Notker Schweikhardt
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Ich habe heute für den Antrag meiner Fraktion zur „Berliner Landesstrategie zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements“, Drucksache 17/2427, Beschlussempfehlung Drucksache 17/3017, gestimmt und werde später den Antrag von CDU und SPD zur „Weiterentwicklung der Ehrenamtskarte“, Drucksache 17/2997, Beschlussempfehlung Drucksache 17/3019, ablehnen, weil die Maßnahmen des Senats völlig unzureichend sind und weder die sich ehrenamtlich engagierenden Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt, noch sie in die Entscheidungsfindung einbezieht und damit eine dringend notwendige Verbesserung der Anerkennungskultur in Berlin bewusst verhindert.
Obwohl im Jahr 2013 im Abgeordnetenhaus von Berlin eigens ein Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagements eingerichtet wurde und ein überfraktioneller Beirat konsensual erhebliche Verbesserungsvorschläge für die Weiterentwicklung der Ehrenamtskarte und damit für eine sichtbare und angemessene Anerkennung und Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements erarbeitet hat, ignoriert das Abstimmungsverhalten und die analog erfolgte Formulierung des Antrags der Koalition, Drucksache 17/2997, Beschlussempfehlung Drucksache 17/3019, die grundsätzlichen Bedürfnisse und Wünsche der sich ehrenamtlichen Engagierenden in Berlin. Sie leisten unverzichtbare, freiwillige Arbeit in einem Umfang, die, wenn sie angemessen bezahlt werden müsste, im Bereich eines BER oder von zehn Staatsopernsanierungen läge – jedes Jahr. Statt im Senat die notwendigen Kapazitäten zu schaffen – es handelt sich um minimale Personalmittel – und auf die vielfältigen Unterstützungsangebote der Berliner Initiativen und Unternehmen einzugehen, präsentiert uns der Senat eine unzureichende und nicht repräsentative Studie zur „Zukunft der Berliner Engagementlandschaft“ vom 13. Juni 2016.
Es ist dem Senat dabei weder gelungen, die Vielfalt des Status quo zu erfassen, also die Ausgangslage sachgerecht abzubilden, noch in den vermeintlichen Expertenworkshops die notwendigen Lösungsschritte zu erfassen – was ohne die Beteiligung der verschiedenen Träger, Freiwilligenagenturen, Stadtteilzentren, Nachbarschaftseinrichtungen, Initiativen, Verbände, Stiftungen, Vereine, Migranten-, Behinderten- und Selbsthilfeorganisationen, Willkommensinitiativen für Flüchtlinge und dem Landesnetzwerk für bürgerschaftliches Engagement misslingen musste. Eine Onlinebeteiligung mit 50 Kommentaren in einer Engagementlandschaft mit offiziell 800 000 Aktiven ist doch gerade das Zeugnis dieses Scheiterns.
Es bleibt uns, nicht zu hoffen, sondern darauf hinzuarbeiten, dass eine neue Regierung die unersetzliche Arbeit der sich ehrenamtlich und freiwillig engagierenden Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt, ihnen und ihren Interessenvertretern auf Augenhöhe begegnet und eine tragfähige
und angemessene Anerkennungskultur entwickelt inklusive einer vielfältigen Ehrenamtskarte, die den unterschiedlichen Interessen der Engagierten entspricht. Nur so kann das bürgerschaftliche Engagement gestärkt werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sportvereine und Schulen leisten sehr wertvolle freiwillige Hilfe und Unterstützung für Geflüchtete, auf die
Berlin mehr als stolz ist, selbstlos, solidarisch und unter Verzicht auf viele Sporthallen. Da muss es selbstverständlich sein, dass Berlin die Hallen, sobald sie nicht mehr als Notunterkünfte gebraucht werden, den Bezirken, Vereinen und Schulen besenrein wieder zur Verfügung stellt.
Verschärft wird der Sportflächenmangel durch die unhaltbaren baulichen Zustände, die nach wie vor zu zig Hallensperrungen führen. Ein Sanierungsstau, den sich Berlin nicht leisten kann – weder für Sportlerinnen und Sportler noch für Schülerinnen und Schüler, und auch nicht für Geflüchtete, deren Inklusion durch Sportangebote in eben diesen Hallen deutlich besser gelingen kann als durch die Unterbringung in Betten des Katastrophenschutzes. Mittlerweile gibt es eine Arbeitsgruppe im Senat, die sich dieser Sache angenommen hat. Aber das reicht nicht. Auch ein Konzept zum Leerzug der Turnhallen, welches beim Rat der Bürgermeister zur Abstimmung liegt, reicht nicht.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres gibt es eine Richtlinie für den Kostenersatz für die von der Sicherstellung von Sportstätten erheblich betroffenen Sportvereine. Auch die reicht nicht. Darin heißt es:
Diese Richtlinie verfolgt den Zweck, möglichst vielen förderungswürdigen Sportorganisationen, die ab 2015 von der Sicherstellung von Sportstätten zur Unterbringung von Flüchtlingen durch das Land Berlin erheblich in der Erreichung ihrer satzungsgemäßen Zwecke betroffen sind, Unterstützung zu leisten.
