Andreas Gram
Sitzungen
Letzte Beiträge
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wurde im Jahre 1955 geboren und bin somit kein Zeitzeuge für Deutschlands dunkelstes geschichtliches Kapitel. Vielmehr bin ich in den Genuss der von Helmut Kohl so zutreffend beschriebenen Gnade der späten Geburt gekommen. Dennoch rufen früheste Kindheitserinnerungen Bilder der Zerstörung in mir hervor. So waren einige Häuser in meiner Nachbarschaft noch vom Krieg schwer beschädigt und wurden erst im Laufe des Wirtschaftswunders nach und nach wieder aufgebaut. Wir spielten als Kinder noch auf Grundstücken, auf denen Trümmer lagen. Natürlich stellten sich mir damals wie heute immer drängendere Fragen nach dem Warum.
Es waren meine Eltern, die versuchten, mir kindgerecht die Schrecknisse jener Zeit zu erklären, und je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, wie sehr Deutsche, angestiftet zur Barbarei durch das Böse schlechthin, Schuld auf sich geladen hatten. Mein Elternhaus versuchte nicht, etwas zu beschönigen, zu relativieren oder zu beschwichtigen, wofür ich ihm bis zum heutigen Tag dankbar bin. Für meine Eltern war es unendlich wichtig, meinen Geschwistern und mir eine Zukunft in Freiheit und Frieden zu ermöglichen und an dem Aufbau eines demokratischen Deutschland mitzuarbeiten. Es war auch die Zeit meiner politischen Prägung.
Heute nun wird mir die Aufgabe zuteil, meine Sicht zum 8. Mai kundzutun. Ich werde gar nicht erst erwägen, Richard von Weizsäckers Jahrhundertrede vom 8. Mai
1985 zu kopieren oder zu versuchen, es ihm gleichzutun. Mit dieser Rede hat er Maßstäbe gesetzt, Missverständnisse ausgeräumt und Deutschland eine Stimme zur Formulierung seiner geschichtlichen Verantwortung verliehen. Allen Relativierern und Beschwichtigern hat er den Wind aus den Segeln genommen, ja, er hat die Maste gekappt.
An dieser Stelle hat am letzten Samstag Bundesaußenminister Steinmeier eine nachdenkliche Rede zum 8. Mai und seinen Folgen gehalten. Im Zentrum stand für ihn das „Nie wieder“. Nie wieder darf von deutschem Boden Krieg ausgehen. Das ist ein Satz, den ich vollständig teile, den ich aber als Lehre aus der Nazi-Barbarei für alle Völker verstanden wissen will. Der 8. Mai 1945 hat für unser Land und letztlich auch für Europa die einmalige Chance eröffnet, in Wohlstand, Frieden und Freiheit zu leben. Ehemalige Feinde haben uns die Hand zur Versöhnung gereicht, und viele Völker haben die Chance zum Frieden und Wohlstand genutzt, wenngleich ich nicht verhehle, dass sich noch vieles zum Besseren wenden kann.
Gerade Berlin als Ort der einstigen Demarkationslinie zwischen den Weltblöcken hat die Aufgabe angenommen, die Erinnerung an ein Jahrhundert der Kriege, des Friedens und der Wiedervereinigung wachzuhalten.
Gerade in Berlin mit einem gelebtem Miteinander Hunderttausender Bürger mit Wurzeln in Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA gab es viele Zeitzeugnisse der gemeinsamen Geschichte, und diese blieben erhalten und werden durch viele Institutionen und Organisationen tagtäglich mit Leben erfüllt.
Dennoch grenzt es an ein Wunder – und hier darf ich noch einmal Steinmeier zitieren –, dass eine solche Entwicklung stattfand, ein einmaliges Vorkommnis in der Geschichte, vor allem darin zu sehen, dass Deutschland und Israel heute enge Freunde sind. Deutschland ist zurück in der Gemeinschaft der zivilisierten Völker, und das, meine Damen und Herren, ist ein großes Glück.
