Susanne Melior
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Polemik an dieser Stelle nicht fortsetzen. Es ist Polemik, weil wir im Wahlkampf sind. Da nutzt jeder die Gunst der Stunde. Ich will sie hier ausdrücklich nicht nutzen,
weil es um einen sachlichen Tatbestand geht. Es geht um eine Gesetzesänderung. Diese Gesetzesänderung soll zur Gleichbehandlung von Beamten und Angestellten führen; nicht mehr und nicht weniger.
Zum Sachverhalt hat meine Kollegin Ingrid Siebke hier schon bei der 1. Lesung einiges gesagt. Ich denke, weitere Diskussionen dazu sind entbehrlich.
Aber angesichts der fortdauernden Polemik vonseiten der PDS möchte ich auf einige widersprüchliche Positionen innerhalb ihrer eigenen Fraktion hinweisen. Es geht um den Widerspruch zwischen den um die Durchführung der Klassenfahrten offensichtlich ernsthaft bemühten Abgeordneten - ich zitiere hier Herrn Domres, Kleine Anfrage 2861 und seine implizierte Aufforderung an die Landesregierung, tätig zu werden - einerseits, um diese Klassenfahrten zu ermöglichen - da nehme ich die Anfrage des Kollegen Domres durchaus sehr ernst -, und um die Position, die Sie auch in Ihrer Fraktion vertreten, andererseits. Sie nehmen die Änderung des Gesetzes zum Anlass, um einen Großangriff auf die Bildungspolitik in Brandenburg zu führen.
Auch hier geht es - das erleben wir ja häufig bei Debatten innerhalb des Wahlkampfes und es wäre schön, wenn Sie einfach zuhören könnten - dann immer gleich um die Demokratie, die in ihren Grundfesten in Gefahr gerate.
Das passiert beileibe nicht. Diese Widersprüchlichkeit ist uns übrigens auch während der Anhörung durch die GEW vorgetragen worden. Während sich ihr Landesvorsitzender empörte und sich gegen die Änderung im Gesetz aussprach, forderte zugleich ein Kreisvorsitzender der GEW die Lösung des dringenden Problems Klassenfahrten und wandte sich mit folgenden Fragen an die SPD-Fraktion:
Welchen Sinn machen Klassenfahrten, wenn der Klassenlehrer/die Klassenlehrerin nicht mitfahren darf? Wer bezahlt die schon aufgelaufenen Kosten, wenn die Fahrt deshalb ausfallen muss? Wie bekommen die Eltern ihr Geld zurück, wenn die Fahrt ganz ins Wasser fällt? Warum gehört es zu den Pflichten eines Lehrers, Klassenfahrten durchzuführen, wenn er dann gleichzeitig daran gehindert wird?
Diese Fragen nehmen wir wirklich ernst. Darauf lohnt es sich auch einzugehen. Das ist der einzige Grund für die Änderung.
Ich will nicht darauf eingehen, inwieweit sich die eine oder andere hier vorgetragene Position hinsichtlich der ihr zugrunde liegenden Information näher an den wirklichen praktischen Fragen der Schulen befindet. Aber offensichtlich nutzt die Opposition den Wahlkampf, und nicht nur den Wahlkampf, um Schaukämpfe auf jeder sich bietenden Bühne zu inszenieren.
Uns geht es um ernsthafte Gedanken zur Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler in Brandenburg. Ich möch
te deshalb die Debatte zum Anlass nehmen, um einen Appell an Sie zu richten. Ich bin nicht sicher, ob Sie darauf hören werden, aber ich versuche es dennoch. Verzögern Sie bitte nicht die notwendigen Änderungen des Gesetzes! Es geht um Änderungen und nicht um ein neues Gesetz. Bleiben Sie sachlich und lassen Sie uns im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen nach problemorientierten Lösungen suchen, statt marktschreierisch Schaukämpfe zu betreiben!
