Peter Schneider
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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit den Gemeinsamkeiten beginnen. Wir sehen bei der Bürgerbeteiligung in der Tat Anpassungsbedarf. Unsere Vorstellung ist schon im Rahmen notwendiger Veränderungen kurz zitiert worden. Wir wollen die Bürgerbeteiligung über die kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften stärken und – das ist richtig – den Positivkatalog streichen, allerdings den Negativkatalog durch die Bauleitplanung und Bauvorschriften erweitern und das Quorum von 30 % auf 25 % absenken. Wir wollen diesen Entwurf in den nächsten Sitzungsblock einbringen. Insofern hat sich Herr Kollege Scheuermann – falls er sich überhaupt geirrt hat – allenfalls um vier Monate geirrt und mehr nicht.
Zu Ihrem Gesetzentwurf, den wir heute diskutieren: Der Gesetzentwurf ist ein bekannter rot-grüner Wanderpokal, den wir hier in regelmäßigen Abständen immer wieder vorliegen haben.
Jetzt tun Sie so, als ginge es schlechthin auf kommunaler Ebene um das Schicksal der Demokratie. Als kommunaler Praktiker muss ich Ihnen sagen: Sie haben zur repräsentati
ven Demokratie ein gespaltenes Verhältnis; denn im Bund, wo Sie noch das Sagen haben, machen Sie alles Mögliche. Da wird eine EU-Verfassung nicht einmal der Abstimmung durch das Volk unterworfen.
Da missioniert der Bundeskanzler drüben in Frankreich, und die ganze Geschichte geht prompt in die Hose. Wenn ich dann Ihre großen Gesetzgebungsmaßnahmen rot-grüner Art sehe, etwa nur in der Zuwanderungspolitik, bei der doppelten Staatsangehörigkeit, bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und zum geplanten EU-Beitritt der Türkei, komme ich zum Ergebnis, dass uns in Deutschland viel erspart geblieben wäre, wenn man diese dem Willen des Volkes unterworfen hätte.
Die kommunale Situation vor Ort hat doch ganz andere Sorgen, als Sie uns hier suggerieren wollen. Sie reden in Ihrem Gesetzentwurf von einem unbefriedigenden Zustand. Da muss ich Sie fragen: Wo ist unser Zustand unbefriedigend? Ich kann das überhaupt nicht sehen.
Was uns in den Städten, Gemeinden und Landkreisen drückt, ist doch die völlig desolate Finanzsituation, in die Sie uns getrieben haben.
Die rot-grüne Schwindsucht, unter der unsere Gemeinden leiden, ist doch das Thema – nicht aber mehr Bürgerbeteiligung.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe während meiner Tätigkeit als Landrat nicht einen Einzigen getroffen, der eine einigermaßen demokratische Legitimation hatte und fragte, wieso wir nicht mehr Bürgerbeteiligung hätten. Die Leute haben doch völlig andere Sorgen.
Ihr Gesetzentwurf ist insoweit von der Realität weit entfernt. Diese rein rot-grüne Ideologie bedient nur Ihre Klientel, die kommunalpolitisch überhaupt keine Rolle spielt. Die Volksbewegung, von der Sie reden, kann ich überhaupt nicht sehen.
Ich möchte an ein paar Beispielen zeigen, wie diese Ideologie Ihren Gesetzentwurf bestimmt. In Ihrem Vorschlag für § 21 Abs. 3 der Gemeindeordnung steht:
Die Gemeindeverwaltung … berät auf Wunsch bei der Ausarbeitung des Bürgerbegehrens.
Man muss sich einmal vorstellen: Der arme Bürgermeister, der schaut, dass er möglichst wenig Personalkosten hat und Kosten spart, muss jetzt auch noch das Bürgerbegehren ausarbeiten helfen. Auf diese Idee muss man als kommunaler Praktiker erst einmal kommen.
Oder ein Zweites: In Ihrem Vorschlag für § 21 Abs. 7 der Gemeindeordnung schreiben Sie:
In Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Gemeinde dürfen die Vertrauensleute eines Bürgerbegehrens ihre Auffassung … mindestens in gleichem Umfange darstellen wie die Gemeindeorgane …
Also der Bürgermeister eine halbe Seite und die Bürgerbegehrler mindestens eine halbe Seite. Wenn du so etwas liest, musst du lachen.
Ein Weiteres: In die Begründung schreiben Sie – das muss man sich einmal vergegenwärtigen – unter der Überschrift „Kommunalabgaben, Tarife und Entgelte“, Gemeindeverwaltungen müssten sich mehr Mühe geben, die Kalkulation der Bürgerschaft gegenüber verständlich zu machen. Da haut es mich um!
Da haben wir eine Satzung, da haben wir eine Globalberechnung, intensive rechtliche und gesetzliche Vorgaben, alles ist veröffentlicht, und Sie schreiben in die Begründung Ihres Gesetzentwurfs, die Gemeindeverwaltungen müssten sich mehr Mühe geben. Dazu fällt mir nichts mehr ein. Ich halte das gegenüber unseren Kommunen – um dies ganz deutlich zu sagen – für eine Frechheit.
Sie von Rot-Grün kriegen nicht einmal einen verfassungsgemäßen Bundeshaushalt zustande, und hier schreiben Sie uns solches Zeug ins Stammbuch.
Deshalb sage ich Ihnen: Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Wir bleiben beim bewährten Ausgleich zwischen direkter Beteiligung und repräsentativer Demokratie. Daran ändert auch der Verweis auf Bayern nichts.
Mich freut es ja immer, wenn Sie Bayern als Vorbild nehmen; keine Frage. Aber ich sage Ihnen: Für uns ist Bayern nicht immer Vorbild.
Wir sind in vielem besser als Bayern.
Beispielsweise sind wir besser in unserer kommunalen Situation. Den Kommunen in Baden-Württemberg geht es bes
ser als denen in Bayern, und so soll es auch zukünftig bleiben.
Deshalb sage ich: Wir bleiben beim bewährten Ausgleich, und zwar im Einklang mit der kommunalen Praxis und in der Gewissheit, dass wir Baden-Württemberg weiterhin als kommunalfreundlichstes Bundesland an der Spitze halten wollen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ziele des abschließend zu beratenden Gesetzentwurfs haben wir, glaube ich, in den Ausschussberatungen zumindest in weiten Teilen überein
stimmend für richtig befunden. Wir vereinfachen und entrümpeln das Beamtenrecht an einigen Stellen. Ob wir dabei etwas einsparen, wird sich letztlich zeigen. Wir setzen damit die Anregungen des Rechnungshofs aus der Denkschrift 2002 um. Wir müssen auch ganz klar sehen, dass wir in dieser Sache nicht Vorreiter sind, sondern lediglich die Möglichkeiten des Beamtenrechtsrahmengesetzes nutzen, die der Bund und viele andere Länder schon umgesetzt haben.
