Thomas Ehmke
Sitzungen
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat am 31. Mai des letzten Jahres entschieden, dass es für den Jugendstrafvollzug einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedarf, und hat den Gesetzgeber verpflichtet, eine solche bis zum Ende des Jahres 2007 zu schaffen. Durch die Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Strafvollzugs nun vom Bund auf die Länder übergegangen, und somit trifft hier heute die Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts uns in der Bürgerschaft als Landesgesetzgeber.
Der Senat hat uns dazu heute den Entwurf eines Bremischen Jugendstrafvollzugsgesetzes vorgelegt, das wir heute in 1. Lesung beraten. Bevor ich auf einzelne Gesichtspunkte des Gesetzes eingehe, möchte ich vorweg noch einige lobende Worte zum bisherigen Gang der Entstehung dieses Gesetzes finden.
Der Justizsenator, Bürgermeister Jens Böhrnsen, hat in zwei öffentlichen Anhörungen wichtige Fra
gen des Jugendstrafvollzugs und dieses Gesetzentwurfs mit Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis ausführlich diskutiert, und viele Anregungen haben Eingang in diese dem Entwurf vorgeschalteten Beratungen und letztlich in diesen Entwurf gefunden. Ich habe dies als ein sehr offenes und konstruktives Verfahren empfunden, und ich finde, dass es beispielgebend sein kann und sein sollte auch für weitere Entscheidungsprozesse hier in Bremen.
Zur Sache möchte ich hervorheben, dass das Bremische Jugendstrafvollzugsgesetz den Erziehungsgedanken und den Resozialisierungsgedanken in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt und als Ziel formuliert, ohne dabei die Belange der Sicherheit zu verkennen. Damit schafft dieses Gesetz die Grundlagen für einen modernen Strafvollzug und erfüllt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Ein weiterer Punkt, der in der Debatte um das Jugendstrafvollzugsgesetz eine große und wichtige Rolle gespielt hat, ist die Eigenständigkeit des Jugendstrafvollzugs und seine Trennung vom Erwachsenenvollzug. An dieser Stelle ist vielfach der organisatorische Aufbau, Paragraf 98 des Gesetzes, diskutiert worden. Ich glaube aber, dass es sich lohnt, auf den Paragrafen 101 des Gesetzes zu schauen, der die fachliche Eigenständigkeit des Jugendstrafvollzugs eindeutig festschreibt und deutlich macht, dass in allen fachlichen Fragen die Leiterin des Jugendstrafvollzugs nicht dem Anstaltsleiter der Gesamtanstalt nachgeordnet ist, sondern dass der Jugendstrafvollzug unabhängig ist. Diese wichtige Vorgabe wird meines Erachtens durch den Paragrafen 101 vernünftig umgesetzt.
Eine weitere wichtige Frage, das sehen wir auch im Antrag, den die Grünen heute vorgelegt haben, und das spielte auch in den Beratungen eine wichtige Rolle, ist der Wohngruppenvollzug. Ich möchte es aus der Sicht der Sozialdemokraten deutlich sagen, der Wohngruppenvollzug muss der Regelvollzug sein.
Es ist selbstverständlich und klar, dass, wenn im Einzelfall am Verhalten des Strafgefangenen ein Wohngruppenvollzug scheitert oder nicht zustande kommen kann, Lösungen gefunden werden, aber wir wollen nicht, dass man es sich dabei einfach machen kann, sondern wir wollen, dass der Vollzug seiner Aufgabe gerecht wird und sich Mühe gibt, mit den Gefangenen zu arbeiten. Deshalb gehen wir davon aus, dass der Wohngruppenvollzug der Regelvollzug sein soll.
Meines Erachtens ist das im Gesetz so angelegt. Man findet das vor allen Dingen auch, wenn man in die Begründung sieht, aber ich denke, inhaltlich, meine Damen und Herren, haben wir bisher keinen
Dissens. Wir werden uns im Rechtsausschuss noch einmal ansehen müssen, ob die Formulierung das so abbildet. Ich könnte mir das vorstellen, aber ich denke, das sollten wir im Rechtsausschuss noch einmal im Detail beraten.
Einen Dissens haben wir dann, wenn ich noch einmal auf den Antrag der Grünen komme, allerdings im Bereich der Frage Regelvollzug, offener Verzug. Ich glaube, dass man an der Stelle auch aufpassen muss, dass man nah an der Realität bleibt. Wir haben in Deutschland die Situation, dass über 80 Prozent der Gefangenen im geschlossenen Vollzug sind, obwohl im Strafvollzugsgesetz ein Regelausnahmeverhältnis zugunsten des offenen Vollzugs vorgesehen ist. Das hilft uns an dieser Stelle nicht weiter.