Genau das beschreibt das Problem, für dessen Lösung wir unseren Antrag formuliert haben. Es geht eben nicht darum, mit einem gedeckelten Budget von 1 Million Euro möglichst vielen Sportorganisationen Unterstützung während der Notunterbringung zukommen zu lassen, sondern es geht darum, die gesamte sportliche Infrastruktur zu gewährleisten. Aber nicht einmal diese in Aussicht gestellten Entlastungen für Miet-, Lager- und Transportkosten sind sicher, denn die Erstattungsleistung kann auf einen Teilbetrag der nachgewiesenen Kosten reduziert werden, wenn erkennbar ist, dass die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel des Landes Berlin für eine vollständige Erstattungsleistung an alle Antragsteller nicht ausreichend sind. Es wird also nur ein Teil erstattet, und das auch erst nach Abschluss des Jahres, denn vorher ist ja kaum bekannt, welche Summen beantragt werden und wie hoch der Prozentsatz der Erstattung sein wird.
Diese Probleme potenzieren sich, wenn es um die Sanierung von gesperrten oder beschlagnahmten Hallen geht. Millionenbeträge vorfinanzieren, Bauleistungen ausschreiben und beaufsichtigen, neueste Vorschriften in Baurecht umsetzen, sei es bezüglich Barrierefreiheit oder energetischer Mindeststandards, Verwaltungsvorgänge kennen und beschleunigen und vor allen Dingen rechtzei
tig zu wissen, wann die Hallen wieder zur Verfügung stehen werden, das sind alles Qualifikationen, die Schulen, Vereine und selbst Bezirke nicht haben. Sollen denn wirklich bei gut 100 Hallen die Träger einzeln die immer wieder gleichen Probleme bekommen, die Sportlerinnen und Sportler viel Zeit verlieren und die Berliner Bürgerinnen und Bürger am Ende Lehrgeld zahlen? – Nein! Wir wollen, dass Bezirke, Schulen und Vereine entlastet und nicht für ihr Engagement bestraft werden.
Deshalb beantragen wir jetzt, dass der Senat eine zentrale Koordination Sporthalle einrichtet, welche die schnellstmögliche Sanierung aller Sporthallen sicherstellt, und die als Notunterkunft benutzten Hallen dem Sport so schnell wie möglich wieder zur Verfügung stellt, dass alle Beteiligten in diese Koordination einbezogen werden, dass der Senat dafür Sorge trägt, dass keine verwaltungsbedingten Verzögerungen entstehen und dass barrierefrei und nachhaltig saniert wird und dass die kompletten Kosten ohne Vorleistungen der einzelnen Träger übernommen werden. Berlin kann es sich nicht leisten, auf das Ergebnis eines Volksbegehrens zu warten. Wir brauchen jetzt Lösungen. Die Sportlerinnen und Sportler haben sofort geholfen. Der Senat hatte mittlerweile genug Zeit zu planen, wie er jetzt den Vereinen, Schulen und Bezirken helfen wird. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie ist der aktuelle Stand bei dem Verfahren zur Wiederbesetzung der Position der oder des Vorstandsvorsitzenden der Berliner Bäder-Betriebe?
Vielen Dank, Herr Senator! Wenn Sie nichts zum Ende des Verfahrens sagen können, so könnten Sie uns vielleicht sagen, in welchem konkreten Stadium es sich befindet – Ausschreibung, Kandidatinnen und Kandidaten?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Harant, Kollege Magalski! Ich gebe Ihnen natürlich recht: Graffiti ist eine der ältesten Kulturtechniken, die wir kennen. Tatsächlich existieren heute noch Pieces, die mehr als 40 000 Jahre alt sind und schon lange von der UNESCO in das Weltkulturerbe aufgenommen wurden.
Mittlerweile müssen diese Zeichnungen allerdings vor uns Menschen geschützt werden. Die Atemluft der Touristen beschädigt die Bilder unwiederbringlich. Gut, dass in Berlin die meisten Werke nicht in Höhlen hängen!
