Oliver Schruoffeneger

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Isenberg! Die Karnevalswoche war letzte Woche – Sie sind ein bisschen aus der Zeit gefallen. Aber Sie haben einen bemerkenswerten Satz gesagt. Nach vier Jahren rotschwarzer Koalition formuliert der gesundheitspolitische
(Thomas Isenberg)
Sprecher der SPD: Es gab mal Zeiten, da war es besser in Berlin. – Okay, einverstanden!
Der Kollege Albers hat vieles gesagt, was richtig ist. Das muss ich hier nicht wiederholen. Ich kann mich deswegen ein paar anderen Themen zuwenden: Das, was wir heute diskutieren, ist ein Plan der verpassten Chancen. Eine neue Qualität sollte der Krankenhausplan bekommen. - Ja, diese Ankündigung war vielversprechend, und sie hätte einen wirklich positiven Schub für die gesundheitspolitische Debatte in der Stadt bringen können. Es gab sogar Hoffnung, dass dies gelingen könnte, denn der neue Senator hatte ein Politikfeld, bei dem ihm der Ruf vorauseilte, er würde etwas davon verstehen, und das war die Krankenhauspolitik. – Mittlerweile ist sie ihm so peinlich, dass er sich jetzt während dieser Debatte eher um andere Fragen kümmern muss. Herr Czaja, sind Sie geistig anwesend? – Gut, wenigstens das!
Wenn man nun diesen Schwerpunkt sieht, dann konnte man die Hoffnung haben, dass der neue Krankenhausplan –
vielleicht im Kontext einer modernen Gesundheitspolitik definiert würde, in dem das Krankenhaus einen Baustein der Versorgungskette darstellt, dessen Rolle in der medizinischen und therapeutischen Landschaft Berlins im Zusammenspiel mit niedergelassenen Ärzten, Selbsthilfegruppen, Projekten, Trägern und Patienten definiert wird. Doch statt eines solchen integrativen Konzepts liegt wieder nur ein vom stationären Sektor gedachtes Zahlenwerk vor, an das seltsam rangeklatscht viele Sätze zu angeblichen Qualitäten und sehr wenige Sätze zu sonstigen Akteuren und Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens stehen. Doch Lyrik ist die eine Sache – Umsetzungsstrategien gibt es in diesem Plan gar nicht.
Selbst wenn man das alles ernst nehmen würde, was dort steht, gibt es keine Rechtsgrundlage, es auch durchzusetzen. Die eigentlich notwendige Umsetzung der entsprechenden Qualitätsanforderungen durch eine Aufnahme in das Landeskrankenhausgesetz ist nicht einmal angedacht. Damit wird klar: Das ist alles nur Lyrik, das ist alles nur Schein und wird keine Realität.
Das ist für den Senator vielleicht auch besser. Denn wenn er versuchen würde, seine angeblichen Qualitätsstandards in einen Gesetzestext zu fassen, würde es peinlich werden.
Ich will dies anhand des Beispiels verdeutlichen, das der Kollege Isenberg als besonders positiv hervorgehoben hat: die Notaufnahmen, die Notfallversorgung. Da gibt es fast eine ganze Seite Text zu den Qualitätsstandards. Hoffnungsvoll wendet man sich dieser Seite zu und liest:
Infrastrukturelle Voraussetzungen für eine mit Rettungsdienstfahrzeugen einfach und schnell zugängliche Notaufnahme, insbesondere Beschilderung, ausreichendes Platzangebot, Zufahrt/Entladestelle mit Wetterschutz.
Okay, wir sind noch im technischen Vorgeplänkel. Vielleicht kommt noch etwas. Es geht dann weiter – ich zitiere nicht alles:
Notfallzentren halten Hubschraubersonderlandeplätze für die Luftrettung vor.
Okay! –
Adäquate technische Voraussetzungen für eine ständige und redundante Kommunikationsverbindung zur Leitstelle der Berliner Feuerwehr und ggf. weiteren Einrichtungen, insbesondere Einsatzleitungen und Krisenstäben (z.B. Rotes Telefon, Alarmfax und IT-Verbindungen).
Die Qualitätsstandards schreiben jetzt fest, dass eine Notaufnahme über ein Telefon und einen IT-Anschluss verfügen muss. Ich bin beeindruckt, Herr Czaja!
Man hat noch Hoffnung! Es kommt dann nämlich die Überschrift „Weitere Entwicklung, Qualitätsindikatoren und Transparenzinformationen“. Da denkt man, jetzt kommt die Qualität. Ich zitiere den Absatz vollständig:
Die Qualitätssicherung in der Notfallversorgung, an der sich alle Notfallkrankenhäuser und -zentren beteiligen sollen, wird die Berliner Ärztekammer federführend begleiten.
Okay! –
Sie hat über ihren Vorstand, den Arbeitskreis „Interdisziplinäre Notaufnahmen und Notfallmedizin“ beauftragt, mögliche Qualitätsindikatoren für eine klinikübergreifende Qualitätssicherung in der Notfallversorgung zu ermitteln. Längerfristig wäre eine Begleitung durch die Ärztekammer Berlin... vorstellbar.
Drei Jahre Arbeit: „wäre“, „könnte“, „wäre denkbar“, „möglich“. Wie hat Herr Isenberg eben formuliert? – Wenn man Qualitätsziele formuliert, dann hat das so konkret zu erfolgen, dass sie auch klagefähig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie können jetzt klagen, wenn ihr Notfallkrankenhaus kein Telefon hat oder die Beschilderung nicht stimmt, aber in Bezug auf die Quali
tätsstandards ist das nicht sehr konkret, was dort steht. Was für eine Nullnummer!
