Max Nagel
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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute mit Teil 2 der Serie „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“.
Ich freue mich aufrichtig, dass ich heute hier wieder vertraute Gesichter von CDU-Innenpolitikern sehe. Einen Teil von Ihnen habe ich bei der Sondersitzung des Innenausschusses vermisst.
Gott sei Dank hat man Sie offensichtlich nur zeitweise ausgesperrt.
Zu Ihren Bemerkungen, Herr Kurz. Ihr Parteifreund, der ehemalige Oberbürgermeister von Stuttgart, Herr Rommel,
hat einmal gesagt: Wenn Sie schon wissentlich Unrichtiges vortragen müssen, dann sollten Sie wenigstens undeutlich sprechen.
Ich habe bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs die Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion vorgetragen. Was hat sich nun seit dieser ersten Lesung getan? Die kommunalen Landesverbände haben sich im Rahmen der Anhörung schriftlich geäußert und all das bestätigt, was ich damals bereits für die SPD-Fraktion vorgetragen habe. Der Landkreistag, der Gemeindetag, der Städtetag: Alle lehnen die geplante Veränderung des Kreistagswahlrechts vehement ab.
Der Gemeindetag führt unter anderem aus – ich zitiere aus der Stellungnahme vom 3. Juli 2003 –:
In der Abwägung der Nachteile und Vorteile der mit dem Gesetzesvorschlag verbundenen Abweichung vom geltenden Wahlsystem gibt der Gemeindetag jedoch der Beibehaltung der starken Persönlichkeitselemente im Kommunalwahlrecht den eindeutigen Vorzug
und spricht sich deshalb ausdrücklich gegen die vorgesehene Gesetzesänderung aus, nicht zuletzt auch deshalb, weil nicht einzuschätzen ist, ob Wählerinnen und Wähler solche Wahlrechtsänderungen akzeptieren oder diese eher geeignet sind, die Wahlmüdigkeit zu verstärken.
Soweit der Gemeindetag.
Der Städtetag führt unter anderem aus – ich zitiere aus dessen Stellungnahme –:
Die durch den Gesetzentwurf bezweckten Änderungsvorhaben, Wahlbewerbern bei Kreistagswahlen Doppelkandidaturen innerhalb desselben Landkreises sowie – als notwendige Folge – Kandidaturen unabhängig von deren Hauptwohnort in beliebig bestimmbaren Wahlkreisen zu ermöglichen, würden zu einer Schwächung der Persönlichkeitswahlelemente zugunsten von Verhältniswahlmechanismen führen. Weder aus der kommunalen Praxis noch aus dem Gesetzentwurf sind Gründe ersichtlich, welche diese Verschiebung notwendig oder gar vorteilhaft erscheinen lassen.
Ich zitiere nun noch aus der Stellungnahme des Landkreistags. Dort wird unter anderem ausgeführt:
Die vorgesehene Option der Mehrfachbewerbung widerspricht dem Prinzip der Persönlichkeitswahl. Bisher konnte sich ein Wähler darauf verlassen, dass ein erfolgreicher Bewerber das Mandat annehmen und ausüben muss. Da nur ein Mandat angenommen werden
kann, müssten sich all diejenigen Wähler getäuscht fühlen, die den Bewerber gewählt haben, der in ihrem Wahlkreis zwar gewählt wurde, das Mandat dann aber nicht ausübt.
Dessen Stimmen sollen nach den Vorstellungen der FDP den anderen Bewerbern der Liste zugute kommen. Es ist zu befürchten, dass derartige Manipulationen am Wahlrecht die Wahlmüdigkeit verstärken....
Aus den dargestellten Gründen bittet der Landkreistag dringend, von dem Gesetzesvorhaben Abstand zu nehmen.
Blattschuss, meine Damen und Herren von der FDP/DVP und von der CDU.
Aber auch wenn man die Presse studiert, kann man Interessantes finden.
Entschuldigen Sie bitte, ich habe noch nicht einmal 10 % der Zitate gebracht, die der Ministerpräsident in einer Rede im Normalfall anführt.