Was aber ist hier vor Ort Kunst, und was kann weg? Verkehrsbetriebe und Eigentümerverbände in Deutschland beklagen jedes Jahr Sachschäden in hundertfacher Millionenhöhe. Ein echter Banksy auf der Hauswand aber verdoppelt den Wert einer Immobilie. Graffiti ist künstlerisch, politisch und kommerziell zugleich. Auf der ganzen Welt stehen vor Museen und Botschaften bemalte Elemente der Berliner Mauer; Symbole für Widerstand, Einheit und Freiheit. Visitberlin wirbt mit dem globalen Bekanntheitsgrad der Berliner Sprayer, und ganze Wirtschaftszweige sind entstanden mit Street-Art-Touren für Touristen, Graffiti-Workshops für gestresste Manager oder bunt bemalten Mauerstückchen aus Berlin, der selbst ernannten Hauptstadt der Urban Art. Städtische Wohnungsbaugesellschaften engagieren Künstlerinnen und Künstler, um ihre grauen Betonklötze aufzuhübschen, und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis ein paar nicht ganz so gesetzestreue Mitbürgerinnen und Mitbürger die Sicherheitsvorkehrungen für etwas Fame austricksen und sich der Fassade des BND annehmen.
Graffiti sind weithin sichtbar und doch vergänglich. Sie bewegen sich zwischen Religion und Werbung, zwischen Kommerz und Kunst, zwischen Vandalismus und Kultur, zwischen Schönheit und Illegalität. Ich habe aber ziemli
che Zweifel, ob eine Graffitibeauftragte, ein Graffitibeauftragter all diese Konflikte lösen kann.
Trotzdem danke ich den Piraten ausdrücklich für diesen Aufschlag, denn es ist richtig und wichtig, dass wir uns in diesem Haus ausführlich und intensiv mit dieser für Berlin so prägenden Kulturform beschäftigen. Auch wenn Sie die Linke und die Grünen ausgeladen haben: Ich freue mich auf gute Diskussionen mit spannenden Gästen, zunächst im Kulturausschuss, und empfehle bis dahin, möglichst viele sommerliche Ortstermine mit Chillen und Grillen auf den Wiesen und zu Füßen der schönsten Wände der Stadt. – Vielen Dank und einen tollen Sommer!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat, ob der offene städtebauliche Ideenwettbewerb für das geplante Museum der Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum die Verkehrssituation von der Leipziger Straße bis zur Potsdamer Straße mit einbezieht und wann die eingehenden Entwürfe erstmals öffentlich zu sehen sein werden. – Danke!
Welche Absprachen, Zusagen oder Verträge gibt es, die Einfluss auf die genaue Lage, die bauliche Anbindung an bestehende Institutionen oder das Wettbewerbsverfahren haben?
Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Können Sie denn abschätzen, ob dieses Urteil für weitere Theater,
Orchester oder andere Projekte in Berlin Auswirkungen haben könnte?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktionen der SPD und der CDU haben heute die Ehrenamtskarte zu ihrer Priorität erklärt. Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Aufwertung, denn bisher war die Berliner Ehrenamtskarte alles andere, aber keine Priorität der Regierungskoalition. Seit vielen Jahren, zuletzt der Regierende Bürgermeister in der heutigen Aktuellen Stunde, versichern uns SPD und CDU, wie wichtig ihnen bürgerschaftliches Engagement ist, welche unverzichtbare Rolle Ehrenamtliche für unsere Gesellschaft ausfüllen und wie sehr sie diese Arbeit schätzen. Da bin ich fast schon froh, dass sie es nicht unter Wowereit zur Chefsache gebracht hat, sonst wäre die Karte wahrscheinlich doppelt so teuer und würde im nächsten Jahrzehnt eingeführt.
Herr Regierender Bürgermeister! Danke sagen allein reicht nicht. Was hat sich denn in den letzten Monaten getan? – Nichts! Gar nichts! Gut, im zuständigen Fachausschuss wurde jetzt einvernehmlich beschlossen, einen Beirat zu bilden, der eine Neuauflage der Ehrenamtskarte entwickeln soll, aber bereits seit Jahren liegt die Evaluation des Senats vor. Dort wird die mangelnde Attraktivität der Ehrenamtskarte festgestellt und der Rückgang der Nachfrage damit begründet, dass das Angebot der Karte nicht den Bedarf und die Interessen der Menschen trifft. Gerade einmal ein Viertel Prozent der Ehrenamtlichen haben aktuell eine Ehrenamtskarte, eine Karte auf 400 Ehrenamtliche. In Berlin sind das für über 1 Million Ehrenamtliche zweieinhalbtausend Karten. Das ist keine Wertschätzung, das ist peinlich.