Es gebührt an dieser Stelle großer Dank an Michail Gorbatschow, George Bush Senior und Helmut Kohl, dass und wie sie den Weg zur deutschen Einheit ebneten. Das ist eine wirklich große politische Leistung, die nicht zuletzt deshalb zustande kam, weil die Angst vor einem wiedererstarkten Deutschland der Gewissheit wich, dass Deutschland wieder zutiefst demokratisch und deshalb friedlich ist.
Freundschaft bedeutet, weitgehend zu verzeihen, jedoch nicht zu vergessen. Sich seiner Geschichte zu stellen heißt auch, sich nicht aus der historischen Verantwortung zu stehlen. Es klingt fast abgedroschen, aber es kann
(Udo Wolf)
nicht oft genug betont werden, bis es der letzte begreift. Ein Volk und ein Staat, die sich ihrer Werte bewusst sind und diese verteidigen wollen, müssen sich auch klar zu den dunklen Kapiteln ihrer Geschichte bekennen. Nur so können Demokratie und Stabilität erhalten bleiben und immer wieder neu erkämpft werden.
Niemals darf das Gedenken an die Millionen ermordeter und gepeinigter Menschen, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Minderheiten sowie an die unzähligen Kriegstoten und Opfer von Vertreibung erlöschen. Es ist unendlich wichtig, dass dies bereits an vielen Gedenktagen so geschieht. Das ist ein sichtbares Zeichen für die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Ich weiß, dass das viele nicht als genug erachten, aber will auch zum Ausdruck bringen, dass in Deutschland meines Erachtens sehr viel geleistet wird, was die Erinnerungskultur angeht.
Richard von Weizsäcker hat in seiner Rede anklingen lassen, dass Deutsche nicht das Büßerhemd überstreifen müssen, schon gar nicht die Nachgeborenen, aber historische Verantwortung haben uns die Täter aufgebürdet, ob wir das wollen oder nicht, und die müssen wir wahrnehmen.
Natürlich war der 8. Mai ein Tag der Befreiung, in jedem Fall für diejenigen, die danach ein wirklich demokratisches Deutschland und Europa aufbauen und erleben konnten. Diejenigen, die in erster Linie durch Hitlers Aggressionskrieg verursacht letztlich in der kommunistischen Zwangsherrschaft in der DDR und anderen Ländern Europas leben mussten, werden die Wirkung dieses Tages vielfach anders beurteilen. Ich werde nicht beide Diktaturen vergleichen, sie haben Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten, und unbestritten war der NaziTerror einmalig grausam, aber auch die Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Unrecht und der damit verbundenen Unfreiheit gehört zur geschichtlichen Wahrheit und ist Aufgabe der Aufarbeitung.
Es besteht daher keine Notwendigkeit für einen neuen und damit weiteren gesetzlichen Gedenktag in der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere vor der historischen Teilung der deutschen Staaten und der Tatsache, dass die Bewohner der ehemaligen DDR erst ab 1989 die Chance erhielten, eine Demokratie aufzubauen, erscheint dies nicht schlüssig.
Dank des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog gedenken wir ferner am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Im Besonderen ist es der Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und nachfolgend aller anderen Lager, in denen so unvorstellbares Leid Millionen Menschen zugefügt worden war. Hier begann nicht die Befreiung von Schuld und Verantwor
tung, sondern die Befreiung von Leid, bestialischer Unmenschlichkeit und Tod. Seit 2008 folgt übrigens die internationale Staatengemeinschaft diesem Beispiel weltweit.
Was nun lehrt uns heute der 8.Mai 1945? – Ich bin dankbar dafür – und für einen gewissen Zeitraum bin ich nun Zeitzeuge –, dass ich in einem freien und demokratischem Deutschland aufwachsen durfte, in dem Verfassung und Verfassungswirklichkeit doch sehr eng beieinander liegen. Ich bin unendlich froh, dass es der Nachkriegsgeneration gelang, ein unabhängiges Justizsystem zu schaffen, in dem es auch möglich ist, sich gegen etwaiges staatliches Unrecht zur Wehr zu setzen. Rede- und Gedankenfreiheit garantiert das Grundgesetz sogar für seine Gegner, von einer weltweit einzigartigen Pressefreiheit ganz zu schweigen.