Was wäre eigentlich nötig gewesen? – Wir haben zwischen den Jahren 2008 und 2012 eine Zunahme der Fälle in den Notaufnahmen um 19 Prozent. Steigt etwa in Berlin die Zahl der Herzinfarkte, der Unfälle, der Überfälle in dieser Dimension? – Nein, natürlich nicht. Was wir feststellen, ist, dass die Funktionsfähigkeit des ambulanten Notfallsystems schlichtweg nicht besser wird, und die Aufsichtsbehörde, die Senatsverwaltung, über die KV nicht in der Lage ist, eine bessere ambulante Notfallversorgung durchzusetzen. Das spiegelt sich dann in den Zahlen der Notaufnahmen der Krankenhäuser wider. Wenn man das einfach nur fortschreibt, wenn man das als Status quo nimmt, wenn man das in der qualitativen Beschreibung auf 100 Seiten nicht einmal als Problem beschreibt, dann hat man die gesundheitspolitischen Ziele schlichtweg verfehlt.
Man könnte das jetzt durchdeklinieren. Man kann sich auch auf die Zahlen stützen. Die medizinische Versorgung ist nicht deshalb gut, weil eine Operation fachgerecht durchgeführt wird. Krankenhausbehandlungen können fachlich hervorragend sein und trotzdem die Lebensqualität der Betroffenen verringern, wenn sie nämlich eigentlich nicht angebracht gewesen sind. Wenn Sie sich die letzten Studien von Bertelsmann oder der OECD angucken, stellen Sie fest, dass wir in Deutschland und auch in Berlin vieles zu diskutieren haben: Warum gibt es bei uns bei manchen Operationen dreimal so viele Operationen pro Einwohner als in den europäischen Nachbarstaaten? Warum gibt es in Deutschland – um national zu bleiben – bei den Operationen von Mandeln bei Kindern einen Faktor acht zwischen verschiedenen Landkreisen? – Das zeigt doch, dass es keine objektiven medizinischen Kriterien über die Notwendigkeit von Operationen und damit Krankenhausplätzen gibt, sondern dass die Fragen, welche Rolle Chefärzte in einer Gemeinde spielen oder wie die Mentalitäten sind, entscheidenden Einfluss auf die notwendigen Bettenzahlen haben. All dies wird hier nicht einmal angesprochen, nicht definiert.
Wenn man ein zweites Beispiel nimmt, die psychiatrische Versorgung, stellt man fest: Da gehen Sie mit den Messzahlen hoch. Sie sagen aber gar nicht, warum das notwendig ist. Wir stellen fest: Hier wird sehr richtig formuliert, dass es in der bezirklichen Pflichtversorgung einer deutlichen Erhöhung der Planbetten respektive der tagesklinischen Plätze bedarf. – Dies aber auch deshalb, weil unsere ambulante Versorgung seit zehn bis 15 Jahren auf einem Status quo festgeschrieben ist, bei dem nicht ent
sprechend des Zuwachses an Einwohnern auch der Psychiatrieentwicklungsplan besser ausgestattet wird. Leute fallen mittlerweile ambulant wieder durch die Roste, weil keine Einrichtungen vorhanden oder diese aber überlaufen sind. Ihre Konsequenz: die Bettenzahl in der stationären Psychiatrie zu erhöhen, aber nicht gleichzeitig den ambulanten Bereich zu verstärken.
Ich will jetzt gar keine weiteren Beispiele nennen, weil meine Redezeit abläuft. Für das, was Sie hier abgeliefert haben, Herr Senator, braucht es keinen Gesundheitssenator. Zwei eifrige A9-Beamte, die den Dreisatz beherrschen und die Bevölkerungsentwicklung mit den aktuellen Fallzahlen in eine Relation bringen können, wären ausreichend. Innovative, gestaltende Politik sieht anders aus. Davon aber findet sich nichts in diesem Papier. Vier verlorene Jahre in der Gesundheitspolitik, vier Jahre braves Verwalten des Status quo. Aber, immerhin, Herr Czaja – man soll ja versöhnlich sein –: Sie haben keine Katastrophen mit diesem Papier ausgelöst. Angesichts Ihrer Bilanz in den sonstigen Politikfeldern Ihres Ressorts, der Sozial- und Flüchtlingspolitik, muss man dafür schon dankbar sein.
Aber fünf weitere Jahre mit einer solchen Politik kann sich die Stadt nicht mehr leisten.
Wissen Sie, Herr Kollege Isenberg, es ist immer ein Problem, wenn man eine Kurzintervention macht und sich drei Minuten an den wenigen polemischen Sätzen der vorherigen Rede abarbeitet,
ohne zum eigentlichen Kern und Inhalt zu kommen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie etwas zu den von mir zitierten Qualitätskriterien zum Beispiel in der Notfallver
sorgung gesagt und das Ihrem Anspruch gegenübergestellt hätten. Dann hätten Sie nämlich eine andere Rede halten müssen. Stattdessen haben Sie hier die Polemik zurückgewiesen – sei es drum, das ist geschenkt. Man muss auch ein bisschen Spaß hier haben. Inhalt haben Sie wiederum nicht gebracht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden aufgefordert, basierend auf der Beschlusslage des Abgeordnetenhauses und dieses Antrages, bis Ende 2015 die „Handlungsfelder sozialdemokratischer Personalpolitik für die Bezirke“ durch konkrete Entscheidungen umzusetzen.
