Henrike Müller

Sitzungen

19/38

Letzte Beiträge

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach ausführlicher Beratung der EU-Strategie im entsprechenden Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit darf ich Ihnen nun die EU-Strategie der Freien Hansestadt Bremen für die 19. Legislaturperiode zur enthusiastischen Kenntnisnahme empfehlen.
Ihnen liegt mit der neuen Strategie eine EU-Strategie vor, die im Bundesvergleich, das kann man wirklich so sagen, wenn man sich die anderen Papiere einmal anschaut, schon einzigartig ist. Ich möchte sie als zutiefst ernsthaft beschreiben, sie ist eben nicht nur eine Richtschnur oder irgendetwas, das sich auch einmal
berücksichtigen lässt. Nein, sie zeigt in eindrücklicher Weise auf, wie zentral europapolitische Fragestellungen in jedem einzelnen unserer Politikfelder und Tätigkeitsfelder hier in der Landespolitik sind.
Diese Strategie schlägt sich des Weiteren natürlich auch, das merken wir immer wieder, in vielen Debatten hier im Hause nieder. Manche mögen das in der Presse irgendwie belächeln, dass ein Landesparlament sich viel mit europapolitischen und internationalen Themen beschäftigt. Ich glaube, dieses Haus kann stolz darauf sein, dass es etwas über den eigenen Tellerrand hinausschaut.
Mein ausdrücklicher Dank geht daher an die Staatsrätin Frau Ulrike Hiller und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Europapolitik in Bremen als eine bedeutende Querschnittsaufgabe verstehen und behandeln. – Vielen Dank dafür!
Im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit haben wir die Strategie sehr ausführlich diskutiert. Sie wurde von allen Fraktionen als gute Grundlage für hiesiges politisches Handeln beschrieben, eingeschätzt und diskutiert, wobei natürlich jede Fraktion einzelne Schwerpunkte der Strategie für sich betont hat sowie bei dem einen oder anderen Punkt einen größeren Stellenwert gesehen hätte. Ich bin sicher, die Kolleginnen und Kollegen kommen gleich selbst in ihren Beiträgen darauf zurück.
Für meine Fraktion hatte ich deutlich gemacht und das möchte ich auch heute verdeutlichen, dass für uns europapolitische Bildung sehr zentral ist. Deswegen ist die Debatte jetzt auch mit dem ERASMUS+ Antrag verbunden, obwohl wir eigentlich im letzten Monat 30 Jahre ERASMUS gefeiert haben, da hätte man den Antrag auch diskutieren können. Für uns ist europapolitische Bildung so zentral, weil wir überzeugt sind, dass die anstehenden Herausforderungen in Europa nur bewältigt werden können, wenn wir unsere Jugend, also die nächste Generation, fit machen für das – und das muss man ja zugeben – nicht ganz so einfach zu verstehende europäische Gemeinwesen.
In diesem Sinne liegt Ihnen dieser Antrag vor, der ursprünglich auch aufbaute auf eine Kleine Anfrage, auf die es im letzten Sommer die Antwort des Senats gegeben hat, wie ist die europapolitische Bildung in Bremen eigentlich aufgestellt? Wir mussten im Anschluss an die Antwort zugeben, und müssen es heute auch, dass es um europapolitische Bildung in Bremen schon einmal sehr viel besser bestellt war. Die Umstellungen der diversen verschiedenen Bildungsprogramme wie LEONARDO DA VINCI, ERASMUS und COMENIUS, das wird Ihnen allen
noch etwas sagen, zu der neuen gemeinsamen Förderlinie ERASMUS+ hat leider zu einem Rückgang der Teilnehmerquoten an diesem Bildungsprogramm geführt. Das Verfahren scheint eben aufwendiger, komplizierter geworden zu sein und nimmt auch sehr viel mehr personelle Ressourcen in Anspruch als das früher der Fall war.
Auch an den Hochschulen nehmen europaspezifische Anteile an den sozialen und gesellschaftswissenschaftlichen Curricula ab, und das leider in Zeiten, in denen sie eigentlich zunehmen sollten.
Wir erinnern uns alle wahrscheinlich deutlich an den Tag, als das Ergebnis des Brexit-Referendums bekannt wurde. Ich erinnere mich ziemlich daran, vor allem an den Katzenjammer der britischen Jugend, ich darf es vielleicht so sagen, der hat mich unheimlich wütend gemacht. Äußerungen wie, „Ich dachte nicht, dass meine Stimme zählt“ oder „Die Alten zerstören meine Zukunft“ haben mich fassungslos vor dem Fernseher sitzen lassen. Man wollte ihnen, den jungen Menschen, zurufen: „Was glaubt ihr eigentlich, dass alles so bleibt wie es ist, nur weil ihr nichts anderes kennt?“
Für mich war der Morgen nach dem Brexit deshalb ein Aufruf und ein Weckruf für mehr Demokratieerziehung im europäischen Sinne. Aktuelle Studien bestätigen dies, die Zustimmung zu liberalen Demokratien scheint unter jungen Menschen zu sinken, das muss uns sehr beunruhigen, meine Damen und Herren! Wir müssen diesen Entwicklungen jetzt dringend und schnell entgegentreten. Wir brauchen mehr europaspezifische Bildung an den Schulen, an den Hochschulen und in der Jugendarbeit. Das ist auch alles in der EU-Strategie abgebildet. Die jungen Menschen in Bremen müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sie aktiv werden müssen, wenn sie morgen nicht im Europa der Vaterländer aufwachen wollen. Es wäre auch schön, wenn sie wüssten, was das bedeutet. Wir müssen ihnen klarmachen, dass ihre Stimmen und vor allem ihr Engagement notwendig sind, wenn sie auch zukünftig in einem demokratischfreiheitlichen Europa leben wollen.
Ich komme zum Schluss!
Ich fürchte, sie müssen Demokratie üben, denn ein Großteil der jungen Bremerinnen und Bremer kennen keine anderen als die demokratischen Zustände, das ist gut und gefährlich zugleich.
Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten wir Sie um Unterstützung auch für unseren Antrag zu ERASMUS+ und natürlich um Kenntnisnahme der Strategie. – Vielen Dank!