Erhard Pumm

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Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Ich denke, wir haben in den letzten Monaten erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland eine ganz ordentliche ausländerpolitische Debatte geführt, und zwar auch bei der CDU, bei der CSU, bei der FDP und auch bei den Grünen. Diese Form der Auseinandersetzung mit diesem Thema hätte ich mir schon seit 20 Jahren gewünscht.
Von daher, Herr Schira, gibt es keine Konsensfalle. Ich glaube, wir sind bei der Frage der Integration und Ausländerpolitik, der Einwanderungspolitik in dieser Gesellschaft auf einen breiten Konsens angewiesen. Ausländerpolitik, die neu ausgerichtet wird, sollte nicht mit 51 Prozent der Stimmen im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Sie ist eine ganz wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die einer breiten Basis bedarf. Deswegen wünsche ich mir, daß wir die Diskussion fortführen, und zwar mit der CDU, mit der CSU, mit den Grünen. Die Sozialdemokraten, denke ich, sind nicht diejenigen, die jetzt mit der Weisheit vorangegangen sind und gesagt haben, da muß es langgehen
und ihr alle müßt folgen. Insofern ist es doch hervorragend, daß Herr Schröder gesagt hat, wir warten erst einmal ab, was die anderen dazu sagen, und dann werden wir das diskutieren.
Ich kann Ihnen schon prophezeien, und das wäre auch mein Wunsch, daß wir in dieser Frage zu einem großen gesellschaftlichen Fortschritt kommen, daß wir uns einigen, und gerade hier in Hamburg
müssen wir uns einigen. In den Großstädten der Bundesrepublik verändert sich die Struktur der Bevölkerung zunehmend. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund wird in den nächsten Jahrzehnten ansteigen. Wir sind darauf angewiesen, daß die Großstadtgesellschaften miteinander in Frieden leben. Wir müssen alle dafür sorgen, daß sich die Menschen in den Großstädten verstehen und kennenlernen, nicht nur tolerieren, auch anerkennen. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. Ich bin sicher, daß die CDU da auch mitmachen wird.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Sie haben als CDU zu einer richtig sozialdemokratischen Rede applaudiert; da kann ich Ihnen nur gratulieren.
Das fand ich sehr schön, Frau Koop, das haben Sie so schön sozialdemokratisch erklärt, wir brauchen eigentlich gar nichts mehr hinzuzufügen. Aber aufgrund meiner sozialdemokratischen Pflichten muß ich Ihnen dennoch etwas mitteilen.
Liebe Frau Koop! In Anlehnung an die Reise nach Jerusalem macht die CDU in Sachen Arbeitsmarktprojekte seit einiger Zeit die Deutschlandreise. Mal sind wir zu Gast in Neuss, das liegt in Nordrhein-Westfalen, mal in Neuwied, das liegt in Rheinland-Pfalz. Heute soll es also nach Sachsen und Baden-Württemberg gehen, warum auch nicht, wenn etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Sinnvoll ist es allerdings nicht, immer Birnen mit Äpfeln zu vergleichen, und es ist unheimlich schwierig, Modelle in strukturschwachen ländlichen Bereichen auf die Situation in einer Metropole zu übertragen.
Bei uns sind etwas andere Instrumente gefragt. Wir haben in der Hamburger Arbeitspolitik eine ganze Reihe von kreativen Ansätzen; das ist schon wie ein großer Mosaikteppich von Angeboten.
Erstens: Der neueste Hamburger Arbeitsmarktbericht weist eine positive Entwicklung gerade auch für ältere arbeitslose Menschen aus. Sie haben wieder Chancen, einen Arbeitsplatz im Ersten Arbeitsmarkt zu finden. Unternehmen suchen wieder ältere Menschen mit längerer Berufserfahrung.
Zweitens haben sich, Frau Koop, das ist sicherlich gerade auch für Sie interessant, für Frauen die Beschäftigungschancen deutlich erhöht, ihre Erwerbstätigkeit ist in Hamburg überproportional gestiegen. Natürlich verdanken wir diese positive Entwicklung zu einem wesentlichen Teil der guten Konjunktur, den Produkten und Dienstleistungen, die in unserer Stadt hergestellt und angeboten werden. Wenn aber Erwerbslose, die länger ohne Beschäftigung waren, nun wieder Arbeit finden, so ist dies auch auf die
erfolgreiche Hamburger Arbeitsmarktpolitik zurückzuführen. Ihr Konzept lautet seit langem: Qualifizierung und Fortbildung.
