Christoph Degen
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen das Petitum noch einmal in Erinnerung rufen. Es geht dabei ausdrücklich darum, dass wir als Ausschuss anerkennen,dass diese Grundsatzentscheidung getroffen werden soll, dass aber dennoch aus humanitären Gründen der Familie – Familie heißt hier: Mutter und Kinder – die Möglichkeit gegeben werden soll, nach Deutschland zurückzukehren.
Ich sage deshalb „Mutter und Kinder“, weil der straffällig gewordene Vater längst nicht mehr mit berücksichtigt wird. Zur Erinnerung: Die Abschiebung fand bereits im Februar 2007 statt. Seitdem ist die Familie einem Prozess der Hoffnung und der Enttäuschung ausgeliefert. Ein zeitnahes Handeln ist längst überfällig.
Die Abschiebekosten wurden aufgebracht, eine Verpflichtungserklärung des Helferkreises liegt längst vor, der Lebensunterhalt der Mutter und der Kinder ist gesichert, auch eine Wohnung und ein Arbeitsplatz wurden organisiert. Frau Kazan selbst hat sich von ihrem Ehemann getrennt und durchaus einiges bewegt, um eine Wiedereinreise möglich zu machen. Sie hat dementsprechend guten Willen bekundet.
Während dieser ganzen Zeit wurden Hoffnungen immer wieder zunichte gemacht.Ich erinnere z.B.nur daran,dass im Juli letzten Jahres nach längerer Überlegung der Landrat des Main-Kinzig-Kreises bereit war, der Wiedereinreise zuzustimmen, nachdem zuvor vom Regierungspräsidium die Entscheidung in seine Hände gelegt wurde. Nachdem sich der Landrat zu dieser Entscheidung durchgerungen hatte, kam das Veto aus dem Innenministerium, eben doch nicht zuzustimmen.
Im März 2008 gab es neue Hoffnung für die Familie. Das besagte Verwaltungsgerichtsurteil bezeichnete die Kinder als faktische Inländer und hat die hohe Integrationsleistung der Kinder anerkannt. Dann kam wieder der Schlag, die Berufung wurde eingelegt, das Verfahren läuft noch
immer und wird in naher Zukunft nicht abgeschlossen sein.
Es geht dabei vor allem um die Lebensperspektiven der Kinder.Das will ich noch einmal betonen,das habe ich bereits während der Debatte im Mai-Plenum gesagt. Die Kinder sprechen kein Türkisch, sie können keine türkische Schule besuchen. Sie sind keine Deutschen, sie dürfen dementsprechend nicht die Deutsche Schule in Istanbul besuchen. Ihnen werden Lebensperspektiven geraubt und die Schulbildung vorenthalten.
Im Wortbeitrag meines Vorredners ist angeklungen, dass seit 1993 durchaus eine lange Zeit vergangen ist und der Familie die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu integrieren. Ob man das jetzt positiv oder negativ sehen will, will ich dahingestellt lassen.Wir sollten aber den gleichen Fehler nicht noch einmal machen, jetzt wieder Zeit verstreichen lassen und immer wieder durch weitere Verfahren, durch weiteres Überlegen und Abwarten die Familie, vor allem die Kinder, in der Türkei der Situation ausgeliefert lassen, bis sich das irgendwann von selbst erledigt und sie in Deutschland den Anschluss nicht mehr finden werden.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat diese Petition zur Berücksichtigung empfohlen.Wir werden der Empfehlung selbstverständlich zustimmen. Holen wir die Familie endlich nach Hause. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn der Hintergrund der Aktuellen Stunde, das Schicksal der Familie Kazan,ein trauriger ist,so liegt doch ein Funken Gutes darin. Denn gerade dem Land Hessen steht es gut an, nach dem vergangenen Wahlkampf auch einmal positive Beispiele gelungener Integration in den Vordergrund zu stellen.
Der Fall Kazan ist ein Beispiel für gelungene Integration. Die sechs Kinder, von denen fünf in Deutschland geboren wurden, waren bis zu der Abschiebung im Februar 2007 besser integriert,als man das von manch einem Kind ohne
Migrationshintergrund wünschen würde. Als Abgeordneter des Wahlkreises Main-Kinzig I, in dem die Familie lange gelebt hat, will ich Ihnen das gerne verdeutlichen. „Liebenswürdig, aufgeschlossen, vielseitig interessiert, lebhaft,aber nicht aufdringlich“,so werden die Kinder beschrieben. Sie sorgten für ein gutes Klima in der Schule. Die vier Kazan-Mädchen trugen kein Kopftuch. Sie gingen mit zum Schwimmunterricht. Sie nahmen an Klassenfahrten teil. Eine von ihnen war Klassensprecherin und gewann den Schulvorlesewettbewerb. Meine Damen und Herren, gute Integration hat sich hier nicht nur angebahnt, sie wurde vorbildlich gelebt.
