Protokoll der Sitzung vom 09.05.2008

Ob Sie das heute schon leisten konnten, Herr Minister, das weiß ich nicht. Ich glaube es nicht. Aber selbst das, was Sie bereits genannt haben, hat mir nicht den Eindruck vermittelt, dass diese Reformbemühungen einem Ganzen, einer Idee, einer Schlussvorstellung gehorchen. Ich glaube, das geht nicht nur uns so, das geht auch Bediensteten so, das geht Bürgerinnen und Bürgern so, das geht kommuna

len Verantwortlichen so. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, wie es weitergeht. Die betroffenen Bediensteten haben ein Recht darauf, wir als Abgeordnete haben ein Recht darauf, wenn wir noch irgendwie Einfluss darauf nehmen wollen. Ich habe nur die inständige Bitte, dass Sie es nicht bei der Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt belassen, sondern dass Sie dem Landtag, egal ob hier oder vielleicht sogar besser im Innenausschuss, klar und deutlich über die beabsichtigten und die tatsächlichen Verläufe dieser Polizeireform informieren, damit wir sie im Ausschuss und hier dann diskutieren können. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vorweg seien mir drei Bemerkungen erlaubt. Zunächst, Herr Innenminister, Sie sind jetzt einen guten Tag im Amt, herzlichen Glückwunsch noch mal von meiner Seite hier vom Mikrofon. Ich wage es ja bei dem Heer Ihrer Vorgänger nicht mehr zu formulieren, dass es das schönste Amt in der Landesregierung ist. Ich bin mir sicher, es kann das schönste Amt sein, wenn Sie - und das hoffe ich, dass Ihr Bericht heute der Anfang war - Ihr Amt nicht in Kontinuität zu Ihrem Vorgänger ausführen. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Zweitens: Der Antrag der SPD-Fraktion ist gestellt worden, als wir noch einen anderen Innenminister hatten. Ich glaube, es ist nur fair, wenn wir jetzt zunächst erst einmal anders miteinander reden. Es geht einfach nicht, dass man 24 Stunden nach Amtseinführung zu wesentlichen Fragen von Ihnen Antworten verlangt. Insofern ist uns klar, dass Sie persönlich keine Verantwortung an der innenpolitischen Malaise tragen, in der wir uns befinden. Festzustellen bleibt aber, dass es die Thüringer CDU war, die Wochen und Monate geschlafen hat und die uns hier in eine zeitliche Bredouille bringt, die in dieser Legislaturperiode nicht mehr aufzulösen ist. Ich will anhand einiger Fragen, die ich Ihnen stellen will, wo mir klar ist, dass wir die Stück für Stück aufarbeiten wollen, das klarmachen.

Als Drittes: Ich komme einfach nicht drumherum; wer mich näher kennt, weiß, dass ich Karikaturen liebe. Die Fähigkeit, einen teilweise sehr komplizierten Sachverhalt in ein Bild zu packen, fasziniert mich immer wieder. Herr Nel von der TLZ hat uns heute eine wunderschöne Karikatur geschenkt. Lächelnde Minister, man verkrampft teilweise lächelnde Mi