Viele Arbeitslose haben in der Zeit ihrer Erwerbslosigkeit an Maßnahmen teilgenommen und sich neue Kommunikations- oder Fertigungstechniken angeeignet. Damit haben sie Anschluß an die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gehalten und sind auch an modernisierten Arbeitsplätzen einsetzbar. Moderne Arbeitspolitik sieht so aus, daß die Chancen der Menschen erhöht werden, wieder einen Arbeitsplatz zu finden und in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. So erhalten Menschen wieder Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, der materiellen Sicherheit und der sozialen Anerkennung.
Und noch ein zweites Prinzip kennzeichnet moderne Arbeitspolitik. Es hat sich bewährt, Arbeitsplätze und Arbeitnehmer möglichst paßgenau zusammenzuführen. Mit Paßgenauigkeit ist am ehesten die Zufriedenheit von Beschäftigtem und Arbeitgeber zu erreichen. Das Modellprojekt „Jobplan“, das in Hamburg vom Arbeitsamt und von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales gemeinsam umgesetzt wird, schafft die Voraussetzungen für diese Paßgenauigkeit. Für jeden Teilnehmer wird ein Fähigkeitsprofil erstellt, denn es hat sich gezeigt, daß es die homogene Gruppe der älteren Langzeitarbeitslosen nicht gibt und auch nie gab. Jeder Mensch hat seine individuellen Stärken und Schwächen, und es kommt darauf an, Stärken auszubauen und Schwächen zu beheben, wo es möglich ist. Die erstellten Fähigkeitsprofile sind die Basis für die Erstellung der jeweiligen Eingliederungspläne. Sie orientieren sich an den Erfordernissen des Arbeitsmarkts.
Wer langzeitarbeitslose Menschen nur noch in Tätigkeiten vermitteln will, die dem Bereich der sozialen Hilfestellung zuzuordnen sind, nimmt ihnen die Chance auf eine selbstbestimmte und zugleich arbeitsmarktgerechte Weiterentwicklung. Dennoch gibt es auch langzeitarbeitslose Menschen, die die Hoffnung auf Rückkehr in die Tätigkeitsfelder des Ersten Arbeitsmarkts aufgegeben haben. Es gibt Menschen, bei denen die Möglichkeiten der Vermittlung in angebotene Stellen gering ist. Wir sollten daher alle Möglichkeiten nutzen und nichts unversucht lassen, diesen Menschen zur Stabilisierung ihrer persönlichen Situation zu verhelfen. Von daher ist es sinnvoll, die beiden Anträge im Sozialausschuß inhaltlich genau zu besprechen, um zu sehen, ob es auch reale Chancen gibt, hier etwas zu lernen.
Ich denke, das genügt.
Ich wollte eigentlich noch eine ganze Reihe anderer Arbeitsmarktprojekte aufführen. Aber vielleicht spricht ja noch die Sozialsenatorin dazu. – Das ist nicht der Fall. – Dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
Renate Vogel SPD (als Vertreterin der Sitzungspräsiden- tin): Nunmehr bekommt das Wort die Abgeordnete Simon.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Ich denke, daß es in der Bürgerschaft Einigkeit darüber gibt, daß wir offene Drogenszenen mit allen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, bekämpfen müssen.
Der Hamburger Senat hat mit einer Vielzahl von Maßnahmen die offene Drogenszene bekämpft. Im Vordergrund steht natürlich die Hilfe der Drogenkranken, und dafür stellen wir Gesundheitsräume zur Verfügung. Es gibt ein Methadon-Programm und den Versuch einer kontrollierten Heroinabgabe. Um die Drogenszene zu bekämpfen, ist es natürlich notwendig, daß auch die Polizei ihre Aufgabe er
füllt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten tut sie dies hier in Hamburg ausgezeichnet.
Sie sprachen die Platzverweise an. Es stimmt, daß es sehr viele Platzverweise gibt; ich glaube, im Jahr 2000 waren es rund 84000. Es gibt auch Aufenthaltsverbote, das sind nicht all zu viele, und es könnten noch mehr werden. Das Hamburger Verwaltungsgericht hat aber eindeutig erklärt, daß die Generalklausel, Paragraph 3 des SOG, dieses auch ermöglicht. Daher kann man den Polizeibeamten auch sagen, daß sie mit der Generalklausel eine Rechtssicherheit haben, auf die sie sich berufen und tätig werden können.
