Rudolf Hausmann
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange einfach mit dem Kollegen Rüeck an.
An dem letzten Gedanken, den er geäußert hat, kann man vielleicht den Unterschied zwischen der Politik des Bundes und der des Landes deutlich machen. Sie sprachen davon,
die Revisionsklausel sei nicht geregelt. Ausgerechnet dies ist im Gesetz zu Hartz aber geregelt: Nach drei Monaten tritt eine Revisionsklausel in Kraft, wonach rückwirkend erstattet wird, wenn die Gelder, die an die Länder und die Kommunen gehen, nicht stimmen. Das erfolgt im Übrigen im Unterschied zu der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg, bei der sämtliche Risiken ohne Revisionsklausel und ohne Möglichkeit der Rücknahme irgendwelcher Veränderungen zulasten der Kommunen übertragen werden. Dort wird das in keiner Weise korrigiert. Das ist ein deutlicher Unterschied.
Herr Rüeck, Sie sagen, die CDU stehe voll und ganz hinter Hartz. Ich höre dies gerne aus Ihrem Munde. Gestatten Sie mir trotzdem, zu sagen, dass mir – nicht gegenüber Ihnen persönlich – etwas der Glaube fehlt. Mir fehlt nämlich deswegen der Glaube, weil die ganze zeitliche Enge bei der Umsetzung von Hartz natürlich damit zu tun hatte, dass wir erst ganz spät zu einem Kompromiss gekommen sind, weil es auf Bundesebene eine starke Blockadehaltung auch von Ihrer Fraktion gab und weil anschließend viele Berufene aus CDU, CSU und FDP öffentlich das infrage gestellt haben, welche Kröte sie uns als Kompromiss zu schlucken gegeben haben.
Sie haben sich dabei unglaubwürdig und nicht verbindlich im Sinne eines Kompromisses verhalten. Das führt natürlich zu Verunsicherung, und die besteht teilweise. Wenn sich etwas dramatisch verändert – und Hartz IV ist eine dramatische Veränderung –, führt das bei den Menschen zu Ängsten. Wenn Sie zustimmen, muss das auch bedeuten, dass Sie dies konstruktiv und solidarisch begleiten und das notwendige Zusammenwachsen zwischen den verschiedenen Kulturen – also Kommunen auf der einen Seite und Arbeitsagentur auf der anderen Seite – sorgsam begleiten, weil das nie reibungslos funktionieren kann.
Frau Ministerin, wir werden dem Ausführungsgesetz zustimmen. In dem Gesetz steht im Prinzip nichts Neues, sondern darin werden lediglich die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Landkreise Aufgaben von Hartz IV an die kreisangehörigen Kommunen delegieren können. Dazu wird es Zustimmung von uns geben.
Keine Zustimmung gibt es von uns – das ist nicht Gegenstand der Gesetzesvorlage, aber es war Gegenstand Ihrer Rede – zu dem ganzen Teil, der die Finanzierung anbelangt. Ich erinnere mich an die vielen Debatten in den Kreistagen, in den Kommunalparlamenten, in denen gefordert wurde, dass entsprechend dem Konnexitätsprinzip derjenige, der bestellt, auch bezahlen muss und dass derjenige, der neue Aufgaben delegiert, das Geld dafür zur Verfügung stellen muss. Der Bund hat Verantwortung übernommen. Er hat in mühsamen Verhandlungen mit der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, mit den Verantwortlichen der Kommunen, mit den kommunalen Verbänden einen Kompromiss zum Ausgleich der zusätzlichen Belastung ausgehandelt und stellt 3,5 Milliarden € zur Verfügung, sodass kein Land in irgendeiner Form durch die Umsetzung von Hartz IV benachteiligt sein kann.
Jetzt haben wir folgendes Problem: Jetzt gucken wir in die Haushaltsvorlage, die Sie uns vorgelegt haben, und stellen fest, dass Sie den übergroßen Anteil dessen, was als Entlastung für die Kommunen gedacht war, zur Sanierung des Landeshaushalts einbehalten und nicht an die Kommunen weitergeben.
Wir sagen: Das ist nicht korrekt.
Herr Rüeck, wenn Sie die starke Verantwortung der Kommunen und die Basisnähe ansprechen, will ich Ihnen sagen: Basisnah findet Arbeit statt, findet soziales, demokratisches Lernen in der Kommune statt. Aber die Kommune braucht dafür auch Verfügungsmasse,
damit sie überhaupt handlungsfähig sein kann. Dieses Geld, das zur Entlastung gedacht war, wegzunehmen ist nicht richtig, ist eine falsche Politik, die alles konterkariert, was Sie in Sonntagsreden von sich geben.
Lassen Sie mich zum Schluss noch folgenden Gedanken ausführen: Wir haben uns in Baden-Württemberg wirklich dramatische Zukunftsaufgaben vorzunehmen. Wir haben uns Aufgaben in der Sprachförderung vorzunehmen; in dieser Aussage sind wir uns alle einig. Wir haben dramatische Aufgaben beim Ausbau der Kinderbetreuung und beim Ausbau der Ganztagsschulen vor uns; das alles wissen Sie. Wir haben in Baden-Württemberg die Situation, dass die Arbeitslosigkeit der Älteren dramatisch steigt – übrigens schon sehr lange; der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist im Vergleich zum Vorjahresmonat um 15 % angestiegen.