Kennen Sie das? – Betretenes Schweigen bei der SPD, niemand schreit Ja. Es ist gerade einmal vier Wochen her. Das ist der letzte Beschluss der Arbeitsgruppe zum Thema Personal für den öffentlichen Dienst. Damit ist das Problem auch schon beschrieben: Beschlüsse gibt es bei Ihnen viele. Im Februar 2015 müssen Sie den Senat aber immer noch auffordern, diese endlich einmal umzusetzen.
Das ist dann das Stichwort – Umsetzung. Herr Saleh hat in einem Interview in der „Morgenpost“ am 3. Januar 2015, also vor zweieinhalb Monaten, wie folgt geantwortet:
Ein großes Thema wird die Personalentwicklung sein. Wir haben das angestoßen bei unserer Klausur in Kolberg, haben Anträge formuliert und im Parlament beschlossen. Das muss jetzt konsequent umgesetzt werden.
3. Januar ’15! – Frage des Journalisten:
Aber Kolberg ist zwei Jahre her. Hat der Senat das dort geforderte Personalentwicklungskonzept geliefert?
Antwort Saleh:
Der Senat hat sich damit sehr intensiv beschäftigt, und ich gehe davon aus, dass er das Thema mit hoher Priorität im Blick hat. … Als ich das Thema damals angesprochen habe,
vor über zwei Jahren –
war es schon fünf nach zwölf.
Der Journalist:
Und jetzt ist es 20 nach 12?
(Andreas Baum)
Saleh:
Wenn wir keinen Nachwuchs in die Behörden bekommen, können wir in wenigen Jahren Teile der Verwaltung nicht mehr sicherstellen.
Der Journalist:
Und ist diese Gefahr jetzt gebannt?
Saleh:
Ich gehe davon aus, dass es richtig war, diese Initiative zu starten. Ich erwarte eine noch konsequentere Umsetzung in der Personalentwicklung.
Seit zweieinhalb Jahren diskutiert also die größte Regierungspartei, was man machen müsste – und die Analysen sind ja richtig. Seit zweieinhalb Jahren schafft es die größte Regierungspartei nicht, den Senat zum Handeln zu bringen und muss jetzt wieder das Handeln einfordern. Ist das Unfähigkeit, oder ist das Absicht? – Wenn es Absicht wäre, wäre es fast noch schlimmer, dann ginge es darum, Schlagzeilen zu produzieren, das Thema zu besetzen, den Eindruck zu entwickeln: Wir machen ja was, wir ändern was –, in Wirklichkeit aber nichts zu bewegen. Das wäre eine Katastrophe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung würden ganz offenkundig zum Spielball der parteipolitischen Auseinandersetzung oder Profilierung gemacht, ohne dass sich ihre Situation wirklich bessert. Ich fürchte fast, es ist diese Absicht und nicht Unfähigkeit.
Wenn man im Interview des Herrn Saleh vom 3. Januar 2015 weiterliest, wird es ja etwas konkreter. Der Journalist fragt:
Die Bezirke fordern 1 200 Stellen, um den Kollaps zu vermeiden.
Saleh:
Ich warne davor, mit Verweis auf die wachsende Stadt pauschal Stellen einzufordern … Wir haben den Bezirken je fünf Stellen gegeben für schnellere Baugenehmigungen.
Sorry, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Das ist nicht das Problem im Land Berlin. Das kann man tun, und es ist auch gut, dass man es tut. Das Problem ist aber, dass wir bei einem Bevölkerungszuwachs von 40 000 Leuten pro Jahr eben nicht nur schnellere Baugenehmigungen, sondern auch schnellere Kitakostenbescheinigungen, schnellere Elterngeldbearbeitungen brauchen und, und, und. Bürgerämter, Ordnungsämter – all das leidet natürlich auch zunehmend unter der wachsenden Bevölkerungszahl.
Ich komme zurück auf das Jahr 2012 – wie gesagt, die ersten Beschlüsse der größten Regierungspartei –, auch damals ein Interview und ein Artikel in der „Morgenpost“. Da heißt es:
Die Phase des Abbaus ist aber nun zu Ende. Eine echte Personalentwicklung sei aber durch die dau
ernde Abbaudiskussion erschwert worden, heißt es in der SPD. Jetzt sei es höchste Zeit umzusteuern.
Artikel vom 19. November 2012. – Zweieinhalb Jahre später fordert die SPD in ihrem grandiosen Personalkonzept den Senat auf, jetzt doch endlich bis Ende dieses Jahres zu handeln. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zeit des Redens müsste auch für Ihre Partei zu Ende sein. Handeln ist angesagt, aber das war noch nie die Stärke dieses Senats.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Lange hat jetzt noch mal die Frage gestellt, warum es einen Untersuchungsausschuss geben soll, wo das alles doch schon seitenlang und stundenlang behandelt worden ist. Nein, Frau Lange, das ist es eben nicht. Die Verwaltung hat dem Parlament zwar Hunderte von Seiten Powerpoint-Präsentation zugeliefert, sie hat stundenlange Ausschussbegehungen mit den Ausschüssen vorgenommen, aber zur Klärung der politischen Fragen hat die Ver
waltung leider bisher überhaupt nichts beigetragen. Eine Ausschussbegehung, die sich im Wesentlichen mit den Fragen der Feuchtigkeit des Baugrundes befasst, gehört in ein geologisches Seminar. Auch eine Architektenfortbildung zu Fragen der Dachaufhängung hätte man hier gut machen können. Was das allerdings in einem Parlamentsausschuss zu suchen hat und was es dazu beiträgt, Verfahrensfehler in der Verwaltung und in den politischen Abläufen zu klären, ist mir bis heute schleierhaft geblieben.