Ich glaube, dass die Formulierung im bremischen Gesetzentwurf klüger ist, wo man sagt, es gibt die Vollzugsform offener Vollzug, geschlossener Vollzug, und wir müssen uns ansehen, ob der Gefangene für den offenen Vollzug geeignet ist oder nicht. Mit Regelausnahmeverhältnissen verändern wir in der Sache nichts, möglicherweise bauen wir aber im Gesetz etwas auf, was der Realität nicht entspricht. Ich finde, davor sollten wir uns an dieser Stelle hüten.
Aber auch das ist eine Sache, die wir im Detail im Rechtsausschuss weiter beraten können. Wir möchten deshalb auch den Antrag der Grünen gemeinsam mit dem Gesetz nach der ersten Lesung in den Rechtsausschuss überweisen. Man kann sich darüber streiten, ob das von der Formulierung ganz passend ist, weil der Antrag den Senat auffordert, aber ich glaube, im Kern geht es darum, dass die 3 Punkte, die von den Grünen aufgezeigt sind, da noch einmal ordentlich fachlich beraten werden müssen, und dazu sind wir bereit.
Ich möchte des Weiteren noch sagen, dass der bremische Gesetzentwurf mit den meisten anderen Bundesländern abgestimmt ist. Das finden wir als Sozialdemokraten richtig, weil wir nach wie vor der Auffassung sind, dass es sinnvoll ist, im Strafvollzug bundesweite Standards zu setzen, und deshalb eine Absprache der Länder hier an dieser Stelle sinnvollerweise genutzt werden sollte.
Ich finde es richtig, an einzelnen Punkten, an denen wir es politisch für geboten, für inhaltlich sinnvoll halten, bremische Wege zu gehen, denn auch das macht Landeskompetenz aus. Wir haben hier beim Regelausnahmeverhältnis im Hinblick auf die Anstaltskleidung ein Beispiel, aber ich möchte auch sagen, dass es mich besonders freut, dass das Bonussystem, eine Anregung meines ehemaligen Fraktionskollegen Horst Isola, des ehemaligen justizpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, die er in der ersten Anhörung zum Jugendstrafvollzugsgesetz gebracht hat, hier im Paragrafen 4 Eingang gefunden hat.
Ich glaube, dass auch das ein Element des modernen und zukunftsweisenden Strafvollzugs sein kann. Deshalb freue ich mich, dass diese Anregung aufgegriffen wird, und es unterstreicht auch noch einmal, dass es Sinn gemacht hat, diese Beratungen durchzuführen und sich auch daran zu beteiligen. Veränderungen und Entwicklungen waren durchaus möglich.
Abschließend möchte ich sagen, es ist kein Geheimnis, dass wir uns hier in Bremen nicht um die Kompetenz für den Strafvollzug gerissen haben. Meine Fraktion, die SPD, aber auch der Bürgermeister und Justizsenator haben deutlich gemacht, wir hätten auch gut damit leben können, wenn diese Kompetenz beim Bund verblieben wäre. Nichtsdestoweniger, und das freut mich sehr, sind bis jetzt alle Verantwortlichen in der Frage des Jugendstrafvollzugs sehr verantwortungsbewusst mit dieser Kompetenz umgegangen, sehr sachlich und sehr fachlich. Das freut mich, weil es auch ein Zeichen für das Funktionieren der Föderalismusreform ist, ein Zeichen für das Funktionieren des Föderalismus. Ich glaube, dass wir hier heute einen Beitrag dazu leisten können, die Beratungen entsprechend fortzusetzen durch den Beschluss in der ersten Lesung und Überweisung und Beratung der weiteren Punkte im Rechtsausschuss. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gegenstand der Debatte ist durch den gemeinsamen Dringlichkeitsantrag ein Stück ausgeweitet worden, geht also über den ursprünglichen Gegenstand der Methadonbehandlung in der JVA hinaus und beschäftigt sich jetzt ganz allgemein mit der Frage, wie das Methadonprogramm in Bremen funktioniert. Darum will ich zunächst kurz auf die grundsätzlichen Erwägungen bei der Methadonsubstitution eingehen, denn die Frage ist ja nicht nur, wie das Ganze funktioniert, sondern warum wir das tun!