Gleichzeitig stellen wir fest, dass das Land in diesem Jahr den Kommunen Hunderte von Millionen kürzt, und wir erleben gerade in den Kreistagen die Debatte über die Kreisumlage, die ja nichts anderes ist als der Ausgleich für die Mittel, die Sie den Kommunen vorenthalten bzw. wegnehmen.
Gleichzeitig erleben wir, dass Sie die Kommunen strangulieren, sodass diese nicht in der Lage sind, ihre Zukunftsaufgaben ordentlich umzusetzen. Sie haben dazu keine Chance, weil sie die notwendige Verfügungsmasse nicht zur Verfügung haben. Da kann ich natürlich in Sonntagsreden laut das Loblied auf die Kommune singen und vom Konnexitätsprinzip reden.
Wenn ich aber in der Praxis den Kommunen nicht die notwendige Verfügungsmasse zur Verfügung stelle – und Sie machen das gerade konsequent nicht; Sie machen konsequent das Gegenteil –, dann ist dafür von uns überhaupt
keine Zustimmung zu erwarten. Ganz im Gegenteil: Wir fordern Sie auf, Ihre Position beim Thema „Weitergabe der Gelder“ zurückzunehmen und den Kommunen das zu geben, was ihnen auch zusteht.
Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hofer hat sich verabschiedet mit den Worten „viel gesprochen, viel geschrieben“. Man muss jedoch hinzufügen: aber wenig oder fast nichts getan in diesem Bereich. Das ist unser Problem.
Und wenn Herr Hofer und Frau Stolz auf Zahlen verweisen, die vor einem Jahr in der Antwort standen, dann sind sie beim Wirtschaftswachstum von der Annahme der Prognos AG von 2,9 % ausgegangen.
Sie sind ausgegangen von einem Wirtschaftswachstum der Eurozone zwischen 1,5 und 3 %, und sie sind ausgegangen von einem US-Wirtschaftswachstum zwischen 1,5 und 3 %. Und dann stellen Sie sich hier hin und sagen, wegen der schlechten Politik der Bundesregierung sei das alles nicht eingetroffen. Sie wissen, dass Sie das selber nicht glauben. Das ist nicht seriös, das ist unmöglich, was Sie hier machen.
Wenn man versucht, Verantwortung dahin zu tun, wo sie hingehört, dann muss man das auch korrekt machen. Dann nehmen wir die Verantwortung auf. Wir diskutieren hier in Baden-Württemberg. Dann schauen wir uns mal die Arbeitslosenzahlen und die Entwicklung in Baden-Württemberg an. Gestern oder heute kam die neueste Zahl heraus. Schlimm genug: bundesweit ein Zuwachs im Vergleich zum Vorjahresmonat von 11,7 %, in Baden-Württemberg von 19,2 %.
Sie können das rückverfolgen. Ich habe die Zahlen jedes Monats dabei, vom April 2002 bis April 2003. Sie haben den doppelten Zuwachs.
Also wenn Sie da nur noch schreien, dann kann ich Ihnen sagen: Die Dinosaurier waren sich ihrer Macht bewusst und sind trotzdem eingegangen, weil sie die notwendigen Vorkehrungen nicht treffen konnten. Ich habe gedacht, Sie wären gescheiter.
Wenn man dann die baden-württembergische Verantwortung anguckt, dann erinnere ich mich an die Debatte, die wir vor einem knappen Jahr hatten. Ich weiß noch, dass wir kritisiert haben, dass die Verteilung der ESF-Mittel so uneffektiv stattfindet: einmal auf der Kreisebene beim Sozialministerium und einmal auf der Regionalebene beim Wirtschaftsministerium. Sie haben das Problem auf Ihre Art und Weise gelöst: Sie haben die Förderung auf null gestellt. Damit sind wir zumindest von der Erledigung dieses Problems erlöst. Ich will Ihnen aber sagen: Sie haben genau in dem
Bereich, wo der Hochtechnologiestandort Baden-Württemberg Probleme produziert, nämlich bei Unqualifizierten, bei Jugendlichen, bei Langzeitarbeitslosen, bei Älteren, die Programme auf null gefahren. Das ist Ihnen anzulasten, das ist Ihre Verantwortung, und das ist für den Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg verantwortungslos.
Ich kann das fortsetzen. Sie müssen ja schon würgen, wenn Sie die 500 Millionen € für den Ausbau der Ganztagsschulen oder der Ganztagsbetreuung in Baden-Württemberg annehmen, um überhaupt einmal die Zugangshindernisse auf dem Arbeitsmarkt Baden-Württembergs zu beseitigen. Herr Mehrländer hat die ganzen Verbände – DGB usw. – zitiert. Jawohl, die wollen, dass die Frauen schaffen. Das Problem ist, dass die, die an der Regierung sind, bremsen und die notwendigen Schritte zur Ganztagsbetreuung und zu Ganztagsschulen nicht machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP/ DVP – Herr Präsident, ich bin gleich am Ende –, Sie sagen, wenn wir genügend Ausländer und Frauen auf den Arbeitsmarkt kriegten, dann schafften wir es auch über 2010 hinaus. Heute haben wir die Debatte im Bundestag gehabt. Die CDU war gegen die Beschlüsse, das Zuwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. Die FDP hat sich bei der ganzen Debatte wieder mit höchster Konsequenz enthalten. Das ist Ihr Beitrag zu konkreten Schritten, auch hier in Baden-Württemberg voranzukommen. Sie haben dort, wo Sie gefordert sind, versagt. Wir versuchen, zumindest die Rahmenbedingungen – Stichworte Hartz und Agenda 2010, größte Investitionsoffensive in Deutschland – voranzubringen. Es wäre ganz gut, wenn Sie dabei mitmachen würden.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Erste, was mir aufgefallen war und den gleichen Eindruck hatte ich bei Herrn Birk , ist: Herr Noll war heute früh gedopt. Man müsste ernsthaft überlegen, ob das Präsidium nicht einmal überprüfen sollte
Aber eine Erkenntnis haben wir aus seiner Rede ja gewonnen: Doping führt nicht automatisch zu guten Leistungen, Herr Noll. Das haben Sie heute demonstriert.