Für die SPD stehen klar die Bildungsinteressen der Schülerinnen und Schüler im Zentrum unserer Politik. Deshalb gibt es auch keine Alternative zur Lösung der aufgezeigten Fragen und zur Sicherung der Durchführung von Klassenreisen auch in diesem begonnenen Schuljahr 2004/05. Ich bitte um Zustimmung. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der PDS zur langfristigen Sicherung des Lehrerbedarfs und der Antrag derselben Fraktion zur Überarbeitung der Hochschulplanung - Drucksache 3/7203 - sind hier im Zusammenhang zu sehen und zu diskutieren. Das insbesondere dem Antrag zur langfristigen Sicherung des Lehrerbedarfs zugrunde liegende Szenario hat grundsätzlich einige Berechtigung.
Richtig ist, dass die OECD am 15. März ihre Mitgliedsstaaten in einem Aufruf darauf hingewiesen hat, dass die Bildungsqualität in den Staaten durch den sich deutlich abzeichnenden Lehrkräftemangel ernsthaft Schaden zu nehmen droht. Das schwache Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik sei darauf zurückzuführen, dass für die Bildung in den letzten Jahrzehnten zu wenig getan worden sei. Die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte seien deutlich zu verbessern. Deutsche Lehrer seien Weltspitze hinsichtlich ihrer Überalterung. Die Überalterung der Lehrerkollegien sei in Deutschland inzwischen so dramatisch fortgeschritten, dass jede zweite Lehrerin, jeder zweite Lehrer älter als 50 Jahre sei. - Ein kleiner Trost für uns hier in Brandenburg: Bei uns ist es nicht ganz so schlimm.
Richtig ist, dass bereits jetzt in den deutschen Bundesländern ein eklatanter Lehrkräftemangel im allgemein bildenden Schulwesen in bestimmten Schlüsselfächern und insbesondere im beruflichen Bildungswesen eine qualifizierte Bildung beeinträchtigt.
Baden-Württemberg will in diesem Jahr 900, Nordhrein-Westfalen 1 000 Pädagoginnen und Pädagogen zusätzlich einstellen.
Die Bundesländer verschärfen wegen der dezentralen Zuständigkeit für die Schulbildung untereinander die Konkurrenz um die Fachkräfte. Da bereits jetzt und insbesondere in den nächsten Jahren durch die Ausbildung nicht der Bedarf an Fachlehrern zu decken sein wird - so wird zumindest die Senatsverwaltung Berlin in der Presse am 27. März zitiert -, werden jetzt in Berlin wie in den meisten Bundesländern und jüngst auch im Land Brandenburg durch die gerade verabschiedete Novelle des Lehrerbildungsgesetzes die Türen für so genannte Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger geöffnet und die Anerkennung von anderen Abschlüssen erleichtert.
Bekannt ist, dass sich Lehrerüberhang und Lehrermangel in deutschen Ländern seit jeher aufgrund eines nicht genügend flexiblen Ausbildungs- und Beschäftigungssystems bzw. einer nicht genügend flexiblen Steuerung in so genannten Zyklen vollziehen, das heißt in periodischen Berg- und Talfahrten von Überhang und Unterversorgung.
Eine unausgewogene und ungesunde Personalsituation in den Schulen geht dabei aber stets zulasten aller Beteiligten: Einerseits und in erster Linie zulasten der Schülerinnen und Schüler aufgrund nicht ausreichend qualifiziert erteilten Unterrichts, andererseits zulasten der Lehrerinnen und Lehrer und letztlich zulasten des Haushalts und der Steuerzahler.
Neben den für manche abschreckenden Arbeitsbedingungen des Lehrerberufs in Deutschland ist - dies stellt man bei genauer Betrachtung fest - ein weiterer Grund für den Fachlehrermangel, dass viele Lehramtsstudenten - Frau Große hat das schon erwähnt - das falsche Fach oder zu wenige Lehramtsstudenten die tatsächlich benötigten Fächer und Fächerkombinationen studieren. Zudem liegt die Abbrecherquote bei den Lehramtsstudentinnen und -studenten im Allgemeinen bei 60 bis 70 %.