nister und im Hintergrund zwei, die sagen: „Das ist das Ergebnis einer missglückten Polizeireform.“ Das sollte Ihnen, Herr Innenminister, aber insbesondere der Mehrheitsfraktion hier im Haus eine Warnung sein, was man lostreten kann, wenn man nicht kommuniziert, wenn man falsche Zahlen kommuniziert und wenn man dieses Parlament nicht ernst nimmt. Für mich ist übrigens das Interessanteste an dieser Karikatur, dass man von allen Ministern nur eine freie Hand sieht. Ob die andere mit der Faust in der Tasche ist oder ob eventuell schon jemand das Messer im Rücken hat, lässt die Karikatur offen. Wir werden schauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist Wahrheit und was ist Sachstand zu OPTOPOL und zur Polizeireform? Wir haben - ich will das noch einmal ausdrücklich sagen, weil ich auch gestern nach der Mündlichen Anfrage immer noch das Gefühl habe, da sind noch ein paar Unklarheiten - lediglich ein Gesetz zur Vorbereitung der Polizeireform hier im Landtag verabschiedet. Also wenn der Staatssekretär in seiner Art und Weise immer sagt „wir setzen das Gesetz um“, sagt er, dass man die Vorbereitung einer Reform umsetzt. Vielleicht fragt sich der eine oder andere, warum es eigentlich kein Gesetz zur Vorbereitung der Justizreform und warum es denn kein Gesetz zur Vorbereitung der Sozialreform gab. Das ist alles der Geschichte dieser nicht vorhandenen Reform geschuldet, schlicht und einfach keine Mehrheit im Haus. Da, Herr Hahnemann, stimme ich Ihnen ausdrücklich zu im Fall voller Umnachtung; weil einzelne Abgeordnete gesagt haben, wir stimmen nicht zu, hat man so ein Gesetz gemacht, dieses Vehikel. Ich würde mich freuen, Herr Innenminister, wenn Sie die Kraft hätten, die Polizeireform, die wohl ansteht, wieder in dieses Haus zu bringen, dahin, wo sie hingehört. Sie entgehen der Diskussion sowieso nicht. Man kann dieser Diskussion nicht entgehen. Ansonsten haben wir monatlich Berichtsersuchen zur Polizeireform oder Ähnliches an dieser Stelle. Also man kann, wie der Versuch ursprünglich war, dieser Diskussion nicht ausweichen. Deshalb will ich auch in den Innenausschuss-Sitzungen noch mal anregen, hören wir doch mit diesem Unsinn auf. Die Justizreform ist durch das Plenum gelaufen, andere Polizeireformen sind auch durch dieses Plenum gelaufen. Lassen Sie uns die Polizeireform da wieder hinholen, wo sie auch ein Stückchen hingehört, nämlich hier in das Plenum. Dann, auch da bin sehr nah bei Herrn Hahnemann, müssen wir die Frage beantworten, muss auch die Landesregierung die Frage beantworten und das ist die Kernfrage: Was wollen wir eigentlich für eine Reform?

Wir bekommen, und das ist für mich die glatte Wahrheit, in dieser Legislaturperiode keine Reform mehr hin. Die Zeit ist verspielt, ist unnütz vertan. Wir ma

chen ein bisschen, das gestehe ich Ihnen gern zu, Polizeiverwaltungsamt, also auf gut Deutsch, da kommt das Schild „Polizeiverwaltungsamt“ weg und dann kommt „Bereitschaftspolizei“ hin. Vielleicht rutscht der eine noch mal herüber und hinüber, aber mehr wird in dieser Legislaturperiode nicht passieren. Das ist keine Reform. Da hört man ja, dass die ersten Dinge schon laufen. Im Innenministerium, insbesondere in der Abteilung Polizei, wird kräftig reformiert und neu strukturiert - höchste Zeit, ich sage dazu dann noch mal zwei Sätze. Aber das ist alles, was wir in dieser Legislaturperiode verantwortlich noch leisten können. Ich fände es richtig, Herr Innenminister - Sie haben ja am Anfang gezeigt, es gibt keine Kontinuität zu Ihrem Vorgänger -, wenn Sie das dann doch mal so deutlich sagen würden, denn ich glaube, auch das brauchen die Thüringer Polizisten.

Das Kernstück dieser Polizeireform, die Errichtung vier neuer PDs, ist endgültig geplatzt für diese Legislaturperiode. Es ist auf der Zeitschiene nicht mehr umsetzbar und dieses deutliche Wort an die Polizisten wünsche ich mir.