Ich möchte ein paar Vorbemerkungen machen.
Herr Noll fragte in die Runde: Haben Sie denn das HartzPapier gelesen?
Also, ein paar in dieser Runde haben es wahrscheinlich schon gelesen. Aber, Herr Noll, spätestens seit gestern, seit der PISA-Debatte wissen wir, dass Lesen und Verstehen in Deutschland ein Problem sind offensichtlich auch in Ihrer Fraktion. Denn Ihr Beitrag hat nicht von großer Kenntnis dieses Papiers gezeugt.
Denn sonst hätten Sie dazu anders geredet.
Letzte Vorbemerkung, bevor ich mit meinem eigentlichen Beitrag beginnen möchte:
Wer dann noch den Wirtschaftsminister Baden-Württembergs als leuchtendes Beispiel dafür zitiert, dass sich im
Land ausgerechnet zum Thema Arbeitslosigkeit etwas bewegt der Wirtschaftsminister, der mit Ihrer Mehrheit die Verantwortung dafür hat, dass die zwei Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, nämlich das Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit und das Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, dass die wenigen Programme, die wir in Baden-Württemberg hatten, in vier Jahren um 80 % gekürzt wurden , und behauptet, ein solcher Minister sei ein Vorbild, der hat wirklich andere Vorstellungen von Arbeitsmarktpolitik als wir.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zu drei Punkten etwas sagen:
Erstens noch einmal eine grundsätzliche Überlegung: Sie sprachen von Wahlkampfspektakel, aber Sie haben es heute wirklich produziert. Worum geht es in der Diskussion denn eigentlich? Ich lasse einmal die ökonomischen Nebeneffekte weg. Es geht doch darum, dass die Arbeitslosigkeit zu Perspektivlosigkeit für Menschen führt, die nicht wissen, was sie langfristig machen sollen.
Wir wissen aber auch, dass Arbeitslosigkeit Ängste vermittelt, und zwar für die, die im Arbeitsprozess drin sind, aber Angst haben, herauszufliegen. Das bedeutet, dass wir uns ganz seriös und ernsthaft überlegen müssen, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um den Menschen Mut zu machen, damit sie Vertrauen entwickeln können und wieder Perspektiven bekommen. Dazu sage ich Ihnen: Wir haben ja einen 16-jährigen Großversuch von Ihnen erlebt, von CDU und FDP,
und da hatten wir das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen 16 Jahre lang in einer Hochkonjunkturphase eine Steigerung der Arbeitslosigkeit wie bei einem Naturgesetz. In einer Hochkonjunkturphase! Das ist Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren, und deshalb sehe ich überhaupt keinen Grund dafür, dass Sie mit einer unglaublichen Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit hier meinen, alles besser zu wissen und uns kritisieren zu können. Ich verstehe das nicht.
Wir haben versucht, mit unserer Politik in den dreidreiviertel Jahren, die seit der Regierungsübernahme in Berlin jetzt vergangen sind, einen Paradigmenwechsel in der Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hinzubekommen: aktive Arbeitsmarktpolitik, Jobrotation, Mainzer Modell, MozartProjekte, sofortige Schulung da muss man nicht ein Jahr arbeitslos sein, wie es in der Zeit Ihrer Regierung noch erforderlich war und etliche andere Maßnahmen.
Jetzt sage ich Ihnen eines: Wenn diese Maßnahmen im Ergebnis zu einem Erfolg bei der Bekämpfung der strukturell verfestigten Arbeitslosigkeit führen, nämlich zu einem dra
matischen Rückgang bei Langzeitarbeitslosen, bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei Schwerbehinderten
und auch JUMP-Programm bei Jugendlichen, dann ist das der Teil, bei dem wir sagen: Unsere Arbeitsmarktpolitik war erfolgreich.
Wenn wir zum anderen auch sagen, wir hätten uns vorgestellt, die Arbeitslosigkeit deutlicher senken zu können die Höhe der Arbeitslosigkeit, fast 4 Millionen Arbeitslose, gefällt uns überhaupt nicht; das ist für uns kein Ruhmesblatt, das behaupten wir nicht , dann will ich Ihnen eines sagen: Wir haben eine Menge Maßnahmen entwickelt. Wir haben versucht, etwas zu bewegen,
und haben auch etwas bewegt und haben vielen Menschen Perspektiven vermittelt. Das ist etwas, was Sie vorher überhaupt nicht gemacht haben.