Die Verwaltung hat sich schlichtweg geweigert, sich den politischen Fragen und Verantwortlichkeiten zu stellen, und uns stattdessen mit interessanten Fragestellungen befasst, die aber nichts zur Wahrheitsfindung beitragen.
Ehrlich gesagt: Selbst das, was man uns aufgeschrieben hat, hat mich manchmal verwundert. Da steht z. B. in einer Vorlage etwas von den „unerwarteten Feuchtigkeitsschäden“ im Keller der Staatsoper. Ich selbst durfte im Jahr 2006 an einer Begehung teilnehmen, noch vor der Entscheidung zur Sanierung der Staatsoper. Da wurden an alle Ausschussmitglieder Gummistiefel verteilt, und wir durften dann gemeinsam durch das knöcheltiefe Wasser im Keller waten und haben dort lange Vorträge erhalten. Wie man dann zu dem Ergebnis kommen kann, dass es unerwartete Feuchtigkeitsschäden gibt, bleibt mir ein Rätsel.
Frau Lange! Politik ist etwas anderes. Politik ist nicht Geologie und nicht Architektur, sondern betrifft andere Fragen.
Erst als der Untersuchungsausschuss mehr oder weniger durch die Opposition angekündigt war, kam Bewegung in die Sache, und es gab einen sichtbaren Strategiewechsel in der Verwaltung. Herr Geisel hat keine zwei Stunden nach seiner Wahl zum neuen Senator hier im Parlament erklärt – ich zitiere das mit Genehmigung –:
Dabei hat sich herausgestellt, dass es in Zukunft dringend erforderlich ist, wichtige Planungsschritte vor dem Bau abzuschließen.
Wow! –
Diese Schlussfolgerung ist unbedingt zu ziehen. Wir hatten bei der Staatsoper die Situation, dass der Architekt in einem Wettbewerb 2009 gefunden wurde. 2010 ist schon mit den Bauarbeiten begonnen worden. Hintergrund des Ganzen ist der Wunsch nach einer Beschleunigung. Rückblickend muss man sagen, dass die Untersuchung des
Baugrundes und des Bauzustandes der Staatsoper offenbar noch nicht abgeschlossen war.
Das ist die Erkenntnis. Man hat also gebaut, bevor man überhaupt geplant und untersucht hat. Dazu sage ich nur: Da ist unsere Gesetzeslage eine andere. Und die Frage müssen wir klären: Wer hat hier wissentlich, unwissentlich, aus Schlamperei oder aus welchen Gründen auch immer entgegen allen Verfahrensrichtlinien und Gesetzen im Land Berlin gehandelt?
Herr Müller hat ebenfalls dann am 15. Januar in seiner Regierungserklärung zur Staatsoper Position bezogen und gesagt:
Wir sind alle nicht zufrieden mit dem Verlauf, aber wir versuchen seit 2011 die Fehler zu korrigieren, die in den Jahren zuvor gemacht wurden.
Seit 2011! – Wie hat das denn im Jahr 2011 ausgesehen? – Dazu empfehle ich das Interview mit dem Intendanten der Staatsoper vom 31. Oktober 2012 – also nach einjährigen Bemühungen zur Klärung. Da sagt Herr Flimm:
Kalkuliert waren auch Garderobenspiegel mit verschiedenen Lichtfarben. Wir sagten: Wir brauchen nur ganz normale Spiegel mit ganz normalem Licht.
Frage:
Und die bekommen Sie jetzt?
Antwort:
Na ja, jetzt bekommen wir erst mal gar keine. Die Spiegel sind nämlich gar nicht kalkuliert. Also durch die Bauverzögerung von zwei Jahren fehlen dem Spielbetrieb der Staatsoper schon mal acht Millionen Euro … Und dann ist aber in dem neuen Haus noch kein Spind, kein Stuhl und kein Garderoben-Spiegel bezahlt.
Frage:
Heißt das, der teure Umbau und der Umzug sind ohne Einrichtung kalkuliert?
Antwort von Herrn Flimm:
2008 war sie noch drin, genau 4,7 Millionen Euro. Dann ist der Posten verloren gegangen.
Ich nenne das nicht Lösung von Problemen, sondern ich nenne das Täuschung, Trickserei und Hintergehung des Parlaments.
Hier ist bewusst versucht worden, Kosten herauszurechnen, obwohl man weiß, dass sie anfallen werden. Das waren also Ihre Methoden der Kostenklärung. Aber das war eigentlich nur eine Verschleierung vor der Wahl.
Der neue Bausenator sagt dann: Es war politischer Druck, der uns dazu brachte, hier so zügig anzufangen, obwohl
wir noch nicht geplant hatten. – Die Rechtslage ist eindeutig. Sie ist missachtet worden.
Wer hat denn diesen politischen Druck ausgelöst? – Doch der Senat selbst, vielleicht der Regierende Bürgermeister als damaliger Kultursenator! – Aber, Herr Geisel, dieses Argument ist nun die billigste Nummer der Verantwortungsabwehr. Politischen Druck kann man vielleicht auf den obersten Sachbearbeiter einer Verwaltung ausüben. Aber Herr Müller als Senator lässt sich so unter Druck setzen, dass er weder die Landeshaushaltsordnung noch die AO Bau oder sonst irgendwas beachtet? – Nein! Er hat das so gewollt, und er muss das auch verantworten.
Zu klären ist also: Wurde nicht nur gegen Sinn und Zweck unserer rechtlichen Regelung verstoßen, sondern auch gegen den Wortlaut? – Das wäre dann natürlich noch verschärfend. – Und wer hat dafür jeweils die Verantwortung zu tragen?
