Heinrich Kuhn

Sitzungen

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Meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Gäste, liebe Kolleginnen und Kol legen! Im Bewusstsein der großen Ehre, die mir heute als Al terspräsident zuteilwird, eröffne ich die 1. Sitzung des 16. Land tags von Baden-Württemberg und begrüße Sie alle recht herz lich.
Insbesondere begrüße ich die Damen und Herren Abgeordne ten, die am 13. März 2016 durch das Volk von Baden-Würt temberg in diesen Landtag gewählt worden sind. Ich gratulie re Ihnen zu dieser Wahl und wünsche Ihnen, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen, für die Ausübung dieses so verant wortungsvollen Amtes Gesundheit und Tatkraft, die Bereit schaft zu respektvollem und sachlichem Austausch, aber auch Geduld und Demut, um die vielen Aufgaben zum Wohle von Baden-Württemberg wahrnehmen zu können.
Was uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg verbindet, ist das Bemühen um die Entwicklung in unserem schönen Land. Hierin sind wir Vertreter aller Bürgerinnen und Bürger. Wir sind nicht an Weisungen und Aufträge gebunden und nur un serem eigenen Gewissen unterworfen.
Die Würde dieses Hauses und die hohen Erwartungen, die die Bürgerinnen und Bürger an uns alle stellen, gebieten ein fai res und achtungsvolles Miteinander, selbst bei hitzigen De batten und strittigen Auseinandersetzungen. Getragen von ei ner aufrechten demokratischen Gesinnung kann und muss dies gelingen.
Gemäß Artikel 30 Absatz 3 der Verfassung des Landes BadenWürttemberg tritt der Landtag spätestens am 16. Tag nach Be ginn der Wahlperiode zusammen. Diese hat am 1. Mai begon nen. Daher stelle ich fest, dass die in der Verfassung vorge schriebene Frist eingehalten ist.
Die 15. Wahlperiode des Landtags wurde von Herrn Präsident Wilfried Klenk abgeschlossen. Im Namen aller Abgeordneten möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Klenk, für Ihre engagierte Arbeit als Landtagspräsident in der abgelaufenen Wahlperiode herzlich danken und schließe in diesen Dank aus drücklich auch Ihre Mitarbeiter ein.
Unsere Landesverfassung sieht auch vor, dass die erste Sit zung einer neuen Wahlperiode vom Alterspräsidenten einbe rufen und geleitet wird. Der Präsident des 15. Landtags, Herr Kollege Klenk, hat mir mit Schreiben vom 15. April 2016 mit geteilt, dass ich das älteste Mitglied des am 13. März 2016 ge wählten 16. Landtags bin. Es fällt mir daher in meiner ersten Plenarsitzung gleich eine sehr verantwortungsvolle und eh rende Aufgabe zu.
Als ältestes Mitglied des Landtags habe ich die heutige kon stituierende Sitzung einberufen. Für diese Sitzung bestelle ich Frau Abg. Petra Häffner und Frau Abg. Sabine Wölfle zu vor läufigen Schriftführerinnen. – Ich darf Sie nach oben bitten.
Ich freue mich, dass heute, an diesem besonderen Tag, ein Ge burtstagskind unter uns ist. Herr Abg. Jürgen Walter feiert heu te Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich Ihnen, sehr geehrter Kollege Walter, herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Ich darf anfügen: Ich habe im Protokoll gelesen, dass auch vor fünf Jahren die Eröffnungssitzung des Landtags am 11. Mai stattfand, und auch damals durfte Herr Walter die Gratulatio nen entgegennehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gäste sind die Zierde eines Hauses. Dieser alte Spruch gilt auch heute, viel leicht sogar erst recht angesichts dieses neuen, modernen Hightechambientes hier im Plenarsaal. Speziell in diesem Sinn blicke ich jedenfalls respektvoll auf die Zuhörertribüne und sage Ihnen allen, die unserer konstituierenden Sitzung bei wohnen, ein herzliches Willkommen.