Wenn man dann erkennt wir haben dies relativ frühzeitig erkannt, verglichen mit den 16 Jahren, in denen Sie regiert haben , dass diese Maßnahmen nicht genügen uns zumindest nicht , um die Arbeitslosigkeit mit der notwendigen Geschwindigkeit, Effektivität und Effizienz zu bekämpfen, dann lässt man sich etwas Neues einfallen. Dann muss man zu unkonventionellen Maßnahmen greifen. Das sage ich Ihnen.
Wer das nicht macht, arbeitet verantwortungslos, und wer es macht wie es zum Beispiel bei der Einsetzung der Hartz-Kommission der Fall ist , der betreibt eine verantwortungsvolle Politik das sage ich Ihnen , und die machen wir mit dieser Maßnahme.
Jetzt will ich Ihnen, Herr Noll, ein paar Takte sagen: Entweder haben Sie es nicht gelesen oder nicht verstanden oder wieder vergessen.
Herr Birk, ein paar Punkte zur Hartz-Kommission mein zweiter Teil :
Erster Punkt: Schnelle Vermittlung. Also, ich weiß nicht, ob Sie das wissen:
40 % aller, die arbeitslos werden, werden innerhalb von drei Monaten wieder in Arbeit vermittelt.
Herr Wieser, ich weiß nicht, ob Sie es gewusst haben. Ich frage Sie: Ist es eine kluge Maßnahme, zu sagen: Wir
wollen es zur Pflicht machen, sich ab dem Tag der Kündigung beim Arbeitsamt zu melden?
Ist es eine kluge Maßnahme, zu sagen: Und dann muss der Arbeitgeber für Vorstellungen freistellen? Und ist es eine kluge Maßnahme, zu sagen: Die Vermittlung beginnt am ersten Tag der Kündigung? Wenn Sie da zustimmen, ist es prima. Wir behaupten, das ist eine richtige Maßnahme, und deshalb werden wir diesen Vorschlag auch unterstützen.
Ein weiterer Punkt: Ist es nicht richtig, den Verschiebebahnhof zwischen Arbeitsämtern und Sozialämtern von Ihnen geerbt zu beenden? Ich frage Sie: Ist es richtig, diesen Verschiebebahnhof zu beenden
und zu sagen, wir brauchen Jobcenter, wir brauchen die Leistung aus einer Hand, wir müssen sie auch Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern anbieten, die vorher gar keine Arbeitslosenunterstützung, also BA-Unterstützung, in Anspruch nehmen konnten? Wir müssen denen eine qualitativ gute Arbeit anbieten. Ist das richtig oder falsch? Wir meinen, das ist richtig und eine gute Aktion.
Herr Birk und Herr Noll, jetzt passen Sie auf! Also, wenn Sie meinen, wir machten mit dieser Personalserviceagentur etwas, was Sie früher schon lange eingefordert haben, will ich Ihnen einmal sehr deutlich und unmissverständlich den Unterschied erklären zwischen dem, was wir auf den Weg zu bringen versuchen, und dem, was Sie auf den Weg zu bringen versucht haben. Das Gleiche gilt nachher übrigens für die Ich-AG.
Sie wollen und Sie haben das in Ihrer Regierungszeit demonstriert Arbeitnehmerrechte abbauen, Sie haben dereguliert,
Sie haben aus sicheren Arbeitsplätzen wackelige Arbeitsplätze gemacht und haben die Leute in ihrer Situation verunsichert.
Wir dagegen sagen: Die Leute, die arbeitslos sind und nicht sofort auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können,
bekommen über die PSAs, die Personalserviceagenturen, die Chance, hineinzugehen. Wir vermitteln Chancen, Sie aber haben Ängste vermittelt und Unsicherheit erzeugt. Das ist der Unterschied.
Deshalb ist auch der dritte Punkt richtig, zu sagen: Wir brauchen abgesicherte Leiharbeit, damit die Leute eine vernünftige Perspektive bekommen und die Unternehmen damit umgehen können.
Herr Birk und Herr Noll, nun zu diesem Märchen der Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit. Lassen Sie sich einfach sagen: Was Sie mit der Scheinselbstständigkeit gemacht haben, das bestand darin, Leute aus sicheren Arbeitsverhältnissen herauszuholen. Da hat die Frau an der Theke praktisch beim Zapfer Bier eingekauft und hat es am Tisch Nummer 1 wieder verkauft, und der Paketzusteller bei UPS oder bei Hermes ist auf die Straße geschmissen worden und arbeitete als Selbstständiger mit weniger Rechten und weniger Verdienst und mehr Unsicherheit weiter. Das war Ihr Konzept.
Jetzt komme ich zu unserem Konzept, und das heißt: Es gibt die Chance, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen: mit einer Pauschalversteuerung, mit einer Sozialversicherung,
mit einer nur teilweisen Anrechnung des Arbeitslosengeldes, um sich selbstständig zu machen und eine echte Perspektive aufzubauen.
Dadurch kann man aus einer miesen Situation eine gute machen. Sie aber haben aus einer guten Situation eine miese gemacht, und deshalb ist auch dieser Punkt, den wir da fordern, genau richtig.