Frau Lange! Es geht aber auch um strukturelle Fragen. Nahezu alle Bauvorhaben des Kulturbereichs in den letzten Jahren haben deutliche Kostensteigerungen aufzuweisen. Beim Schillertheater-Umbau wurden der Brandschutz und das Foyer vergessen. Beim Deutschen Theater kam es zu erheblichen Kostensteigerungen. Über die Akademie der Künste schweigen wir lieber. Und es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist die planende Verwaltung absolut unfähig. – Und ich sage Ihnen eindeutig: Das glaube ich nicht. – Oder das ist eine strategisch geplante Umgehung der Regeln und die Hintergehung des Parlaments, wenn es darum geht, seriöse Kostenschätzungen vorzulegen. Natürlich werden auch bei der Staatsoper irgendwann die Spiegel und Tische wieder mitfinanziert werden müssen. Es werden bewusst unverzichtbare Dinge erst mal außen vor gelassen, deren Nachforderung dann niemand ablehnen kann.
Der zweite Punkt ist die Dauer der Vorläufe. Das ist wirklich ein strukturelles Problem. Wenn es von der Planung bis zur Realisierung zehn Jahre dauert, dann haben sich in der Zwischenzeit technische Erneuerungen ergeben, hat sich das Nutzerverhalten verändert, und dann kann es sinnvolle Nachbesserungen geben. Aber es gibt auch Nachbesserungen wegen Schlamperei, Fehlplanungen oder mit Absicht. Es gibt in Berlin allerdings kein transparentes Verfahren, dies zu unterscheiden und zu sagen, was sinnvoll gewesen ist und was Schlamperei gewesen ist. Wer das nicht klärt und wer sich nicht die intellektuelle Mühe macht, hier neue Verfahren zu finden und Transparenz zu schaffen, der verweigert seinen Job und die Wahrnehmung seiner Verantwortung.
Bei der Staatsoper sind erhebliche Schäden entstanden – finanzielle und kulturelle Schäden und Imageschäden –,
und wir müssen jetzt klären, wer die Verantwortung dafür hat und welche Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden können.
Wenn wir jetzt in den Ausschüssen über den Bericht beraten, gibt es zwei Varianten: Sie machen das Spiel weiter wie in den letzten Jahren und versuchen, weitere Fragestellungen zur Geologie, zum Baugrund oder zu Ähnlichem in den Bericht zu bekommen. Wenn Sie das tun, beweisen Sie nur, dass Sie kein wirkliches politisches Aufklärungsinteresse haben, sondern weiter die Nebelwerferei wollen. Und dann provozieren Sie die nächsten Katastrophen, heißen sie nun Parkaue, Komische Oper oder ZLB. Deswegen habe ich die dringende Bitte, schnell mit dem Text so, wie er ist, durch die Ausschüsse und dann eine schnelle Bearbeitung der politisch relevanten Fragen im Ausschuss sowie einen Verzicht
reden dürfen Sie immer, Herr Schneider! Das lassen Sie sich auch nicht nehmen. – auf eine stunden- und wochenlange Auseinandersetzung mit Bautechnik- und Geologiefragen.
Jetzt funktioniert es! Jetzt ist es an, liebe Kollegen! – Herr Senator! Wie bewerten Sie politisch die Tatsache, dass der Senat trotz des einhelligen Votums des Tempodrom-Untersuchungsausschusses im Jahr 2006, der festgestellt hat, dass eine Konsequenz aus diesem Desaster sein müsste, keinen Baubeginn mehr vorzunehmen, bevor
die Planung fertig ist und gleichzeitig mit einer Kostensteigerung beim Schillertheater mit gleichem Grund, erneut in der Verantwortung von Herrn Müller ein Vorhaben angeschoben hat, das nicht fertig geplant war?
Frau Bluhm! Teilen Sie meine Auffassung, dass der Senat sein flammendes Interesse für dieses Thema durch die Abwesenheit sowohl des Regierenden Bürgermeisters – der ist entschuldigt – als auch des zuständigen Finanzsenators und des zuständigen Innensenators gerade bestens dokumentiert?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Flesch! Wer hier die Vorlagen nicht richtig verstanden hat, ist ja noch die Frage. Es handelt sich mitnichten, wie Sie sagen, um einen Prozess in mehreren Schritten, denn dann stünde hier nämlich: Der Senat bittet das Abgeordnetenhaus, folgenden Zwischenbericht zur Kenntnis zu nehmen. – Das steht da aber nicht. Es ist der Abschlussbericht. Und darunter steht: Es wird gebeten, die Beschlüsse damit als erledigt anzusehen. – War wohl nix! Da ist gar nichts erledigt.
Wir diskutieren hier die Anträge der Linken vor dem Hintergrund eines absoluten Politikversagens des Senats in der Personalpolitik. Am 28. August ist dieser Senatsbeschluss gefasst worden. Überschrift: Aufgabenkritisches Personalkonzept. Das Ganze ist ein Wahlkampfthema innerhalb der SPD. Nach außen wird der
(Carola Bluhm)
Eindruck erweckt, man würde sich intensiv und ernsthaft damit befassen. Aber nach innen passiert gar nichts. Herr Zimmermann sagte am Montag im Innenausschuss, die Zielzahl von 100 000 sei doch längt vom Tisch. Und der Senat beschließt gleichzeitig – ich zitiere aus Seite 5 des Papiers –:
Die laufende Personalplanung des Senats zielt insgesamt auf einen aufgabengerechten Personalabbau ab.