Die Mutter unterstützte diesen Prozess, wo sie nur konnte. Sie hielt intensiven Kontakt zur Schule und gewann zunehmend Anschluss an die Eltern der Mitschüler ihrer Kinder. Leider entwickelte sich der Vater nicht in gleicher Weise und gab durch eine Straffälligkeit Anlass zur Ausweisung der ganzen Familie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Klein, Frau Kazan hat sich mittlerweile von ihrem Mann getrennt. Sie können sich vorstellen, was das für eine Frau mit traditionell kurdischem Hintergrund bedeutet.
Wollen wir ihre Kinder und sie tatsächlich für das Fehlverhalten ihres Mannes büßen lassen? – Nein.
Wenn wir hier eine Wiedereinreise fordern, dann wollen wir ausschließlich Frau Kazan und ihren Kindern den Weg zurück in ihr vertrautes Umfeld bieten.
Meine Damen und Herren, es ist Eile geboten. Frau Kazan lebt in der Türkei in großer Angst vor Entdeckung.Sie und die Kinder verlassen die Wohnung nur, wenn es unbedingt sein muss. Der Helferkreis aus Gründau, der heute hier zu Gast ist, was mich sehr freut, finanziert seither Frau Kazan und ihren Kinder eine Wohnung in Istanbul sowie den Lebensunterhalt und garantiert das auch für die Rückkehr nach Deutschland.
Wie schwierig die Situation ist, zeigt sich auch daran, dass die Kinder in Istanbul nicht einmal die deutsche Schule besuchen dürfen, weil sie keine deutschen Staatsbürger sind. Das macht es noch schlimmer: Sie können keine türkische Schule besuchen, weil die Kinder kein Türkisch sprechen. Die eigentliche Absurdität des Ganzen liegt doch darin, dass gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. März dieses Jahres Frau Kazan und ihren Kinder eigentlich Aufenthaltserlaubnisse auszustellen sind.Trotz der Unterstützung der zuständigen Ausländerbehörde und auch des Landrates des Main-Kinzig-Kreises
ist das aber nicht möglich, da über den Regierungspräsidenten Widerspruch eingelegt wurde.
Absurd erscheint die Weiterführung des Rechtsstreits in vielerlei Hinsicht. So hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil anerkannt, dass die Familie Kazan in die bundesdeutschen Lebensverhältnisse fest integriert war. Die Kinder haben allein das soziale Bezugssystem der BRD kennengelernt und sind zu faktischen Inländern geworden. – Zitat. – Eine Integration in die Türkei ist für die Kinder dagegen nicht möglich. Sie sprechen kein Türkisch. Den Kindern wird Schulbildung vorenthalten. Eine Rückkehr zum Schuljahresbeginn ist zwingend erforderlich. In der Türkei haben sie keine Perspektive. Ein Sohn leidet an einem angeborenen Herzfehler. Hier sind weitere regelmäßige ärztliche Behandlungen notwendig.
Ganz besonders wichtig: Der Helferkreis hat sich verpflichtet, sämtliche Kosten für die Lebenshaltung der Familie zu übernehmen. Meine Damen und Herren, vom Helferkreis wurde im letzten Jahr ein bürgerschaftliches Engagement an den Tag gelegt, das seinesgleichen sucht und das es zu würdigen gilt.
Dementsprechend müssten im Fall der Wiedereinreise außer Kindergeld keine staatlichen Leistungen in Anspruch genommen werden. Herr Innenminister, bitte lenken Sie ein, und ermöglichen Sie den Kindern mit der zügigen Wiedereinreise eine Lebensperspektive und das Ende einer bereits viel zu langen Leidenszeit. Für die Familie drängt die Zeit. Ich appelliere an Sie: Respektieren Sie das Urteil, und weisen Sie Ihre Behörde an, die eingelegten Rechtsmittel zurückzunehmen. Gute Integration muss belohnt werden. Jetzt liegt es an Ihnen, das zu bekräftigen. – Ich danke Ihnen.