Ich glaube, die einzige Differenz, die wir in den Beratungen insbesondere mit der SPD hatten, betraf das Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag: bei Beamten ist das zukünftig von 65 auf 68 Jahre, bei Polizeibeamten von 60 auf 63 Jahre möglich. Ich möchte dazu für unsere Fraktion noch Folgendes sagen: Wir haben für Beamte keine Verpflichtung hierzu, sondern lediglich Antragsmöglichkeiten, das heißt, der Beamte muss dies letztlich wollen.
Des Weiteren können wir das Begehren aus dienstlichem Interesse genehmigen. Wir haben dies bewusst offen gehalten. Ganz wichtig ist uns als Fraktion, dass das dienstliche Interesse höher als das Individualinteresse sein muss. Dass ein Beamter damit seine Versorgung verbessern kann, darf als Grund nicht ausreichen. Ich halte die Möglichkeit des Hinausschiebens der Altersgrenze aus der Sicht unserer Fraktion und auch mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis für völlig richtig; denn es gibt immer wieder Beamte, die mit 65 Jahren respektive mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen müssen, die aber gerne weitermachen würden, die sich gut gehalten haben und möglicherweise später als üblich in den Beruf eingetreten sind. Warum sollen wir diese Beamten nicht weitermachen lassen, wenn überwiegend ein dienstliches Interesse besteht?
Wir haben uns auch darüber unterhalten, ob sich diese Regelung kostenmäßig vorteilhaft auf den Haushalt auswirkt. Wir formulieren hier bewusst keine Erwartungen. In einem sind wir uns allerdings sicher: Dieses Vorgehen verursacht sicherlich keine zusätzlichen Kosten, aber es bietet die Möglichkeit von Einsparungen. Wir sollten jetzt in aller Ruhe abwarten, wie es läuft, und uns dann einen Erfahrungsbericht geben lassen. Der Innenminister hat dies zum Ende 2006 auch schon zu den Fragen „Wer beantragt? Weshalb wird beantragt?“ und zur Frage nach den Motiven und natürlich der Kostenauswirkungen zugesagt.
Es ist in den bisherigen Beratungen von der Opposition gesagt worden, wir verschlechterten die Chancen für Neueinstellungen. Das ist leider wahr. Aber es gehört einfach zur bitteren Wahrheit: Wir schaffen nicht beides. Wir können nicht auf der einen Seite Personal abbauen und auf der anderen Seite Arbeitsmarktimpulse geben. Das ist leider wahr. Die bittere Wahrheit ist: Was die Wirtschaft nicht vermag – auch weil sie politisch niedergedrückt und gefesselt wird –, das kann der Staat nie ausgleichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass diese beamtenrechtlichen Neuregelungen eigentlich nur die ersten Schritte in die richtige Richtung sind. Wir müssen generell zu einem höheren Pensionseintrittsalter kommen. Ich nenne als Stichworte: etwa im Bereich der Polizei ein niedrigeres Pensionseintrittsalter nur in Abhängigkeit vom tatsächlich geleisteten Streifendienst. Oder als zweites Stichwort: Im Lehrerbereich könn
ten wir es von 64 auf 65 Jahre erhöhen. Das haben andere auch schon gemacht.
Noch eine generell abschließende Bemerkung: Wir brauchen hier im Landtag mehr Gesetzgebungszuständigkeiten im Bereich des Beamtenrechts. Wir brauchen weitere notwendige Reformen im Beamtenrecht, dazu aber auch mehr Zuständigkeiten. Der Bund sitzt auf den Zuständigkeiten und bewegt sich aus unserer Sicht zu wenig.
Deshalb ist es unser Wille, über diese ersten Schritte hinweg Weiteres zu tun.
Ich bedanke mich sehr.
Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Der Reformbedarf im Beamtenrecht – als Praktiker möchte ich sagen: noch mehr im Tarifrecht – ist eigentlich unübersehbar.
Aber wir können nicht, wie wir wollen und dringend müssten, weil der Bund den Rahmen setzt, und dieser ist einfach viel zu starr und unflexibel auch hinsichtlich unserer Reformbemühungen. Deshalb ist das, was jetzt vorliegt, sicher keine große Sache, aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Deshalb stimmt unsere Fraktion zu.
Vielen Dank.
Herr Drexler, ist Ihnen bekannt, dass mit Ausnahme des höheren Dienstes die kompletten Sach- und Personalkosten der unteren Verwaltungsbehörde inklusive der Sonderbehörden der Zukunft voll etatisiert sind...
... und voll dem Etatrecht des Kreistags unterliegen?
Der höhere Dienst liegt in der Autonomie des Landes.
Einfacher, mittlerer und gehobener Dienst plus Tarifpersonal liegen in der Entscheidungsgewalt des Kreistags.
Befangen, das bist du hier schon, wenn du etwas von der Sache verstehst. Darum sind Sie nie befangen. Das ist der Unterschied.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute die Annäherung der Opposition an unser Großprojekt „Verwaltungsreform“. Dazu möchte ich etwas aus der Sicht der Praxis sagen und das Thema beleuchten.
Ich möchte nicht mehr viel zum Grundsätzlichen sagen, dem Regionalkreismodell. Nur so viel: Sie können doch die Richtigkeit Ihrer Behauptung der Bürgernähe im Regional
kreis nirgendwo vermitteln. Das ist doch völlig offensichtlich. Sie kommen auch nicht aus der Verlegenheit, dass Sie eine Gemeindereform brauchen. Am besten wird das an diesem berühmten Beispiel von Herrn Drexler in Bezug auf eine Kfz-Zulassung deutlich. Er sagt immer: „Die Zuständigkeit dafür geben wir runter an die Gemeinden.“ Jetzt haben wir Gemeinden mit 1 000, mit 2 000 Einwohnern. Das ist die Mehrzahl.
Wie will denn eine solche Gemeinde eine Kfz-Zulassung machen? Wir haben im Bereich der Kfz-Zulassung heute EDV-Verfahren in höchstem Maße, wir haben aktenlose Verfahren. Das kann ich doch nicht in einer Gemeinde mit 2 000 Einwohnern machen!