Lassen Sie mich bloß noch als Überschrift sagen: Was haben Sie denn gegen Entbürokratisierung? Sie führen diesen Begriff doch laufend im Mund!
Was spricht denn dagegen, zu sagen: Wir entlasten die Bundesanstalt und die Menschen, die dort arbeiten, von der notwendigen Verwaltungsarbeit
und geben ihnen möglichst viel Zeit, um tatsächlich die Vermittlungsarbeit zu betreiben und den Menschen Perspektiven zu vermitteln?
Was haben Sie denn dagegen? Das ist doch eine gute Maßnahme, die die Hartz-Kommission da vorschlägt.
Nein, Sie haben Wahlkampfspektakel gesagt. Erzählen Sie doch nichts. Das ist eine gute Maßnahme. Man wundert sich manchmal wirklich, wie Sie in der Lage sind, im Wahlkampf Dinge zu verdrehen.
Zumutbarkeitsregelung: Wir haben heute im Arbeitsförderungsgesetz jetzt heißt es ja Sozialgesetzbuch keine differenzierte Zumutbarkeitsregelung. Was spricht denn dagegen, zu sagen: Einem jungen Menschen, der frisch von der Ausbildung kommt, der familiär ungebunden ist, ist etwas anderes zuzumuten als dem Familienvater oder der Familienmutter mit 35 oder 40 Jahren, denen weniger zuzumuten ist?
Prima! Sie applaudieren. Das ist eine gute Sache. Also! Auch Herr Wieser stimmt zu. Prima!
Entschuldigung, Herr Wieser und Herr Noll, Sie verstehen unter Zumutbarkeit etwas völlig anderes. Wenn jemand gut gesättigt und mit Abgeordnetendiäten versorgt hier sitzt und selbst von Zumutbarkeit redet in einer Dimension, die wir nicht meinen , dann, sagen wir, ist das eine andere Politik. Wir meinen nicht die Zumutbarkeit, nach der mit den Menschen alles gemacht werden kann und sie ökonomischen Interessen grundsätzlich untergeordnet werden.
Wir meinen, die Menschen müssen eine Perspektive bekommen und auch in eine Verantwortung genommen werden, die ihnen zugemutet werden kann, und nicht mehr.
Herr Noll, ich war vor kurzem auf einer Veranstaltung. Auf dieser Veranstaltung hat der Bezirksleiter der IG Metall gesprochen und dabei ein schönes Bild verwendet. Dieses Bild trage ich Ihnen jetzt vor:
Es gibt auf der Welt eine Schlangenart, die Boa constrictor,
die in der Lage ist, ein ganzes Schwein zu fressen. Am Stück!
Ihr Problem besteht darin, dass sie anschließend in einen agonieähnlichen Zustand verfällt. Jetzt sage ich Ihnen, Herr Birk und liebe FDPler und CDUler hier im Raum: Wenn wir Ihnen am 22. September die Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik überlassen würden, dann gute Nacht um sechs! Dann haben wir die Agoniezustände, dann erleben wir die Boa constrictor live miteinander, und das müssen wir verhindern.
Noch haben wir ich komme zum Ende in Deutschland den Zustand,
dass durch Grußworte mehr Zeit kaputtgeht als durch Streiktage.
Ich hoffe, das bleibt so. Dafür müssen und werden wir etwas tun. Wir werden keine Probleme verschieben, wie Sie es 16 Jahre lang gemacht haben, sondern wir werden die Probleme anpacken, wir werden Lösungen finden, und zwar mit den Menschen und nicht gegen die Menschen.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herrn Schuhmacher hier am Podium in der Rolle des Provokateurs zu erleben, ist auch eine Seltenheit. Ich habe ihn normalerweise immer als sachlichen Menschen erlebt.
Aber wenn Sie so an der Realität vorbeigehen, wenn Sie, Herr Schuhmacher, ignorieren, dass sich ausgerechnet auch die Erwerbsquote bei 50- bis 65-Jährigen in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder positiv entwickelt, wenn Sie daran vorbeigehen, dass wir bei 50- bis 65-Jährigen einen Abbau der Arbeitslosigkeit um einen zweistelligen Prozentbereich haben in Baden-Württemberg und bundesweit ,
und sich dann alte Zustände zurückwünschen, dann sage ich: Gute Nacht. Da haben wir etwas andere Vorstellungen. Ich glaube auch, dass die Leute das merken werden.
Meine Damen und Herren, der Antrag der FDP/DVP ist mit Qualifizierungspotenzial älterer Arbeitnehmer überschrieben. Herr Hofer hat rhetorisch fast in meinem Sinn Stellung genommen ich unterstreiche: rhetorisch. Wenn man hier ins Plenum schaut, stellt man fest: 45-Jährige, 50Jährige, 55-Jährige. Die 50-Jährigen dürfen Minister werden oder werden Minister, werden Ministerpräsidenten, auf Bundesebene Bundeskanzler. Das ist also kein Malus. Aber wehe dem, der mit 45 oder 48 oder 52 oder 56 im normalen Arbeitsleben arbeitslos wird. Der hat ganz große Schwierigkeiten, den Einstieg wieder zu finden. Das ist der eigentliche Skandal, der sich in unserer Gesellschaft abspielt, bei dem wir anknüpfen und Lösungen finden müssen.
