Nancy Faeser
Sitzungen
Letzte Beiträge
Sehr verehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, dass die CDU und die FDP ein SPD-Anliegen umsetzen wollen und auf den Weg bringen,
denn die Zusammenführung von Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und freien Trägern unter einem Dach, um der Jugendkriminalität entgegenzuwirken, war Inhalt eines SPD-Antrags aus dem Jahr 2006. Daran möchte ich Sie heute erinnern.
Ich möchte Sie gerne auch daran erinnern, Herr Kollege Klein – Sie wissen das aus den Beratungen in der letzten Legislaturperiode sehr genau –, dass wir einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen auf den Weg gebracht haben. Als es aber im letzten Jahr um die konkrete Umsetzung ging, nämlich Haushaltsmittel dafür zu Verfügung zu stellen, haben Sie das abgelehnt, meine Damen und Herren von der FDP und der CDU. Heute stellen Sie sich hierhin und tun so, als ob es Ihre Idee und Ihr Konzept gewesen wäre, das Sie jetzt plötzlich umsetzen wollen. Es ist nicht der Stil der neuen Zusammenarbeit, den Roland Koch angekündigt hat, eine Vorlage des Ministeriums zu präsentieren und fast zeitgleich einen Antrag der CDU und der FDP mit zu verschicken. Das stelle ich mir nicht unter dem neuen parlamentarischen Stil vor.
Herr Klein, wenn es Ihnen nur um die Sache ginge, dann hätten Sie uns und die GRÜNEN angerufen und hätten den Antrag mit dem gemeinsamen Antrag aus dem Jahr 2007 zusammengeführt.
Warum ist es notwendig, ein Haus des Jugendrechts in Hessen zu schaffen? Der Landtagswahlkampf hat mit der Schwerpunktsetzung Jugendkriminalität durch die CDU sehr eindrucksvoll die von ihr verursachten Defizite im Bereich der inneren Sicherheit und Justiz aufgezeigt.
Ein wesentlicher Nachteil bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität in Hessen ist, dass die Jugendlichen, die straffällig werden, lieber Kollege Rentsch, erst sehr spät nach der Tatbegehung die Konsequenzen ihres Fehlverhaltens spüren. Die derzeitige Situation ist leider häufig so, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut.Weder die Polizei noch die Jugendämter erfahren derzeit wechselseitig etwas von den jeweils zu bearbeitenden Fällen von Jugenddelinquenz, sie werden nicht in ausreichendem Maße an der Arbeit des anderen beteiligt. Dadurch wird sehr viel wertvolle Zeit vergeudet. Das wollen wir ändern. Deshalb ist das Herzstück der Bekämpfung von Jugendkriminalität die Zusammenarbeit aller an den Jugendverfahren Beteiligten.
Wir möchten deshalb dieses Projekt zur Schaffung eines „Hauses des Jugendrechts“ immer noch – seit dem Jahr 2006 in Kontinuität – verwirklichen.
Wir möchten es aber „Erziehungs- und Präventionszentrum“ nennen – darüber können wir noch einmal diskutieren –, weil wir meinen, dass diese Bezeichnung das, was dort passiert, besser beschreibt. Unter „Haus des Jugendrechts“ können sich viele gar nichts vorstellen. Sie glauben, das hat nur etwas mit Justiz zu tun. Das ist nicht so.
Die Jugendämter sollten in ausreichendem Maße daran beteiligt sein. Der Schwerpunkt muss auf der Erziehung liegen. Deshalb meinen wir, dass dieser Name besser ist.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich der Justizminister in seinem Bericht an Rheinland-Pfalz orientiert und nicht an Baden-Württemberg. Wir haben uns nämlich 2006 angeschaut, wie das Konzept in Ludwigshafen, RheinlandPfalz, umgesetzt wird. Dort wird in großen und kleinen Teilkonferenzen über den einzelnen Jugendlichen beraten und ein individuelles Konzept dafür entwickelt, welches System von Sanktionen zeitnah und am wirkungsvollsten anzuwenden ist und wie am besten vermieden werden kann, dass er erneut straffällig wird. Daran haben Sie sich orientiert. Das begrüßen wir ausdrücklich.
Zu begrüßen ist auch, dass der Täter-Opfer-Ausgleich in diesem Konzept eine größere Berücksichtigung findet. Das dient dem Opferschutz. Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt das ausdrücklich.
Die Evaluierung der beiden bereits seit 1999 in Bad Cannstatt, Baden-Württemberg, existierenden Einrichtungen hat eindrucksvoll bewiesen, dass die Verfahrensdauer auf diesem Weg erheblich zu verkürzen ist. Sie hat aber auch ergeben,dass es nicht allein um eine Beschleunigung geht. Es geht auch darum, bei der staatlichen und kommunalen Reaktion auf Straftaten die gesamte Lebenssituation der Jugendlichen einzubeziehen. Das ist gerade der Vorteil der Zusammenführung der einzelnen Ämter und Behörden.
Da sich das Konzept bewährt hat – Herr Kollege Klein hat es gesagt –, würden wir es gerne an zwei Standorten erproben: in Nord- und Südhessen. Wir glauben nämlich, dass die Bekämpfung der Jugendkriminalität sehr schnell in Angriff genommen werden sollte.
Darüber hinaus wollen wir eine feste Beteiligung und Einbeziehung der freien Träger.Auch das haben wir in unserem Antrag noch einmal klargestellt. Ich glaube aber, dass wir uns da einigen.
Aber das Ganze geht nicht ohne Personal. Das hat der Herr Minister in seinen Bericht auch ausgeführt. Bei den Staatsanwaltschaften gibt es ein Problem.Dort steht nämlich, dass die Mitarbeiter „hälftig“ aus dem vorhandenen Personal rekrutiert werden können. Das sehen wir nicht so. Die Staatsanwälte in Hessen haben eine Arbeitsbelastung von 160 %. Das geht also nicht, ohne weiteres Personal bei den Staatsanwaltschaften einzustellen. Darauf werden wir dringen.
Ich komme zum Schluss.– Ich erlaube mir,dem Herrn Minister noch einen guten Rat mit auf den Weg zu geben. Herr Minister, den meine ich sehr ernst. In das gewählte Verfahren haben Sie die Beteiligten, insbesondere das Jugendamt der Stadt Frankfurt, leider erst sehr spät einbezogen. Sie haben sie erst einbezogen, nachdem es in der Zeitung gestanden hat. Man konnte gestern in der „FAZ“ lesen,dass es dadurch große Probleme mit Verzögerungen gibt.
Herr Minister, ich kann Ihnen nur den Rat geben, die Beteiligten einzubeziehen, sie bei der Verwirklichung des Konzepts mitzunehmen. Deswegen werden wir im Ausschuss beantragen, eine Anhörung mit den Beteiligten durchzuführen. Herr Justizminister, vielleicht sollten Sie sich dann wieder häufiger im Justizministerium als im Kultusministerium blicken lassen. – Vielen Dank.