Viele davon begleiten uns Abgeordnete heute als Familienan gehörige, Partner, Freunde oder direkte Mitarbeiter gespannt und ganz persönlich bei der Aufnahme unserer parlamentari schen Arbeit. Ihren Rückhalt werden wir in den kommenden fünf Jahren unabdingbar brauchen. Deswegen nenne ich sie als Erste, obwohl das protokollarisch vielleicht nicht ganz kor rekt ist.
Möglicherweise ein bisschen neidvoll, aber garantiert spezi fisch berührt werden sich die früheren Hausherren umblicken. Zugleich stellvertretend für alle ehemaligen Abgeordneten kolleginnen und -kollegen begrüße ich deshalb mit besonde rer Freude die Landtagspräsidenten a. D., die Herren Dr. Gaa, Schneider und Straub, sowie meinen Vorgänger als Altersprä sident, Herrn Traub.
Namentlich Sie, Herr Straub, als einst unermüdlicher Werber für eine umfassende bauliche Erneuerung des Landtagsgebäu des werden jetzt etwas empfinden, das mit „Genugtuung“ nicht völlig falsch umschrieben sein dürfte.
Ebenso danke ich selbstverständlich den früheren stellvertre tenden Landtagspräsidentinnen, Frau Vossschulte und Frau Fauser, sowie dem früheren stellvertretenden Landtagspräsi denten, Herrn Birzele, dass sie ihre nicht verblasste Verbun denheit zum Landtag sichtbar zum Ausdruck bringen.
Die Konstituierung eines demokratisch gewählten Landespar laments ist – substanziell wie symbolisch – ein wichtiger Tag für die Identität und die Eigenstaatlichkeit der Länder und da mit für die Vitalität unserer freiheitlich-rechtsstaatlichen, fö deralen Grundordnung insgesamt. Umso mehr freue ich mich über alle Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die der In stitution Landtag, aber auch uns Abgeordneten und unseren Aufgaben in dieser Stunde die Reverenz erweisen.
Ich begrüße mit dankbarer Hochachtung den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Herrn Stilz, so wie in gleicher Weise die Präsidentin des Städtetags, Frau Bosch, und den Präsidenten des Gemeindetags, Herrn Kehle, als Vertreter der Kommunen und – mehr denn je – als zentra le Partner der operativen Landespolitik.
Mein besonderer Dank und Gruß geht an Sie, Herr Bischof Dr. Fürst, und an Sie, Herr Landesbischof Professor Dr. Cor nelius-Bundschuh, für Ihren ökumenischen Gottesdienst, in dem Sie uns innehaltend zusammengeführt haben, und für die ermutigenden, aber auch mahnenden Worte, die uns von Ihnen ans oder, vielleicht besser gesagt, ins Herz gelegt worden sind.
Nicht weniger dankbar begrüße ich Sie, Herr Erzbischof Bur ger, und Sie, Herr Landesbischof Dr. July.
Höchst geschätzte Gäste sind uns ebenso Herr Suliman, Vor sitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Herr Landesrabbiner Wurmser von der Israelitischen Religi onsgemeinschaft Württembergs, Herr Karakul von der Alevi tischen Gemeinde in Baden-Württemberg und Herr Dr. Haq, Landesbeauftragter von Ahmadiyya.
Der Unfrieden in der Welt und die globale Ungleichheit be treffen auch die Landespolitik unmittelbar. Eine entscheiden de Herausforderung lautet, internationale Lösungen zu unter stützen und für sie konsequent zu werben. Die Anwesenheit der Vertreterinnen und Vertreter des Konsularischen Korps setzt bereits, so gesehen, ein wohltuendes Zeichen. Ich begrü ße die Generalkonsulin der Schweiz und die Generalkonsuln Frankreichs, der Türkei, Spaniens, Kroatiens und Ungarns.
Sozialer Zusammenhalt, Bildungs- und Chancengerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen – was sich hinter diesen Stichwor ten verbirgt, wird in den kommenden Jahren auch zu unseren Hauptaufgaben hier im Landtag zählen. Deswegen begrüße ich als Vertreterinnen der Gewerkschaften erfreut die Landes bezirksleiterin von ver.di, Frau Breymaier, und die Landes vorsitzende der GEW, Frau Moritz.
Beim ökumenischen Gottesdienst sorgte unser Landtagschor musikalisch und atmosphärisch für einen bemerkenswerten
Akzent. Sein gelungenes Mitwirken verdient, wie ich finde, zunächst einen Applaus.