Gerade deshalb dürfen wir Tendenzen von Rassismus und Antisemitismus in unserem Land nicht ignorieren oder kleinreden. Feinden der Demokratie, die versuchen, gewählte Repräsentanten oder staatliche Autoritäten zu bedrängen oder verächtlich zu machen, verdienen nicht Toleranz, sondern müssen mit allen Mitteln, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, in ihre Schranken gewiesen werden.
Hier müssen wir unsere Stimmen erheben und gegebenenfalls auch politisch und rechtlich standfester handeln. Ich will nicht erleben, dass Juden in diesem Land wieder in zunehmendem Maße ungestraft beschimpft und attackiert werden.
Es ist unsere Aufgabe, jeden Tag aufs Neue den Menschen vor Augen zu führen, in welchem Hort der Glückseligkeit in der Welt sie eigentlich leben angesichts der zahlreichen weltweiten Krisen und Bedrohungen, die so weit weg ja gar nicht sind. Wir müssen auch den Mut haben, Staaten zu brandmarken, die die Menschenrechte mit Füßen treten und auch unseren Beitrag zur Bekämpfung der neuen Barbaren in dieser Welt gemeinsam mit den zivilisierten Völkern leisten. Und natürlich müssen wir gepeinigten Menschen unter Beachtung unserer Rechtsordnung und im Rahmen unserer Möglichkeiten Schutz bieten. Nur so können wir an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Und auch wir Abgeordnete sollten als Vorbilder dazu dienen, dass im Ringen um den richtigen Weg der Diskurs und nicht die Skandalisierung und bewusste Verletzung des Gegners aus kleinlichem politischen Kalkül im Vordergrund stehen. Anderes übertriebenes Verhalten wird die Menschen sich langfristig von der Demokratie abwenden lassen.
Nun gestatten Sie mir zum Ende dann doch den Abschluss der Rede von Richard von Weizsäcker zu zitieren,
bei dem er sich zunächst an die jungen Menschen mit dem Aufruf zur Toleranz wendet und dann wie folgt endet:
Ehren wir die Freiheit. Arbeiten wir für den Frieden. Halten wir uns an das Recht. Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit. Schauen wir am 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge.
Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme zum Thema Rassismus zurück. Rassismus ist für mich
eine menschenverachtende Ideologie, die Menschen nicht als gleichrangig ansieht, sondern – hauptsächlich biologistisch begründet – diskriminierende Unterschiede nach Herkunft, Hautfarbe, ethnischer Abstammung, religiöser Herkunft usw. macht. Und diese Einstufung von Menschen führt in nicht seltenen Fällen zu Verfolgung und im schlimmsten Fall zu Mord und Vernichtung.
Ich werde heute nicht der Versuchung erliegen, den Kampf gegen den Rassismus als rein innenpolitische Aufgabe und schon gar nicht ausschließlich auf Berlin bezogen zu sehen, wenngleich mancher Redebeitrag heute mir wertvolle Redezeit klauen würde, wenn ich darauf antworten müsste. Rassismus endet nicht an den Toren der Stadt, und es bedarf deshalb hier differenzierterer Anmerkungen. Der Titel der Aktuellen Stunde, in dem Begriffe wie Lippenbekenntnisse und Wahlkampfgeplänkel vorkommen, lässt mich vermuten, ob hier nicht eben gerade das versucht wird, ob nicht der UN-Gedenktag zum Rassismus – den will ich allen noch mal ins Gedächtnis zurückrufen – als bloßer Anlass für eine wiederholte innenpolitische Debatte mit heute deutlich erkennbarem Ziel genommen wird.
Das ist mir zu billig und trägt dem eigentlichen Anlass und dem Thema gleich gar nicht Rechnung. Den meisten Kollegen im Haus ist ohnehin bekannt, dass ich mich schon seit sehr Langem im Innen- und Verfassungsschutzausschuss für eine bestmögliche Zusammenarbeit der Innen- und Sicherheitsbehörden starkgemacht habe und dies angesichts der bislang vorliegenden Erkenntnisse im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie auch zukünftig tun werde, wo immer ich es kann. Deshalb bin ich auch – offenbar im Gegensatz zu anderen – sehr froh über die Besetzung von fünf neuen Stellen beim Berliner Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus.
