Claudius Lieven

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte erwartet, dass der SPD etwas Besseres einfällt, als ein Debattenthema wiederholt als Angriffsthema in die vorletzte Bürgerschaftssitzung zu bringen. Es ist ein kurzer Wahlkampf und dann kommt auch noch so eine olle Kamelle. Mich erinnert das ein bisschen an die
CDU 2001, die damals immer Eugen Wagner als Stausenator diffamieren wollte.
Das stimmte genauso wenig wie die Behauptung jetzt, dass die Straßen in Hamburg überall kaputt seien; das sind genau solche ollen Kamellen.
Vielleicht hat die SPD auf weiteren harten Frost gesetzt, der ist aber im Moment ausgeblieben. Wenn man sich die reale Situation anschaut, ist doch deutlich, dass es letztes Jahr nach dem schweren, harten Winter viel mehr Schäden auf den Straßen gab als in den Jahren zuvor. Es hat sich wahrscheinlich auch ein Reparaturstau dabei ausgewirkt. Es gab dann aber einen Krisengipfel und ein Aktionsprogramm; 10 Millionen Euro wurden ziemlich kurzfristig zur Verfügung gestellt. Meinem Eindruck nach ist das recht schnell und konsequent abgearbeitet worden. Wenn ich an die Ost-West-Straße, Ludwig-Erhard-Straße, Budapester Straße oder Harburger Chaussee denke, die im April ziemliche Schlaglochpisten waren, so waren sie im Juni schon repariert; das ging ziemlich zügig. Aber das heißt natürlich nicht, dass in allen Bereichen alle Straßen, auch die kleineren Bezirksstraßen, in so einer Geschwindigkeit wieder herzustellen wären. Es ist einfach ein Problem, dies in der Zügigkeit zu schaffen.
Aber wenn man sich fragt, wie es dazu kommen kann, dass die Straßen derart heftig kaputt gehen, dann muss man realisieren, dass wir insgesamt ein Problem bei der Instandhaltung öffentlicher Infrastrukturen haben. Wir haben zum Beispiel bei Schulen, bei Universitätsgebäuden
die Bahn ist jetzt in anderem Zusammenhang auch durch die Presse gegangen – bis hin zu Kanalisationssystemen eine deutliche Unterfinanzierung bei der Instandhaltung öffentlicher Infrastruktur.
Das ist ein Problem, das Hamburg nicht allein betrifft, es betrifft alle Länder und es betrifft die schwache kommunale Finanzkraft. Wenn man sich einmal die letzten 20 Jahre vor Augen führt, hat es auch damit zu tun, dass man die Infrastrukturen in den fünf neuen Bundesländern aufbauen musste und in den alten Bundesländern natürlich etwas mehr den gleichen Bestand beließ und nicht so intensiv investiert hat, wie man es hätte tun müssen.
Damit kommt man jetzt aber langsam zum Ende, aber es ist ein Thema, das man eigentlich im Bundesrat stärker nach vorn bringen und dort vertreten muss, dass die kommunale Finanzkraft gestärkt
wird. Berlin kann nicht immer nur bestellen und die Länder bezahlen das dann am Ende, denn das gibt unser Haushalt nicht her.
Wir haben auch kleine strukturelle Probleme wie zum Beispiel, dass die Reparatur im Betriebshaushalt veranschlagt ist und die Grundinstandsetzung im Investitionshaushalt. Ein schöner Investitionshaushalt macht sich immer besser als solche Ausgaben im Betriebshaushalt. Deswegen wartet man, bis die Straßen richtig kaputt sind, und dann macht man eine Grundinstandsetzung. Das hat auch über einige Jahre stattgefunden und hat sicherlich den Straßen nicht gut getan.