Zur Einführung des Digitalfunks: Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Ausführungen und will daran erinnern - Sie können das nicht wissen, der Herr Staatssekretär weiß das sicherlich -, dass es die Zusage Ihres Vorgängers gibt, im Innenausschuss regelmäßig zu berichten. Ich halte das für wichtig, weil Ihr Vorgänger, und das konnte ich sogar in bestimmten Teilen nachvollziehen, immer wieder gesagt hat, wir brauchen diese Strukturreform. Das steht sogar im Gesetz zur Vorbereitung der Polizeistrukturreform. Wir brauchen diese Strukturreform unbedingt für den Digitalfunk. Wenn es anders ist und erklärbar ist, ich habe das schon verstanden mit den Basisdienststellen, die große Frage ist ja, was die Verknüpfungspunkte wären. Da habe ich kein Problem Ihnen zu folgen, wir müssen nur sehen, wie wir es auf der Zeitschiene hinbekommen. Wir sind dann auch zeitlich unter Druck. Also da gibt es ausdrücklich Diskussionsbedarf untereinander und ich sage auch, es gibt für mich ganz großen Diskussionsbedarf zu dem, was sich mal „Landeseinsatzstab“ nannte. Wenn vonseiten der CDU, und das streiten wir gar nicht ab, immer wieder gesagt wird, auch Polizei muss sich zu gegebener Zeit grundlegenden Reformen unterwerfen - ich glaube, das muss unmittelbar zu Beginn der nächsten Legislaturperiode passieren, dass wir da intensiv in die Diskussion gehen -, wenn das so ist, kann, und diese Vorschläge kommen aus Ihrer eigenen Fraktion, das Ergebnis sein, dass wir zukünftig eventuell nur noch zwei oder drei Polizeidirektionen haben. Dann brauchen wir keinen Landeseinsatzstab, denn da muss nichts mehr koordiniert werden, die können sich selber führen. Deshalb, sage ich, brauchen wir jetzt keinen Landeseinsatzstab, um nach einer Strukturreform diesen Landeseinsatzstab

wieder einzukassieren; insofern gibt es auch da Diskussionsbedarf.

Den allergrößten Diskussionsbedarf habe ich mit Ihnen, Herr Innenminister, zum Stellenabbaukonzept der Landesregierung. Ihre Bemühungen und Ihre ersten Andeutungen, mehr Polizei in die Flächendienststelle, sind richtig, aber das Stellenabbaukonzept der Landesregierung, von der CDU hier im Haus beschlossen, konterkariert dieses Vorhaben extrem. Wir wollen planmäßig bis zum Jahr 2019 über 900 Stellen im Vollzug in den Flächenstellen abbauen. Sie können alle Klimmzüge dieser Welt machen, das können Sie nicht kompensieren. Deshalb - das ist sicherlich der mutigste Schritt, den ich von Ihnen verlange - beschäftigen Sie sich mit dem Stellenabbaukonzept, lassen Sie uns darüber reden. So, wie es da steht, wird es einfach nicht funktionieren. Sie haben noch ca. 15 Monate Zeit, um das auf die Reihe zu bekommen. Ich sage Ihnen, wir sollten gar nicht so viel Kampf und Krampf in kleinere oder größere Reformschritte hineinpacken, die große Reform kommt sowieso nicht. Wir haben so viel zu tun: Polizeiaufgabengesetz, Verfassungsschutzgesetz, Rettungsdienstgesetz, Zustand der Parlamentarischen Kontrollkommission, NPD-Verbot, gegenseitige Bespitzelung bei der Thüringer Polizei, Überstundenaffäre, die Perspektive unserer Schule in Meiningen usw. Da habe ich das Kommunale, was noch mit in diesen Bereich gehört, gar nicht genannt.

Wenn wir wissen, dass wir den großen Schritt nicht hinbekommen, wenn wir wissen, dass die kleinen Schritte teilweise Krampf sind und wieder revidiert werden müssen, lassen Sie uns unsere Konzentration darauf richten, was wir in dieser Legislaturperiode noch schaffen können - da gebe ich Ihnen recht -, die Voraussetzung für eine Polizeireform, für eine vielleicht umfassendere Polizeireform herzustellen. Ich bin der ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU - ich wusste nicht, ob das ein Befreiungsschlag werden sollte -, aber ich bin Ihr zumindest dankbar, dass Sie klar und deutlich gesagt hat, wir sind hier über Jahre über Zahlen, Zustand, Entwicklung, Zu- und Abgänge bei der Thüringer Polizei falsch informiert worden. Das müssen wir hinbekommen. Das bekommen wir nur hin, wenn wir anfangen, ehrlich und fair an einem Personalentwicklungskonzept bei der Thüringer Polizei zu arbeiten. Wenn wir das haben, wird es uns mögliche Reformschritte in der nächsten Legislaturperiode im Wesentlichen erleichtern.