Ich werde heute allerdings die Debatten, die im Innenausschuss geführt werden, nicht führen. Da sind andere besser berufen.
Die heutige Aktuelle Stunde der Piratenfraktion unterstellt in gewisser Weise, dass Rassismus in Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland zum einen verbreitet ist und zum anderen nicht hinreichend von politisch Verantwortlichen bekämpft worden ist.
Das jedenfalls entnehme ich dem Begriff „Lippenbekenntnisse“, und mein Kollege Reinhardt bestätigt mich. Diese Ansicht teile ich aber nicht. Das wird Sie jetzt vielleicht überraschen. Ich will auch begründen, warum.
In meiner Schulzeit nahm die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie einen breiten Raum ein, nicht etwa nach dem Motto „Augen zu und durch und schnell vergessen“, sondern unter der Ü
berschrift: Welche Lehren zieht eine Nation aus derartig schrecklichen Vorgängen, und wie können wir uns davor schützen, dass sich dies in der Zukunft auf deutschem Boden wiederholt? – Sie können mir glauben, dass mich diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sehr stark geprägt und auch den Grundstein für mein politisches Wirken gelegt hat. Es wurde mir aber auch schnell klar, dass es eine Patentlösung, quasi auf Knopfdruck, nicht gibt, um Rassismus bzw. ethnische Diskriminierung für immer aus den Köpfen der Menschen zu verbannen. Es bedarf einer Vielzahl von Maßnahmen, um diesem Ziel näher zu kommen.
Hier ist zum einen das unverzagte Eintreten von uns allen zu nennen, für eine demokratisch verfasste Gesellschaft, die freie Meinungsäußerung garantiert und auf einem Grundgesetz fußt, das nicht bloße Makulatur, sondern Rechtswirklichkeit ist, auch wenn Demokratie zuweilen anstrengend und für viele Menschen zunehmend weniger verständlich wird.
Ein weiterer Baustein ist der sichtbare Zusammenhalt der Demokraten in Fragen der Bekämpfung von Extremismus, wo immer und in welcher Farbe auch immer er sich zeigt. Der heutige Tag – sage ich ganz offen – lässt mich manchmal an diesem Zusammenhalt zweifeln, aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben. Es war in diesem Haus nämlich immer Konsens, dass sich die Demokraten einhellig gegen Rassenideologie und Rassenwahn und Diskriminierung von Minderheiten ausgesprochen haben, wenngleich der Weg dahin häufig umstritten war. Derartige Ideologien stammen unbestritten in ganz überwiegendem Maße aus dem rechtsextremen Spektrum, kurz gesagt, aus der NPD und den sogenannten freien Kameradschaften.
Natürlich zeigen sich rassismusähnliche Tendenzen und Diskriminierung auch an anderer Stelle, so z. B. bei der Verfolgung politisch Andersdenkender durch den Kommunismus und bei der derzeit sehr aktuellen öffentlichen Herabwürdigung von Verantwortungsträgern unseres Staates, insbesondere von Polizeibeamten, in den sogenannten sozialen Medien durch die Veröffentlichung von Steckbriefen und Privatadressen auch durch Linksextremisten. Auch Aufrufe zum Anzünden des Polizeipräsidenten, seien sie hinterher auch anders gemeint gewesen, bedürfen der Ächtung aller Demokraten.
Wie kann eine zivilisierte Gesellschaft solchen Tendenzen nun heute entgegentreten? – Da ist zum einen der juristische Weg des Verbots verfassungsfeindlicher Organisationen. – Bitte! Ich möchte meinen Vortrag zu Ende führen. – Das NPD-Verbotsverfahren ist ein klares Zeichen für eine wehrhafte Demokratie und wird von meiner Fraktion unterstützt. In diesem Zusammenhang erachte ich es schon als befremdlich, wenn Teile der FDP unter Führung einer linksliberalen Justizministerin bei
aller Würdigung ihrer Argumente in Kenntnis der Tatsache, dass sich die Länder zu einem Verbotsverfahren verständigt haben, sich vom Acker machen und ihre Position als Rechtsstaatspartei ausgerechnet an dieser Stelle artikulieren.