Die Dinge sind doch wirtschaftlich schon lange durchexerziert. Deshalb brauchen wir hier eine Einheit, die mindestens 100 000 Einwohner hat, um eine Kfz-Zulassung überhaupt wirtschaftlich vornehmen zu können.
Wenn ich Ihre Zwischenrufe „Verwaltungsgemeinschaft“ höre, dann muss ich sagen, dass Sie schon verdammt nah am alten Oberamt sind. Da müssen Sie gewaltig aufpassen.
Ich will ein Zweites sagen. Das regionale Denken, von dem Sie reden, mag vielleicht in den Ballungsräumen Platz greifen, aber es greift nicht in zwei Dritteln des Landes, in denen wir ländlich denken.
In Oberschwaben, im Hohenlohischen
oder im Hochschwarzwald weiß doch kein Mensch, in welcher Region er lebt. Das ist doch völlig weltfremd.
Wissen Sie, die Idee der Regionalkreise kennen wir schon aus vormaligen Landtagswahlkämpfen. Ich habe das 1996 erlebt. Wenn dann die Protagonisten eines Regionalkreises hinaus aufs Land kommen, erleben sie Folgendes. Ich habe mir das herausgesucht. Damals war der Wirtschaftsminister und SPD-Spitzenkandidat im Land unterwegs, und er hat zaghaft das Wort „Regionalkreis“ gesagt. Nach dem, was er dann auf dem Land erlebt hat, hat es folgende Schlagzeile gegeben
das war ganz genau am 2. Februar 1996 –:
Wenn es die Landkreise nicht schon gäbe, müsste man sie schaffen. SPD-Mann Dieter Spöri spricht sich gegen Regionalkreise aus.
Genau so geht es Ihnen, wenn Sie die Geschichte morgen wieder aufgreifen. Das prophezeie ich Ihnen.
Ich will Ihnen noch etwas zu den eigenen Bodentruppen sagen, denn die Anhörungen in den Kreistagen sind mittlerweile weitgehend erfolgt. Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse an.
Viele Fraktionen der SPD und viele Fraktionen der Grünen haben der Verwaltungsreform zugestimmt. Ich möchte das in aller Deutlichkeit sagen.
Ich möchte sie dafür loben, denn sie werden der Praxis wesentlich mehr gerecht als Sie hier im Landtag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute wieder die ganze Litanei an Bedenken wegen der „Zerschlagung“ gehört. Nach den Aussagen zum Verbraucherschutz bekommen wir wahrscheinlich alle Durchfall aufgrund von Salmonellen oder was weiß ich. Wir haben gehört, dass die Kinder schlechter unterrichtet werden und dass der Wald stirbt. Zuletzt werden noch die Frauen angeführt, die in den Landratsämtern untergebuttert würden.
Ich muss fragen: Wo leben Sie eigentlich? Wir haben mittlerweile einen Frauenanteil, einen Teilzeitanteil, ein Maß an Familienorientierung in den Landkreisen, das Sie in den Behörden hier in Stuttgart suchen können.
Darum kann ich überhaupt nicht verstehen, wovon Sie letztendlich reden.
Zu dieser Bedenkenlitanei muss ich Ihnen sagen: alles schon einmal da gewesen, alles schon einmal gehört. Erinnern wir uns einmal an das Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz – SoBEG I – 1995. Das ist nur ein kleines Beispiel, an dem Ihr Problem deutlich wird.
Damals haben wir 17 staatliche Ämter für Wasserwirtschaft gehabt. Wir haben die Kernaufgaben aus diesen Ämtern herausgenommen und in 35 Landkreise eingegliedert. Was ist passiert?
Gar nichts, überhaupt nichts ist passiert. Wir haben völlig unbemerkt, völlig geräuschlos und effizient arbeitend die Eingliederung vorgenommen.
Schauen Sie sich einmal die Gesundheitsämter an. Wir haben heute Präventivmedizin in einem Umfang, wie wir es vor dem Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz nicht gehabt haben, und zwar bei dem gleichen Personalumfang.
Schauen Sie sich die Veterinärämter an.
Die erfüllen ihre Aufgaben hervorragend. Die BSE-Krise hätte in Baden-Württemberg so nicht gemanagt werden können, wenn die Veterinärämter nicht eingegliedert gewesen wären. Das ist die Wahrheit.
Und wenn ich Sie höre, kann ich sagen: Ich habe den ersten BSE-Fall selbst gemacht.
Der war im Landkreis Biberach. Tag und Nacht, ich weiß, wovon ich rede.
Die Bündelungsfunktion war dabei ein wesentlicher Vorteil. Herr Drexler, die BSE-Proben werden ausschließlich vom Veterinäramt genommen und sonst von überhaupt niemandem. Das ist die Wahrheit.
Bei allen Fällen in allen Verwaltungsbereichen, die Sie heute hochgespielt haben, werden Sie sehen, wie geräuschlos sich das alles regelt.
Ich will dies einmal am Beispiel des WKD sagen, wo Sie gefragt haben: Wieso macht ihr das? Ich sage Ihnen eines: Sie spielen jetzt die Begleitstraftaten hoch.
Sie müssen sich einmal genau anschauen, wie das läuft. Fragen Sie einmal in Ihrer Pizzeria oder wo Sie sonst noch hingehen: Wenn der WKD kommt und den Verdacht auf Begleitstraftaten hat, bringt er von vornherein Vollzugsbeamte mit. Die sind doch überhaupt nie zu zweit hinausgegangen, sondern meistens zu viert oder zu fünft. Das ist doch die Wahrheit. Fragen Sie einmal konkret nach.
Ein Zweites: Wenn Sie jetzt von Anzeigen sprechen – Herr Kretschmann, Sie haben sie für Ludwigsburg aufgelistet –, kann ich Ihnen sagen: Wir haben ihre Zahl auch erhoben. Wir haben ganz genau 2,6 Anzeigen pro Beamten und Jahr, nicht mehr.
Jetzt frage ich Sie: Wieso können das nicht die Angestellten des Landratsamts machen? Wieso können die nicht ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder ein Strafverfahren einleiten? Können Sie mir das erklären? Das können Sie nicht.
Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Wenn Sie sich die 2,6 Anzeigen anschauen, stellen Sie fest, dass davon sage und schreibe zwei Drittel der Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden. Da muss doch jemand einmal auf die Idee kommen und sagen: In der Vergangenheit ist da ein ganz gehöriger Selbstbeschäftigungsanteil drin gewesen.