Daher fordere ich Sie auf: Beginnen Sie mit der Arbeit an einem Personalentwicklungskonzept bei der Thüringer Polizei. Die Unterstützung, die sie dabei benötigen, werden Sie auch von der Opposition bekommen, wenn wir vernünftig miteinander umgehen. Ich bitte Sie, klären Sie die Frage der privaten Si

cherheitsdienste in Thüringen. Das hat Ihren Vorgänger leider nicht interessiert. In Meiningen, Schmalkalden und in Ostthüringen wird mittlerweile Streife gelaufen. Das geht nicht, wir können die innere Sicherheit nicht privatisieren. Darüber werden wir im Innenausschuss reden müssen.

Thema Abordnung: Alleine in Ihrem Haus arbeiten ungefähr 50 Kollegen auf Abordnung. Ich will Ihnen zwei nennen, die Sie am Ende meines Beitrags wieder zurückschicken sollten, aber das sind Kollegen aus den Polizeidienststellen. Weil sie zum großen Teil gut sind, haben wir sie auf Abordnung in das Ministerium geholt. Die sind mittlerweile in der 5. Abordnung, die wissen zum Teil eigentlich gar nicht mehr, wo sie angestellt worden sind. Die müssen zurück, wenn wir die Basisdienststellen stärken wollen.

Sie haben im Haushalt ein personelles Pfund mitbekommen. Das will ich gar nicht so sehr in Abrede stellen; wenn Sie Ihr Haus ordentlich auf die Reihe bringen wollen, dann brauchen Sie Personal. Denn es hat ja auch keinen Sinn, die Abordnungen zum Beispiel beim Landesamt für Verfassungsschutz aufzulösen und dieses Amt so zu rasieren, dass nichts mehr funktioniert. Aber die Stellen, die Sie über den Haushalt für Ihr Haus bekommen haben, benutzen Sie die bitte, um dieses Theater um die Abordnungen in Ihrem Haus und nicht nur in Ihrem Haus zu unterbinden. Zu polizeifremden Aufgaben haben Sie was gesagt; ich halte das für einen ordentlichen Anfang für 24 Stunden. Ich kenne einen Innenminister, der war nach vier Jahren noch nicht so weit. Insofern werden wir das begleiten, genauso natürlich wie die Frage dienstfähiges und teilweise dienstfähiges Personal und Krankenstand bei der Polizei. Sie sollen ihre 100 Tage bekommen. Ich sage Ihnen nur, nach den 100 Tagen reicht es dann nicht, zu sagen, dass man da ein Programm entwickelt hat. Ich möchte gerne wissen, was soll rauskommen, dann wollen wir auf der Zeitschiene diskutieren, wie wir es hinbekommen. Also ein Programm - Gesundheitsmanagement u.Ä. - zu entwickeln um des Programmes Willen, das brauchen wir nicht. Wir müssen uns klare Ziele setzen und dann müssen wir schauen, wie wir die Ziele Stück für Stück erreichen.

Als Letztes: Das Landesamt für Verfassungsschutz liegt mir wirklich sehr am Herzen. Wir haben in der PKK, was die Arbeitsfähigkeit betrifft, nicht so gute Informationen die letzten Monate gehabt. Wir mussten am ehemaligen Innenminister vorbei den Ministerpräsidenten einschalten und die Finanzministerin. Da wurde die erste Not gelindert, aber wir müssen da was tun. Bei all dem, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, ist sicherlich klar - und das wird auch Ihnen klar sein, ich will nicht sagen als Finanzer, aber als Finanzüberprüfer -, wir müssen noch mal mit

der Finanzministerin reden, ob das so geht. Wenn die innere Sicherheit für uns wirklich das Pfund ist, von dem wir immer reden, wenn uns die innere Sicherheit so am Herzen liegt, wie hier immer formuliert wird, sind da Gespräche unausweichlich. Denn es kann natürlich nicht so sein - ich hoffe ja, dass das richtig dargestellt war in der Zeitung -, Herr Staatssekretär, dass Sie uns nach der Innenministerkonferenz erklären, dass die Internetüberwachung für Sie ein ganz wichtiger Punkt ist, aber dass wir das noch nicht in das Polizeiaufgabengesetz schreiben, weil wir die Leute nicht dafür haben.