Die „Ludwigsburger Kreiszeitung“ schreibt am 28. Juni 2003 unter der Überschrift „Doppelter Weng“ – gemeint ist Ihr Kollege Weng von der FDP/DVP –:
Das doppelte Lottchen ist seit Erich Kästner eine literarische Gestalt. Doch bald gibt es auch den doppelten Weng. Allerdings als kreispolitische Figur. Weil es den 61-jährigen Gerlinger Apotheker unbedingt in den Kreistag zieht, muss das Wahlrecht vom Landtag geändert werden. Nicht dass der Gerlinger von einer Kandidatur ausgeschlossen wäre – nein, aber in seinem Wahlkreis Gerlingen/Ditzingen hatte die FDP noch nie den Hauch einer Chance.... Wenn nun die CDU/ FDP-Koalition im Landesparlament aber so genannte Doppelkandidaturen zulässt,
dann darf sich Wolfgang Weng einen ihm passenden Wahlkreis aussuchen...
Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt!
Andreas Müller hat in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 8. Juli 2003 einen denkwürdigen Kommentar unter der Überschrift „Schindluder“ geschrieben. Ich zitiere daraus einige Zeilen:
Ist der FDP eigentlich überhaupt nichts mehr peinlich?
Haben die Liberalen gar kein Gespür mehr dafür, was sich gehört und was nicht? Sind die politischen Sitten im Land bereits derart verlottert, dass die Regierungsparteien mit der Demokratie ungehindert Schindluder treiben dürfen?
Dem braucht man eigentlich nichts hinzuzufügen.
Aber jetzt ein Wort an Sie, Herr Innenminister. Lieber Herr Kollege Dr. Schäuble, bei der ersten Lesung haben Sie sich vornehm zurückgehalten und nichts zu dem Gesetzentwurf gesagt.
Heute ersparen wir Ihnen das nicht. Uns interessiert sehr, wie die Landesregierung diesen merk- und denkwürdigen Gesetzentwurf zur Änderung des Kreistagswahlrechts begründet. Man könnte ihn übrigens auch in die Kurzform kleiden: WCEG – Wahlchancenerhöhungsgesetz zugunsten der FDP/DVP.
Herr Minister, Sie haben im Innenausschuss kurz und platt erklärt, man müsse von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs ausgehen und außerdem müsse man halt dem kleinen Koalitionspartner eine Gefälligkeit erweisen. Da sage ich Ihnen, Herr Dr. Schäuble: Hier kann es sich nicht um Gefälligkeitsgeschäfte handeln. Hier soll ein Gesetz zugunsten der FDP/DVP verbogen werden, und dabei dürfen gerade Sie als Innen- und Verfassungsminister nicht mitspielen.
Ein letztes Wort nochmals an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion. Ich will erneut an Sie appellieren: Machen Sie dieses Spiel nicht mit. Ich gebe Ihnen ein Wort von Ringelnatz mit auf den Weg, das ich leicht verändert habe. Es lautet:
Zu so ’nem Antrag hingezerrt ist schon ein schlimmer Stuss. Man fühlt sich wie ins Klo gesperrt, obwohl man gar nicht muss.
Meine Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich nicht ins Klo sperren. Stimmen Sie mit uns den Gesetzentwurf nieder!
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Ich will nur noch einmal kurz auf die Beiträge meiner Vorredner eingehen.
Herr Kollege Theurer hat aus dem heutigen Artikel von Herrn Wehling zitiert. Er hat dabei natürlich nur drei Zeilen von 248 herausgesucht, die ihm passend erscheinen. Ich nehme eine andere Passage, und zwar heißt es da:
Ich bin nicht dazu da, der FDP Ratschläge zu geben. Aber die FDP muss sich schon fragen lassen, ob sie mit solch einem Verhalten ihr inhaltliches Profil in der Regierung schärfen kann.
Konkret: Angesichts einer negativen Berichterstattung über die Wahlrechtsänderung
könnte der langfristige Schaden für die FDP größer als der nun erhoffte Vorteil sein.
Herr Rüeck hat eine Frage gestellt und hat die Landtagswahlen als Vergleich herangezogen. Hier darf ich noch einmal aus der Stellungnahme des Städtetags zitieren. Dort heißt es – ich bin sofort fertig –:
Das Kreistagswahlrecht kennt im Gegensatz zum Landtagswahlrecht keine 5-Prozent-Hürde. Daher können auch Parteien und andere Wahlvorschlagsträger mit Stimmenanteilen, welche deutlich unter 5 % liegen, in den Kreistag einziehen.