Anders kann ich das nicht bezeichnen.
Jetzt komme ich zur Kostenseite. Baden-Württemberg ist unter den 16 Bundesländern das einzige Bundesland, bei dem unter den Verwaltungsbehörden das Veterinäramt und der Vollzug getrennt sind und bei dem der Vollzug in der Polizei stattfindet.
Jetzt schauen Sie bitte einmal die Kostenseite dieses teuren Unterfangens an. Dort sind heute zunächst einmal Beamte im mittleren und im gehobenen Dienst tätig. Zum Zweiten gehen die, wie Sie wissen – wie das bei Polizeibeamten üblich ist –, mit 60 Jahren in Pension. Zum Dritten haben sie freie Heilfürsorge etc. Zum Vierten müssen sie beispielsweise in der Dienstzeit zum Sport und zum Schießen. Das alles brauche ich im Landratsamt nicht. Vielmehr werden sie in den Vergütungsgruppen BAT VII und BAT VI angestellt und verrichten so genau den gleichen Dienst, wie er in den 15 anderen Bundesländern geleistet wird – auch in Zukunft. Das ist effiziente Verwaltung.
Gerne.
Das weiß ich nicht.
Aber ich kann Ihnen noch einmal sagen: Zwei Drittel der Verfahren aufgrund von Anzeigen durch den WKD werden eingestellt, und deshalb bin ich der Auffassung, dass hier keine effizienten Strukturen bestehen. Das ist ganz offenkundig.
Ich kann doch nicht mit der Anzahl der Anzeigen belegen wollen, dass eine effiziente Arbeit gemacht werde, wenn dann zwei Drittel der Verfahren eingestellt werden.
Wir werden die Querschnittsaufgaben, die jetzt in den Ämtern stecken, in die großen Ämterstrukturen der Landratsämter überführen – im Bereich des Personals, im Bereich des Haushalts, im Bereich der Beschaffung, im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Dort liegen eben zunächst die allerersten Synergieeffekte. Das ist das Entscheidende.
Wenn Sie wieder argumentieren, wir gingen von 17, von 19, von 33 Behörden auf 45, dann muss ich sagen: Nein, wir nehmen die Aufgaben dieser Ämter und stecken sie in ein großes Amt und nutzen die Synergieeffekte. Das ist der richtige Ansatz und nicht dieses naive Aufsummieren von Behördenzahlen. Das ist ja geradezu lächerlich.
Ich würde meine Ausführungen gerne am Stück machen. Sonst werden sie zu sehr auseinander gerissen.
Ich will etwas zur Effizienzrendite sagen: Ich räume Ihnen eines ein. Ich räume ein, dass diese Effizienzrendite von 20 % eine Zielvorgabe ist. Ich räume auch ein, dass es eine ehrgeizige Zielvorgabe ist, ohne jede Frage. Ich sage auch: Diese Zahl ist nicht gutachtlich unterlegbar. Das ist für mich überhaupt keine Frage. Aber sie entspricht praktischen Erfahrungen; das ist das Entscheidende. Wir erwirt
schaften die 20 % – ich habe es erklärt – zum einen über die Querschnittsfunktionen, die wir zusammenfassen, und zum anderen über weniger Personal, indem wir die Fluktuation der nächsten sieben Jahre ausnutzen. Da haben wir gerade die Erfahrungen aus dem SoBEG. SoBEG I ist nicht ein Gesetz, das sich nicht bewährt hätte. Ich habe das ausgeführt. Wir haben das gemacht, obwohl wir Mehraufgaben wahrnehmen müssen im Bereich der Veterinärämter – Stichwort BSE – und auch der Gesundheitsämter – Stichwort: das neue Gesetz für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Wir machen das ohne Personalvermehrungen.
Ja, es gibt einige Landkreise
das ist richtig –, die nach der Auflistung des Gemeindetags mehr zahlen.
Es gibt aber auch einige, die deutlich weniger zahlen. Die haben, wenn Sie so wollen, damit ein Geschäft gemacht. Das gehört auch zur Wahrheit.
Nun ist die Frage: An wem orientiere ich mich? Orientiere ich mich an den Schlechteren, oder orientiere ich mich an den Besseren? Ich trete leidenschaftlich dafür ein, dass wir uns immer an den Besseren und nicht an den Schlechteren orientieren.
Ich will Ihnen übrigens sagen: Vor Ort ist man ja schon viel weiter als hier in der Diskussion – ich will das in aller Offenheit ansprechen –, auch in Sachen Effizienzrendite. Wir haben vor Ort in allen Landratsämtern, in allen Stadtkreisen bereits konkrete Gespräche mit den Sonderbehörden. Ich sage Ihnen: Wir sind da schon relativ weit. Wir haben für die einzelnen Verwaltungszweige – jetzt schon vereinbart und planmäßig erreichbar – 20 % Effizienzrendite in den nächsten 20 Jahren festgemacht.
Wir haben einen Gesetzentwurf,
wir haben ein Ziel: 1. Januar 2005, und wir müssen aufgrund dieses Gesetzentwurfs natürlich schon die ersten Vorgespräche führen.
Das ist praktische Verwaltung. Wir können doch nicht bis 14 Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes warten. Das ist doch völlig illusorisch!
Nun möchte ich Ihnen sagen: Ich habe volles Verständnis für die kommunale Haltung, dass man sagt: Die Landkreise
und damit die Gemeinden dürfen für die Verwaltungsreform nicht bluten. Das ist richtig. Das steht für uns über dieser Verwaltungsreform ehern geschrieben. Deshalb sage ich auch Ja zu jedweder Form der Dokumentation. Aber das ist Sache der Landratsämter. Wir haben natürlich, Herr Kretschmann, die Instrumentarien. Wir haben eine wesentlich differenziertere Kostenstellenrechnung als das Land. Dort, wo es Sinn macht, haben wir das schon lange. Deshalb ist es für uns kein Problem, das zuzuweisen. Aber jeder Landkreis soll selbst entscheiden,
wie er das letztendlich macht.
Ich sage Ihnen auch: Ich bin gegen eine Revisionsklausel. Ich bin dagegen. Ich bin dafür, dass wir uns als Landesgesetzgeber anschauen, wie das kostenmäßig läuft. Da sind wir völlig frei. Aber ich bin gegen eine fixe Revisionsklausel, weil wir damit den Druck herausnehmen, diese 20 % letztendlich auch zu erreichen.