Darüber hinaus sollten wir erkennen, dass unser Landtagschor etwas Optimistisches, ja Vorbildliches verkörpert. Er demons triert nämlich eindrucksvoll: Kräftige Stimmen und unter schiedliche Stimmlagen müssen nicht in Dissonanzen enden, sie können „stimmige“ Werke hervorbringen.
Abschließend möchte ich noch besonders die beiden anwe senden Parteivorsitzenden begrüßen, Herrn Strobl von der CDU und Herrn Hildenbrand von Bündnis 90/Die Grünen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Alterspräsident bin ich gehalten, nach diesem ersten Teil der Regularien eini ge persönliche Worte an Sie zu richten. Dem möchte ich gern nachkommen – allerdings enthalte ich mich dabei der aktuel len politischen und auch gesellschaftlichen Themen, was Sie mir, der ich ein Neuling auf diesem Parkett bin, sicher nach sehen können.
Lassen Sie mich mit einem Zitat aus Schillers Antrittsvorle sung in Jena aus dem Jahr 1789 beginnen, in der er über die Notwendigkeit des Studiums der Universalgeschichte gespro chen hat:
Es zieht sich... eine lange Kette von Begebenheiten... bis zum Anfange des Menschengeschlechts..., die wie Ursa che und Wirkung ineinandergreifen.
Aus der Summe dieser Begebenheiten hebt der Universalhis toriker diejenigen heraus, welche auf die heutige Gestalt der Welt und den Zustand der jetzt lebenden Generation einen we sentlichen, unwidersprechlichen und leicht zu verfolgenden Einfluss gehabt haben.
Dennoch, so Schiller weiter:
Ganz und vollzählig überschauen kann sie nur der unend liche Verstand; dem Menschen sind engere Grenzen ge setzt.
Und er fährt fort:
Selbst dass wir... hier zusammenfanden,... ist das Resul tat vielleicht aller vorhergegangenen Weltbegebenheiten: die ganze Weltgeschichte würde wenigstens nötig sein, dieses einzige Moment zu erklären.
Diesem Gedanken möchte ich im Kleinen folgen, wenn ich jetzt in einigen Punkten – und vielleicht auch etwas laienhaft – auf die Entwicklung des Parlamentarismus im Südwesten Deutschlands eingehe, wobei ich mich nur als an der Ge schichte Interessierter verstehe.
Dem vermeintlich oder wirklich Absoluten, aber auch den Egoismen Einzelner und von Gruppen musste der Gedanke an das Wohl des Ganzen abgerungen werden. So auch schon vor gut 500 Jahren, als im Tübinger Vertrag – dessen Jubilä um vor zwei Jahren feierlich begangen wurde – die Ehrbar keit der Landschaft dem Herzog die Allgemeinherrschaft ein schränkte. Dieser Vertrag war durchweht von einem hohen
Maß an protestantischem Ethos und einer demokratischen Grundhaltung. Allerdings war die Landbevölkerung nicht mit einbezogen, was in der Folge immer wieder zu Aufruhr An lass gab.
Dennoch hat sich im ganzen Südwesten, möglich durch die Machtbegrenzung der einzelnen kleinen Herrschaften, ein Du alismus von Herrschaft und Landschaft, von Feudalismus und Kommunalismus herausgebildet – sichtbar auch in der ausge prägten kommunalen Selbstverwaltung im Südwesten. Gera de der Tübinger Vertrag kann als Beginn des Parlamentaris mus in Württemberg angesehen werden, denn ohne die Zu stimmung der Landschaft konnte der Herzog keine öffentli chen Aufgaben tätigen.
Es wurden grundlegende Freiheitsrechte gewährt, als da sind: Steuerbewilligungsrecht, Mitsprache über Krieg und Frieden, Freizügigkeit und Anspruch auf ordentliche Gerichtsverfah ren. Insbesondere Letzteres hatte ein großes Gewicht für die ganze Bevölkerung und konnte so die nächsten drei Jahrhun derte überdauern, galt doch der Tübinger Vertrag als wichtigs tes Staatsgrundgesetz des Landes.