(Zwischenruf Hütte, Staatssekretär: Nicht nur die Leute.)

Die Frage muss man dann stellen: Wie viele Abstriche wollen Sie bei der inneren Sicherheit machen? Wir müssen diese Frage beantworten mit: keine. Da sage ich Ihnen, wenn das auf vernünftigem Level läuft - streiten wird man immer, es gibt innenpolitisch an einigen Punkten grundsätzliche unterschiedliche Ansätze -, wenn es da um eine Zusammenarbeit im Rahmen des Möglichen geht, sage ich Ihnen das gerne zu. Ich sage Ihnen aber auch deutlich, wenn das funktionieren soll - und wir werden nicht nur mit Ihnen dann zusammenarbeiten müssen und mit dem Staatssekretär -, machen Sie Klarschiff in Ihrem Haus. Ich will da sehr, sehr deutlich werden. Was uns der Abteilungsleiter Polizei hier in den letzten Monaten zugemutet hatte, Herr Klüwer, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Ich erinnere mich an seine schriftlich festgehaltene Drohung in die Polizei, dass sich keiner der Politiker bedienen soll, um die Ziele von OPTOPOL zu verändern mit der offenen Androhung, dann müsste er gehen. Das ist nicht haltbar. Weil ich da gerade so ein Kopfschütteln sehe, ich habe das da, ich kann das auch zitieren, weil es schon in der Zeitung stand. „Wer versucht, die Ziele von OPTOPOL durch Einflussnahme auf die Politik zu verhindern, verhält sich illoyal. Das wird nicht hingenommen.“ - Abteilungsleiter 4, Unterschrift Hermann-Josef Klüwer aus dem Thüringer Innenministerium - das ist von 2006. Das ist das eine, wo ich Sie bitte, Klarschiff zu machen. Und das andere, das will ich ganz kurz fassen: Die Arbeitsgruppe OPTOPOL hat einen Chef gehabt, und der hieß Jackstadt. Das geht nicht. Diese Zahlen, die die Fraktionsvorsitzende der CDU kritisiert hat, die hat jemand geliefert, und die hat jemand über Monate kontinuierlich geliefert auf dem Niveau, wie es die Fraktionsvorsitzende der CDU beschrieben hat. Dass solche Leute weiter Verantwortung tragen hier im Haus an so einer wesentlichen Stelle, ich halte das schlicht und einfach nicht für machbar.

Ich wünsche Ihnen bei diesem schweren Geschäft, was Sie vor sich haben, eine glückliche, aber Sie

werden auch eine harte Hand brauchen. Ich will Ihnen die Zuarbeit der SPD-Fraktion zusagen. Die Voraussetzungen dazu habe ich genannt. Ansonsten wünsche ich Ihnen für die nächsten 15 Monate alles Gute. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Es gibt auch keinen weiteren Gesprächsbedarf. Dann frage ich: Sind Sie mit dem Berichtsersuchen zufrieden bzw. erhebt sich Widerspruch dazu, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist? Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18

Maßnahmen gegen die Ge- fahren von transgenem Mais MON 810 ergreifen Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/3994 -

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Frau Dr. Klaubert bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, nicht dass Sie denken, dass ich das Politikfeld wechsle und mich jetzt für Landwirtschaft engagieren werde. Ich möchte diesen Antrag kurz begründen, weil ich aus der Region komme, in der seit dem 6. Mai transgener Mais angebaut wurde. Ich möchte auch die Begründung, die in unserem Antrag zu lesen ist, nicht wiederholen, sondern einige Anmerkungen dazu machen.