Meine Damen und Herren, wenn wir beim Qualifikationspotenzial sind ich will Ihnen bloß ein Beispiel sagen , haben wir doch mit Erstaunen alle übrigens, auch diejenigen, die den Älteren schon ganz viel zugetraut haben festgestellt: Mensch, in Sachen EDV, wo wir noch vor zehn Jahren gedacht haben: Oh, die ältere Generation schafft den Einstieg nicht, haben wir die höchsten Zuwachsraten im Internetsurfen, beim Internetzugang, beim Sich-schlau-Machen machen mit EDV ausgerechnet bei den Älteren, auch bei denen, die bereits in Rente sind.
Das drückt aus, dass die Älteren bei uns ein sehr hohes Qualifikationspotenzial in persona mitbringen, sogar so viel, meine Damen und Herren Herr Schuhmacher und Herr Hofer, hören Sie zu! , dass sie auch begreifen,
dass die Zerschlagung von Kündigungsschutz überhaupt keinen einzigen Arbeitsplatz für ältere Arbeitnehmer bringt, sondern dass da in unserem Land konkrete Maßnahmen passieren müssen.
Für uns ist die Frage: Wollen und können wir es uns leisten, dass wir tatsächlich eine sehr niedrige Erwerbsquote bei den 50- bis 65-Jährigen haben? Rhetorisch gibt es dabei wieder große Übereinstimmung.
Ich sage einmal: Unter dem menschlichen Aspekt ist es ein Unding, dass Leute, die eigentlich ihre Persönlichkeit im Arbeitsleben entwickeln, die stark werden durch ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrungsqualifikationen, die morgens schon hören, dass mittags die Maschine kaputtgeht und deswegen eigentlich für einen Unternehmer einen unschätzbaren Wert haben, im Prinzip durch eine Generation,
die frisch und innovativ ausgebildet ist, in unserer Gesellschaft abgelöst werden. Die fröhlichsten Urständ sind in Ihrer Zeit gefeiert worden. Ich will dies ausdrücklich sagen.
In Ihrer Zeit haben wir die Frühverrentung eingeführt, und da haben wir ordentlich Geld in die Hand genommen, um die Leute frühzeitig rauszuschicken. Das war menschlich nicht okay, und das war ökonomisch unsinnig.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns das ökonomisch anschauen, komme ich zum Ergebnis: Kein Unternehmen kann es sich leisten, auf ältere Arbeitnehmer zu verzichten im Prinzip heute schon gar nicht und in Zukunft schon zweimal nicht, weil die demographische Entwicklung dahin gehen wird, dass wir einfach Arbeitskräfte suchen werden. Baden-Württemberg ist da mit Fachkräftemangel bereits heute weit vorn dran. Die Unternehmen werden die Fachkräfte bei den Älteren suchen müssen.
Der Staat wird es nicht aushalten, weil er nicht die Transferleistungen schaffen wird für Leute, die eigentlich arbeitsfähig sind und auf dem Arbeitsmarkt ihre Leistungen einbringen könnten. Auch die Sozialversicherungssysteme können es sich überhaupt nicht leisten, dass diese Politik weiter betrieben wird.
Daher ist bereits ordentlich eingelenkt worden dazu sage ich gleich etwas und muss etwas getan werden.
Sie üben sich leider nur in der Rhetorik. Ich sage auch dazu gleich noch etwas. Sie üben sich leider nur in Rhetorik, obwohl ich Ihnen in der Rhetorik zum Teil ja noch zustimme.
Was brauchen wir? Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive, und zwar einmal gedacht als kurzfristige und einmal gedacht als langfristige Qualifizierungsoffensive, als das, was wir als lebenslanges Lernen verstehen.
Wir brauchen kurzfristig Maßnahmen in den Betrieben, dass kurzfristig Weiterbildungen stattfinden, dass wir auch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik die Maßnahmen durchführen, die verhindern, dass ältere Arbeitslose überhaupt abstürzen in die Arbeitslosigkeit, also Präventivmaßnahmen.
Und wir brauchen auf allen Ebenen endlich den Paradigmenwechsel, also den Wechsel im Kopf, dass das Menschen sind, die wir fordern müssen.
Es kann nicht sein, dass man bei uns durchschnittlich mit 59 in Rente geht, unter 60 Jahren. Wir brauchen Leute, die mit 65 gesund in Rente gehen können, aber auch mit aller Anerkennung, die sie entsprechend verdient haben.
Jetzt will ich Ihnen sagen: Auf der Bundesebene hat sich in Sachen aktiver Arbeitsmarktpolitik jede Menge getan. Sie haben selbst zitiert: 50 plus die können es. Das ist natürlich eine Aktion des Bundes, die auf Landesebene umgesetzt wird, aktive Politik der Arbeitsämter, für die wir ja die politischen Rahmenbedingungen geschaffen haben.
Wir haben inzwischen die Situation das wissen Sie , dass wir in Klein- und Mittelbetrieben für über 50-Jährige Qualifizierungsmaßnahmen durchführen, die von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlt werden, meine Damen und Herren. Das mögen Sie vielleicht nicht hören, aber so ist es. Wir haben die Situation, dass der Personalersatz für die kleinen Unternehmen teilweise bis zu 100 % übernommen wird, da sie sich das sonst nicht leisten können. Das passiert zurzeit.