Das grundsätzliche Ziel der Methadonsubstitution bestand darin, Opiatenabhängige psychisch und gesundheitlich zu stabilisieren, Beschaffungskriminalität entgegenzuwirken und ganz allgemein Suchtkranken – und Drogensucht ist, wie es in einer Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der Substitutionsbehandlung heißt, eine behandlungsbedürftige chronische Krankheit – ein menschenwürdiges Leben und Überleben und einen Ausweg aus der Sucht zu ermöglichen. Dieses Ziel ist meiner Auffassung nach heute noch genauso richtig wie Anfang der Neunzigerjahre, als es ein zentrales Argument in der Debatte über die Einführung von Substitutionsbehandlungen gab.
Die Frage ist nur, und die müssen wir uns stellen, ob die Substitution, so wie wir sie durchführen, ganz allgemein diesem Ziel auch gerecht wird. Ich glaube, dass wir da mit ganz pauschalen Urteilen nicht weiterkommen, sondern dass eine differenzierte Betrachtung angemessen ist. Unbestritten dürfte allen Studien und Erhebungen zufolge sein, dass es Erfolge gibt. Die Sterblichkeitsrate ist bei den betroffenen Personen deutlich gesenkt worden, Studien zufolge um das 3- bis 5-fache. Der Gesundheitszustand der Betroffenen, gerade auch bei HIV- und Hepatitis-C-Erkrankten, konnte deutlich stabilisiert werden, und auch das Risiko von Neuinfektionen mit diesen Krankheiten sinkt. Außerdem konnte auch im Bereich der Beschaffungskriminalität ein Rückgang ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
erreicht werden beziehungsweise ihr entgegengewirkt werden.
Allerdings ist auch klar, dass diesen Erfolgen auf der einen Seite auch Probleme gegenüberstehen. Diese Probleme sind zum Beispiel im Bereich des Schwarzhandels mit Methadon zu finden, es ist das Problem des Beigebrauchs, und es sind die Defizite in der psychosozialen Betreuung. Diese Probleme dürfen auch nicht wegdiskutiert, sondern sie müssen gelöst werden.
Der Beigebrauch von Drogen, von legalen wie illegalen, wirkt nicht nur dem Therapieziel entgegen, sondern er ist für den Betroffenen auch gefährlich. Ohne eine funktionierende psychosoziale Betreuung kann das Therapieziel in aller Regel gar nicht erreicht werden. In einer Richtlinie der Bremer Ärztekammer heißt es dazu, dass eine Substitutionsbehandlung nur im Rahmen eines umfassenden Therapiekonzeptes inklusive der notwendigen psychosozialen Begleitmaßnahmen überhaupt zu verantworten sei. Wie wir in unserem Antrag deutlich machen, brauchen wir eine wirksamere Kontrolle des Beigebrauchs durch die behandelnden Ärzte, und ich füge hinzu, wie wir gesehen haben, wir brauchen auch eine wirksamere Kontrolle der Kontrolleure, brauchen wir eine stärkere Kontrolle der behandelnden Ärzte.
Wir brauchen weiter ein verbessertes Angebot der psychosozialen Betreuung und bitten den Senat, dort Konzepte zu entwickeln. Insgesamt ein funktionierendes Substitutionsprogramm kann und soll weiterhin ein Baustein in einer klugen Drogenpolitik sein. Wir erreichen mit diesem Programm nicht alle Menschen – auch das wird im Übrigen aus der Anfrage klar –, nicht jeder, der drogensüchtig ist, passt in diese Programme, aber es ist einer der Bausteine, die wir brauchen, die wir fortsetzen, wo wir die Defizite abstellen müssen.
Abschließend sei nur noch auf die JVA hingewiesen. Natürlich ist es klar, dass zu einer funktionierenden Resozialisierung auch gehört, dass in der JVA erreichte Therapieerfolge nach der Entlassung aus der Therapie fortgesetzt werden müssen. Es bringt nichts, wenn die Leute dann in ein Loch hineinfallen. Wenn es da nicht mehr funktioniert, ist das Risiko vom Rückfall in die Drogensucht – und im Übrigen auch in den Rückfall von Kriminalität – zu groß. Deshalb gibt es ein massives Interesse daran, dass, wenn es dort Verbesserungsbedarf gibt, dem nachgekommen wird. Aber ganz allgemein kann man darauf hinwirken. Es ist für eine funktionierende Methadonsubstitution wichtig, dass es eine vernünftige psychosoziale Betreuung gibt, dass der Beigebrauch kontrolliert und ausgeschlossen wird und dass
diese Untersuchungen entsprechend überwacht werden. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sollten zurück zur Sache kommen.