Nun möchte ich noch zur Größenordnung dieser Effizienzrendite kommen, damit das einmal in das richtige Verhältnis gestellt wird. Angenommen, wir würden in den Landkreisen überhaupt nichts erreichen. Wir würden also 0 % Rendite in sieben Jahren erzielen.
Wissen Sie, welche Kreisumlagesteigerung wir dann haben? 1,07 Prozentpunkte, bezogen auf das ganze Land. Das will ich nicht geringreden; das wäre mir zu viel. Unser Ziel ist klar die Nulllinie in sieben Jahren. Aber das ist die Dimension: 1,07 Prozentpunkte Kreisumlagesteigerung im Landesdurchschnitt. Das ist die Dimension der Verwaltungsreform.
Jetzt komme ich zu den anderen Faktoren: Sozialhilfekostenentwicklung, Jugendhilfekostenentwicklung, Eingliederungshilfe, Ihr unseliges Grundsicherungsgesetz, nach dem wir zahlen müssen, bis wir schwarz werden.
Jetzt sage ich Ihnen: Hartz IV hat allein eine Dimension von 2 bis 3 Prozentpunkten Erhöhung bei der Kreisumlage. Wenn Sie da so aktiv wären wie bei der Verwaltungsreform, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Ich glaube in der Tat, die 20 % sind erreichbar. Aber sie sind nur erreichbar mit Aufgabenabbau; da haben Sie Recht.
Wir haben jetzt einen Takt, der heißt: zunächst die Organisationsreform als Schwerpunkt mit etwas Aufgabenabbau.
Dazu steht nicht viel im Gesetz; das räume ich ein. Aber es kommt dann sofort der zweite Teil des Aufgabenabbaus. Der steht für uns unabdingbar fest.
In den ersten Gesprächen, die alle meine Kollegen und ich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der neuen wie der eigenen Behörde führen, motivieren wir schon heute zum Aufgabenabbau.
Denn niemand kann das so gut wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag diese Aufgaben leisten.
Deshalb schwöre ich Ihnen: Wir machen ein Aufgabenabbauprogramm, und zwar gemeinsam mit den Bediensteten. Dann wollen wir einmal sehen, wo die Opposition bleibt, wenn unsere Vorschläge kommen. Das wollen wir dann sehen.
Ich sage Ihnen: Vor uns liegt ohne jede Frage eine Mammutaufgabe, an der schon heute Hunderte von Menschen in diesem Land arbeiten. Ich möchte auch dem Innenministerium noch meinen Respekt zum Ausdruck bringen, das aus meiner Sicht der Praxis bei diesem immensen Gesetzeswerk, das es schultert, hervorragende Vorarbeit geleistet hat.
Natürlich gibt es Schwierigkeiten; es liegen auch Risiken in dieser Verwaltungsreform – das können wir nicht wegdiskutieren. Wir haben damit aber auch enorme Chancen. Ich kann Ihnen sagen: Die betroffenen Bediensteten haben diesen Wechsel schon in einem hohen Maß mental vollzogen.
Sie nehmen ihn – das werden Sie sehen – in einem hohen Umfang an. Sie sind schon wesentlich weiter als Teile der Landtagsopposition.
Abschließend sage ich Ihnen: Für uns ist Bürokratieabbau kein Lippenbekenntnis. Wir wollen nicht, dass – wie nach der Rentenreform in Berlin – Tausende von Beamten in Mammutbehörden sitzen oder dass im Gesundheitsbereich Beauftragte mit enormen Dotationen und Stäben herumspringen. Wir wollen nicht, dass eine Einrichtung wie das Katastrophenschutzbundesamt geschaffen wird, über das die Praktiker nur noch den Kopf schütteln, oder dass – wie jetzt beim Emissionshandel – wieder eine Riesenbürokratie ausgelöst wird. Das wollen wir nicht, sondern wir sind zu echten Reformen bereit.
Sie werden sehen: Beim Aufgabenabbau sind wir sogar zu einer richtigen Reformlust in der Lage. Sie werden sehen, was wir hier machen.
Wir dürfen unser Land nicht so absacken lassen, wie es im Bund und in den „roten“ Bundesländern zurzeit der Fall ist. Wir werden ein Reformmotor in Sachen Verwaltungsreform sein.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Sie haben offenbar eine bestimmte Befangenheitsregelung, Herr Oelmayer. Immer, wenn jemand etwas vom Thema versteht, gilt er bei Ihnen offenbar als befangen.
Ja, ja. Das ist klar. – Ich möchte als Verwaltungspraktiker ganz ehrlich sagen: Ich finde es fast tragisch, dass man angesichts der tatsächlichen kommunalen Probleme hier überhaupt wieder diesen Wanderpokal im Landtag auftischt.
Zunächst einmal: Die Argumente sind, glaube ich, zur Genüge ausgetauscht worden. Ich möchte nur festhalten: Alle drei kommunalen Landesverbände sind einhellig gegen die Gesetzesvorschläge, wie sie hier vorliegen. Wir haben im Innenausschuss die von den Fraktionen benannten Sachverständigen gehört, und dabei bot sich ein interessantes Bild. Herr Professor Dr. Wehling hat eine von Abwägung getragene Stellungnahme abgegeben, sich aber gegen die Inkompatibilität von Bürgermeisteramt und Kreistagsmandat ausgesprochen. Herr Professor Dr. Geitmann war dafür, dies jedoch mit vagen Verdachtsmomenten und ohne diese empirisch zu begründen. Herr Professor Dr. Knemeyer war gegen die Inkompatibilität. Am interessantesten fand ich den bayerischen Landrat. Dies war wirklich Lokalkolorit von hervorragender Sorte. Er hat ganz ehrlich gesagt: Die Bürgermeister müssen raus, weil sie uns ärgern. Punkt. Das war hochinteressant.
Wenn Sie ihn gesehen hätten, dann hätten Sie auch gesehen, was bei einer Volkswahl der Landräte herauskommen kann. Dies war ein Stück weit „Bayerischer Komödienstadel“.
Fazit war letztendlich: Die Sachverständigen haben sich überwiegend gegen Ihre Gesetzentwürfe ausgesprochen. Was die Argumente betrifft, so haben wir eigentlich auch nichts Neues gehört. Die vorgetragene Interessenkollision ist ein Scheinproblem. Denn die Gemeinsamkeiten zwischen Gemeinden und Landkreis sind weitaus größer als die Gegensätzlichkeiten. Wir sitzen vielfach im gleichen Boot. Ich halte es deshalb in Übereinstimmung mit der CDU
Fraktion auch im Hinblick auf eine Verzahnung von Kreisund Gemeindepolitik für gut, wenn Bürgermeister auch im Kreistag sind.