Die SPD diskutiert über Personalaufbau, und der Senat beschließt den Abbau. Die beiden Diskussionsprozesse haben ja nichts miteinander zu tun. Wenn man sich dann mal Seite 6 anguckt, stellt man fest: Bis auf zwei Verwaltungen – Sie haben es gesagt, Frau Flesch – hat niemand seine Aufgabenkritik gemacht. Es heißt dann:
Bei den übrigen Verwaltungen wird aufgrund der jetzigen Nachbesetzungsplanung der prognostizierten Personalabgänge die Einsparvorgabe nicht vollständig erreicht. Als Gründe werden u. a. genannt, dass … der Personalabbau durch die nicht planbare sonstige Fluktuation erbracht wird.
Was für ein Blödsinn! Das hat mit Aufgabenkritik nichts zu tun. Die sonstige Fluktuation soll es bringen. Und weiter hinten – Sie haben es zitiert – wird die Nachbesetzungsquote von 100 Prozent eingefordert. Alles Schrott!
Wenn Sie sich das dann im Detail angucken, teilt uns der Regierende Bürgermeister mit seiner Leitlinienkompetenz mit, dass er nicht dazu in der Lage ist, seine 5,5 Vollzeitäquivalente einzusparen, da – wie sagt er so schön – erst in den nächsten Jahren die Abgänge anstünden. – Logisch! Es ist aber der Sinn von Aufgabenkritik, dass man mal in die nächsten Jahre guckt und nicht nur auf den heutigen Personalkörper. – So weit der Regierende Bürgermeister!
Die Innenverwaltung sagt uns immerhin, dass sie die 132 Stellen durch Fluktuation erbringen wird. Das ist ja auch eine klasse Vorbildleistung dieser Verwaltung. Ich sage Ihnen eines: Wenn ein Bezirk so etwas macht, gibt es die Haushaltssperre bis zur vollständigen Auflösung der PMA, und zwar stellenscharf. Das ist die doppelte Zunge, mit der Sie sprechen.
Noch besser wird es, wenn man sich dann den angemeldeten Mehrbedarf anguckt. Die Gesundheitsverwaltung, die immerhin keine einzige konkrete Stelle zum aufgabenkritischen Personalabbau meldet, listet auf acht Seiten insgesamt über 200 zusätzliche Stellenbedarfe auf, und zwar ganz konkret, bis hin zu halben Stellen. Ich lese Ihnen nicht vor, was das alles ist und wie sich das begründet, aber wenn dann z. B. ein Stellenmehrbedarf für
das Jahr 2016 mit der Regierungserklärung und Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2010 begründet wird, dann fühlt man sich doch nur noch hintergangen. Haben Sie die bisher nicht umgesetzt? Haben Sie sie nicht verarbeitet oder was? Was wollen Sie uns damit sagen? Eine Verwaltung mit 1 060 Stellen meldet einen Mehrbedarf von 205 Vollzeitäquivalenten an. Das ist ein Aufwuchs von über 20 Prozent – und das unter der Überschrift „Aufgabenkritischer Personalabbau“.
Fast noch besser ist die Innenverwaltung. Unter der Überschrift „Wachsende Stadt“ werden zwei zusätzliche Stellen für die Auswertung des Linksextremismus beantragt. Kann mir jemand den Zusammenhang mit der wachsenden Stadt erklären?
Ja, mehr Linke! Alle, die zuwandern, sind Linksradikale. Oder entwickelt die alternde Bevölkerung Altersradikalität? Kann alles sein, aber das ist alles schlichtweg Blödsinn.
Der Regierende Bürgermeister hat die Vorlage auch unterschrieben. Er beantragte am 28. August zehn zusätzliche Stellen für die zentrale Sportanlage Tempelhofer Feld. Am 28. August! Phantomschmerz oder was? Da ist nichts mehr, wofür man etwas beantragen kann.
Wenn man sich dann anguckt, dass das Landesamt für Bürgerämter 79 zusätzliche Stellen – davon 24 für die Führerscheinstellen aufgrund der Zuwanderung – beantragt und gleichzeitig die Bezirke zwingt, jetzt – im September bis November – über 600 Stellen stellenscharf als Rate für das Jahr 2015 abzubauen, und nicht mal auf die Idee kommt zu sagen, was für die Führerscheine gilt, muss auch bei den Bürgerämtern und die Personalausweise gelten, dann hat man sich augenscheinlich von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema endgültig verabschiedet.
Da hilft es dann auch nicht, wenn der Finanzsenator in einem großen Interview in der „Morgenpost“ sagt, die Bezirksbürgermeister machen ihre Arbeit nicht. Die einzigen, die ihre Arbeit nicht machen, sind die Senatoren und ihre Verwaltungen.
