Aber sagen Sie, Herr Minister, wir waren am 6. August zusammen in Gotha. Dort war der Erste Thüringer Kulturtag, zu welchem die Kulturinitiative die Vertreterinnen und Vertreter aller in Thüringen vorhandenen demokratischen Parteien eingeladen hat. Dort sagten Sie vor laufender Kamera, dass Sie sich künftig für mehr Geld in der Kultur einsetzen werden. Ich habe es nicht überprüft, aber im TA Vlog müsste das sogar noch zu sehen sein. Eigentlich haben Sie mich dort sehr verblüfft, denn Sie gehören zu den Wenigen, die das in aller Öffentlichkeit einmal ausgesprochen haben. Nun schaut man in Ihre Regierungserklärung, da hat Ihnen jemand aufgeschrieben, dass Sie die 1,3 Prozent Kulturquote halten wollen. Aber es ging in Gotha vor den versammelten Kulturschaffenden Thüringens darum - und das haben Sie bestätigt -, dass das Geld nicht ausreichend ist, wenn man ein Kulturland pflegen möchte und wenn man mit den kreativen Potenzen eines solchen Landes in der Mitte Europas auch wuchern möchte. Dazu gehört nämlich dann auch die Konsequenz, auch Finanzierungsbedingungen zu suchen und zu finden, die innerhalb des laufenden Doppelhaushalts zu erwarten sind. Da reicht es nicht, sich auf das Jahr 2010 zu orientieren, wie Sie es an verschiedener Stelle öffentlich gemacht haben. Dann muss man schon wenigstens so weit gehen, haushalterische Reserven zu erschließen, um Schwerpunktsetzungen mit der Kraft dieses Superministers, der Sie ja qua Amt sind, zu untersetzen.
Auch nur ein Schlagwort dazu, weil ich es angedeutet habe im Zusammenhang mit dem Deutschen Nationaltheater: Die Theaterfinanzierung finden Sie in gutem Fahrwasser. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe in der Auseinandersetzung um das DNT, wissen Sie auch, dass man nicht immer wieder Haustarifverträge an Haustarifverträge anschließen kann. Das ist schon rechtlich bedenklich und vor dem Hintergrund der Belastungssituation der Beschäftigten in den Häusern ist es unverantwortlich.
Wir haben - das könnte ich Ihnen z.B. an einem Haus sehr gut vorrechnen, weil ich dessen innere Bedingungen besser kenne - ein Defizit, welches sich daraus ergibt, dass selbst die Haustarifverträge die zurückgelegten und eingespielten Gelder in den Gesellschaften auffressen und wir spätestens 2012 an einen Punkt kommen, wo wir überhaupt keine Handlungsspielräume mehr haben. Da müssen jetzt - und zwar im Moment von Ihnen - auch Weichenstellungen vorgenommen werden, damit wir nicht auch in der nächsten Phase vor einer Situation an den Theatern und Orchestern stehen, die sich dem Kollaps annähert.
Zur Museumssituation: In der vergangenen Woche tagte der Thüringer Museumsverband. Ich habe es Ihnen am gleichen Tag schon gesagt, ich habe Sie dort vermisst, nicht weil ich keinen Tag ohne Sie leben möchte, sondern weil ich Sie als zuständigen Minister an einer wichtigen Schaltstelle der Thüringer Museen erwartet hätte. Einmal im Jahr tagt dieser Verband, einmal versucht man, auch vor einer Öffentlichkeit zu sagen, dass die Museen als Bildungseinrichtungen dringend Landesunterstützung brauchen. Seit Jahren wird formuliert, wir brauchen die Herausnahme auch einiger Eckpfeiler der Thüringer Kultur in der Museumslandschaft, die unter besonderer Schutzwürdigkeit des Landes stehen. Selbst Blaubuch-Einrichtungen, Herr Minister, wie das LindenauMuseum in Altenburg kämpfen darum, überhaupt überleben zu können. Es reicht nicht aus, auf die kommunale Verantwortung zu verweisen, wenn man sich mit diesen Einrichtungen a) Bildungsstandorte und b) touristische Standorte sichern möchte, dann muss man die Landesverantwortung auch wahrnehmen.