Berlin möchte nach aktuellen Pressemeldungen zudem die Zahl der Studienplätze für Lehramtsstudiengänge um 1 300 und die Zahl der Referendarplätze um 400 reduzieren. Dies allein deutet darauf hin, dass zwischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium und zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg dringender Abstimmungsbedarf besteht, damit hier nicht unsinnig am Bedarf vorbei ausgebildet wird, nicht jedes Bundesland isoliert nur für sich selbst plant und insgesamt ausreichend Kapazitäten vorgehalten werden.
Bekannt ist schließlich auch, dass der Berliner Lehrerarbeitsmarkt Rückwirkungen auf Brandenburg - zumindest auf den engeren Verflechtungsraum - hat und dass die Abwanderung von Lehrkräften nach Berlin zwar reguliert, aber nicht verhindert werden kann. Dies dürfte auch angesichts des dramatischen Lehrerengpasses, der jetzt für Berlin festgestellt wurde, gelten.
Richtig ist auch, dass die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam die Landtagsfraktionen unlängst darauf hingewiesen hat, dass das von der Landesregierung und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vereinbarte Schulressourcenkonzept angeblich nicht das Problem des Lehrermangels nach dem Jahr 2009 berücksichtige. Die in dem Konzept veranschlagten Zahlen für Neueinstellungen von Lehrkräften ab 2010 in Höhe von 600 bis 1 100 seien mit den bestehenden Ausbildungskapazitäten der Universität Potsdam - das ist die einzige Hochschule in Brandenburg, die Lehrerinnen und Lehrer ausbildet - nicht zu erreichen.
An der Universität Potsdam würden zudem aktuell weniger als 40 % der Studienanfänger zum Abschluss geführt.
Die KMK und Minister Reiche haben allerdings eine umfangreiche Werbekampagne initiiert, um junge Menschen für das Lehramtsstudium zu gewinnen. Wir hoffen und wünschen sehr, sie möge erfolgreich sein.
Die Landesregierung hat das Schulressourcenkonzept des MBJS bestätigt, das insbesondere der Überalterung der Lehrerschaft in Brandenburg durch Stellenabbau entgegenwirken und die Lehrkräfteversorgung im Land langfristig sichern helfen soll. Dieses Konzept liegt uns allen vor.
Zum Ausbau der Ausbildungskapazitäten in den Lehramtsstudiengängen an der Universität Potsdam, in Berlin und in anderen Bundesländern werden Abstimmungsgespräche zwischen den zuständigen Ministerien im Land Brandenburg, aber auch mit der Senatsverwaltung in Berlin und auf der Ebene der Kultusministerkonferenz fortgeführt. Wir fordern die Landesregierung auf, diese Abstimmungen mit Nachdruck voranzutreiben und im Interesse der Bildung zu handfesten Ergebnissen zu kommen.
In der neuen Legislaturperiode wird nach Auswertung der ersten Effekte des Schulressourcenkonzepts die Frage der Verbesserung der Attraktivität des Berufs der Lehrerinnen und Lehrer und des Lehrerarbeitsmarktes in Deutschland und insbesondere hier bei uns in der Region Berlin-Brandenburg von den Koalitionsfraktionen SPD und CDU weiter vorangetrieben werden.
Gebot der Stunde, das heißt unerlässlich und dringend verbesserungsbedürftig ist jedenfalls schon jetzt die aktive berufliche, fachliche Beratung der Schulabgänger und Studenten mit dem Ziel eines effektiven, bedarfsgerechten und zielführenden Lehramtsstudiums. Dies muss ohne die langwierige und aufwendige Erstellung von Konzepten, wie Sie, meine Damen und Herren von der PDS, sie fordern, schon heute in Schulen und Universitäten gesichert werden.