Erste Anmerkung: Diese Woche meldeten zahlreiche Thüringer Zeitungen, dass in Heichelheim in den Furchen die Prominenten die Kartoffeln ausbrachten. Das ist gut so. Das ist ein wichtiges Produkt dieser Region, aber kaum jemand hat gemeldet, dass eben an jenem Dienstag in den Nachmittagsstunden eine Teilfläche der Agrargesellschaft in Schmölln sich doch dafür entschieden hat, den transgenen Mais auszusäen. Ich halte das für bedenklich, dass man das in diesem Land so wenig zur Kenntnis nimmt, ist es doch inzwischen die einzige Anbaufläche, die in Thüringen von dieser Aussaat betroffen ist. Unser Antrag wurde gestellt zu einem Zeitpunkt, als diese Entscheidung noch nicht getroffen war und Bürgerinitiativen im Altenburger Land - übrigens zahlreicher, als es heute zu vermuten ist - dagegen protestierten, dass in einer Region, die von Landwirtschaft geprägt ist, in der es gute Böden gibt,

in der ein gutes Klima ist, in der sehr ordentliche landwirtschaftliche Produkte heranreifen können, eben jener transgene Mais 810 zu einem Produkt wird, welches das gesamte landwirtschaftliche Anliegen dieser Region schädigt. Ich bin bei Weitem keine Expertin in diesem Bereich, doch konnte ich durch die Informationen, die die Bürgerinitiativen gaben, eine ganze Menge lernen. Gelernt habe ich auf alle Fälle, dass die Gefahren, die vom Anbau dieses Maises ausgehen, nicht ausgeschlossen werden können, und gelernt habe ich auch, dass die Bauern eine rechtliche Klarstellung des Sachverhalts wollen, wenn sie beklagen, wenn etwas erlaubt ist und man ins Antragsverfahren geht, man darauf rechnet, dass man in dem Antragsverfahren auch recht bekommt. Einer der Geschäftsführer der Agrargesellschaft sagte auch: Wenn die Politik nicht Klarheit schafft, dann können Sie uns nicht in die Verantwortung nehmen. Vor diesem Hintergrund formulierten wir unseren Antrag. Wir haben uns ausführlich mit dem Sachverhalt beschäftigt und insbesondere im Punkt II.1 fordern wir die Landesregierung auf, dass Klarheit geschaffen wird, dass diese Aussaat und der Anbau von transgenem Mais in Thüringen nicht stattfinden darf. Wie gesagt, inzwischen ist Zeit über diesen Antrag hinweggegangen. Ich denke trotzdem, dass man heute eine Entscheidung dazu treffen kann. Frau Abgeordnete Dr. Scheringer-Wright wird die gesamte fachliche Debatte dazu aufmachen. Aber ich möchte auf eines hinweisen: Wie meine Kollegin Reimann und ich uns dazu verhalten werden, das weiß ich. Ich vermute auch, dass der Abgeordnete Dr. Schubert diesem Antrag zustimmen wird. Wie die Abgeordneten Sonntag, Schröter und Gumprecht sich entscheiden werden, das weiß ich noch nicht. Aber ich erinnere daran, dass Herr Gumprecht ganz besondere Verantwortung für den Verbraucherschutz in Thüringen trägt und dass er auch ganz genau weiß, dass die Bundesverbraucherzentrale vor dem Anbau dieses Maises warnte und dass das in den Wind geschlagen worden ist und wir die politische Verantwortung haben, wenigstens für den Freistaat Thüringen rechtliche Klarheit zu schaffen, wie wir mit diesem Problem umgehen. Wir, insbesondere die Altenburger Abgeordneten, haben eine ganz besondere Verantwortung, weil bei uns das einzige Anbaugebiet von transgenem Mais MON 810 ist.

(Beifall DIE LINKE)

Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zur Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Staatssekretär Illert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, namens der Landesregierung erstatte ich den von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 4/3994 erbetenen Sofortbericht zur Verwendung gentechnisch veränderten Maises in Thüringen.

Zunächst gestatten Sie mir bitte einige Vorbemerkungen. Es gibt Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung zur Anwendung der Gentechnik. Die Thüringer Landesregierung nimmt diese Bedenken sehr ernst. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass Risiken für die Umwelt und für die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger erkannt und vermieden werden. Wir tragen aber genauso die Verantwortung dafür, dass Chancen genutzt werden können, die sich aus neuen Produktionsweisen und Technologien in der Lebensmittelherstellung ergeben.