Dann haben wir, Herr Hofer, das Thema Jobrotation, bei dem wir Leuten endlich wieder die Chance geben können, von der Arbeitslosigkeit ins Erwerbsleben hineinzuschmecken. Dem Unternehmer geben wir damit die Chance, festzustellen, ob der Mann oder die Frau tatsächlich etwas kann. Damit eröffnen wir den Betroffenen Lebensperspektiven.
Jetzt sage ich Ihnen etwas zum Resümee, denn alle Rhetorik nützt ja nichts, wenn man nicht konkret die Taten anschaut. Das Resümee steht in Ihrer Stellungnahme, aber ich gehe noch etwas weiter zurück. Ende September 1998 begann unsere Regierungsverantwortung in Deutschland.
Bis September 2001 ich habe einmal diesen Dreijahresabschnitt gegriffen gab es einen Rückgang der Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Baden-Württemberg um 27,1 %.
Ich sage Ihnen: Die Zahlen, die in Baden-Württemberg so toll sind, waren in der Regierungszeit von Helmut Kohl, als auf Bundesebene die CDU/CSU mit der FDP regierte, anders: Damals gab es im entsprechenden Dreijahresabschnitt ein Anwachsen der Zahl von Erwerbslosen bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um 14,1 % in einer
Hochkonjunkturphase für Baden-Württemberg und für Deutschland.
Die statistische Quelle ist die gleiche, die das Sozialministerium in seiner Stellungnahme verwendet. Diese Zahlen drücken aus, dass Sie sich nur in Rhetorik üben, aber bisher nicht ernsthaft entsprechende Maßnahmen ergriffen haben. Herr Hofer, es drückt außerdem aus, dass Sie in Baden-Württemberg alles an aktiver Arbeitsmarktpolitik abgeholzt haben, was bisher ging.
Eigentlich wäre ich fertig, aber Herr Hofer hätte gerne noch eine Abschlussfrage gestellt. Das darf er nun gern machen.
Die gestatte ich gern.
Herr Wieser als Berufsschuldirektor wird in seinem Leben vielleicht auch noch ein bisschen weiser und versteht dann irgendwann den Unterschied zwischen Frage und Feststellung. Herr Wieser, Sie haben gerade nur eine Feststellung gemacht. Darauf kann ich leider nicht antworten.
Ja.
Herr Wieser, jetzt will ich Ihnen wirklich noch eine ordentliche Antwort geben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich persönlich finde es unerhört, dass die Vertreter von CDU und CSU
sich hier hinstellen und Stichworte wie Teilzeit, Scheinselbstständigkeit, 630-DM-Gesetz und Kündigungsschutz nennen und behaupten, die entsprechenden Regelungen seien unmöglich und würden den Arbeitsmarkt einschränken.
Gleichzeitig sprechen die Daten eine exakt gegenteilige Sprache: In unserer Zeit gab es einen Abbau der Arbeitslosigkeit um knapp 30 %, und in Ihrer Zeit, als die Gesetze, die den Arbeitsmarkt angeblich behindern, noch nicht bestanden, stieg die Arbeitslosigkeit um knapp 15 % an. Wenn man das in einer solchen Auseinandersetzung nicht sagen darf und sagen muss, was denn dann?
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte von heute früh bezüglich älteren Arbeitnehmern hat mich eines gelehrt: dass die eine oder andere Fraktion bereits die Benennung von Fakten und Tatsachen als Polemik und als Wahlkampfgetöse auslegt.
Der Ton macht die Musik, sagt Herr Noll.
Ich will jetzt einmal versuchen, ein paar Fakten zu benennen.
In weiser Voraussicht befürchte ich bereits wieder die ersten Zwischenrufe, Herr Noll. Aber vielleicht haben Sie es sich auch inzwischen anders überlegt.
Ich will geschwind einmal einen Rückblick auf die Arbeitsmarktpolitik machen. 1998 hatten wir ein Wahljahr wie dieses Jahr wieder. Damals waren die CDU und die FDP an der Bundesregierung. Da ist uns etwas Wundersames passiert.
Für das Jahr 1998 hatten wir eine Vermehrung der ABMAusgaben und einen Anstieg der ABM-Stellen über dem Durchschnitt der letzten Jahre um sage und schreibe über 150 000.
Die waren alle befristet bis Oktober 1998. Ein Schelm, wer Böses dabei gedacht hat und gemeint hat, es sei nur dem Wahlkampf geschuldet, die Arbeitslosenstatistiken zu bereinigen, um die dramatisch schlechten Zahlen um 150 000 zu verbessern.
Das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit hatten wir dann zu bereinigen. Das waren knapp 3 Milliarden DM, um die Sie das damals überzogen hatten, obwohl es nicht in der Haushaltsplanung enthalten war.
Ihr Gelächter darüber ändert überhaupt nichts an den Tatsachen. Es war Tatsache: Sie haben das Thema Arbeitsmarkt damals auf Bundesebene missbraucht,
um politisch für sich angeblich bessere Stimmung zu machen. Das hat Ihnen Gott sei Dank nichts genützt, meine Damen und Herren.
