Alex Lubawinski
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich jetzt das Mikrofon habe, möchte ich zuerst die Gelegenheit nutzen, mich bei allen, die mir zum Geburtstag gratuliert haben, herzlich zu bedanken.
Das Thema Geburtstag beschäftigt uns bei diesem Tagesordnungspunkt auch, es ist allerdings der 25. unserer Städtepartnerschaft zu Moskau. Zu der Geschichte dieser Partnerschaft will ich nichts weiter sagen; sie war recht erfolgreich, und seit der Gründung am 28. August 1991 ist sehr viel passiert. Das wichtigste Ziel dieser Partnerschaft, Frau Schillhaneck hat es bereits gesagt, ist die Völkerverständigung – miteinander ins Gespräch
(Anja Schillhaneck)
kommen, Erfahrungen austauschen, Probleme austauschen, aufeinander zugehen.
Es gab sehr viele Aktionen und Aktivitäten in den vergangenen Jahren, diese Zusammenarbeit, die vorher sehr erfolgreich war, ist nach den Wahlen zur Moskauer Stadtduma im September 2014 aber leider etwas eingeschlafen. Vor den Wahlen waren die Moskauer Abgeordneten sehr an den Erfahrungen der Berliner Parlamentarier und an der Umsetzung der Berliner Gesetze interessiert, z. B. was die Privatisierung der Eigenbetriebe, das Taxigewerbe, den Tierschutz, aber auch den Umgang mit neuen Energien angeht. Das waren Themen, die sie sehr beschäftigt haben.
Seit der Konstituierung der neuen Stadtduma zeigt die Moskauer Seite wenig Interesse an einer Zusammenarbeit mit unserem Haus. Präsident Ralf Wieland ist nach wie vor bemüht, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen, und die Einladung nach Berlin an den Präsidenten Schaposchnikow wurde noch einmal bekräftigt. Seit dem Bürgermeisterwechsel 2010 stagniert die Zusammenarbeit; der gemeinsame Ausschuss tagt nicht, auf der politischen Ebene tut sich wenig. Das bedauern wir sehr, denn insbesondere in Zeiten, in denen politische Beziehungen angespannt sind, ist es wichtig, dass wir auf der kommunalen Ebene das Gespräch fortsetzen – Frau Schillhaneck hat das schon gesagt.
Ich vertrete das Land Berlin im KGRE, im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, und als stellvertretender Leiter der deutschen Delegation befasse ich mich mit Osteuropa und bin sehr oft in Gesprächen mit der russischen, ukrainischen, georgischen oder moldauischen Delegation. Das sind alles Länder, in denen aktuell Konflikte herrschen. Die Möglichkeit, miteinander zu reden, miteinander Ziele zu formulieren, unser europäisches Haus gemeinsam auf demokratischer Grundlage aufzubauen, ist für mich ein sehr hohes Gut. In einem guten Gespräch im vergangenen Jahr in Moskau mit dem Präsidenten der Moskauer Duma, Herrn Schaposchnikow, und Frau Dragunkina, Vertreterin Moskaus im Senat der Russischen Föderation, habe ich dieses Interesse gespürt – Interesse an der Wiederbelebung der Zusammenarbeit, Interesse an dem Austausch. Leider lässt sich dieses, trotz auch des Bemühens des Regierenden Bürgermeisters, der ebenfalls den Kontakt mit dem Büro in Moskau aufgenommen hat, nicht umsetzen. Auch wenn zahlreiche Institutionen die Zusammenarbeit fortgesetzt haben, fehlt uns die politische Begleitung. Ich hoffe sehr, dass die von Herrn Lehmann-Brauns erwähnten Unterstützer in der russischen Botschaft uns so viel Schützenhilfe leisten, dass die Moskauer Regierung aktiver auf Berlin zugeht. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Paul von Hindenburg ist sicherlich keine einfach zu bewertende Persönlichkeit. Seine Entscheidung, Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen, lastet heute schwer auf seinem Andenken. Auch seine grundsätzliche Rolle als Reichspräsident und als Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Doch die Bewertung seiner Person ist sicherlich viel vielschichtiger. Zweifelsohne war Hindenburg kein Demokrat – das schon aufgrund seiner nationalkonservativen Erziehung im alten Preußen und seiner militärmonarchistischen Sozialisation im Kaiserreich. Ihm vorzuwerfen, die Weimarer Republik mit Vorsatz beseitigt zu haben, ist allerdings grundfalsch.
Im Gegenteil: Die Geschichtswissenschaft erkennt heute sogar an, dass Hindenburg stets auf Grundlage der Weimarer Reichsverfassung gehandelt hat und der Weimarer Republik mit ihren zahllosen Neuwahlen und Regierungskabinetten als einzige Konstante erst die nötige Stabilität gegeben hat.
Als pflichtbewusster Preuße hat er sich stets an seinen Amtseid gehalten, obwohl er überzeugter Monarchist war. Dennoch war die Berufung Hitlers zum Reichskanzler ein verhängnisvoller Fehler, der seine Verdienste, die er sich zweifelsohne um das damalige Deutschland erworben hat, schmälert.
Ich darf Sie aber daran erinnern, dass Hindenburg noch 1932 durch die demokratischen Parteien, also auch durch SPD und Zentrum, zur Wiederwahl als Reichspräsident aufgestellt wurde, mit dem Ziel, Hitler zu verhindern.
Ich möchte zu Ende ausführen.
(Wolfgang Brauer)
Ich werde mich hier jedoch nicht zum großen Hindenburg-Verteidiger aufschwingen. Man kann auch zu anderen Schlüssen kommen,
wir haben den Kollegen Brauer gerade gehört.