Ich jedenfalls befürworte und unterstütze in Kenntnis aller Unwägbarkeiten und Risiken eines solchen Verfahrens das NPD-Verbotsverfahren, weil ich – auch ohne die Ergebnisse eines NSU-Untersuchungsausschusses vorwegzunehmen – weiß, dass die drei Mörder niemals ohne die Unterstützung von Gesinnungsgenossen ihr Unwesen treiben konnten.
Es darf jedoch in dieser Frage – bei allem Verständnis für unterschiedliche Argumentationen – nicht zu einem Wettbewerb kommen, wer der bessere NPD-Bekämpfer ist, und dies darf schon gar nicht zu einem Wahlkampfthema werden.
Das spielt den Feinden der Demokratie in die Hände, und davor warne ich alle politisch Verantwortlichen.
Niemand bestreitet, dass es bei der Aufklärung der NSUUntaten – und da greife ich einen Begriff der Piraten auf – zu Versäumnissen im Bereich der Sicherheitsbehörden gekommen ist. Dass dies aufgeklärt werden muss, findet meine volle Unterstützung. Aber es bewegt mich schon die Frage, wie mit diesem Aufklärungsinteresse umgegangen wird. Bei aller zum Teil berechtigten Kritik an Verfolgungsorganen bzw. bei allem berechtigten Interesse an der Aufklärung von möglichem Versagen von Behörden und dem Deutlichmachen eigener Positionen muss immer klar bleiben, dass sich Demokraten als politische Gegner gegenüberstehen, dass der Feind aber derjenige ist, der unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung missachtet, ins Lächerliche zieht und seine rassistischen und ideologischen Ideen verbreitet.
Es schadet keinem politischen Verantwortungsträger, einmal innezuhalten und dies bei allem parteipolitischen Streit nie zu vergessen.
Und es dient der gezielten Bekämpfung des Rassismus auch nicht, wenn immer wieder Stimmen laut werden, die der Auffassung sind, Rassismus sei in der Mitte der Bevölkerung verwurzelt.
Ich kann natürlich nicht ausschließen – abwarten! –, dass es eine Vielzahl von Menschen gibt, die politisch keine Verantwortung tragen, die aber ein Gedankengut hegen, das rassistisch motiviert ist.
Wo sich solche Leute äußern, da müssen Demokraten in jeder Unterhaltung, in jeder Äußerung solchen Tendenzen mutig entgegentreten, nicht zurückstecken und klar ihre Meinung kundtun. Jedoch ist nicht jede Äußerung von Mitmenschen, die zum Beispiel im Zusammenhang mit Migration Ängste artikulieren, ob sie begründet sind oder nicht, gleich eine rassistische Äußerung. Es ist Aufgabe aller Demokraten, diesen Menschen in differenzierter Argumentation Ängste zu nehmen, Lösungswege aufzuzeigen, aber ihnen auch die Sorge zu nehmen, dass man ihnen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus per se unterstellt. Es dient nämlich der Rassismusbekämpfung in keiner Weise, wenn hier die Grenzen verwischt werden.
Sofern die Kollegen von den Piraten mit dem Begriff „Lippenbekenntnisse“ meinen, es gebe einen Königsweg der Rassismusbekämpfung, über den nur geredet, der aber nicht beschritten werde, so teile ich diese Auffassung nicht. Es gibt hierfür keinen Knopf, auf den nur zu drücken ist, und dann ist Rassismus bekämpft. Das ist eine Vorstellung, die am Ziel vorbeiführt und die die tatsächlichen Möglichkeiten einer Demokratie völlig überschätzt.