Jetzt lernen wir Folgendes daraus, Herr Noll, wenn Sie schon fragen ich sage es Ihnen :
Wenn wir uns die Antwort auf die Große Anfrage, die wir gestellt haben, angucken, dann stellen wir fest: Im Jahr 2002 reduziert sich der Anteil der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung um sage und schreibe über 33 %. Das hat er auch schon in den letzten Jahren gemacht, und im nächsten Jahr wird noch eines draufgesetzt. Wieder: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Zahlen sind ja fast zu schön: zweistellige Reduzierung der Zahl älterer Arbeitsloser in Baden-Württemberg, zweistellige Reduzierung der Zahl der Langzeitarbeitslosen in
Baden-Württemberg, zweistellige Reduzierung der Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderten und bei Jugendlichen. All die Programme, die Baden-Württemberg-spezifisch geholfen haben, diese Zahlen herunterzudrücken, kommen jetzt in den Reißwolf und werden fast auf null gefahren. Herr Wieser, Sie sind der Vorsitzende des Sozialausschusses. In Ihrem Ressort ist das ganze Ding ja, wenn man das Regierungspendant nimmt, angesiedelt. Meine Damen und Herren, ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt und noch der Meinung wäre, es könnte eventuell dem Wahlkampf geschuldet sein, dass man noch versucht, die eine oder andere Arbeitslosenzahl herunterzudrehen.
Zum zweiten Punkt: ESF-Förderung. Jetzt haben wir schon herzlich wenig Ausgaben, und man darf motiviert die Frage stellen, ob das dem Wahlkampf geschuldet ist. Dann haben wir ESF-Mittel, also Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. Gucken wir uns einmal an, was in Baden-Württemberg mit diesen Mitteln passiert: Es findet kein zielgerechter Einsatz statt. Es findet kein Zielprogramm, keine Zielvorgabe statt, wie heute früh rhetorisch diskutiert wurde: Wir wollen etwas für die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun. Vielmehr findet eine wilde Verteilung der Gelder statt: einmal in den Kreisen, einmal in den Regionen. Das Sozialministerium vergibt Mittel ohne Koordinationsvorgabe in die Kreise. Das Wirtschaftsministerium vergibt sie ohne irgendeine Koordinationsvorgabe in die Regionen. Es gibt nichts Koordiniertes, wo das Geld, das vorhanden ist, mit einer Kofinanzierung des Landes und einer starken Kofinanzierung der Kommunen sinnvoll und zielgerichtet ankommt. Selbst in diesem Teil leistet die Arbeitsmarktpolitik, die die Landesregierung betreibt, effektiv überhaupt nichts.
Meine Damen und Herren, wenn man dann fragt: Wie sieht es denn mit den ESF-Mitteln aus?, stellt man fest, dass es in den nächsten Jahren und bereits in diesem Jahr eine Vervielfachung geben wird. Was macht denn das Land, wissend, dass diese Mittel nur dann abgerufen werden können, wenn es eine entsprechende Komplementärfinanzierung durch andere Stellen gibt?
Wieder muss ich Ihnen sagen: Das Land bietet tatsächlich eine Komplementärfinanzierung von sage und schreibe 9 % an. Die Hauptlast in Baden-Württemberg tragen derzeit die Kommunen und andere Träger, natürlich die Bundesanstalt für Arbeit. Ich sage Ihnen: Das ist ein Armutszeugnis, ein Trauerzeugnis für ein Land wie Baden-Württemberg, welches trotz niedriger Arbeitslosigkeit erhebliche Probleme hat, die es lösen müsste, zum Beispiel das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit, also Langzeitarbeitslose und ältere Beschäftigte, für die etwas getan werden muss, und vor allem das Problem des Fachkräftemangels, den es ja bereits bei uns gibt und der entsprechend bearbeitet werden muss. Von nichts davon kann die Rede sein.
Meine Damen und Herren, es wird völlig die Chance ausgelassen, das zu tun, was eine Arbeitsmarktpolitik und eine Beschäftigungspolitik eigentlich könnten, nämlich den Sachverstand vor Ort in der Region zu bündeln, nach den Bedürfnissen der Unternehmer, der Betriebe zu fragen, nach den Bedürfnissen der Menschen zu fragen, was sie denn brauchen, und dies mit dem Sachverstand der Men
schen vor Ort zusammenzubringen, um effektive Maßnahmen der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik hinzubekommen. Auch diese Chance wird nicht genutzt.
Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Wenn wir nicht auf Bundesebene einen Paradigmenwechsel gehabt hätten, was die aktive Arbeitsmarktpolitik anbelangt,
was uns auch in Baden-Württemberg überall sinkende Arbeitslosenzahlen gebracht hat
im Gegensatz zur gleichen Zeit unter der Kohl-Regierung, in der es in Baden-Württemberg steigende Zahlen gab , meine Damen und Herren, wenn es diese aktive Arbeitsmarktpolitik auf Bundesebene nicht gäbe, dann sähe es in Baden-Württemberg ganz traurig aus.
Trotz aller Zurufe kriegen Sie die Fakten nicht weg und gilt nicht das Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Denn es ist so, dass wir Gott sei Dank
halbwegs ordentliche Zahlen haben.
Sie haben diese Zahlen eigentlich nicht verdient, das gebe ich Ihnen zu, aber die Menschen im Land schon. Dass wir halbwegs ordentliche Zahlen haben, das ist der Regierungspolitik auf Bundesebene und leider nicht Ihrer Politik geschuldet.
Ich bedanke mich.