Bei der Grünen Gentechnik kann und sollte kein anderer Maßstab angelegt werden als bei der sogenannten Roten Gentechnik. Im medizinischen Bereich werden seit Jahren gentechnische Methoden und Produkte für diagnostische und therapeutische Zwecke sehr vorsichtig und sehr streng kontrolliert eingesetzt. Diese neuartigen Verfahren der modernen Medizin, an denen intensiv geforscht wird, helfen dem Menschen und seiner Gesundheit ganz konkret. Aber klar ist, die Sicherstellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit gentechnisch veränderter Lebensmittel einschließlich der Produktion dieser hat für alle höchste Priorität. Das bedeutet konkret:

1. Verschiedene Anbauformen müssen koexistieren können entsprechend den von der EU-Kommission erarbeiteten Leitlinien und der nationalen Verordnung zur guten fachlichen Praxis.

2. Eine transparente Kennzeichnung der Produkte ist unabdingbar.

3. Mehr als bisher muss um das Vertrauen der Öffentlichkeit geworben werden, dass das verfügbare rechtliche und technische Instrumentarium geeignet ist, um die erforderliche Sicherheit nach menschlichem Ermessen zu überprüfen und gegebenenfalls herzustellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die konkrete Anbausituation in Thüringen stellt sich in diesem Jahr wie folgt dar: Für das Jahr 2008 wurden sechs Thüringer Standorte für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais der Sorte MON 810 im Standortregister des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angemeldet. Die Flächen umfassen eine Größe von insgesamt 23 ha. Die Standorte eines potenziellen Anbaubetriebs in der

Gemeinde Gierstädt und Großfahner wurden am 19. März 2008 infolge massiver Proteste von Bürgern und ortsansässigen Unternehmen zurückgezogen.

Darüber hinaus gibt es angemeldete Standorte in Schmölln, Dachwig, Friemar, Straußfurt und Buttelstädt mit einer Gesamtfläche von knapp 4,3 ha. Der Anteil der in Thüringen angemeldeten Flächen entspricht einem Anteil von lediglich rund 0,1 Prozent der in Deutschland gemeldeten Gesamtfläche für einen Anbau von gentechnisch verändertem Mais.

Am Standort Schmölln konkretisiert sich mit einer Anbaufläche von 3,7 ha erstmals in Thüringen ein kommerzieller Anbau von gentechnisch verändertem Mais. Die Standorte Dachwig, Friemar und Straußfurt mit einer Gesamtfläche von 0,34 ha dienen, wie im Übrigen auch in den vergangenen Jahren, der Durchführung von Wertprüfungen durch das Bundessortenamt und den Landessortenversuchen der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft.

In Buttelstädt werden in diesem Jahr vom 24. bis zum 26. Juni die Feldtage der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft stattfinden. Auf dieser Messe der modernen Pflanzenproduktion soll auf einer Fläche von 0,24 ha gentechnisch veränderter Mais präsentiert werden. Das MON-810-Saatgut wurde bzw. wird jeweils entsprechend dem jeweiligen Bedarf des Anbauers bei dem ortsnahen Saatguthändler eingekauft. Zahlen über den Import von genverändertem Mais nach Deutschland liegen der Landesregierung nicht vor. Aus der jährlichen Saatgutüberwachung und Futtermittelüberwachung ergaben sich bisher keine Hinweise auf den Direktimport von Mais MON 810 nach Thüringen. Auch gibt es keine Statistik zum Verkauf von genverändertem Mais in und nach Thüringen. Die Sicherheitsanforderungen an gentechnisch veränderte Organismen sind sehr hoch. Die EU hat durch neue strenge Rechtsvorschriften den verbraucher- und umweltspezifischen Bedenken Rechnung getragen. Zudem wurde von der EUKommission bei der Neuerung des Gentechnikrechts für Altzulassungen, wie MON 810, die Notwendigkeit einer Neuzulassung rechtlich vorgeschrieben. Daher durchläuft Mais MON 810 zurzeit erneut eine Sicherheitsprüfung im EU-Verfahren unter neuer Rechtsetzung. Das Expertengremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hat in den vergangenen Jahren trotz der gültigen Genehmigungen zum Inverkehrbringen inzwischen mehrfach die Sicherheit von MON 810 überprüft und die Unbedenklichkeit immer wieder bestätigt. Insofern wird den in einigen europäischen Ländern ausgesprochenen nationalen Anbauverboten derzeit wenig Aussicht auf Bestandskraft zugebilligt. Konkrete Voraussetzungen für ein Verbot auf der Grundlage der Schutzklausel sind daher derzeit in Deutschland nicht