Über einen Satz, Herr Minister, da würde ich wirklich mit dem Redenschreiber mal ins Gericht gehen, und zwar geht es um die Zusammenlegung der beiden Denkmalbehörden. Das war eine Ansage, die der Ministerpräsident Althaus bei seinem Regierungsantritt damals erklärt hat. Dann haben wir ein Gesetz
in Thüringen gemacht, welches der Landesrechnungshof kritisierte. Es ist damals geschätzt worden, dass diese unsinnige Zusammenlegung zweier funktionierender Einheiten etwa 6 Mio. € kosten wird. Auch in Ihrer Fraktion gab es da sehr kritische Stimmen - Herr Abgeordneter Schwäblein, Sie erinnern sich an die Auseinandersetzungen. Das Gesetz ist inzwischen beschlossen mit den Stimmen der CDU-Fraktion und gegen unsere Stimmen. Vollzogen wird es glücklicherweise nicht, aber bitte reden Sie mal mit dem, der Ihnen den Satz reingeschrieben hat, dass da eine leistungsfähige Einheit entstanden wäre durch die Zusammenlegung. Das ist schlichtweg falsch.
Kein Wort haben Sie gesagt zum Thema „Breitenkultur“. Wenn man über die Frage der Schule im Sozialraum spricht und wenn man in einem Haus die Bereiche Kultur und Bildung gebündelt hat, dann muss man spätestens auf die Idee kommen, einmal nachzufragen, wie sich die breitenkulturelle und jugendkulturelle Landschaft in Thüringen aufstellt. Ich meine, von Ihrer Verwunderung darüber, dass Puppentheater auch für Erwachsene geeignet ist, wurde mir schon berichtet, aber Sie wissen hoffentlich, dass gerade in den jugend- und breitenkulturellen Projekten durch das zu kleine Projektmanagerprogramm in ganz vielen Einrichtungen Notstandssituationen nicht nur entstanden sind, sondern dauerhaft bestehen. Ergo müsste man doch nachfragen, wie man diese Situation verändert. Dort könnte man übrigens hervorragende Querverbindungen zu eigenverantwortlicher Schule ziehen und solche Prozesse ermunternd begleiten. Aber da müsste man darüber sprechen, wie man das Projektmanagerprogramm auf die wenigstens ursprünglich angedachten Vollzeitstellen in diesem Programm setzt und wie man mit einem eher geringen Betrag - gemessen am Landeshaushalt - dieses Programm so installiert, dass die Projekte auch arbeiten können, denn es sind Projekte, die Fachkräftebedarf haben. Die könnten übrigens sogar ausbilden.
Stichwort „Jahr der Demokratie“: Da kann man vieles sagen, da wird auch 2009 noch vieles gesagt werden. Ich greife nur die beiden Jubiläen der Weimarer Verfassung und des 90-jährigen Bauhaus-Jubiläums heraus. Wissen Sie, wir haben hier lange um die Frage einer Landesausstellung „90 Jahre Bauhaus“ diskutiert und ein mancher, der in der Welt umherreist, ob es in den Vereinigten Staaten oder in Israel ist, ist an Bauhaus-Orten sehr beschämt, wie wenig wir aus diesem Thema machen.
Nun gibt es - Sie brauchen mich dann auch nicht zu belehren - nächstes Jahr eine Ausstellung, die aus der Region heraus gewachsen ist und die das Thema „90 Jahre Bauhaus“ sicher würdig begleitet. Aber wenn man auf die Elisabeth-Ausstellung abhebt und sagt, das war eine großartige Leistung - und Landesausstellungen bieten enorme Potenzen, um ein Land in der Öffentlichkeit zu präsentieren -, dann haben auch Sie dieses Bauhaus-Jubiläum mit dem Ministerpräsidenten und dem Vorgänger und wem auch immer gewaltig vergeigt.
nun sollen die Taten folgen. Sie, Herr Minister, forderten bei der Eröffnung dieses Jahres: Demokratieerziehung für Gegenwart und Zukunft. Da geben wir Ihnen völlig recht, doch das Problem ist, dass in Ihrem Hause und in Ihrem Umfeld diese Worte auf wenig fruchtbaren Boden fallen. Denn wie soll man sich die Tatsache erklären, dass Sie bzw. Mitarbeiter nachgeordneter Einrichtungen denen Platzverweise erteilen, die ihre kritische Haltung zur Einführung des Thüringer Bildungsplans äußern wollen. Sie wollten eine Feierveranstaltung und andere wollten Ihnen sagen, Herr Minister, wir haben Ihnen eine andere Auffassung mitzuteilen. Die wurden dann einfach entfernt. Hat das etwas mit gelebter Demokratie zu tun? Da möchten Sie sich auch in Ihrem Umfeld direkt damit beschäftigen, was Sie, Ihre Mitarbeiter und Ihre nachgeordneten Einrichtungen in diesem Jahr und darüber hinaus an Taten anrichten.