Nur so viel zu den Tiraden von Herrn Tittmann: Erstens ist es nachweislich falsch, dass sich das Wahlverhalten von Erstwählerinnen und Erstwählern im Alter von 16 Jahren – das kann man an den Kommunalwahlen nachvollziehen – eklatant vom Wahlverhalten der Achtzehnjährigen unterscheidet. Zweitens: Diese Rede hat wie viele andere gezeigt, dass es eine gemeinsame Aufgabe aller Demokraten sein muss, bei den Jungen wie bei den Alten dafür zu werben: Keine Stimme für die Nazis! Demokratisch wählen!
Wenn wir uns der Frage des Wahlalters nähern, hat Herr Crueger schon ausgeführt, warum er glaubt, dass unsere Fraktionen diesen Antrag hier ablehnen werden. Es ist ja in Ordnung, das zu vermuten. Ich will es dann nur noch einmal für uns erklären: In der Tat, wir werden den Antrag ablehnen, allerdings, Herr Crueger, nicht, weil wir inhaltliche Bedenken hätten, auch nicht, weil wir rechtliche Bedenken haben, sondern weil der Koalitionsvertrag uns an dieser Stelle bindet. Wir haben dort kein Übereinkommen mit dem Koalitionspartner. Darum können wir heute nicht zustimmen. Wir hätten es in der Sache gern getan.
Wir haben bereits am Dienstag die Frage beraten: Warum wollen wir junge Menschen an demokratischen Entscheidungsprozessen mehr beteiligen? Wir haben gesagt, wir wollen sie einbeziehen. Wir haben gesagt, wir erreichen eine Stärkung des politischen Interesses nur durch politische Beteiligung, und wir haben gesagt, wir wollen dem Anliegen junger Menschen auch mit Stimmrecht eine Lobby geben.
Dieser Argumentation ist auch die CDU gefolgt. Das ist eine Neuerung und Weiterentwicklung, die wir auch begrüßen, und Herr Röwekamp hat bereits in der Debatte am Dienstag darauf hingewiesen, dass die CDU nun rechtliche Bedenken ins Feld führt, was die Senkung des Wahlalters auf Landesebene anbelangt. Wir finden es schade, dass das jetzt kommt, dass die CDU sich vor dem Hintergrund diesem Antrag verschließt, weil man natürlich in dem Ausschuss über ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
rechtliche Bedenken hätte reden können. Man hätte sich damit auseinander setzen können, denn wir glauben schon, dass wir in der Lage gewesen wären, den rechtlichen Bedenken der CDU entgegentreten zu können.
Ich will das begründen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Gegner einer Senkung des Wahlalters führen häufig den Zusammenhang mit der vollen Strafrechtsmündigkeit und mit der Volljährigkeit ins Feld. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meines Erachtens besteht nicht nur kein inhaltlicher und nicht nur kein rechtlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Gruppen, sondern er ist auch historisch nicht haltbar. Herr Crueger hat auf die Debatte der Senkung des Wahlalters hingewiesen. Die Debatte ist in den siebziger Jahren geführt worden. 1970 hat der Deutsche Bundestag durch Grundgesetzänderung das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt. Die Volljährigkeit, genauso wie die volle Strafmündigkeit, folgte erst 1975.
Fünf Jahre lang stand also die Republik sozusagen im verfassungsrechtlichen Notstand, weil das Wahlrecht und die Volljährigkeit voneinander entkoppelt worden sind. Da das nicht einleuchtend ist, weil es keinen verfassungsrechtlichen Notstand gab, da das damals offensichtlich rechtlich möglich war, gibt es überhaupt keinen Grund, davon auszugehen, warum heute eine Entkopplung von Volljährigkeit und Wahlalter nicht möglich sein soll.
Im Gegenteil kennt unser Rechtssystem verschiedene Altersgrenzen. Mit 14 Jahren werden wir religionsmündig, mit 16 Jahren haben wir die Testierfähigkeit und die Eidesfähigkeit erreicht, begleitetes Fahren mit 17, kleinere Fahrzeuge zum Teil schon mit 16, den Führerschein dann erst mit 18. Es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Altersgrenzen. Wir differenzieren bei jungen Menschen zwischen den Kindern bis 14 und den Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren. Wir kennen also eine Vielzahl von verschiedenen rechtlichen Normen. Keine bindet das Wahlrecht an eine der jeweils anderen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Gegenteil festgestellt genauso wie bei anderen Gesetzen.