gegeben. Und um noch einmal ganz klar die Zuständigkeiten herauszustellen: Die Verantwortung für eine Zulassung zum Inverkehrbringen und damit der Sicherheit des Anbaus und der Verbreitung von MON 810 liegt vorrangig bei der EU, nachrangig bei den Bundesbehörden, allerdings nicht bei Behörden in Thüringen.

Sie erwähnen in Ihrem Antrag einen Runderlass aus Brandenburg. Dieser betrifft jedoch Koexistenzregelungen in Naturschutzgebieten, die sich auf Naturschutzrecht stützen und in keinem Zusammenhang mit der Schutzklausel stehen. Zu dieser völlig anders gelagerten Fragestellung hatte die Landesregierung bereits in der Plenarsitzung am 24. und 25. Januar 2008 mit Blick auf Drucksache 4/3720 ausführlich Stellung genommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, als Land sind wir allerdings in der Pflicht zu überwachen, ob alle rechtlich vorgegebenen Maßgaben beim Inverkehrbringen eingehalten wurden. Die Landesbehörden werden daher selbstverständlich alle rechtlichen und tatsächlichen Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten ausschöpfen, um die im Gentechnikrecht genannten Schutzziele zu garantieren. Thüringen kommt seinen gentechnikrechtlichen Überwachungspflichten entsprechend des Gentechnikgesetzes und den hierauf gestützten Verordnungen nach. Die Überwachung bezieht sich vorrangig auf die Auflagen der Genehmigung zum Inverkehrbringen sowie auf Vorgaben in Bezug auf den Anbau. So erfolgt beispielsweise eine Saatgutüberwachung durch die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, um Verunreinigungen frühzeitig aufzudecken und die ordnungsgemäße Kennzeichnung zu gewährleisten. Die Ausführungen Ihres Antrags unterstellen, dass es den Thüringer Vollzugsbehörden möglich wäre, auf der Grundlage von § 26 Abs. 1 Satz 3 und unter Berufung auf die Schutzklausel nach Artikel 23 der EG-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 das weitere Inverkehrbringen von MON 810 zu untersagen. Das ist jedoch nicht so, meine Damen und Herren. Die Kompetenz, selbst wenn die Sachverhalte so wären, liegt hierfür ausschließlich beim Bund. Dieser hat jedoch nach Auswertung aller derzeit vorliegenden Erkenntnisse eine konkrete Gefährdung durch MON 810 ausgeschlossen und hat, um auch letzte Zweifel auszuräumen, im vergangenen Jahr den Hersteller des Saatguts verpflichtet, einen Beobachtungsplan vorzulegen. Insofern wäre auch eine offenbar von Ihnen gewünschte Bundesratsinitiative Thüringens keineswegs geeignet, eine zusätzliche Sicherheit des zugelassenen MON 810 zu erreichen, zumal die europäische Behörde mehrfach die Sicherheit von MON 810 - einem zugelassenen gentechnisch veränderten Mais - überprüft und die Unbedenklichkeit immer wieder bestätigt hat. Im Übrigen wäre es blanker Aktionis

mus, wenn Thüringen und der deutsche Bundesrat zu einem Zeitpunkt aktiv werden, zu dem auf EUEbene zweifach, einmal in der Schutzklauselprüfung nationaler Verbote und zum anderen im Neuzulassungsverfahren von MON 810, die Sicherheit von MON 810 ohnehin erneut überprüft wird.