Erst die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deut scher Nation durch Napoleon, durch dessen Siege in Europa, setzte eine Neuordnung der Staaten im Südwesten in Szene. Bei dieser „Flurbereinigung“ kam es 1806 zur Neugründung des Großherzogtums Baden und zur Arrondierung des nun Königreich gewordenen Württembergs durch vielfache Ein gliederung von kleinen Herrschaftsgebieten. Übrig blieben hier nur die beiden Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen, die aber ihre Selbstständigkeit in der Revolution von 1848 an das Stammhaus in Preußen ab gegeben haben.
Um den Faden weiterzuspinnen, müssen die Bemühungen in den neu strukturierten Ländern Baden und Württemberg um die durch Verfassungen gestärkte parlamentarische Arbeit auf gezeigt werden. Baden bekam, allerdings noch von Großher zogs Gnaden, die freiheitlichste Verfassung in ihrer Zeit. Da mit begann die parlamentarische Entwicklung in Baden, die über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit fand.
Allerdings konnte das den Kulturkampf zwischen dem libe ralen Staat und der auf ihre Rechte pochenden, restaurativ ein gestellten katholischen Kirche nicht verhindern, was auch die hitzigen Parlamentsreden, z. B. über den Examensstreit, be zeugen. Hiervon hat der Pfarrer und Dichter Heinrich Hans jakob aus dem Kinzigtal, durchaus kein Kirchenknecht, als Abgeordneter des Landtags ein beredtes Zeugnis abgelegt.
Und von Baden ging, angeregt durch die Februarrevolution in Frankreich sowie durch die Enttäuschung über das zerredete und zerstrittene Frankfurter Parlament, die 48er-Revolution aus, mit der Forderung nach Pressefreiheit, Gewissens- und Lehrfreiheit, Schwurgerichten, Volksbewaffnung und Aus gleich des Missverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit. Verbunden mit den Namen Hecker und Struve war diese Re volution im Kleinen durchaus erfolgreich, im Ganzen blieb sie aber durch die Eingriffe fremder Militärmacht erfolglos. Aber sie setzte demokratische Standards und Bürgertugenden, die bis in unsere Zeit wirksam sind. Allerdings ließen sich auch in der Folge weitere Spannungen nicht verhindern, be dingt durch die Stadt-Land-Gegensätze, das Zensurwahlrecht und die konfessionellen Differenzen.
Württemberg erlebte weder einen Kulturkampf noch eine Re volution. König Friedrich hatte auf das Gottesgnadentum ver zichtet und in einem ersten Schritt eine Verfassung vorgetra gen, die aber vom Parlament 1815 abgelehnt wurde. Die Aus einandersetzung darum hatte Aufsehen erregt, weil Friedrich mit einer modernen Verfassung und einem Einkammerparla ment die Gleichheit unter den Bürgern erreichen wollte. Da durch wies sie vergleichsweise starke liberale und demokra tische Strömungen auf, rief aber starken Widerstand unter den Ständen hervor.
Erst 1819 unter dem Sohn des ersten Königs kam es zur Ver abschiedung – allerdings unter Bildung von zwei Kammern, also Beibehalt der Ständerechte. Es hatten sich schon in vor napoleonischer Zeit ein bürgerliches Selbstbewusstsein und eine Partizipation am politischen Alltag herausgebildet, die zusammen mit der von der Verfassung gestärkten parlamen tarischen Arbeit einen relativ friedlichen Gang durch die Ge schichte zuließen.
Zwar hatte nach 1848 auch der Gedanke an eine Umbildung der Monarchie zur Republik Gefallen gefunden, aber es gab bis zum Ende des Ersten Weltkriegs keine andere Vorstellung als den König an der Spitze des Staates.
Auf den Hut kommt es nicht an. Dass gut und volkstüm lich regiert wird, ist die Hauptsache.
So äußerten sich Vertreter der Demokratischen Volkspartei.
Ich mache einen Sprung über die Reichsgründung, das Ende der Monarchie, die in Württemberg sogar noch 1918 den Übergang zur parlamentarisch gewählten Regierung ermög lichte, und über die beiden Weltkriege hinweg in die Mitte des letzten Jahrhunderts.