Wir haben in Deutschland einen Wahlrechtsgrundsatz, und zwar den der allgemeinen Wahl. Wir haben die Verfassungsbestimmung einer Staatsfundamentalnorm in Artikel 20 des Grundgesetzes, dass alle Macht vom Volke ausgeht. Damit ist erst einmal geregelt, dass wir diese Staatsgewalt des Volkes in allgemeinen, freien und gleichen Wahlen ausüben müssen. Dann hat das Bundesverfassungsgericht weiter festgestellt, dass in der Tat aber eine Wahlalters
grenze zulässig und gegebenenfalls auch geboten ist, nämlich dann, wenn junge Menschen nicht die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen, am Wahlakt teilzuhaben. Allerdings deutet das darauf hin, dass wir die Wahlaltersgrenze als eigenständige Altersbegrenzung auch eigenständig prüfen müssen.
Die Wahlaltersgrenze verleiht nicht nur den jungen Menschen ab 18 Jahren das Privileg, endlich auch wählen zu dürfen, nein, die Wahlaltersgrenze schließt die unter Achtzehnjährigen vom Wahlakt aus, und darum müssen wir begründen können, warum die unter Achtzehnjährigen nicht am Wahlakt teilnehmen können. Entwicklungspsychologisch gibt es keinen Hinweis darauf, warum Sechzehnjährige vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollten und warum man Sechzehnjährigen nicht das gleiche Recht zugestehen sollte wie Achtzehnjährigen. Alle Studien belegen: Die Sechzehn- und Siebzehnjährigen sind in der Lage, an Wahlen teilzunehmen. Darum müssten wir eigentlich den Schritt gehen und ihnen das Wahlrecht gewähren.
Jetzt will ich nicht verhehlen: Die CDU hat sich einmal bewegt, und wir geben die Hoffnung nicht auf, denn vielleicht bewegt sie sich auch noch ein zweites Mal. Sollte sie es nicht tun, wird die Veränderung des Wahlrechts – der Druck wird bestehen bleiben – vermutlich anderen politischen Mehrheiten obliegen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, ich finde, dass diese Große Anfrage und die Antwort des Senats darauf sehr umfassend, ausführlich und gut ausgefallen sind, und muss weiter darauf hinweisen, dass meine Vorrednerin Frau Ahrens viele wichtige und zentrale Punkte benannt hat, die wir als SPD-Fraktion so teilen.
Da es sich durch eine ständige Wiederholung des Gesagten zwar besser einprägt, aber der Wahrheitsgehalt auch nicht steigt, will ich versuchen, mich an dieser Stelle kurz zu fassen.
In der Tat ist es so – und ich denke, das geht aus der Anfrage hervor –, dass wir hier nicht in der Notwendigkeit stehen, irgendwelche Anträge zu beschließen, sondern wir stellen fest, dass der Senat seinen Job an dieser Stelle ordentlich macht. Sowohl der Innensenator als auch die Sozialsenatorin, der Bildungssenator und der Verkehrssenator machen hier einen vernünftigen Job. Wir können das der Anfrage entnehmen. Wir erwarten das als Parlament, und ich zumindest habe den Eindruck, dass unserer Erwartung hier entsprochen wird. In der Antwort wird deutlich, und das ist ein Punkt, auf den ich noch kurz hinweisen möchte, dass sich das Verkehrsverhalten von Kindern deutlich von dem der Erwachsenen unterscheidet. Deshalb müssen in der Verkehrserziehung Verkehrssicherheitsmaßnahmen sowie bauliche und infrastrukturelle Maßnahmen ergriffen werden. Der Senat arbeitet daran.
Gleichzeitig müssen wir aber auch bei den erwachsenen Verkehrsteilnehmern ein Bewusstsein dafür schaffen, dass gerade Kinder eben keine normalen Verkehrsteilnehmer sind, sondern deshalb besonderer Beachtung auch durch erwachsene Verkehrsteilnehmer bedürfen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die hier angesprochen worden sind und die sich auch in der Antwort des Senats wiederfinden: Schülerlotsendienste, die Aktionsgemeinschaft Verkehrssicherheit, die in Zusammenarbeit mit Verkehrswacht, BrePark, Polizei, ADAC, ADFC, Unfallkasse und ÖVB wichtige Aktionen durchführt, Vorbildaktionen. Von diesen Vorbildern können sicherlich andere Schulen und Kindergärten lernen. Man kann diese Erfahrung verbreitern. Das erwarte ich, das wird passieren. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen bedanken, die auch ehrenamtlich oder im Rahmen ihrer Institutionen wie Polizei und Verkehrswacht an diesen Aktivitäten mitarbeiten, denn sie tun einen wichtigen Dienst für die Kinder in unserer Gesellschaft.
Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, Frau Ahrens hat es auch getan: Der Stadt Bremerhaven kommt an dieser Stelle wirklich Vorbildfunktion zu.
Ich finde, hier kann Bremen richtig von Bremerhaven lernen, und das ist doch auch einmal etwas Schönes im Lande. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie haben sich in der bremischen Juristenausbildung die Prüfungsergebnisse der Studierenden im Fachbereich Rechtswissenschaft und der Referendare in den vergangenen Jahren entwickelt?
Zweitens: Wie beurteilt der Senat die späteren Berufschancen der Studierenden, die den Studiengang Rechtswissenschaften an der Universität Bremen absolviert haben?
Drittens: Wie beurteilt der Senat vor diesem Hintergrund den Presseberichten zufolge innerhalb der Universität angestellte Überlegungen, den Studiengang Rechtswissenschaft an der Universität einzustellen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ja keine Neuigkeit, dass sei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
tens der DVU so ziemlich jedes Sachthema genutzt wird, um Ressentiments gegen Ausländer, Europa und Ähnliches zu streuen, aber dass Herr Tittmann hier deutlich macht, dass er neuerdings schon Gedanken unter Strafe stellen will, zeigt eine ganz bestimmte Geisteshaltung, die, glaube ich, typisch für die Politik ist, die dort vertreten wird.
Die Positionen zur Schleierfahndung gehen dabei sowohl in der Politik als auch in der Rechtsprechung auseinander. Ich gehe davon aus, dass auch unter den demokratischen Fraktionen dieses Hauses sowohl Befürworter als auch Gegner dieser Regelung zu finden sind. Die Schleierfahndung gibt es seit 1995 in Bayern. Sie findet sich im Polizeirecht einiger anderer Länder und im Bundesgrenzschutzgesetz. Das Bremer Polizei- und Gefahrenabwehrrecht kennt eine solche Regelung nicht. Sie ist auch im Moment eine primär bayerisch geführte Debatte. Das hat man ein Stück weit gehört. Man kann fast ahnen, wo das herkommt.
Es geht dabei darum, der Polizei das Recht zu geben, Personen im Grenzgebiet, auf Durchfahrtsstraßen und auf Einrichtungen des grenzüberschreitenden Verkehrs ohne Verdachtsgründe zur Identitätsfeststellung anhalten zu können. Die Befürworter einer solchen Regelung weisen auf den Erfolg bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität hin, und die Eingriffsintensität der Maßnahme wird von ihnen als gering eingestuft. Die Gegner halten dem entgegen, dass es dabei zu einer unzulässigen Einschränkung verfassungsmäßiger Freiheitsrechte kommt und dass ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegt. Es gehört zum Charakter des Polizeirechts, dass der Staat gegen seine Bürger nur bei Vorliegen eines Verdachtsgrundes vorgehen kann und nicht einfach so.
Auch die Rechtsprechung verhält sich unterschiedlich. Das sächsische Verfassungsgericht hat entsprechende Regelungen bestätigt, das bayerische sieht sie, zumindest in Grenznähe, als verfassungsgemäß an. Das Verfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern hat 1999 die Regelung zur Schleierfahndung im wesentlichen als verfassungswidrig verworfen. Bei den Bedenken der Europäischen Union geht es jetzt aber konkret um die Binnengrenzen der EU, und zwar um die Binnengrenzen im Rahmen des Schengen-Gebietes. In der Tat gibt es dort keine Grenzkontrollen mehr, und die EU sieht dort eine unzulässige Grenzkontrolle, aber das muss man noch einmal auseinander halten: Es geht nicht um alle möglichen Grenzen, sondern es geht um die Grenzen im Schengen-Binnenraum.
Wie auch immer, Herr Tittmann hat durch seine Rede gerade deutlich gemacht, worum es ihm hier eigentlich geht. Es geht nicht um innere Sicherheit, es geht darum, eine bestimmte Ideologie zu verbreiten und Ressentiments zu schüren. Wie auch im Einzelnen die demokratischen Mitglieder dieses Hauses zur Schleierfahndung stehen, Herr Tittmann, Sie werden hier keinen Verbündeten für Ihre rechte Gesinnung finden, auch bei diesem Antrag nicht!