Für mich offenbart dieser Antrag das grundsätzlichere Problem, wie wir in Deutschland mit unserer Geschichte umgehen. Ich sage ganz ausdrücklich: Ich halte nichts davon, dank der Gnade der späten Geburt mit einem dicken Radiergummi durch Deutschland zu gehen und alle Namen zu löschen, die heute nicht mehr in unser Weltbild passen. Das ist geschichtsvergessen.
Dazu komme ich gleich noch. – Geschichte kann man nicht ausradieren. Diese Verdrängung der eigenen Geschichte mit dem Argument, jetzt werde alles besser, wurde in einem Teil dieses Landes bereits schon einmal versucht.
Ich darf Sie des Weiteren daran erinnern, dass es ausgerechnet die KPD war, die mit ihrem teils blutigen Kampf gegen die Weimarer Republik und ihre demokratischen Parteien, insbesondere gegen die SPD, die Thälmann Sozialfaschisten nannte, entscheidend zum Untergang der Weimarer Demokratie beigetragen hat.
Aber zurück zum Thema: Paul von Hindenburg hat in einem wichtigen Teil, genauer gesagt, gleich in mehreren Teilen der deutschen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt. Auch wenn es der Linken heute schwerfallen mag, diesen Mann so zu sehen, aber als charismatische Heldengestalt des Ersten Weltkrieges wählte ihn das Volk gleich mehrfach zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik.
Seine Ernennung zum Ehrenbürger Berlins ist genau in diesem historischen Kontext zu sehen. Diese Entscheidung zu respektieren heißt nicht, sie zu teilen. Man kann daher nicht mit einer Art Gesinnungsprüfung durch die Geschichtsbücher gehen und löschen, was einem nicht passt. Das gilt natürlich nicht zum Beispiel für die Nazis, die schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben und wo es an der Eindeutigkeit der historischen Bewertung gar keinen Zweifel mehr geben darf.
Doch was ist mit denen, die zwiespältiger zu bewerten sind? – So hat auch Paul von Hindenburg Entscheidungen
getroffen, die uns bis heute positiv wie auch negativ beschäftigen. Vor diesem Hintergrund spreche ich mich ausdrücklich gegen den Antrag aus und werbe dafür, die Berliner Ehrenbürgerwürde von Paul von Hindenburg beizubehalten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Martin Gutzeit! Zum 19. Mal hat nun der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR im Abgeordnetenhaus seinen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder die andere Abgeordnete nach über 20 Jahren meint, dass dieses Thema nun langsam keinen Wert mehr in der öffentlichen Diskussion hat. Eine solche Sichtweise könnte ich sogar verstehen, vor allem in Anbetracht der vielfältigen Probleme, denen wir uns heute zu stellen haben. Wer sich jedoch in die Lektüre dieses Berichts vertieft, wird erstaunt sein. Er wird sicher erstaunt sein, wie intensiv diese Behörde 24 Jahre nach der Wende noch immer mit der Aufarbeitung und der Hilfe für persönliche Schicksale befasst ist. Weil dieser Tatbestand nicht zu den Alltagsreflexionen unserer politischen Arbeit gehört, ist es umso wichtiger, die Tätigkeit des Landesbeauftragten öffentlich politisch zu würdigen. Genauso wichtig ist es, sich den aktuellen Sachstand beim Prozess der Aufarbeitung vor Augen zu führen und natürlich der Behörde für ihre Arbeit zu danken.
Der aktuelle Tätigkeitsbericht stellt die Hauptfelder seiner Arbeit vor; es sind die Beratungstätigkeit, die politische Bildungsarbeit und die Förderung von Verfolgtenverbänden. Darauf im Einzelnen einzugehen, verbietet die Zeit, meine Vorredner haben auf Einiges hingewiesen. Ich empfehle Ihnen daher noch einmal diese Lektüre.
Seit dem Bestehen der Behörde wurden 6,7 Millionen Anträge gestellt. Allein im Berichtszeitraum 2012 waren es 88 231 Anträge auf Akteneinsicht. Die Unterlagen beim Landesbeauftragten sind auch ein enormer Fundus für die politisch-historische Aufarbeitung. So haben wir zum Beispiel bei der Aufarbeitung der SPD-Geschichte von 1949 bis 1989 in den Ostberliner Bezirken auch auf Quellenmaterial des Staatssicherheitsdienstes zurückgreifen können. Es ist erstaunlich, wie intensiv die Stasi sich um die SPD-Ost gekümmert hat.
Auf ein Themenfeld des Tätigkeitsberichtes möchte ich jedoch konkret verweisen, Herr Otto hat es schon angedeutet: Es sind die Fragen zur Möglichkeit der strafrechtlichen Rehabilitierung von Einweisungen in DDRKinderheime und Jugendwerkhöfe. Hier wie auch an anderer Stelle werden persönliche Schicksale stellvertretend für viele genannt. Viele ehemalige Heimkinder su
chen nach Unterlagen, sie wollen Antworten, Antworten für sich selbst, warum und wieso, aber auch Antworten für den Nachweis eines Anspruchs auf Rehabilitierung, die im Moment offensichtlich nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen.
Die Berliner Landesbehörde, für die wir am 5. November 2012 hier im Hause mit einer Gesetzesinitiative die Arbeit für weitere fünf Jahre gesichert haben, wird noch lange als Anlaufstelle für Opfer des Stalinismus und konkret auch für Staatssicherheitsopfer gebraucht. Für Ihre engagierte Arbeit, lieber Martin Gutzeit, die Sie bis heute geleistet haben, möchte ich mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern – auch im Namen meiner Fraktion – herzlich bedanken! – Vielen Dank!