Fazit: Wir halten das von der PDS-Fraktion geforderte Konzept angesichts der eingeleiteten Maßnahmen der Landesregierung nicht für erforderlich. Ich bitte Sie deshalb, den vorliegenden Antrag abzulehnen. - Danke sehr.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Verehrte Damen und Herren! Eigentlich hat Frau Siebke schon alles zu dem Thema gesagt; mir bleiben wenige Punkte.
Schule findet für Schülerinnen und Schüler statt. Das klingt banal, muss aber immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Kinder sollen lernen können, ihren naturgemäß vorhandenen Wissensdurst stillen können und die für ihre Entwicklung so wichtigen Jahre zwischen Kindergarten und Berufsausbildung gemeinsam verbringen.
Schule findet nicht statt, wenn es keine Kinder gibt. Schule findet auch nicht statt, wenn es nur um den Erhalt von Lehrerund Lehrerinnenstellen geht. Schule findet ebenfalls nicht statt, um die Existenz von Bildungsministerien und Bildungsministern zu untermauern und als Lordsiegelbewahrer des Föderalismus zu garantieren.
Die demographische Entwicklung in Brandenburg ist, wie sie ist; ich muss mich nicht wiederholen. Aus der Alterspyramide ist eine Pappel geworden. Der stärkste Einschnitt ist der so genannte Wendeknick der Jahre 1991 bis 1993. Diese Jahrgänge sind jetzt in den weiterführenden Schulen angekommen. Das ist die Hauptursache für die heutige Debatte zu diesem Thema.
Was die Frage „Realschule oder Gesamtschule“ angeht, sollten wir ohne ideologische Vorbehalte vielleicht noch einmal nachdenken; insoweit möchte ich meine Hände in beide Richtungen reichen. Hier entsteht unnötige Konkurrenz. Der Minister hat soeben darauf hingewiesen. Seit der PISA-Studie mit ihren nachdenklich stimmenden Ergebnissen haben wir gelernt, unsere Blicke über den Tellerrand zu heben. Wir schauen dabei am liebsten auf die Sieger, und die Sieger, Frau Hartfelder, sind nicht in Deutschland, sondern in Finnland und anderen Ländern.
Finnland hat - ähnlich wie Brandenburg - mit den Schwierigkeiten zu tun, die sich im ökonomischen Modernisierungsprozess aus geringer Bevölkerungsdichte sowie der zunehmenden sozialen Abkopplung und der demographischen Überalterung peripherer Regionen ergeben. Das trifft auch auf den schulischen, den Bildungsbereich zu. Es gibt aber einen Unterschied: Finnland muss sich nicht erst von einem dreigliedrigen Schulsystem trennen, sondern kann das gemeinsame Lernen und Leben der Kinder bis zur 9. Klasse sowie die integrative und individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern gewährleisten.
Gestatten Sie mir, dass ich einen der Koordinatoren der PISAStudie zitiere. Andreas Schleicher stellt fest: Eine große Gruppe leistungsstarker Schülerinnen und Schüler wird in Staaten wie Kanada, Finnland und Schweden dadurch erreicht, dass eine breite Basis für gute Bildungsleistungen geschaffen wird. Darüber hinaus können integrierte Schulsysteme schwächere Schülerinnen und Schüler besser fördern und auch ihnen einen guten Bildungsabschluss ermöglichen.
Was heißt das für uns in Brandenburg? Wir sollten uns langsam, aber sicher vom dreigliedrigen Schulsystem verabschie
den. Der Minister hat vor wenigen Minuten die offene Hand gereicht und den Irrtum eingeräumt. Wir sollten den unsinnigen Streit zwischen Realschule und Gesamtschule beilegen. Wir haben die bildungspolitische Irrschleife gedreht; jetzt ist es genug!
Ob die gemeinsame Schule „Sekundarschule“, „Zentralörtliche Schule“ oder einfach nur „Schule“ heißt - da bin ich persönlich ganz leidenschaftslos; in dem Wunsch, dass die Kinder gemeinsam lernen, sich gegenseitig bereichern und fördern, allerdings nicht. Dafür werbe ich mit ganzer Leidenschaft. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.