Der angesprochene Aufsichtskonflikt zwischen dem Landrat in seiner Aufgabe als Rechtsaufsichtsbehörde und den Bürgermeistern
ist aus meiner Sicht, und das heißt aus der Sicht der Praxis, die größte Fehleinschätzung überhaupt. Hier wird maßlos übertrieben; denn Sie müssen wissen, dass die Entscheidungen im Rahmen der Rechtsaufsicht in weiten Teilen rechtlich absolut gebundene Entscheidungen sind. Die eigentlichen Aufsichtsmittel, die immer angeführt werden, vor allem im disziplinarischen Bereich, sind sehr, sehr selten.
Zudem wird völlig verkannt, dass die Landräte als Behördenleiter natürlich nicht einfach entscheiden können, wie sie wollen. Vielmehr unterstehen sie selbst der Rechts- und Fachaufsicht der Regierungspräsidien.
Das heißt, die Dinge sind mehr oder weniger justiziabel. Es sind Beschwerdeführer gegen die Bürgermeister da, die sich natürlich nicht jede Entscheidung gefallen lassen. Das heißt, wenn ich jetzt wohlwollende Entscheidungen treffen würde, die nicht mit dem Recht in Einklang stünden, dann käme der Beschwerdeführer sofort und nähme mich wieder selbst mit Dienstaufsichtsbeschwerden und Ähnlichem unter Beschuss. Ich glaube, das wird in dieser Diskussion völlig verkannt.
Es bleibt dabei: Es gibt keinen einzigen Fall einer unzulässigen Interessenverquickung. Keinen! Interessant war, was Herr Kollege Walter bei der ersten Lesung gesagt hat.
Er ist ja gewissermaßen in Peinlichkeiten geraten, als er einen Einzelfall benennen sollte. Er hatte daraufhin gesagt, es gäbe etwas zwischen dem Ludwigsburger Landrat und Bürgermeister Storer aus Asperg. Ich habe daraufhin nachgefragt und erfahren: Der gute Mann ist gar nicht im Kreistag und war es überhaupt nie.
Da muss Herr Walter letztlich schon noch etwas erklären.
Für uns, für die CDU, ist letztlich der Wählerwille entscheidend. Wir sind der Auffassung, man sollte den Wählerwillen nicht einschränken. Die Bürgermeister und Oberbürgermeister sind von Bürgern gewählt. Nun wollen Sie, Herr Oelmayer, ja immer mehr Bürgerbeteiligung. Auf der anderen Seite sagen Sie aber, bestimmte Personen dürften nicht gewählt werden. Sie sprechen dem Souverän letztlich also das Recht ab, diesen oder jenen zu wählen.
Ich sage: Das ist ein Stück weit fehlendes Vertrauen in den Bürger, und es ist auch der Geist der Gängelung. Anders kann ich das nicht sehen. Deshalb lehnen wir von der CDU diese Gesetzentwürfe ab. Mein dringender Appell ist: Wir als Parlament sollten uns wirklich den tatsächlichen kommunalen Problemen – und die sind riesengroß – zuwenden und uns nicht noch weiter so intensiv mit den Gegenständen beschäftigen, über die wir jetzt beraten.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja schon ganz froh, dass man hier weitgehend begriffen hat, dass die Lage wirklich außerordentlich ernst ist. Jetzt frage ich mich, Herr Junginger: Wenn die kommunalen Praktiker Ihrer Partei das glauben, was Sie gesagt haben, wieso können sie dann zurzeit landauf, landab überhaupt noch dieses Klagelied anstimmen?
Jetzt will ich einmal Folgendes zitieren. Zum Ersten kommt eine Aussage des Oberbürgermeisters der Stadt Ulm, der in Kürze unser Städtetagspräsident wird. Er sagt, wir müssten einen Aufstand gegen die Gesetze organisieren. Gesetze,
die uns nur belasten, müssten für zwei oder drei Jahre ausgesetzt werden. Dann würde man ja sehen, welche Gutgeister an welchen Gesetzen festhalten.
Jetzt will ich nur wissen, wen er letzten Endes gemeint hat. Das würde mich interessieren.
Frau Dederer, der Vollständigkeit halber will ich natürlich gleich noch hergehen und auch Ihren verehrten Herrn Salomon, den Oberbürgermeister von Freiburg, noch zitieren. Der hat schlicht und ergreifend ganz einfach eingängig gesagt: Die SPD-Politik ist hirnrissig. Punkt.
Ich glaube, mehr ist dazu nicht zu sagen. Diese schlechteste Finanzlage der Kommunen seit der Nachkriegszeit ist das Hauptproblem der Gemeinden, der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, und sonst gar nichts. Das ist in unserem Lande Fakt.
Und dies ist ausschließlich die Folge rot-grüner Bundespolitik und sonst nichts. Das kann überhaupt niemand ernsthaft bestreiten.
Wenn man jetzt die Finanzierungssalden heranzieht, wie Herr Junginger es getan hat, ist das, was Sie gesagt haben, nicht falsch. Die Finanzierungssalden der Gemeinden sind 1999, 2000 und 2001 in der Tat angestiegen. Sie sind aber 2002 steil abgefallen,
und sie befinden sich jetzt im freien Fall. Jetzt müssen Sie wissen, wieso. Wir haben eine zweijährige Phasenverschiebung, eine zweijährige Nachlauffrist in der Finanzwirksamkeit. Die guten Zahlen kommen aus der Zeit der Regierung Kohl, und seit Rot-Grün an der Regierung ist, sind die Dinge katastrophal.
Wenn ich mir die Einnahmesituation ansehe, stelle ich fest, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland die einmalige Situation haben, dass vier Steuerschätzungen hintereinander von einer zur anderen immer schlechter ausgefallen sind. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben.
Nicht in Biberach, sondern in der ganzen Bundesrepublik.