Die Nachkriegszeit war konfrontiert mit drei Staatsgebilden, die von den Alliierten so bestimmt wurden: Südbaden, Würt temberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden. In Württem berg-Baden – einem Zusammenschluss gegen den Willen der Bevölkerung – kam am 30. Juni 1946 die Verfassunggebende Landesversammlung zusammen.
In der Südbadener Verfassung von 1947 bekamen die Partei en erstmals Verfassungsrang, und 1947 wurde auch in Würt temberg-Hohenzollern die Verfassung verabschiedet.
Trotz der Nachwirkungen des Krieges und der ungewohnten Länderaufteilung waren diese drei Länder durchaus politisch und ökonomisch funktionstüchtig. Schon bald aber wurde ein Gedanke aus den Zwanzigerjahren – damals schon gefördert von Theodor Heuss – wieder aufgegriffen, nämlich die Verei nigung dieser Länder in einem Südweststaat.
Konnte dies trotz der langen unterschiedlichen Geschichte, trotz aller Länderherrlichkeit und trotz kulturellem und poli tischem Eigensinn wirklich gelingen? Wenn wir den Bogen schlagen von dem liberalen und schon früh modernisierten und industrialisierten Nordbaden nach Südbaden mit starker katholischer und ländlicher Tradition, hin zum alemannischen Oberschwaben, das lange in Vorderösterreichisch-Habsburger Hand war, zu Hohenzollern, das durch Familienbande – ob wohl hier überwiegend katholisch stark – zum protestanti schen Preußen orientiert war, schließlich nach Altwürttem berg mit seinem zwar pietistischen, aber auch offen bürgerli
chen Einschlag mit dem fränkischen Einfluss in der nördli chen Weinregion, dann kommen sehr unterschiedliche Struk turen und Mentalitäten zum Vorschein.
Das zeigte sich in gewissem Sinn auch in den Auseinander setzungen bis zur Abstimmung im Dezember 1951. Dennoch votierte dann bei der Volksabstimmung eine große Mehrheit für die Vereinigung. Am 9. März 1952 konnte die Verfassung gebende Versammlung des neuen Landes zusammentreten, die dann nach einem Regierungswechsel am 11. November 1953 unter Mitwirkung aller vier demokratischen Parteien die Verfassung Baden-Württembergs verabschiedete. Auch der Widerstand der Altbadener endete bei einer speziellen Volks abstimmung im Juni 1970 in einem eindrucksvollen Bekennt nis zu Baden-Württemberg.
Zur Erinnerung sei gesagt: Die Verfassung von 1819 war von Königs Gnaden. Jetzt hat der Volkssouverän die Grundlagen für die Arbeit von Parlament und Regierung geschaffen. Da bei konnte sich auch durch die nachfolgenden Verfassungsän derungen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive herausbilden, das die Entscheidungs- und Kon trollrechte des Parlaments stärkte. In den neuen Grenzen – po litische Kultur braucht angebbare Grenzen räumlicher, zeitli cher und sozialer Natur – hatte sich ein Zusammengehörig keitsgefühl gebildet, das über regionale Eigenheiten, Religi on und Standesunterschiede hinaus zu einem Wirgefühl in Ba den-Württemberg geführt hat. Dies möchte ich mit einem Zi tat aus der Rede des Alterspräsidenten von 2001, Herrn Kurz, untermauern:
Die Bürgerinnen und Bürger suchen Heimat innerhalb ei nes staatlichen Gebildes, das noch transparent genug ist und durch Kultur, Tradition, landesgeschichtliche Bedeut samkeiten und Landschaft eine sinnstiftende Identifikati on vermittelt, die Gemeinschaft erlebbar macht und De mokratie nachvollziehbar erscheinen lässt.
Als 1940 Geborener habe ich noch die Sirenen im Ohr und die Bilder von Zerstörung vor Augen. Aber im Gemüt lebt die Erinnerung an den Aufschwung. Darin ist auch die Diskussi on über die Neubildung des Südweststaats eingeschlossen. Als zwar noch junge Schüler waren wir durchaus daran beteiligt und waren hocherfreut über deren erfolgreichen Ausgang.