In dieser Debatte muß auch deutlich werden, daß der Hamburger Senat gegen alle Drogendealer mit Konsequenz vorgeht; die SPD-Fraktion unterstützt dieses. In dieser Debatte braucht man ferner nicht zu verschweigen, daß es unter den Drogendealern sehr viele Ausländer gibt, die durch ihr Auftreten häufig zur Ausländerfeindlichkeit in unserer Stadt beitragen.
Daher muß man insbesondere gegen diese Personengruppe mit aller Härte und Konsequenz vorgehen. Das macht die Polizei. In den letzten fünf Jahren wurden aufgrund von Drogenhandel über 500 Ausländer aus Deutschland ausgewiesen. Das zeigt, daß der Senat nicht untätig ist. Wir sehen keine Notwendigkeit, dem Antrag der CDU zuzustimmen, und werden ihn ablehnen.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Die Bundesanstalt für Arbeit hat heute die Statistik über die Arbeitslosenzahlen vorgelegt. Daraus ergibt sich, daß in Hamburg die Arbeitslosigkeit bei 8,5 Prozent liegt. Das bedeutet, daß es in Hamburg 72 000 Arbeitslose gibt.
Das ist viel zu viel. Wir haben mit 9,1 Prozent auch zu viele junge Leute bis zum 25. Lebensjahr, die ohne Ausbildung und Arbeit sind. Das sind gegenüber den übrigen Beschäftigten 0,6 Prozent mehr. Die Arbeitslosigkeit wollen wir reduzieren, dafür ist die Initiative für Arbeit und Ausbildung angetreten. Wir wollen die Arbeitslosenzahlen in diesem Jahr auf die Marke von 65 000 drücken. Wir werden dies auch erreichen können, wenn alle mithelfen.
Daß wir einen gespaltenen Arbeitsmarkt haben, ist bekannt. Daß der Senat im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbericht von einem gespaltenen Ausbildungsmarkt spricht, überrascht Fachleute nicht. Die Kritik, daß in Hamburg aber angeblich alles schlecht sei, kann nicht stimmen, weil die Fakten dagegen sprechen.
In den Jahren 1999 und 2000 ist die Arbeitslosigkeit der jungen Leute bis zum 25. Lebensjahr um 82 000 abgesenkt worden; das sind im Bundesdurchschnitt 16 Prozent. In Hamburg ist die Arbeitslosigkeit dieser Altersgruppe um 2838 Leute abgesenkt worden; das entspricht 29 Prozent.
Also ist die Erfolgsrate Hamburgs im Bundesvergleich sehr gut, ich vermute sogar, am besten. Daher brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Nein, hier ist nicht die Lage am schlimmsten. Vorhin wurde schon mehrfach angesprochen, daß gerade die Hamburger Jugendlichen einem verstärkten Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, nämlich der umliegenden und häufig auch der besseren Schulabgänger, die gerne in diese Stadt kommen, um hier die Ausbildung anzutreten. Das ist auch legitim, das wollen wir. Aber umgekehrt suchen nicht so viele hochqualifizierte Hamburger Schulabgänger Ausbildung und Arbeit im Umland, sondern die Problemlagen konzentrieren sich hier in der Stadt. Das ist aber keine außergewöhnliche Situation. Die gibt es auch in anderen Städten, beispielsweise in München, Berlin, Frankfurt und Leipzig.
Auch das Sofortprogramm der Bundesregierung, das Herr Drews, der der Debatte leider schon längere Zeit nicht mehr folgt, häufiger kritisiert hat, ist ebenfalls vorzuzeigen. Allein in Hamburg sind im Jahre 1999 durch das Jugendsofortprogramm 453 junge Leute zusätzlich in Ausbildung gekommen. Im Jahre 2000 waren es 592. Das ist keine Selbstverständlichkeit, das ist auch nicht vom Himmel gefallen.