Ich will diese ganzen Einnahmebetrachtungen des Finanzministers nicht mehr wiederholen, sondern möchte zur Ausgabenseite kommen. Der Pflichtleistungsbereich der Kommunen ist so stark belastet, dass die Gemeinden mittlerweile regelrecht zu staatlichen Auftragsverwaltungen degenerieren. Wir sind heute beim Ausgabenniveau der Kommunen in der Gesamtheit in Deutschland unter dem Niveau des Jahres 1993 angelangt. Das muss man sich vorstellen. Es ist ein permanenter Rückgang, und zwar jetzt auf 50 % dessen, was wir einmal hatten. Dazu müssen Sie wissen, dass die öffentlichen Investitionen zu zwei Dritteln von den Kommunen getätigt werden. Dann merken Sie, wie katastrophal die Lage auch für die Konjunktur in Deutschland mittlerweile ist.
Der Hauptanteil der Ausgaben entfällt auf den sozialen Bereich. Die Sozialhilfe ist auf Rekordniveau. Die Jugendhilfeausgaben galoppieren uns regelrecht davon. Wenn Sie die gegenwärtige Situation in den Landkreisen sehen – wir stellen ja gerade die Haushaltspläne auf –, stellen Sie fest, dass wir Kreisumlagesteigerungen haben wie noch nie in der Geschichte von Baden-Württemberg. Das können Sie doch nicht negieren. Schauen Sie dazu noch die Verschuldung an. Wir haben beides: Wir haben weggaloppierende Kreisumlagen und exorbitante Schuldenaufnahmen.
Das ist unser Problem.
Das Zweite ist die Landeswohlfahrtsverbandsumlage. Es ist ein Elend, wie die sich entwickelt. Der Zustand unserer Landeswohlfahrtsverbände ist weitgehend durch bundesgesetzliche Maßnahmen hervorgerufen.
Jetzt möchte ich auch noch kurz zu dieser Sparliste kommen, verehrte Frau Dederer. Wenn Sie die Sparliste zitieren, dürfen Sie nicht verkennen, dass die Sparliste nicht aus Jux und Tollerei des Landes Baden-Württemberg entstanden ist, sondern eine zwangsläufige Folge als Reaktion auf diese katastrophalen Steuerausfälle ist, die vom Bund herunter auf das Land zukommen.
Wenn gekürzt worden ist, dann geschah dies nicht bei originären Landesaufgaben – noch nicht –, sondern bei Freiwilligkeitsaufgaben, die in der Tat natürlich auch auf der kommunalen Ebene wehtun. Das werden wir uns sicher auch noch ansehen müssen.
Ich möchte auch noch ganz kurz auf die Wege aus dieser Finanzkrise kommen und möchte noch einmal betonen: Das A und O ist, dass wir wieder Wirtschaftswachstum bekommen. Sie müssen endlich den rot-grünen Würgegriff der
Wirtschaft gegenüber beenden. Das ist das Größte, was wir für die Kommunen überhaupt leisten können.
Sie müssen zu einer Einnahmeverbesserung kommen.
Wenn Sie im Bereich der Gemeindefinanzreform jetzt wieder auf die x-te Kommission abheben, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben 1998 eine Kommission einsetzen wollen. Vier Jahre lang ist nichts passiert, überhaupt nichts.
Jetzt kommen Sie und sagen, unter Vorsitz von Eichel und Riester – ich weiß gar nicht, ob der noch mit dabei ist – soll es jetzt plötzlich losgehen.
Den Schwerpunkt möchte ich auf die Ausgabenentlastungen gelegt sehen, vor allem im Pflichtbereich. Sie kommen an einer Ausgabenentlastung im Sozialbereich nicht mehr vorbei; das müssen Sie klipp und klar sehen. Man kann in einem Staat nur das verteilen, was erarbeitet worden ist. Das müssen wir wieder in aller Deutlichkeit sagen.
Deshalb ist für uns das Erste und Wichtigste im kommunalen Bereich: Die Grundsicherung muss weg.
Sie können doch jetzt in dieser Phase nicht neue soziale Leistungen verteilen. Ihre Rechnung stimmt eben nicht.
Ich habe sie doch aufstellen müssen. Die Kommunen im Land Baden-Württemberg haben Ausgaben für die Grundsicherung in Höhe von 100 Millionen €.
Und der Bund erstattet exakt 32 Millionen €. Die Differenz von über 60 Millionen € muss jetzt per Kreisumlage aufgebracht werden. Da können Sie doch nicht mit der verschämten Altersarmut argumentieren. Das ist eine Argumentation,
die sinngemäß wie folgt lautet: „Möglichst viele, die vorher nicht zum Sozialamt gelaufen sind, müssen jetzt hingehen. Das erreichen wir dadurch, dass wir die Unterhaltspflicht der Kinder praktisch wegnehmen, und dann marschieren sie wohl zum Sozialamt.“ Das ist Ihre Kalkulation, und das verstehen Sie unter verschämter Altersarmut.
Das ist nichts anderes als eine Mindestrente. Eine Mindestrente kann man aber gesellschaftspolitisch wie finanziell in einer solchen Situation überhaupt nicht fahren.
Machen Sie deshalb den Weg frei und schließen Sie sich Ihren kommunalen Praktikern an, und verhindern Sie diese Grundsicherung, weil sie unmöglich in die Zeit passt!
Wir müssen wahrscheinlich auch – das gehört auch zur Seriosität – –
Wir stimmen dem Ausführungsgesetz zu – das wissen Sie doch auch –, aber nicht der Grundleistung.
Wir müssen die Leistungsgesetze der letzten Jahre auf den Prüfstand stellen.
Das ist wahrscheinlich die Wahrheit. Die ganzen Verbesserungen – ich nenne das Sozialgesetzbuch IX und das Sozialgesetzbuch XI – können die Landeswohlfahrtsverbände nicht mehr finanzieren. Deshalb sollten wir uns, auch wenn es wehtut,
diese Sozialleistungen der letzten Jahre in aller Ruhe ansehen und abschichten, was wünschenswert, aber nicht mehr leistbar ist, und was letztendlich noch leistbar ist.
Ich möchte zwei, drei Bemerkungen zur Sozialhilfe insgesamt machen. Sie können das Sozialsystem meines Erachtens nicht mehr in der jetzigen Höhe finanzieren. Das geht schon vom System her nicht mehr: Wir haben ein Bedarfsdeckungsprinzip mit Individualanspruch. Sie kommen nicht mehr umhin, zur echten Pauschalierung überzugehen. Die Pauschalierungsmodelle, die wir heute haben, sind viel zu bürokratisch. Nach wie vor gilt das Bedarfsdeckungsprinzip. Das ist nicht mehr leistbar.