Diese Bemühungen sind für mich verbunden mit den Namen Theodor Heuss, Carlo Schmid, Reinhold Maier, Gebhard Mül ler und Leo Wohleb, um nur die wichtigsten frühen Repräsen tanten zu nennen. Ihr denkerisches und handelndes Vorbild hat uns den Weg gewiesen in ein neues Bewusstsein von Staat lichkeit, von Demokratie, vom Ringen um Gemeinsamkeit zum Wohle des Ganzen.
In diesem Sinn wünsche ich dem neuen Landtag in der 16. Le gislaturperiode ein gutes Gelingen. Gott segne unser Tun und Lassen.
Nach § 3 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags wer den die Geschäfte, solange der Landtag nichts anderes be schließt, nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung des vorangegangenen Landtags geführt. Die Fraktionen haben
sich darauf geeinigt, dass der 16. Landtag die Bestimmungen der Geschäftsordnung des 15. Landtags vorläufig weiter an wendet. Ein Exemplar dieser Geschäftsordnung mit Anlage 1 – Offenlegungsregeln –, Anlage 2 – Richtlinien für die Frage stunde – und Anlage 3 – Richtlinien für die Regierungsbefra gung – sowie weiteren wichtigen Regelungen liegt auf Ihren Tischen.
Die Fraktionen sind weiter übereingekommen, die Geschäfts ordnung noch in einigen Punkten – bezüglich der Zahl der Präsidiumsmitglieder, der Schriftführerinnen und Schriftfüh rer sowie der Zahl der Mitglieder des Notparlaments und der Redezeit bei den Aktuellen Debatten – zu modifizieren. Der interfraktionell abgestimmte Vorschlag zu diesen Modifizie rungen liegt Ihnen vor (Anlage 1).
Wer der vorläufigen Übernahme der modifizierten Geschäfts ordnung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Eine Enthaltung. Da mit haben Sie der vorläufigen Übernahme der modifizierten Geschäftsordnung zugestimmt. Ich bedanke mich.
Gemäß § 3 Absatz 4 der Geschäftsordnung muss zunächst die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt werden. Ich bit te Frau Abg. Häffner, den Namensaufruf vom Rednerpult aus vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, bitte erheben Sie sich bei Aufruf Ihres Namens kurz und antworten mit „Hier“ oder „Ja“.
Frau Abg. Häffner, bitte führen Sie den Namensaufruf durch und beginnen mit dem Buchstaben A.
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf hat ergeben, dass 143 Abgeordnete anwesend sind. Der Landtag ist also beschlussfähig – und vollständig.
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Wahl der Präsidentin/des Präsidenten
Als Wahlkommission für die Wahl der Präsidentin/des Präsi denten und der stellvertretenden Präsidentin/des stellvertre tenden Präsidenten berufe ich nach § 4 Absatz 3 der Ge schäftsordnung des Landtags die Damen und Herren Abg. Dr. Friedrich Bullinger, Sabine Kurtz, Andrea Lindlohr, Georg Nelius, Stefan Räpple, Dr. Patrick Rapp und Alexander Schoch.
Sie sind als Wahlkommission für den Ablauf der anschließen den Wahl zuständig. Soweit ich gehört habe, sind Sie in Ihre Ämter eingeführt. Das heißt, ich brauche jetzt nichts Zusätz liches zu sagen.
Ich bitte nun um Vorschläge für die Wahl der Präsidentin/des Präsidenten.
Das Wort erhält Herr Fraktionsvorsitzender Schwarz.
Sie haben den Vor schlag gehört. Werden weitere Vorschläge für das Amt der Prä sidentin/des Präsidenten gemacht? – Dies ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, nach § 4 Absatz 2 der Geschäfts ordnung wird die Präsidentin in geheimer Wahl gewählt. Um dieser Vorschrift nachzukommen, darf ich Sie bitten, die bei den Telefonzellen auf der rechten und linken Seite des Plenar saals als Wahlkabinen zu benutzen.
Ein Mitglied der Wahlkommission – ich schlage hierfür Frau Abg. Lindlohr vor – nimmt vom Rednerpult aus den Namens aufruf vor, der in § 97 a der Geschäftsordnung vorgeschrie ben ist. Die aufgerufenen Abgeordneten bitte ich, sich zur rechten oder linken Seite des Plenarsaals zu begeben, wo Mit glieder der Wahlkommission die Stimmzettel und Wahlum schläge ausgeben, damit in den jeweils zwei dort vorhande nen Telefonzellen gewählt werden kann.