Wir haben nicht die Fehler vieler Bundesländer begangen, im Rahmen des Jugendsofortprogramms und der Gelder, die dafür zur Verfügung standen, sehr viel QualifizierungsABM anzubieten. Wir haben dies auf ein Minimum reduziert, und zwar auf diejenigen Jugendlichen und Jungerwachsenen, die eine Ausbildung hinter sich gebracht haben und danach keine Arbeit gefunden haben. Wir haben aber nicht jungen Leuten ohne Ausbildung in Tausenderpaketen ABM angeboten.
Das ist der richtige Weg für Hamburg, der auch im Verwaltungsausschuß des Hamburger Arbeitsamtes die Unterstützung der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und auch der Senatsvertreter findet. Wir haben in Hamburg eine gute Ausgangssituation – Frau Pape hat das hier schon angemerkt –, daß nämlich die Vertreter der Wirtschaft, der Gewerkschaften, des Senats zusammen an einem Strang ziehen, und zwar in die gleiche Richtung.
Lassen Sie mich noch einiges zur Thematik der jugendlichen Ausländerinnen und Ausländer in Hamburg sagen, weil dies ein spezifisches Problem der Großstädte in der Bundesrepublik Deutschland ist. Dieses Problem wird uns wahrscheinlich noch viele, viele Jahre verfolgen und wahrscheinlich auch schwer zu schaffen machen.
Der Anteil der Jugendlichen in den Hamburger Schulen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen und keinen deutschen Paß haben, der Anteil der Jugendlichen, die einen deutschen Paß haben, aber dennoch nicht richtig Deutsch sprechen, ist enorm hoch und belastet das gesamte Schulsystem. Die Lehrer in Hamburg haben es wahrlich nicht leicht. Diese Aufgabe in dieser Stadt zu bewältigen, erfordert überdurchschnittlich viel Energie und einen überaus großen Arbeitsaufwand. Dennoch müssen wir – uns bleibt auch gar nichts anderes übrig – von der Schulbehörde, von den Lehrern, aber auch von den Eltern erwarten, daß diese jungen Hamburger Deutsch lernen und die Schulen mit einem Abschluß verlassen.
Daß über 20 Prozent dieser jungen Leute ohne Schulabschluß aus den Hamburger Schulen kommen, ist ein Riesenproblem. Dieses Problem müssen wir gemeinsam bewältigen. Es wird aber nur mit Hilfe der Unterstützung der Eltern, mit der Hilfe der Schule und mit unserer Unterstützung gehen. Wir werden in den kommenden Jahren auch dafür weiterhin viel Geld zur Verfügung stellen müssen. Es gibt keine Alternative.
Ursprünglich haben wir vermutet, daß eher ausländische jugendliche Frauen größere Integrationsprobleme haben. Bei den Schulabschlüssen beziehungsweise Nicht-Schulabschlüssen müssen wir feststellen: Es ist überwiegend ein männliches Problem.
Wir werden auf diesem Weg, den wir beschritten haben, weiter vorangehen. Wir werden die Jugendarbeitslosigkeit auch in diesem Jahr absenken. Wir werden die Institutionen und Einrichtungen in der Stadt, die sich mit diesen jungen Leuten intensiv beschäftigen und ihnen sehr viele Hilfestellungen geben, fortsetzen.
Wir brauchen aber auch die Unterstützung und die Bereitschaft in den Betrieben, junge Ausländerinnen und Ausländer auszubilden und einzustellen. Es gibt nach wie vor immer mehr Anzeichen, daß auch qualifizierte junge Ausländerinnen und Ausländer allein wegen ihres ausländischen Namens und ihrer Herkunft als „Risikofaktor“ gesehen und nicht in den Betrieb aufgenommen werden. Hier brauchen wir ein Umdenken.
Ein letzter Satz: Es ist gut, daß zum ersten Mal im Bericht des Senats sehr ausführlich über die Integration von Behinderten berichtet wird. Auch diesem Bereich müssen wir uns verstärkt zuwenden. Wir sind insgesamt auf einem guten Weg. Wir werden die Probleme aufgreifen, und wir werden sie mit allen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, auch lösen.
Frau Präsidentin, Frau Senatorin! Können Sie einmal die Position des Senats erläutern, nach welchen Grundsätzen die Unterkünfte für Flüchtlinge auf das Stadtgebiet verteilt werden? Und können Sie auch etwas darüber aussagen, ob gerade in dem Stadtteil übermäßig viele Flüchtlinge untergebracht wurden?