Es wird endlich Zeit, dass sich der Senat genauso stark für die Ehrenamtlichen engagiert, wie die Ehrenamtlichen sich für uns engagieren, denn machen wir uns nichts vor: Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen wäre unser Sozialsystem unsozial, unser Bildungssystem noch ungerechter und die Nachwuchsarbeit im Sport komplett zusammengebrochen. Ohne Volunteers gibt es keinen Marathon, und wir brauchen auch jeden unserer 1 350 Schülerlotsen.
In Zukunft wird bürgerschaftliches Engagement noch viel wichtiger. Wer reagiert denn als Erstes auf die steigenden Flüchtlingszahlen? – Die Berlinerinnen und Berliner, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Oder nehmen wir als Beispiel das Theater im Palais. Dort werden Ehrenamtliche ausgebildet, um den Zugang zu Kultur auch in Zeiten des demografischen Wandels barrierefrei sicherzustellen.
Aber wir dürfen die Ehrenamtlichen auch nicht ausnutzen. Weil die Ressourcen der Berliner Berufsfeuerwehr nicht in angemessenem Umfang angepasst werden, steigt die Belastung der Freiwilligen Feuerwehren besorgniserregend an. Das erklärte jüngst die Berliner Feuerwehr.
Wenn angesichts der Tatsache, dass immer mehr staatliche Aufgaben über bürgerschaftliches Engagement geleistet werden, nicht der Eindruck hängenbleiben soll, Berlin wälze einen großen Teil der Daseinsvorsorge auf Ehrenamtliche ab, dann muss der Senat jetzt dringend handeln.
Uns Grünen ist klar, dass unsere Gesellschaft Ehrenamtliche braucht. Deshalb fragen wir auch, was Ehrenamtliche vom Staat brauchen. Wenn Sie vorletzte Woche die Berliner Freiwilligenbörse besucht haben, werden Sie auch dort aus Gesprächen erfahren haben, welche Unterstützung dringend nötig ist, wo Netzwerke gestärkt und Freiwillige legitimiert werden müssen. Und ja, der meistgenannte Wunsch ist nach wie vor eine Entlastung bei den Fahrtkosten. Dafür gibt es Best-Practice-Beispiele. In München etwa bezahlen Ehrenamtliche für eine Monatskarte 24,60 Euro.
Die Bedürfnisse ernstzunehmen und auch in eine attraktive Ehrenamtskarte umzusetzen, ist unsere vordringlichste Aufgabe. Wir Grünen haben sehr konkrete eigene Vorstellungen eingebracht, um die Ehrenamtskarte endlich zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen, Ehrenamtskarten, die auf die Interessen der engagierten Bürgerinnen und Bürger gezielter zugeschnitten sind, eine Berücksichtigung aller Träger und Projekte, die mit Ehrenamtlichen arbeiten, und eine Sichtbarmachung unserer Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements durch repräsentativere Veranstaltungen des Landes Berlin. Warum nicht den Bundespräsidenten zum Beispiel nehmen und ein Fest von Ehrenamtlichen für Ehrenamtliche ausrichten?
Es gibt viele gute Ideen, und wir alle haben uns vorgenommen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und grundsätzlich neu durchzustarten. Lassen Sie uns zusammen mit den Ehrenamtlichen nach attraktiven Lösungen suchen! Ringen Sie sich durch zu einer grundsätzlichen Reform der Anerkennungskultur in Berlin! Wenn unser gemeinsamer Beirat seine Arbeit aufgenommen hat und es erste Fortschritte zu vermelden gibt, dann sollten wir uns wieder hier treffen und darüber reden. Jetzt aber müssen wir erst einmal daran arbeiten, dass noch in dieser Legislaturperiode jeder Ehrenamtliche Lust auf eine neue Ehrenamtskarte bekommt. Das ist unsere Priorität. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bürgerschaftliches Engagement ist das Gegenteil von Egoismus. Der freiwillige, selbstlose Einsatz Einzelner zeichnet uns als Gesellschaft aus. Er ist im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar, im Gegenteil: Er bereichert uns.