Jetzt ist der Abgeordnete Mohring gerade nicht da, diese Replik, die muss ich mir einfach noch gestatten: Als wir gestern die Debatte zur Einführung von mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen hatten,
Er hat durchaus die Argumente, die wir auch in jeder Überlegung bei der Einführung des Volksbegehrens mit den Bündnispartnern besprochen haben, aufgenommen. Aber worauf er in seiner langen Rede in keiner Weise eingegangen ist, dass Ihr Gesetz, welches Sie gestern mit Ihrer Mehrheit verabschiedet haben, den Initiatoren des Volksbegehrens einen Schlag ins Gesicht gibt, weil dort eine Textfassung
Der Punkt bei Ihnen ist nicht die Frage der Hürden im Volksbegehren. Sie wollen die Amtsstubensammlung und Sie wollen damit die Sammlung von Unterschriften auf der Straße nicht, weil Ihnen das zu viel Demokratie auf der Straße ist.
Und das, das muss ich Ihnen sagen, gehört auch, um es wieder bei diesem Thema zu belassen, in das praktizierte „Jahr der Demokratie“. Da lässt 1989 grüßen, und zwar auf Ihrer Seite „staatsmännisch“ und „staatsfrauisch“.
Thema Bildung: Bereits im Juli haben wir Sie aufgefordert, Herr Kultusminister, eine Regierungserklärung zu geben. Der Ausgangspunkt war damals, dass Sie kurz nach Ihrem Amtsantritt und kurz nach der Reise des Bildungsausschusses nach Finnland erklärt haben, dass Sie verschiedene Defizite im Thüringer Schulsystem überhaupt nicht erkennen. Sie sind davon ausgegangen, dass das mit dem Mittagessen an Thüringer Schulen bestenfalls ein Einzelfall sein kann, wo man dem bedürftigen Kind vielleicht helfen muss, aber ein solches sei Ihnen noch nicht über den Weg gelaufen. Und dann haben Sie gesagt, ansonsten wäre beim Schulsystem alles in Ordnung. Die Durchlässigkeit ist da und Ihnen ist auch kein Fall bekannt, wo das mal anders gelaufen ist.
Ich rechne Ihnen hoch an, dass Sie auf 20 Seiten und in einem etwa einstündigem Vortrag heute dieses Problem auch anders angegangen sind. Sie sind an verschiedenen Stellen wirklich auf Fragen der Gestaltung von Schule eingegangen und offensichtlich gab es seit diesem Zeitpunkt auch einen Umdenkensprozess. Aber ich habe Ihnen ja vorgehalten, dass Sie realitätsfern sind und das muss ich dann auch begründen. Wissen Sie, wozu Sie kein Wort gesagt haben, obwohl es in der letzten Regierungserklärung Ihrer Ministerkollegin Lieberknecht eine breite Rolle gespielt hat? Zum Thema Kinderarmut - nicht ein einziges Wort.
Ich kann mich sehr gut erinnern, dass Ministerin Lieberknecht auf der Versammlung des Gemeinde- und Städtebundes immer ausdrücklich in Ihre Richtung verwiesen und gesagt hat, sie werde mit ihrem Amtskollegen, dem Kultusminister, Strategien entwickeln, damit Kinderarmut in Thüringen nicht noch weiter Raum ergreift. Da hätte ich von einem verantwortlichen Minister schon erwartet, dass er darauf eingeht.
Sie wissen hoffentlich, dass 60.000 Kinder, d. h. ein Viertel der Kinder in Thüringen, unmittelbar von Armut betroffen oder bedroht sind. Und Sie wissen sicher auch, dass arme Kinder ausgegrenzt werden und sich aufgrund ihrer eigenen sozialen Situation auch selbst ausgrenzen. Das versperrt Lebenswege, das macht Zukunft unmöglich und arme Kinder haben deutlich schlechtere Bildungschancen. Ich hoffe, das wissen Sie.
In einigen Thüringer Städten beliefern mittlerweile caritative Einrichtungen, also die Tafeln, regelmäßig Schulen mit Pausenbroten und auch mit Mittagessen. Ist es nicht für Sie beschämend, dass dies in einem reichen Land wie der Bundesrepublik und in Thüringen so vorkommen muss? Wäre nicht von Ihnen zu erwarten, vielleicht in Kooperation mit der Amtskollegin, dass man die ständige Forderung der Opposition, aber eben auch derjenigen, die nicht in diesem Parlament sitzen, nach einem kostenfreien Mittagessen aufnimmt als Teil des Schulalltags; das Mittagessen, welches nicht irgendwo hineingeschlungen wird, sondern welches Teil des Tagesablaufs an der Schule ist.