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß am letzten Freitag Vertreter sehr vieler gesellschaftlicher Gruppen dieser Stadt meiner Einladung gefolgt sind und wir uns zu einem „Ratschlag“ getroffen haben. Es waren Vertreter aller Hamburger Gewerkschaften, aber auch der jüdischen Gemeinde Hamburg, der Hochschule für Wirtschaft und Politik, des Hamburger Sportbundes, der Bürgerschaftsfraktionen und der Parteien – die F.D.P.war auch dabei –, die Handelskammer und die Handwerkskammer, Bildungseinrichtungen, der Bundeswehrverband, die Kirchen, sowohl die nordelbische als auch die katholische Kirche, die Vereinigung der Unternehmensverbände, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Universität Hamburg anwesend; der Beamtenbund mußte kurzfristig absagen. Es waren viele, die mit mir der Auffassung sind, daß die Stabilisatoren einer demokratischen Gesellschaft die Demokraten selbst und ihre demokratischen Institutionen sein sollten und nicht in erster Linie Justiz und Polizei und der Staat insgesamt.
Eine zivile Bürgergesellschaft, die sich der Demokratie verpflichtet fühlt, wird auch Angriffe gegen die Demokratie abwehren können. Dies wird man nur erreichen, wenn man die Menschen mit ihrem Herz und mit ihrem Kopf gewinnt. Deswegen nützt es auch bei diesen Diskussionen und den Überlegungen, wie man vorgeht, nichts, sich nur gegen Rechtsextremismus zu wenden.Wir sollten die Chance nutzen, diese Initiativen auszuweiten für Demokratie, für Toleranz, für Anerkennung und eben auch gegen Rechtsextremismus und Gewalt.
Für viele von uns als Nachkriegskinder ist Demokratie etwas Selbstverständliches geworden. Wir mußten Demokratie nie erkämpfen, wir haben sie geschenkt bekommen. Jetzt erleben wir durch Rechtsextremismus, durch Rassismus, daß die Demokratie auch gefährdet werden kann.Wir sind aufgefordert, als Demokraten tätig zu werden und ganz viele Menschen in dieser Gesellschaft mitzunehmen im Kampf gegen Rechtsextremismus, im Kampf für den Erhalt von Demokratie und Freiheitsrechten. – Danke schön.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Am 1. Juli 1998 ist das Kindschaftsreformgesetz in Kraft getreten. Wir Sozialdemokraten begrüßen, daß die Ungleichheit zwischen unehelichen und ehelichen Kindern damit weiter abgebaut worden ist. Dieses Gesetz stärkt die Rechte des Kindes auf die gemeinsame elterliche Sorge, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet oder unverheiratet sind. Damit entspricht das Gesetz der veränderten Lebensrealität einer zunehmenden Anzahl von ElternKind-Beziehungen, in denen die Erziehungsberechtigten nicht oder nicht mehr verheiratet sind.Dies gilt auch für eine zunehmende Anzahl von binationalen Paaren mit gemeinsamen Kindern, die geschieden oder unverheiratet sind. Auch deren Kinder haben nun einen verstärkten Anspruch
darauf, von beiden Elternteilen betreut und erzogen zu werden. Das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind kann nun auch von einem ausländischen Elternteil ausgeübt werden, der nicht oder nicht mehr mit dem anderen Elternteil verheiratet ist.
Probleme können sich dann ergeben, wenn das neue Kindschaftsreformgesetz in Widerspruch zum Ausländerrecht gerät. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Vater, der gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen hat, das gemeinsame Sorgerecht für das Kind einer deutschen Frau beantragt. Nach dem Ausländerrecht kann seine Ausweisung zwingend sein. Andererseits soll der Staat das Verhältnis von Eltern und Kindern besonders schützen.
Schwierig wird es also in den Fällen, in denen das öffentliche Interesse an der Ausweisung eines Menschen schwerer wiegt als das Recht eines Kindes darauf, daß der ausländische Elternteil hier in Deutschland bleibt. Wir müssen damit rechnen, daß es in Zukunft in solchen Fällen Konflikte gibt, die nicht immer einfach und glatt zu lösen sein werden. Grundsätzlich dürfen Kinder mit ausländischem Elternteil nicht schlechter gestellt werden als Kinder mit deutschen Eltern. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung untermauert.