In Berlin engagiert sich etwa jeder Dritte. Das sind Jugendliche, die selbstmordgefährdeten Gleichaltrigen beistehen, und Rentner, die Kindern vorlesen. Ganze Familien stehen als Volunteers an den Marathonstrecken, und Polizisten spielen in ihrer Freizeit mit Flüchtlingen Fußball. Die Tafeln füttern Hungrige. Die freiwilligen Feuerwehrleute und Sanitäter retten, bergen und schützen. Ehrenamtliche ersetzen Pflegekräfte, Lehrerinnen, Ärzte und Therapeuten. Freiwillige helfen denen, die sich ausgegrenzt fühlen oder die noch gar nicht in unserer Gesellschaft angekommen sind, gerade dann, wenn sich der Staat als unflexibel und vermeintlich unmenschlich zeigt. Sie haben ein offenes Ohr für die, denen sonst niemanden mehr zuhört. Sie setzen sich aber auch dafür ein, unsere Gesellschaft kreativ weiterzuentwickeln, mit Kunst und Kultur, Landschaftspflege oder Bildungsinitiativen, im Sport. Sie erhalten Traditionen und schaffen Neues. Damit leisten sie alle einen wesentlichen Beitrag für eine lebenswertere Welt.
Die Gesellschaft also braucht Ehrenamtliche. Aber fragen wir uns auch intensiv genug, was Ehrenamtliche vom Staat brauchen? Der Staat, das sind wir alle. Gerade wir hier in diesem Parlament stehen für diesen Staat, für alle. Auch wir haben alle als Ehrenamtliche angefangen, getrieben von dem Wunsch, die Welt ein bisschen besser, ein bisschen gerechter zu machen. Und genau deshalb bin ich überzeugt davon, dass ich für alle hier im Saal spreche, wenn ich den Ehrenamtlichen unseren tief empfundenen Dank, unseren ernst gemeinten Respekt ausspreche.
Was nun den Antrag der Koalition betrifft, so begrüßt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Intention, versucht er doch, dem Respekt, dem Dank gegenüber den Ehrenamtlichen Ausdruck zu verleihen. Die bisher vom Senat für diesen Zweck geschaffene Ehrenamtskarte hat weit
gehend versagt. Da gebe ich der Kollegin Radziwill von der SPD völlig recht.
Inhaltlich gesehen ist der Antrag jedoch entschieden zu schwach. Er bleibt noch weit hinter den Handlungsempfehlungen der Evaluation durch den Senat zurück und wird der Dimension der Herausforderung nicht im Mindesten gerecht. Er reicht nicht, die schon vor einem Jahr von der Staatssekretärin Dunger-Löper gemachten Vorschläge zu wiederholen, Brandenburg einzubinden und die Privatwirtschaft um Hilfe zu bitten. Wenn wir die Ehrenamtskarte wirklich stärken wollen, dann müssen wir auch schauen, wieso die kommerziellen Karten erfolgreicher sind. Und wenn Mobilität das Hauptproblem für viele Freiwillige darstellt, dann müssen wir da auch noch mal ran. Ehrenamt wird nicht bezahlt. Es darf aber auch nicht vom Einkommen abhängen.
Was wollen wir denn erreichen? – Wir wollen doch den ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern die Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, die ihr Engagement verdient. Und gleichzeitig wollen wir sie in ihrer Arbeit unterstützen und fördern.
Ich will ein aktuelles Beispiel nennen: Vor wenigen Wochen eskalierte der Konflikt um den Karneval der Kulturen. Die gut 100 Gruppen mit ihren 5 000 Künstlerinnen und Künstlern waren so enttäuscht vom Verhalten des Senats, dass sie ganz konkrete Forderungen für ihr weiteres ehrenamtliches Engagement gestellt haben. Dabei zeigte sich, an allererster Stelle stand der Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung auf Augenhöhe.
Wenn aber pro 300 Ehrenamtler nur eine Ehrenamtskarte zur Verfügung steht, die dann mangels Attraktivität von der Hälfte der Leute dankend abgelehnt wird, und wenn auch nur jede 10 000. Fahrt mit der BVG erstattet wird, dann reichen kosmetische Korrekturen nicht mehr aus.
Soll also angesichts der Tatsache, dass immer mehr staatliche Aufgaben über bürgerschaftliches Engagement erfüllt werden, nicht der Eindruck bleiben, Berlin wälze einen großen Teil der Daseinsvorsorge auf unbezahlte Kräfte ab, dann muss der Senat hier nachbessern. Das muss uns das Ehrenamt wert sein, zumal hier ohne große Kosten wirkungsvolle Maßnahmen möglich sind.
Im Ausschuss wurde es schon oft thematisiert, es braucht endlich eine grundsätzliche Reform der Anerkennungskultur in Berlin. Wenn Sie Ihr Engagement ernst meinen, dann nehmen Sie die Engagierten ernst. Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal grundsätzlich neu durchstarten und zusammen mit den Ehrenamtlichen nach attraktiven Lösungen suchen, die unserer Dankbarkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit gerecht werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Vizepräsident Andreas Gram)