Wir alle sollten trotzdem ein gehöriges Maß dazu beitragen, dass in den Köpfen der Menschen die Demokratie als fairste Staatsform verankert bleibt. Wir müssen darauf achten, dass bei aller Berechtigung von Diskussionen diese dann auch irgendwann zu einem Ergebnis führen, damit Menschen draußen nicht das Gefühl bekommen, Demokratie könne keine politischen Entscheidungen mehr treffen. Wir müssen unseren Mitmenschen immer wieder klarmachen, dass die Argumentation des politischen Gegners nicht immer in allen Punkten falsch ist und dass dieses Land neben einer vorbildhaften Justiz Freiheiten gewährt, wie sie auf der Welt kaum vergleichbar in dieser Form vorkommen.
Mir wird in der politischen Diskussion zu häufig Kritik geäußert und zu wenig darauf geachtet, dass die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, gerade im Hinblick auf die geschichtliche Überwindung zweier deutscher Diktaturen in ihren Gemeinsamkeiten und in ihren Unterschiedlichkeiten, zum Anlass genommen werden.
Und nun zum Begriff Aufklärung, jetzt aber anders verstanden. Ich würde mir wünschen, wenn an den Schulen jungen Menschen neben der erforderlichen Aufklärung über den faschistischen Rassenwahn und die Folgen zweier Diktaturen auf Deutschem Boden auch die Vorzüge einer Demokratie mit Empathie gelehrt würden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein funktionierendes demokratisches Staatswesen, gestützt von begeisterungs
fähigen Demokraten die beste Waffe gegen Rassismus und menschenverachtende Ideologie ist.
Abschließend: Ich bin froh und dankbar über die vielen Initiativen von Menschen unseres Landes und seitens des Senates, die sich in zahlreichen Veranstaltungen gegen Rassismus und menschenverachtende Ideologie engagieren. Jede Stimme, die dort laut wird, dröhnt in den Ohren der Ideologen und zeigt ihnen, dass ihr unseliges Treiben nicht hingenommen wird. Diesen Menschen danke ich ausdrücklich!
Ich hoffe, meine Ausführungen tragen dazu bei, den Eindruck zu widerlegen, in unserem Land und in unserer Stadt würde nichts gegen Rassismus und Diskriminierung getan und unsere Gesellschaft sei quasi von Rassisten durchsetzt. Ich plädiere für nicht nachlassende Anstrengungen aller vernunftbegabten Menschen, dem Rassismus entgegenzutreten, wo immer er sich zeigt, aber auch mit gleicher Verve die Idee der Demokratie zu verteidigen. Es ist eben nicht nur eine Aufgabe der Innenbehörden, der Polizei oder des Verfassungsschutzes, es ist eine Aufgabe für uns alle. – Ich danke Ihnen!
Lieber Kollege Höfinghoff! Eigentlich tut es mir leid: Sie haben offenbar überhaupt nicht zugehört.
Ich habe mich bemüht, in differenzierter Art und Weise dieses Thema fernab jeder parteipolitischen Auseinandersetzung zu halten. Ich finde es im Übrigen unerträglich, dass Sie Kollegen in diesem Haus und insbesondere Kollegen meiner Fraktion rassistisches Gedankengut unterstellen. Das weise ich in aller Schärfe zurück!
Das ist genau das, lieber Kollege Höfinghoff, was ich nicht will, wenn Demokraten miteinander reden! Das trifft nicht den Kern.
Ansonsten sage ich Ihnen: Sie können gerne meine Rede nachlesen. Ich habe nicht bestritten, dass es Rassismus in der Mitte der Gesellschaft gibt. Ich habe nur gesagt: nicht in der Breite. Es wird teilweise übertrieben. Und wenn Sie die Passage gehört hätten, in der ich gesagt habe, ich könne das nicht ausschließen – und natürlich gibt es das –, dann habe ich aber daraus gefolgert, dass wir als Demokraten es sind, die dem entgegentreten sollen. Da nützen irgendwelche Angriffe rassistischer Art gegen Menschen in diesem Haus oder gegen den Innensenator nichts.
Ich nehme die Wahl mit großer Freude an. – Herzlichen Dank!