Andererseits muß gewährleistet bleiben, daß das Ausländergesetz nicht generell ausgehebelt werden kann, wenn es zum Beispiel um die Ausweisung ausländischer Väter deutscher Kinder geht. Auf diesem Gebiet sind viele wichtige Fragen zu klären. Wir haben noch zu wenig Erfahrungswerte über die Fälle, in denen das neue Kindschaftsrecht zwingend oder im Ermessensweg dazu geführt hat, daß das Aufenthaltsrecht anders ausgelegt wurde. Es liegen noch keine gesammelten Informationen über die Fälle vor, in denen die Auslegung des neuen Kindschaftsrechtes in Widerspruch zum Ausländerrecht geraten ist.
Zu fragen ist auch, inwieweit sich die Situation ausländischer Mütter in den problematischen Fällen von der Situation ausländischer Väter unterscheidet. Die Beantwortung dieser wichtigen Fragen kann nicht von heute auf morgen erfolgen. Insofern unterstützt die SPD-Bürgerschaftsfraktion den Antrag der GAL auf einen Senatsbericht bis zum 31. Dezember 2000.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Frau Goetsch hat schon angemerkt, daß unser neuer Bundespräsident am 12.Mai seine erste Berliner Rede
unser gemeinsamer, auch junger – zum Thema Ausländer unter dem Titel „Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben“ gehalten hat. Ich empfehle Ihnen allen, sich diese Rede über das Internet bundespräsident.de einmal zu besorgen, da sie die Möglichkeit eröffnet, sich in einer anderen Form über Inhalte einer Ausländerpolitik in Deutschland zu verständigen, denn diese Verständigung hat leider in den letzten Jahren gefehlt.
Deswegen möchte ich einige wenige Passagen aus dieser Rede zitieren. Da heißt es unter anderem:
„Wir dürfen in der Diskussion nicht immer nur Teilaspekte herausgreifen: heute islamischer Religionsunterricht, morgen Green Card, dann wieder Arbeitserlaubnisse für Saisonarbeiter oder die Behandlung von Bürgerkriegsflüchtlingen.Wir müssen den Blick für das Ganze gewinnen.
Erfolgreich können wir nur dann handeln, wenn wir zwei Haltungen überwinden, die zu weit verbreitet sind: Wir müssen Unsicherheit und Angst überwinden, die manchmal zu Fremdenfeindschaft, zu Haß und Gewalt führen. Wir müssen eine falsch verstandene Ausländerfreundlichkeit überwinden, die so tut, als gebe es überhaupt keine Probleme und Konflikte, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben.“
Der Bundespräsident hat die Problemlage ganz gut beschrieben. Ich appelliere, in diesem Sinne die Diskussion zu führen, und wir sollten sie auch egoistisch führen. Deswegen frage ich mich, welche Interessen die deutsche Bevölkerung in der Ausländerpolitik hat; einige Interessen möchte ich formulieren: Die große Mehrheit der Ausländer, die bei uns leben, baut dieses Land mit auf und ist ein wertvoller kultureller Bestandteil des Landes, und ohne diese Ausländer könnten wir in Deutschland nicht so gut leben, wie es zur Zeit ist. Wir brauchen insbesondere sehr viele Ausländer für die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt.Wir brauchen aber auch Integrationsbestrebungen nicht nur von deutscher Seite, sondern auch von ausländischer Seite. Das bedeutet, die Kinder müssen in den Kindergarten, um die Sprache zu erlernen. Sie brauchen eine gute Schulausbildung, sie brauchen eine gute Berufsausbildung, und sie müssen in die Arbeitswelt integriert werden. Wir erwarten, daß in diesem Eingliederungsprozeß die Einbürgerung erfolgt.Wir erwarten aber auch, daß alle Menschen in diesem Land, also auch die Ausländer, die Prinzipien des Grundgesetzes und die Gesetze in diesem Land beachten. Wir müssen die Gesetze auch gegenüber Ausländern durchsetzen.
Das ist die Seite des Eigennutzes.