Da muss man materielle Bedingungen schaffen. Wir gestehen Ihnen sogar noch zu, dass das nicht von einem Tag auf den anderen zu erreichen wäre, aber Sie haben kein Wort dazu gesagt. Das liegt daran, dass Sie nicht auf das Problem der Kinderarmut eingegangen sind.
Zur Frage, die sich unmittelbar daran anschließt, selektives Ausgrenzen des Schulsystems: Die nächste Folge ist also, dass dieses Schulsystem - und das sagen viele Studien inzwischen -, welches nach der vierten Klasse die Kinder trennt, selektiert, den Kindern die Bildungschancen zunehmend verschlechtert.
Sie müssen auch aus Ihrer Sicht als Kultusminister davon ausgehen, dass inzwischen - und diese Unterlage haben Sie alle bekommen - eine Mehrheit der Bevölkerung in dieser Querschnittsbefragung im Sommer ein mindestens 8-jähriges gemeinsames Lernen fordert, nicht nur in Thüringen, sondern in der Bundesrepublik, ein mindestens 8-jähriges gemeinsames Lernen. Dazu gehört, dass man in diesem 8-jährigen oder 9-jährigen, wie in Finnland, gemeinsamen Lernen, den Kindern, die man dann in unterschiedlicher Heterogenität ihrer sozialen Herkünfte, ihrer Befähigungen auch Unterstützungssysteme an die Seite gibt. Das heißt, in den Ländern, die gute Bildungserfolge haben, wird an die Seite der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern und der Kinder ein Unterstützungssystem gestellt aus Schulpsychologen, aus Sozialarbeitern, aus Sozialpädagogen, aus medizinisch gebildetem Personal. Drehen Sie sich einmal um, fragen Sie einmal Herrn Eberhardt, wie viele Schulpsychologen wir haben. Er weiß nämlich, glaube ich, dass wir viel mehr brauchen würden, und da hätte ich wenigstens eine Aussage von Ihnen erwartet.
Einige Worte noch zum Thema „Kindertagesstätten“: Die Implementierung des Bildungsplans ist groß gefeiert worden und ich sage auch, dass es diesen Bildungsplan gibt, das ist gut. Es ist richtig, auf der inhaltlichen Ebene in dieser Form zu arbeiten, aber die Umsetzung des Bildungsplans wird unmöglich sein. Ich mache es nur an zwei Dingen fest, nämlich an der quantitativen Zahl der Erzieherinnen und Erzieher und der Qualität der Erzieherausbildung. Zum Thema „Quantität“ sage ich Ihnen - das dürften Sie aber auch wissen, Sie sind nur nicht darauf eingegangen -, dass weit über 2.000 Erzieherinnen und Erzieher in Thüringen fehlen, um die Standards, die der Plan postuliert, überhaupt durchzusetzen. Aber was, glaube ich, viel schwieriger ist, ist die Frage nach der Qualität der Erzieherausbildung. Wir haben in der DDR eine Möglichkeit gehabt, für den vorschulischen Bereich auszubilden, also die Kindergärtnerinnen. Wir hatten in dem Bereich der Hort- und Heimerzieher die Befähigung der Erzieherinnen und Erzieher mit der Lehrbefähigung in einem Fach. Die konnten die Didaktik und Methodik eines Faches auch in der Schule anwenden und wir haben 1990 nicht nur die Forderung gehabt, dieses westdeutsche System der Erzieherausbildung für „Allrounder von 0 bis 27“ überzustülpen, sondern gerade aus den alten Bundesländern immer wieder die Anforderung, die Erzieher fachspezifisch und auf höherem Niveau auszubilden.
Ich spreche mich gegen keine Erzieherin aus, die ihre Ausbildung gut absolviert hat und sehr große Leidenschaft und Kraft in ihren Beruf legt, aber wir müssen gerade den Erzieherinnen Instrumentarien in die Hand geben, damit sie diesen schwierigen Prozess, der für sie auch die Reflexion auf die gesamte Gesellschaft bedeutet, bewältigen können. Dazu gehört wenigstens die Ausbildung von Erzieherinnen auf Fachhochschulniveau als grundständigen Studiengang und dabei die Verzahnung mit der Ausbildung an den Fachschulen. Das ist übrigens nicht meine Erfindung, auch wenn es schön wäre. Das hat schon die Enquetekommission „Erziehung und Bildung in Thüringen“ festgestellt.