Aber im letzten Jahr sind 15 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt worden, einmal 10 Millionen Euro und dann noch einmal 5 Millionen Euro. Dafür wurde der Haushaltsansatz für Kreisverkehre und auch für Shared Space herabgesetzt beziehungsweise gestreckt, also aus dem Investivbereich in den Instandsetzungsbereich. Dies ist genau richtig gewesen und deswegen haben wir das jetzt auch im Haushaltsplan-Entwurf 2011/2012 auf Verstetigung gesetzt. Das heißt, in den kommenden Jahren werden strukturell 56 bis 57 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen für die Instandsetzung von Straßen. Das ist ein Level, auf dem man tatsächlich erwarten kann, dass das Straßensystem für Hamburg auf dem Stand gehalten wird. Dies ist auch haushalterisch nachhaltig und sinnvoll, es ist eine Sicherung des Anlagevermögens für Hamburg. Unter so einem Gesichtspunkt finanzierte auch damals die von den Grünen geführte Behörde die Instandhaltung der Straßen. Deswegen finde ich das, was die SPD hier angemeldet hat, eine ziemliche Schaumschlägerei. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Koop, Frau Dobusch, dieser Landesaktionsplan Opferschutz ist, auch wenn Sie etwas länger darauf gewartet haben, ein wirklich sehr gutes und rundes Ergebnis geworden.
Der Umstand, dass der Aktionsplan nicht, wie Sie es gefordert haben und wie auch in Ihrem Wahlprogramm jetzt zu lesen steht, nur auf Gewalt gegen Frauen ausgerichtet ist, sondern dass er auch die anderen möglichen Opfergruppen, Männer, Jungen und Mädchen, mit in den Blick nimmt, ist richtig. Er entspricht auch dem Ansatz und dem Gedanken von Gender Mainstreaming, das nicht herauszulösen, sondern im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Auch Ereignisse der letzten Jahre – ich denke da an die Diskussion um Missbrauch, sei es in Bildungseinrichtungen, sei es im kirchlichen Umfeld – zeigen, dass man den Blick durchaus weit machen muss, dass auch gerade Jungen Opfer von Missbrauch sein können und dass es richtig ist, dass ein Landesaktionsplan das in seiner Gesamtheit berücksichtigt. Das stellt nicht in Abrede, dass Frauen häufiger Opfer von Gewalt werden als andere Gruppen. Sie haben richtig gesagt, dass ein Viertel aller Frauen gewalttätige Übergriffe in Partnerschaften erlebt. Über 85 Prozent der Opfer von Sexualdelikten sind Frauen. Das findet sich im Landesaktionsplan auch eindeutig wieder und der Großteil der Maßnahmen geht in diese Richtung.
Frau Dobusch, wenn Sie sagen, Sie würden zwar vieles im Einzelnen wiederfinden und auch der Ansatz sei richtig, aber Sie könnten dem insgesamt doch noch nicht viel abgewinnen, dann verstehe ich das nicht. In Ihrem Wahlprogramm gibt es ein kleines Kapitel zum Thema Landesaktionsplan. Das Sonderdezernat, das Sie da fordern, ist mit Jahresbeginn 2011 eingerichtet worden. Auch die Workplace Policy findet sich darin. Das ist ein neuer Ansatz für Hamburg und dementsprechend ist er noch nicht endlos weit ausgeführt, aber man wird sich diesem neuen Ansatz jetzt auch stellen. Die interkulturellen Gewaltberatungsstellen sind vorhanden. Die Mittel dafür sind um 185 000 Euro auf 275 000 Euro aufgestockt worden. Im Grunde genommen sind Ihre Forderungen doch mit diesem Landesaktionsplan bereits weitestgehend abgearbeitet worden, und ich finde, das könnte man dann auch so sehen und sagen.
Dieser Landesaktionsplan ist nicht nur dreimal so umfangreich wie der Landesaktionsplan von 2007, er ist auch wirklich um einiges gehaltvoller. Er beschreibt und analysiert Gewalt im sozialen Nahraum und im öffentlichen Raum und bildet Maßnahmen zur Prävention und Intervention ab. Der
Schwerpunkt der nächsten Jahre wird auf die Bekämpfung der Gewalt im sozialen Nahraum gelegt, auf die Gewalt in Paarbeziehungen, auf das Thema Zwangsheirat – wie Sie richtig dargestellt haben, ist das jetzt neu aufgenommen worden –, auf Gewalt gegen junge volljährige Frauen und Männer, auch gerade aus traditionell patriarchalischen Familien, auf Genitalverstümmelung, Menschenhandel, Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, Gewalt gegen Ältere und in der Pflege – das ist auch ein Aspekt, der bisher wenig berücksichtigt wurde – und die sexualisierte Gewalt, die besonders Kinder und Jugendliche in den Fokus rückt. Das sind die Handlungsfelder des Aktionsplans, der erst einmal bis 2013 gelten wird, und wir freuen uns, dass er jetzt noch fertig wird. Eine Ausschussüberweisung wäre hier nicht hilfreich, sondern er soll dann durch Kenntnisnahme auch zügig wirksam werden.
