapitalrichtlinie beraten. Nationale Aufsichtsbehörden müssen einen besseren Überblick über die Aktivitäten der grenzübergreifenden Bankengruppen erhalten können. Spareinlagen müssen besser gesichert werden und die Rechnungslegung muss sich verbessern. Es steht die Frage, wer ratet eigentlich die Ratingagenturen.
Thüringen hat die Vorschläge zur Bewältigung der Krise im Bundesrat ausdrücklich unterstützt. Neben den EU-Regeln müssen natürlich auch weltweite Re
gelsysteme geschaffen werden. Es war wichtig, dass sich auf dem Londoner Gipfel die G 20-Staaten geeinigt haben. So sollen die Eigenkapitalanforderungen an die Kreditinstitute überarbeitet und die riskanten Hedgefonds stärker kontrolliert werden. Außerdem haben sie Regeln für die Boni-Systeme formuliert, die nur nachhaltige Unternehmensführung belohnen sollen.
Nach dem Gipfel haben sich die führenden Industrienationen außerdem darauf verständigt, dass der internationale Währungsfonds mit 500 Mrd. Dollar und die Weltbank mit 100 Mrd. Dollar zusätzlich ausgestattet werden. Der Europäische Rat hat bereits im Dezember ein europäisches Konjunkturprogramm beschlossen, in das die Maßnahmen der Mitgliedstaaten eingeflossen sind, insgesamt eine Summe von 400 Mrd. €, 30 Mrd. € umfasst dabei der EUBeitrag.
Die Hauptsorge der nächsten Zeit ist es, dass möglichst viele Menschen ihren Arbeitsplatz behalten; deshalb braucht vor allem der Mittelstand Unterstützung. Er ist der Arbeitgeber Nummer 1. Gerade für unser mittelständisch geprägtes Thüringen ist das entscheidend.
Ein besonders wichtiger europäischer Schritt zum uneingeschränkten Funktionieren des Binnenmarkts ist die EG-Dienstleistungsrichtlinie. Sie wird den Rahmen für die Ausübung von Dienstleistungen im EUAusland gerade für mittelständische Unternehmen erheblich verbessern. Es sollen dabei einheitliche Ansprechpartner Hilfe bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen geben, elektronische Verfahrensabwicklung soll den Unternehmen Erleichterung bringen. Thüringer Architekten oder auch Handwerker, die im Ausland eine Dienstleistung erbringen wollen, müssen sich in Zukunft nicht mehr durch einen Behördendschungel kämpfen. Eine Stelle informiert zukünftig über alle notwendigen Formalitäten. Vor allem für unsere exportorientierten Unternehmen in Thüringen birgt das zusätzliche Chancen.
Bis Ende dieses Jahres, so der Fahrplan, setzen alle Mitgliedstaaten diese Richtlinie um. Der Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt liegt Ihnen im Landtag vor, mit Ihrer Unterstützung können wir die Frist einhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Thüringen profitiert seit vielen Jahren von der europäischen Solidarität durch umfangreiche Finanzzuweisungen aus Strukturfonds bzw. aus den sogenannten Kohäsionsmitteln.
Kohäsion bedeutet, überall in Europa ähnliche Lebensverhältnisse zu schaffen. Das ist ein Auftrag aus dem europäischen Gründungsvertrag. Wenn wir heute nach Spanien oder Portugal schauen, sehen wir die Erfolge dieser Politik. Vom Armenhaus Europas haben sich diese Länder mit einer erheblichen Wirtschaftskraft nunmehr entwickelt.
Die Gelder aus den Strukturfonds sollen in zukunftsweisende Investitionen, in Forschung und Entwicklung, in Bildung, neue Technologien, in Umweltschutz, in regionale Infrastrukturen und auch in Chancengleichheit einfließen. Die europäische Kohäsionspolitik muss auch den Bereich Umwelt in Zukunft stärker berücksichtigen. Insofern ist der Nachholbedarf von Mitgliedstaaten in Zukunft auch stärker einzufordern.
Auch auf Drängen der deutschen Länder hat die Europäische Kommission mehr Flexibilität in die Abwicklung der Strukturfonds gebracht. Das betrifft zum Beispiel die Fristen für die Abrechnung der Förderperiode 2000 bis 2006. Die Bereitstellung weiterer Vorschusszahlungen erleichtert die Inanspruchnahme der Fördermittel auch und gerade in der Wirtschaftskrise.
Im Förderzeitraum 2007 bis 2013 erhält der Freistaat aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, sogenannte EFRE-Mittel, und aus dem Europäischen Sozialfonds, sogenannte ESF-Mittel, insgesamt rund 2,1 Mrd. €. Thüringen gelingt es sehr erfolgreich, die europäischen Fördermittel der Strukturfonds für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes zu nutzen. In der vergangenen Förderperiode haben die EFRE- und ESF-Förderung ein Gesamtinvestitionsvolumen von 5,7 Mrd. € angeregt. Das heißt in Arbeitsplätzen ausgedrückt, 14.200 neue Arbeitsplätze sind entstanden, rund 79.000 wurden gesichert. Ohne die Strukturfonds wäre das nicht möglich gewesen. So entsteht zum Beispiel mit Einsatz von 7,8 Mio. € aus der Gemeinschaftsaufgabe und dem EFRE das Thüringer Kompetenzzentrum für Hochtechnologie und Solarwirtschaft in Erfurt. Die Inbetriebnahme des Zentrums ist für Anfang 2010 geplant.
Ein weiteres Beispiel ist das aktuelle Forschungsprojekt der Jenoptik zur Entwicklung eines Heißprägeverfahrens zur Strukturierung von Kunststoffmaterialien im Nanometerbereich, das vom Freistaat mit rund 540.000 € gefördert wird.
Diese und andere Beispiele zeigen, Thüringen ist auch dank der Kohäsionspolitik für Investoren attraktiv und nimmt nach Einschätzung des US-Fachmagazins „Site Selection“ in Westeuropa Rang 5 der attraktivsten Wirtschaftsstandorte ein.