Bitte beachten Sie dabei Folgendes: Es gilt von der Mitte aus bzw. von meiner Seite aus betrachtet folgende Aufteilung: Die aufgerufenen Abgeordneten der Fraktionen der FDP/DVP, der CDU und der AfD begeben sich auf die von mir aus gesehen rechte Seite. Die Abgeordneten der Grünen und der SPD ge hen zur von mir aus gesehen linken Seite.
Auf beiden Seiten wird in einer Liste von zwei Mitgliedern der Wahlkommission jeweils festgehalten, wer den Stimmzet tel und den Wahlumschlag entgegengenommen hat.
Füllen Sie bitte den Stimmzettel in einer der Wahlkabinen aus, indem Sie bei dem Wahlvorschlag Ihre Stimmabgabe – also „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ – vermerken. Da Sie an den Wahlvorschlag der Fraktion GRÜNE nicht gebunden sind, können Sie in der untersten Zeile auch einen eigenen Wahl vorschlag eintragen; fügen Sie dann aber bitte kein Kreuz mehr hinzu.
Gewählt ist, wer die Hälfte der abgegebenen gültigen Stim men erhält
mehr als die Hälfte. Entschuldigung: mehr als die Hälfte. Ein ganz wichtiges Wort habe ich vergessen. Wie kann man so etwas überlesen?
Bitte beachten Sie bei der Stimmabgabe die folgenden weite ren Hinweise: Nicht beschriebene oder nicht gekennzeichne te Stimmzettel und solche, auf denen „Enthaltung“ vermerkt ist, gelten alle als Stimmenthaltung. Ungültig ist ein Stimm zettel, wenn mehr als ein Wahlvorschlag notiert oder gekenn zeichnet wurde.
Bitte stecken Sie nach der Stimmabgabe Ihren Stimmzettel in den Wahlumschlag. Kleben Sie den Wahlumschlag bitte nicht zu; die Arbeit der Wahlkommission kann dadurch erleichtert werden.
Werfen Sie bitte den Stimmzettel im Wahlumschlag in die hier am Rednerpult bereitstehende Wahlurne. Frau Abg. Kurtz kon
trolliert den Einwurf der Wahlumschläge in die Wahlurne. Herr Abg. Dr. Bullinger hält in einer Namensliste fest, wel che Abgeordneten gewählt haben.
Die Mitglieder der Wahlkommission bitte ich, ihre Stimme am Schluss abzugeben.
Wir treten nun in die Wahlhandlung ein. Frau Abg. Lindlohr, bitte nehmen Sie den Namensaufruf vor, und beginnen Sie wieder mit dem Buchstaben A.
Meine verehrten Damen und Herren, ist jemand unter Ihnen, der den Stimmzettel noch nicht abgegeben hat?
Ich darf noch einmal nachfragen, ob jemand unter Ihnen ist – einschließlich aller Mitglieder der Wahlkommission –, der den Stimmzettel noch nicht abgegeben hat. – Damit schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommission, das Wahl ergebnis festzustellen.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen jetzt das Wahler gebnis bekannt geben.
An der Wahl haben 143 Abgeordnete teilgenommen.
Auf Frau Abg. Aras entfielen 96 Stimmen. Mit Nein haben 39 Abgeordnete gestimmt. Drei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Vier Stimmzettel waren mit einem anderen Namen be zeichnet. Ein Stimmzettel war ungültig.
Frau Abg. Aras hat also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten und ist damit gemäß § 4 der Geschäftsord nung zur Präsidentin des Landtags gewählt.
Frau Abg. Aras, ich möchte Sie fragen, ob Sie die Wahl an nehmen.
Frau Präsidentin Aras, ich danke Ihnen und gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzlich zu Ihrer Wahl.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist meine Aufgabe als Alterspräsident nun beendet.
Ich darf Sie, Frau Präsidentin Aras, bitten, die Leitung der weiteren Sitzung zu übernehmen.
Vielen Dank.