Frau Flesch! Sie haben sich gestern gefreut, dass die Kritik der Opposition sehr ähnlich ist wie Ihre. Ja, das ist schön, aber es gibt unterschiedliche Rollen. Die Rolle der Opposition ist es, zu kritisieren und konstruktive Vorschläge zu machen. So weit, so gut! Ihre Rolle müsste es sein zu verändern, und das schaffen Sie seit Jahren nicht. Ich teile Ihre Erkenntnis, dass Sie die Oppositionsrolle
vielleicht besser ausfüllen würden als die Regierungsrolle, sage aber: Dann sollten Sie daraus auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und den Bürgerinnen und Bürgern die Chance geben, diese – wie sagte Frau Bentele vorhin – Politik des Vakuums endlich zu beenden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Goiny! Als ich die Überschrift und den Anfang Ihres Antrags gelesen habe, dachte ich mir: Na, endlich! – Ich war schon fast erfreut, dass endlich mal jemand auf eines der zentralen Themen der Personalpolitik im Lande zu sprechen kommt, nämlich die Motivationsfrage, den Umgang mit Mitarbeitern, das Gesundheitsmanagement. Und Ihre Rede war ja auch ein bisschen in dem Sinn. Aber als ich dann weiter in Ihrem Antrag gelesen habe, ist meine Freude drastisch gesunken, denn Sie haben zwar einen allgemeinen Satz drin, wonach die präventiven Maßnahmen gestärkt werden sollen, aber dann kommt der Amtsarzt. Das einzig Konkrete in Ihrem Antrag ist der Teil zu der Frage: Wie können wir Dauerkranke frühzeitiger pensionieren? Wie können wir schneller amtsärztliche Untersuchungen durchführen? – Das ist der konkrete Kern des Antrags, aber das ist leider nicht der konkrete Kern des Problems des betrieblichen Gesundheitsmanagements in Berlin.
Das betriebliche Gesundheitsmanagement muss sicherlich ausgebaut werden, aber was ist das Problem? – Das Problem erkennen Sie unter anderem daran, dass Sie als Haushälter diesen Antrag geschrieben haben und nicht die eigentlich zuständigen Innenpolitiker.
Das Gesundheitsmanagement ist bei der Innenverwaltung angesiedelt. Aber Sie haben schon recht: Wenn jemand dazu Vorlagen macht und sich damit befasst, dann ist das im Zweifel Herr Nußbaum. Der kann zwar viel reden, aber er kann nicht handeln, und derjenige, der handeln müsste, der kümmert sich nicht um das Thema. Das ist ein Problem.
Herr Statzkowski! Dass Sie das als Blödsinn betrachten, verstehe ich schon, denn Sie sind ja betroffen.
Das zweite Problem: Es gibt viele Studien, die die Bedeutung von Unternehmenskultur und Arbeitsqualität für die Fehlzeiten klarmachen. Aber es gibt auch viele Untersuchungen, die sagen, dass die Fehlzeiten an sich das kleinere Problem sind. Einen viel größeren Schaden richtet der sogenannte Präsentismus an. Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zwar da, sie sind aber abgelenkt, sie können sich nicht auf die Arbeit konzentrieren, sie gucken mal aus dem Fenster. Jeder von uns macht das. Das ist völlig normal. Aber wenn mir die Studien sagen, dass das einen zehnfachen Schaden im Vergleich zu den wirklichen Fehlzeiten anrichtet, dann müssen wir da heran.
(Christian Goiny)
Das ist kein Skandal. Das passiert. Aber ob das in 10 Prozent oder in 40 Prozent der Arbeitszeit passiert, das macht den Unterschied. Wenn wir wirklich Gesundheitsmanagement betreiben wollen, müssen wir die Frage der Mitarbeiterführung angehen. Dann müssen wir die Frage angehen, ob wir sensibel genug sind, Entlastungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorzunehmen, wenn Überlastungen erkannt werden, und wir müssen die Frage angehen, ob sich die Menschen in ihren Büroräumen und in ihrem Umfeld wohlfühlen. Zu all diesen Fragen muss man gegenwärtig sagen: Da gucken wir eigentlich gar nicht hin.
Wenn Sie sich die Stellungnahme ausgerechnet der Gesundheitsverwaltung zu Ihrem Konzept des Gesundheitsmanagements angucken, dann können Sie darin lesen: „Der Fokus liegt bei Einzelmaßnahen der gesundheitlichen Prävention und des Gesundheitsverhaltens.“ Dort, wo es möglich ist, werden Angebote wie Gymnastik, Nordic Walking oder Massagen angeboten. – Also die klassische Verhaltensprävention statt der Verhältnisprävention! Okay, ist ja nicht falsch, aber unser Problem sind die Verhältnisse der Arbeit im öffentlichen Dienst und nicht das Verhalten einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wenn Sie 40 Jahre offene Jugendarbeit machen sollen – immer abends Dienst, Verlust aller sozialen Beziehungen, weil Sie dann, wenn andere Menschen feiern, nie Zeit haben –, dann ist das eine enorme Belastung, die auch zu gesundheitlichen Beschwerden führen kann – nicht bei jedem, aber bei ganz vielen. Wir reagieren darauf nicht strukturell, z. B. mit dem Angebot geteilter Stellen – nur noch die Hälfte der Arbeitszeit in diesem Job und die andere Hälfte in einem anderen. Wenn Sie z. B. 40 Jahre lang Kinderschutz machen sollen, ist das eine enorme psychische Belastung. Wie reagieren wir strukturell darauf? Wie schaffen wir Entlastung für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? – Da reicht der Druck mit der Frühpensionierung nicht. Da muss man viel mehr machen.
Wie nehmen wir im öffentlichen Dienst die Entwicklung einzelner Dienststellen wahr? – Ich gebe Ihnen ein Beispiel und sage jetzt nicht, woher es kommt.
Gut, Sie wollen es wissen: Das Landesarchiv! – Ich habe dazu vor wenigen Wochen eine Antwort bekommen, und zwar auf eine schriftliche Anfrage hin: Krankenstand 2008: 6,6 Prozent –, dann 6,3 Prozent, dann 6,8 Prozent, dann 8,5 Prozent, dann 9,8 Prozent und schließlich 11,2 Prozent. Eine Verdoppelung des Krankenstandes innerhalb von fünf Jahren! – Gleichzeitig wissen wir, dass es dort Mobbingvorwürfe gegeben hat. Und wie geht
der Senat damit um, wie lautet seine Antwort: Das Thema wird nicht weiterverfolgt. – Das ist die falsche Antwort. Ich sage nicht: Hier ist eine Scheißpersonalführung – Entschuldigung für das Wort! Ich will sagen: eine schlechte Personalführung! – Aber hier ist ein Problem, auf welcher Seite auch immer. Das zeigen auch die Krankheitszahlen. Damit muss man umgehen, und das darf man nicht ignorieren.