Daneben haben wir eine gesellschaftliche Verantwortung, die sich auf Bürgerkriegsflüchtlinge bezieht. Sie bezieht sich auf Menschen, die als politisch Verfolgte in dieses Land flüchten. Dieser Aufgabe und dieser Verantwortung müssen wir uns weiterhin stellen, aber mit ganz klaren Konditionen. Das bedeutet: Bei Asylbewerbern gibt es einen
Beginn und ein Ende des Asylverfahrens, und wenn am Ende des Asylverfahrens das Asylrecht verneint wird, muß die Ausreise erfolgen. Das gleiche gilt für Kriegsflüchtlinge. Wenn wir Menschen – und das sollten wir auch künftig beibehalten – aus Kriegsgebieten bei uns aufnehmen, dann ist das ein hohes Gut. Aber diese Hilfe ist begrenzt.Wenn der Bürgerkrieg beendet ist, muß die Heimreise erfolgen, sonst verlieren wir die Zustimmung für unsere Politik in der Bevölkerung.
Zum Arbeitserlaubnisrecht hat der Bundespräsident auch eine interessante Passage eingefügt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Dann ende ich an dieser Stelle. – Danke schön.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Frau Uhl, Sie haben ausgeführt, daß Sie nur das Minimum fordern. Aber wenn man die Forderungen genau durchliest, dann geht es nicht um das Minimum. Deswegen möchte ich auf einige wenige Passagen Ihrer Forderungen, die wir heute beschließen sollen, eingehen.
Wenn Sie schreiben:
„Flüchtlinge, denen per ärztlichem Attest eine Krankheit oder Traumatisierung bescheinigt wird, werden nicht abgeschoben.“,
was wollen Sie eigentlich damit aussagen?
Wollen Sie damit aussagen, daß ein Ausreisepflichtiger, der eine Grippe oder eine andere leichtere Erkrankung hat, nicht abgeschoben werden kann?
Dem können wir nicht folgen.
Dann schreiben Sie als Forderung:
„Die Hinzuziehung von Ärzt/innen zur Vorbereitung und Begleitung einer Abschiebung unterbleibt ausnahmslos.“
Warum eigentlich? Ist es nicht auch in dem einen oder anderen Fall sinnvoll, daß es eine ärztliche Begleitung gibt? Warum sind Sie da so radikal und wenden sich gegen die Interessen der Betroffenen?
Dann schreiben Sie:
„Die Praxis der ,Ingewahrsamnahme‘, das heißt Festnahme auf der Ausländerbehörde einen Tag vor einer geplanten Abschiebung, unterbleibt ausnahmslos.“
Es gibt Fälle – da machen wir uns gar nichts vor –, wo es notwendig ist, die Ingewahrsamnahme vorzunehmen.
Dann sagen Sie:
„Familien werden zum Zweck der Abschiebung in keinem Fall auseinandergerissen. Familien werden nicht getrennt.“
Grundsätzlich ist das richtig. Familien sollten gemeinsam abgeschoben werden. Wenn sich aber herausstellt – und so ist wohl auch das praktische Leben –, daß sich einzelne Familienmitglieder der Abschiebung entziehen, muß es auch möglich sein, in diesen Einzelfällen die Abschiebung von Teilen der Familie vorzunehmen.
Es darf nicht verkannt werden, daß es sich grundsätzlich um Personen handelt, die der Aufforderung, Hamburg zu verlassen, nicht nachgekommen sind. Diese Menschen halten sich illegal in Hamburg auf, und das wissen sie auch. Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, als ob Menschen,
A C
B D
die abgeschoben werden, völlig ahnungslos sind. Sie wissen, daß ihr Aufenthalt in Kürze beendet wird. Es gibt immer wieder individuelle Gründe dafür, daß Menschen ihre Ausreise aus Deutschland hinauszögern oder sogar verhindern wollen. Dies ist auch menschlich verständlich. Daß sie alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, wird von uns keinesfalls kritisiert. Das ist das Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates. Wir als Abgeordnete haben auch die Aufgabe, die Rechtsstaatlichkeit einzufordern. Dieses gilt besonders für staatliches Handeln, ohne Frage, dieses gilt aber auch für die Menschen, deren Asylverfahren aufgrund eines rechtskräftigen Urteils negativ beschieden wird. Sie müssen ausreisen, und daran dürfen wir auch keinen Zweifel lassen. Auch das gehört zur Rechtsstaatlichkeit.