Allerletzte Bemerkung zu Herrn Zimmermann: Sie haben die Fluktuation als Grund angeführt, also die Tatsache, dass jemand in eine andere Gemeinde umzieht. Wir können doch aber nichts dafür, das dann, wenn zum Beispiel ein Lehrer und FDP-Mitglied von einer Gemeinde in eine andere wechselt, die Partei vor Ort ca. 60 % ihrer Mitglieder verliert.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf von CDU und FDP/ DVP zur Änderung des Kreistagswahlrechts ist schlicht ein Ärgernis.
Einmal mehr müssen wir uns mit den Auswirkungen eines Kuhhandels zwischen den Regierungsfraktionen befassen.
Diese Geschäfte auf Gegenseitigkeit machen jetzt auch vor bestehenden sinnvollen Gesetzen nicht mehr Halt; sie werden zurechtgebogen.
Sie werden zurechtgebogen und verändert, bis einer der Koalitionspartner daraus Vorteile zieht.
Vor wenigen Wochen haben wir im Rahmen der Zusammenlegung der Kommunalwahlen mit den Europawahlen und der damit verbundenen parlamentarischen Beratung überfallartig eine Veränderung der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg von der CDU präsentiert bekommen: die „Lex Föll“. Damit wurde der Weg dafür frei gemacht, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stuttgarter Gemeinderat, Herr Föll, Finanzbürgermeister werden kann.
Nun haben wir die Gegenrechnung der FDP/DVP vorliegen, die zukünftig von einer Änderung des Kreistagswahlrechts profitieren will.
Es soll nun möglich werden, dass ein Kandidat bzw. eine Kandidatin in zwei Wahlkreisen eines Landkreises kandidiert. Neben der Ärgerlichkeit dieses Vorhabens kommt nun auch noch ein gerüttelt Maß an Peinlichkeit hinzu. Es gab nämlich zunächst einen Gesetzentwurf der Fraktion der FDP/DVP, in dessen Begründung – wohl in einem Anfall von Ehrlichkeit – die Nachteile der gewollten Veränderung aufgezeigt wurden und das Eigeninteresse der FDP/DVP dargestellt wurde.
Ich zitiere aus der Begründung dieses ersten, ursprünglichen Gesetzentwurfs:
Diese Nachteile und die Durchbrechung der Wahlsystematik sollen jedoch hingenommen werden, um zu erreichen, dass insbesondere kleinere Parteien und Wählervereinigungen mit geringeren Bewerberzahlen größere Stimmenzahlen und damit größere Sitzanteile erreichen können.
Eine größere Zahl an Bewerbern lässt sich damit zwar nicht erreichen, aber die Personen, die zu Bewerbungen bereit sind, können einer größeren Zahl von Wählern präsentiert werden.
In der nunmehr vorgelegten geänderten Fassung des Gesetzentwurfs,
in der nun die CDU mit als Antragsteller auftaucht,
ist dieses Eingeständnis einer Vorteilnahme durch die FDP/ DVP nicht mehr vorhanden.
Jetzt spricht man von einer Angleichung an das Landtagswahlrecht, und ich zitiere aus der neuen Begründung:
Diese Regelung hat jedoch den Vorteil, dass beispielsweise Bewerber, deren politischer oder arbeitsmäßiger Lebensmittelpunkt nicht am Wohnort liegt, sich in dem Wahlkreis um ein Mandat bewerben können, in dem sie hauptsächlich aktiv sind.
Meine Damen und Herren, hier werden krampfhaft Begründungen an den Haaren herbeigezogen, um eine „Lex FDP“ zu rechtfertigen.
Sie selbst, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP/ DVP-Fraktion, haben in Ihrer Begründung des eingereichten Gesetzentwurfs aufgeführt, dass mit der geplanten Veränderung der Grundsatz durchbrochen wird, dass die Repräsentation bestimmter Gebietsteile des Landkreises im Kreistag durch die Bildung von Wahlkreisen, das Erfordernis des Wohnens der Bewerber im Wahlkreis und die dementsprechenden Beschränkungen des aktiven Wahlrechts der Wähler auf die Wahlvorschläge ihres Wahlkreises gewährleistet werden soll.