Diese Sensibilität fehlt leider ganz oft in der öffentlichen Verwaltung in Berlin.
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin werden in den nächsten Jahren in Pension gehen. Das heißt, 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen ersetzt werden. Was würde in einem normalen Betrieb unter solchen Umständen passieren? – Die Deutsche Bahn startet eine riesige Imagekampagne. Es werden Abteilungen und Stäbe zur Personalgewinnung und zum Personalmarketing gegründet, das Problem wird als ernsthafte Bedrohung der Arbeitsfähigkeit des Unternehmens angesehen und damit zur Chefsache und Vorstandsangelegenheit erklärt. Unternehmensberatungen entwickeln Strategien, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.
Was passiert in Berlin? – Nichts. Im Januar dieses Jahres wagte ich zu hoffen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Saleh wurde in der „Morgenpost“ in einem Interview mit den Worten zitiert:
Die Senatskanzlei wurde mittlerweile zur Koordination eingeschaltet, um das Verfahren zu beschleunigen. Personal ist Aufgabe der Innenverwaltung. Die Finanzverwaltung ist ein wichtiger Zuarbeiter.
Das fand ich klasse. Endlich sagt mal jemand dem Senat, wer zuständig ist – ein wahres Machtwort. Ich hoffte also auf einen beginnenden Prozess, aber es passierte nichts, und ich war etwas verwirrt. In der letzten Plenarsitzung hat mich der Regierende Bürgermeister dann darüber aufgeklärt, warum nichts passierte. Er schilderte, wie es mit Vorsitzenden in der SPD so ist und sagte im Hinblick auf seinen Landesvorsitzenden:
Landesvorsitzende können erzählen und argumentieren, wie sie wollen. Das gilt für Herrn Stöß genauso wie für Herrn Lauer.
Ich fürchte, in Sachen Personal gilt das auch für Fraktionsvorsitzende.
Herr Henkel hat andere Prioritäten. Er muss die CDU wieder scharf als Law-and-Order-Partei profilieren, weil Herr Wansner alleine es ja wohl nicht schafft. Da bleibt dann keine Zeit, um sich um das eigentliche Zukunftsthema der Berliner Verwaltung, nämlich das Ausbluten des Personalkörpers, zu kümmern. Stattdessen wird alles getan, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes in Berlin weiter zu verschlechtern.
Seit dem 1. Januar 2013 zahlen Bundesbürger keine Praxisgebühr mehr, aber es gibt ja das berühmte kleine gallische Dorf, und das sind die Berliner Beamten und Beamtinnen, die weiter zahlen, denn der Innensenator schafft es seit 15 Monaten nicht, eine einfache Verordnung, die fast alle anderen Bundesländer mittlerweile längst erlassen haben, auf den Weg zu bringen. Copy and paste ist in der Berliner Verwaltung anscheinend nicht bekannt. Das wäre ein schnelles Spiel gewesen.
Die nachträgliche Zahlung der Familienzulage an verpartnerte Paare für die Jahre 2001 bis 2003 wird in Berlin nicht automatisch durchgeführt, sondern nur, wenn schon damals, 2001, Anträge gestellt wurden. Neun andere Bundesländer haben das anders geregelt. Es geht nicht ums Geld. Es ist hier eine kleine zweistellige Zahl von Betroffenen. Es geht um die Symbolik. Nicht, ihr seid uns was wert, ist die Message, sondern es ist die alte wowereitsche Message: Sparen, bis es quietscht.
Quietschen tut der öffentliche Dienst aber schon lange. Jeder weiß, wenn es lange genug quietscht und nicht
(Wolfram Prieß)
geölt wird, geht es irgendwann kaputt. Meine Damen und Herren der Koalition! Sie sind auf dem besten Wege, die öffentliche Verwaltung in Berlin kaputt zu machen.
Die Frage der Besoldung ist nur eine von vielen Fragen zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes, aber eine wichtige und symbolische. 200 freie Stellen allein im öffentlichen Gesundheitsdienst sprechen eine deutliche Sprache. 1 000 Euro Gehaltsunterschied zwischen einem Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst und einem Krankenhausarzt – kein Wunder, dass die Bewerber nicht Schlange stehen! Welcher Anwärter aus der gemeinsamen Schule in Königs Wusterhausen kommt schon nach Berlin, wenn er hier 880,72 Euro, in Brandenburg 997,48 Euro und in Sachsen-Anhalt 999 Euro bekommt? 15 Prozent für die gleiche Arbeit – so geht es nicht.
Und die SPD? – Sie wartet und wartet und wartet, bis die Haushaltsberatungen beendet sind. Und dann, vier Wochen später, im Januar, der Parteitagsbeschluss: Ab jetzt wird alles besser. 0,5 Prozent mehr! – Und dann wartet sie wieder und wartet und wartet auf das Jahr 2016. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Wahren Sie Ihre Glaubwürdigkeit! Das, was wir hier beantragen, ist Ihr Parteitagsbeschluss. Stimmen Sie zu, damit er schon im Jahr 2014 und nicht erst 2016 umgesetzt wird! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen! Geben Sie endlich die notwendigen Signale an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes! Und dieses Signal kann nur heißen: Sie sind uns etwas wert.