Abschiebungen werden aus der Sicht der Betroffenen nie menschlich sein, nie und nimmer, Frau Uhl. Da werden Sie keinen einzigen Fall finden, und das wissen Sie genausogut wie ich. Gerade deshalb müssen wir auch die Abschiebungspraxis, soweit es irgendwie geht, human gestalten, obwohl diese Begrifflichkeit in den Ohren der Betroffenen als zynisch empfunden werden wird.
Deswegen, sehr geehrte Frau Uhl, werden wir Ihren Antrag ablehnen und dem Antrag der GAL zustimmen.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Die heutigen Aussagen von Herrn Professor Karpen waren enttäuschend. Sie haben keinen Weg für die Integrationspolitik aufgezeigt.
Die Fortsetzung der Regierungspolitik Kohl ist nicht zukunftsfähig.
In einer Stadt mit 270 000 Ausländern und einer großen Zahl von Menschen, deren Urgroßväter eingewandert sind, haben wir nach wie vor die Situation, daß diese Menschen immer noch Ausländer sind.Wenn wir keine Parallelgesellschaft wollen, müssen wir politisch handeln. Wir Deutsche müssen das Signal geben, daß die Ausländer, die hier dauerhaft mit festem Wohnsitz in dieser Stadt leben, alle deutsche Staatsbürger werden sollen. Dieses Signal geht von dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht der Bundesregierung aus und ist angelehnt an das Staatsangehörigkeitsrecht der meisten europäischen Länder. Damit geben wir auch den Weg frei für einen Schritt zur weiteren Integration innerhalb der Europäischen Union.
Herr Dr.Karpen hat eine Reihe von Argumenten aufgeführt, mit denen wir uns auseinandersetzen sollten.Er sagte zum Beispiel, daß der Anteil der jungen Ausländer ohne Hauptschulabschluß wesentlich höher sei als bei den Deutschen. Das stimmt. Außerdem sagte er, daß sehr viele Ausländer in benachteiligten Stadtteilen wohnen würden. Auch das stimmt. Es stimmt auch, daß mehr Ausländer arbeitslos sind als Deutsche. Das kann doch nur bedeuten, daß wir uns bemühen müssen, diese Situation zu ändern.Viele Ihrer Argumente sind nicht gegen die Integration und Einbürgerung gerichtet, sondern sie verdeutlichen ein soziales Problem. In Wilhelmsburg leben andere Bürger als in Nienstedten.Es ist ein Problem von Arm und Reich, von Bildung, weniger Bildung. Deswegen müssen wir in unserem gemeinsamen Interesse und im Interesse der Zukunftsfähigkeit der Stadt alles tun, daß in den nächsten Jahren viele Ausländer, die schon lange Inländer sind, deutsche Staatsbürger werden. Sie müssen von uns das Signal erhalten, daß die Gesellschaft sie als deutsche Staatsbürger auch will! Wenn wir dieses Signal geben, leiten wir den Prozeß ein, die sich entwickelnde Parallelgesellschaft zurückzufahren.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Bei einer oberflächlichen Betrachtung von Integrations- und Ausländerpolitik könnte man durchaus auf die Idee kommen, man bräuchte in der Hamburger Bürgerschaft speziell so einen Ausschuß.
Ich denke, daß die Überlegungen in diesem Zusammenhang, wie Sie sie angestellt haben, nicht richtig sein können. Ausländerpolitik muß künftig sehr stark mit einer Politik der Integration verbunden sein. Integrationspolitik muß sehr viel mit Normalität zu tun haben. Daß der Hamburger Senat die Ausländerbehörde dezentralisiert hat, ist ein guter Hinweis darauf, daß auch im staatlichen Handeln möglichst viel Gleichstellung Alltag wird.Migranten sind ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft. Sie haben die gleichen Interessen und Ansprüche, und sie haben hier und da zusätzlich gesonderte Probleme, das ist richtig.Ich möchte, daß sich alle Parlamentarier in allen Ausschüssen mit Integrationspolitik und damit mit Migrationspolitik beschäftigen.
Eine gesonderte Betrachtung in einem Ausschuß könnte dazu beitragen, daß die Fachpolitiker in den Ausschüssen immer häufiger sagen: „Darüber sollen die im Migrationsausschuß mal reden.“ Ich halte dies für einen falschen Weg, und deswegen wird die SPD-Fraktion diesen Antrag ablehnen.