Sie kommen auch nicht mehr umhin, die Höhe sozialer Leistungen herunterzuschrauben. Dieser Ausgangssatz, nämlich die Teilhabe am Wohlstand durch Sozialleistungen, ist nicht mehr zu halten. Das ist wahrscheinlich die Wahrheit. Sie müssen sich mehr zur Existenzsicherung hinbewegen.
Ein Drittes: Sie müssen wieder konsequent den Nachrang in der Sozialhilfe herstellen. Eigenverantwortung und Vermögenseinsatz sind oft durchbrochen worden. Das muss wieder rückgängig gemacht werden.
Zu anderen ausgabenintensiven Gesetzen möchte ich nur so viel sagen: Herr Junginger, wenn Sie jetzt sagen, die Ganz
tagsbetreuung sei ein großes Angebot an die Kommunen, dann möchte ich Ihnen sagen: Zum Ersten hat der Bund überhaupt nicht das Geld, das zu finanzieren.
Schauen Sie sich einmal an, wo die Neuverschuldung hingaloppiert. Zum Zweiten: Wenn Sie es auf die Gemeinden herunterbrechen, stellen Sie fest, dass eine Gemeinde pro Schule 100 000 € im Jahr für die Ganztagsbetreuung bekommt. Merken Sie, was das ist?
Das ist nichts anderes als eine Luftnummer, die wesentliche Lasten bei den Kommunen ablädt.
Was zur Bürokratie bzw. zum Bürokratieabbau gesagt worden ist, ist richtig. Ich möchte ausdrücklich sagen: Die Experimentierklausel und das Standortbefreiungsgesetz, die jetzt beim Landesparteitag der CDU beschlossen wurden, sind genau der Weg in die richtige Richtung,
wenngleich wir uns als Parlament davor hüten müssen, dass nicht die Exekutive nachher mehr Rechtsvorschriften außer Kraft setzt. Das wäre an sich Aufgabe der Legislative. Deshalb sollten wir uns in diesem Punkt gut überlegen, wie die Dinge laufen.
Subsidiarität ist richtig. Das Kindergartengesetz, das jetzt verabschiedet wird, ist der Weg in die richtige Richtung. Wir müssen in diesem Bereich auch als Landesgesetzgeber loslassen.
Zum Konnexitätsprinzip ist das Notwendige gesagt worden. Es muss endlich im Bund verankert werden, wie wir es auch in der Landesverfassung haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Baden-Württemberg ist das kommunalfreundlichste Land. Nur deshalb hat dieses Bundesland auch den Erfolg, den wir jetzt nach 50 Jahren bilanzieren konnten.
Andere Gemeinden – die in Nordrhein-Westfalen, die in Niedersachsen oder die im Saarland – wären gottfroh, wenn sie die gleichen Verhältnisse wie wir in Baden-Württemberg hätten.
Deshalb muss uns alle gemeinsam die dramatische Lage der Kommunalhaushalte alarmieren. Wir dürfen – das möchte ich auch selbstkritisch als Landesabgeordneter sagen – die Kommunen nicht mehr wie den kleinen Bruder behandeln, den man zum Bierholen schickt, dem man aber kein Geld mitgibt. Das geht in der Zukunft nicht mehr.
Sie müssen einfach sehen: Die Kommunen sind mittlerweile krank. Sie sind schwer krank, und ich sage Ihnen: Sie leiden an Schwindsucht. Wenn Sie es genau diagnostizieren wollen, merken Sie, dass sie an galoppierender rot-grüner Schwindsucht leiden. Das ist letztendlich die Wahrheit.
Wir müssen die Talfahrt der Kommunalfinanzen stoppen, und wir müssen erkennen, dass die Politik sowohl im Bund als auch im Land auch eine Bremse und einen Rückwärtsgang hat, auch wenn das für uns unangenehm ist. Wir müssen den Rückwärtsgang einlegen, zumal wenn man schon mit zwei Rädern über dem Abgrund hängt, wie das in der Kommunalfinanzverfassung der Fall ist.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Haußmann hat vorhin gesagt, dass ich es in elf Jahren nicht einmal geschafft hätte, eine Jugendhilfeplanung zu veranstalten.
Woher haben Sie denn diese Erkenntnis? Ich will Ihnen sagen: Das ist nachweislich falsch. Der Kreistag von Biberach hat 1995 eine umfassende Jugendhilfeplanung mit eingehenden empirischen Untersuchungen verabschiedet,
die so umfangreich waren wie noch nie in einem ländlichen Raum. In der Folge haben wir unsere Jugendhilfekonzeption umgestellt und haben ambulante Maßnahmen musterhaft wie nirgendwo sonst ausgebaut. Wir haben es damit geschafft, den Anstieg der Ausgaben für die Jugendhilfe weit unter den Durchschnitt des Landes und unter den auf Regierungsbezirksebene zu drücken. Ich schicke Ihnen diese Jugendhilfeplanung.
Dann können Sie sie zur Kenntnis nehmen. Ich darf abschließen: Der Vorwurf der Lüge fällt auf Sie zurück.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtung Opposition bloß ein paar Klarstellungen. Ich habe den Eindruck, dass man sich letztendlich mit Nebensächlichkeiten befasst.
Ich will Ihnen, lieber Herr Oelmayer, einmal sagen, was letztendlich auf der kommunalen Ebene Sache ist. Ich rede hier nicht als Trockenschwimmer, sondern ich rede hier als kommunaler Praktiker.
Jetzt sage ich Ihnen einmal Folgendes: Wo wollen Sie denn mehr Bürgerbeteiligung machen? Sie haben doch gar kein Geld mehr. Das ist doch letztendlich der Punkt.
Natürlich. Passen Sie einmal auf! – Wo wollen Sie denn Bürgerbeteiligung veranstalten? Wir haben zurzeit eine Erosion der kommunalen Finanzen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist Tatsache.
Ich sage Ihnen, woher diese Erosion kommt, damit das politisch klar ist. Die kann ganz klar zugeordnet werden. Wir haben Belastungen auf der Landkreisseite, beginnend mit der unsäglichen Grundsicherung, mit der wir ab 1. Januar beginnen sollen,
millionenschwer. Ein völlig sinnloses ideologisches Gesetz. Das ist die Wahrheit.
Zum Zweiten haben wir die unsinnige Regelung im SGB IX, die jetzt über die Landeswohlfahrtsverbandsumlage auf die Kommunen in einem Umfang wie noch nie herunterregnet.