Nun zitiere ich nochmals wörtlich aus Ihrer Begründung:
Mit der vorgesehenen Änderung verschiebt sich das dem bisherigen Kreistagswahlrecht wie dem gesamten baden-württembergischen Kommunalwahlrecht zugrunde liegende Verhältnis von Persönlichkeitswahl und Verhältniswahl zulasten der Persönlichkeitswahl...
Weiter sagen Sie:
... bei Bewerbungen in zwei Wahlkreisen können die Wähler nicht mehr davon ausgehen, dass ihre – möglicherweise kumulierte und panaschierte – Stimmabgabe für einen bestimmten Kandidaten im Wahlkreis tatsächlich zum Zuge kommt.
Meine Damen und Herren, durch die von Ihnen gewollte Möglichkeit zur Kandidatur in zwei Wahlkreisen werden die Wähler getäuscht und gewollte Wahlentscheidungen verfälscht.
Lassen Sie mich kurz noch einige Sätze sagen, dann bin ich gerne bereit. Herr Theurer hat sich gemeldet, und an ihn will ich mich jetzt auch wenden.
Ich will es jetzt nämlich noch einmal anhand eines Beispiels erläutern, und das ist natürlich immer leichter, wenn man es mit Namen versieht. Beispiel: Der Herr Oberbürgermeister von Horb, Herr Theurer, kandidiert in zwei Wahlkreisen. Weil er bekannt ist, wird er in beiden Wahlkreisen gewählt.
Nun kann er aber nur ein Mandat annehmen. Das heißt, die Stimmenzahl wird nun gewichtet, und Herr Theurer tritt
sein Mandat in einem der Wahlkreise an. In dem anderen sagt er: „Tschüss!“, und plötzlich taucht Frau Fauser auf und sagt: „Huhu, ich bin die Nachrückerin!“
Dies, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, fördert nicht die Teilhabe der Menschen an der Politik.
Dies führt zu Verdrossenheit.
Deshalb das Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP/DVP:
Wenn Sie nicht genügend Menschen finden, die bereit sind, für Ihre Politik einzutreten und zu kandidieren, und wenn Ihre Politik Ihrer Meinung nach nicht von genügend Menschen auf dem Stimmzettel honoriert wird, dann rate ich Ihnen: Ändern Sie doch bitte Ihre Politik und nicht die bestehenden Wahlgesetze.
In Teil C des Vorblatts Ihres Gesetzentwurfs – Alternativen – heißt es:
„Beibehaltung des Wahlsystems.“ Diese Alternative empfehlen wir. Die SPD-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Wahlchancen der FDP/DVP ab,
und ich hoffe – nach dem, was ich heute in der „Stuttgarter Zeitung“ gelesen habe –, dass der versammelte Sachverstand, den es auch bei der CDU ab und zu gibt, uns hier beispringt und dass die CDU diesen Gesetzentwurf ebenfalls ablehnt.
Zur ersten Frage: Es ist schon ein Unterschied, denn damals betraf es das Ergebnis in Ihrem eigenen Wahlkreis.
Zweitens führt das jetzt dazu, dass, wenn Sie in zwei Wahlkreisen gewählt werden – das habe ich ja zu erklären versucht –, dann eben nicht mehr der Wähler entscheidet. Er entscheidet nämlich definitiv nur in einem einzigen Wahlkreis,
dort, wo Sie Ihr Mandat antreten, und im anderen Wahlkreis werden Sie gewählt, aber ein anderer rückt nach. Das ist das Beispiel.
Ich gestatte Frau Fauser eine Nachfrage.
Entschuldigen Sie bitte! Sie müssen, Frau Fauser, schon unterscheiden zwischen dem Bundestagswahlrecht und dem bis jetzt bestehenden Kreistagswahlrecht. Das dürfen Sie nicht miteinander vermischen.
Herr Minister, zum Thema „Fremdfirmen und Sicherheit“: Ist Ihnen bekannt, ob es zutrifft, dass bei einem Mannheimer Reinigungsunternehmen, das bei der WAK tätig war, auch Insassen der Justizvollzugsanstalt Mannheim beschäftigt waren?