Zentral ist bei der Fortschreibung der Blick auf die Prävention. Die Expertenanhörung im Sozialausschuss hat gezeigt, wie wichtig eine stärkere Einbeziehung des Gesundheitswesens ist, um schneller intervenieren zu können. Zur besseren Prävention und früheren Intervention soll die Kooperation mit den Akteuren im Gesundheitssystem durch Fortbildung und auch durch Überarbeitung des Leitfadens "Häusliche Gewalt" der Ärztekammer verbessert werden.
Im dritten Teil des Landesaktionsplans geht es unter anderem um spezielle Gewaltphänomene wie Hasskriminalität und Rechtsextremismus. Opfer rechtsextremer und rassistischer Übergriffe treten bisher in den Hamburger Opferberatungsstellen kaum in Erscheinung, es gibt dort ein sehr großes Dunkelfeld. Hier hat die Arbeitsstelle Vielfalt gerade mit einer Erhebung des Feldes begonnen und es ist uns sehr daran gelegen, dass wir dieses auch stärker sichtbar machen, weil es häufig extrem traumatisierende Gewalterfahrungen für die Betroffenen sind und wir ein stärkeres öffentliches Augenmerk darauf bekommen müssen.
Ein weiterer Punkt ist mir im Kontext Schutz vor Gewalt wichtig, und zwar das Thema Frauenhäuser. Wir hatten eine Anhörung im Sozialausschuss, bei der deutlich wurde, dass die Situation in den Hamburger Frauenhäusern und auch im Umland kritisch ist und die Frauenhäuser stark überlaufen sind, was vor allen Dingen auch damit zu tun hat, dass die Frauen keine Wohnungen im Anschluss an ihre Zeit im Frauenhaus finden. Der Aufenthalt dort soll eine kurze Zeit sein, aber das kann nur dann gelingen, wenn es eine Möglichkeit gibt, auch auf dem Wohnungsmarkt an Wohnungen zu kommen. Das ist in Hamburg momentan nur sehr eingeschränkt möglich und hier sehen wir ein Problem. Vielleicht es sinnvoll, uns ein Berliner Haus als Vorbild zu nehmen, in dem den Frauen eine mittlere Zeitperspektive von drei Jahren für die Klärung ihrer Berufsperspektive und die Sicherstellung
eines eigenständigen Erwerbs angeboten wird und auch die Vermittlung in Wohnraum erfolgen kann, denn der entscheidende Punkt ist letztlich, die Anschlusssituation an die Zeit im Frauenhaus zu verbessern.
Gerade ist auch die erste Bilanz der Notunterkunft für junge Migrantinnen mit Namen Zuflucht bekannt geworden. Über 54 Mädchen, junge Migrantinnen im Alter von 14 bis 21 Jahren, die aus ihren Familien geflüchtet sind, haben in der Zeit von Oktober 2009 bis September 2010 dort Zuflucht gefunden. Viele sind wieder zurück in ihre Familien gegangen, auch weil sie keine Anschlussperspektive hatten. Diese Einrichtung bietet Unterkünfte nur für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen und hier brauchen wir dringend die sogenannte zweite Wohnstufe, damit die jungen Frauen nicht in die Situation geraten, in ein unerträgliches Familienumfeld zurückgehen zu müssen. Nach Auskunft der Einrichtung haben über 160 junge Zuwanderinnen dort im vergangenen Jahr um Aufnahme ersucht. 54 sind dann tatsächlich da gewesen, aber diese Einrichtung fährt quasi schon im ersten Jahr ihres Bestehens offensichtlich an der Kapazitätsgrenze. Das macht für uns deutlich, dass wir hier offensichtlich noch Handlungsbedarf haben, dass der Ansatz zwar richtig ist, wir aber dort noch stärker darauf schauen müssen, diese wichtigen Hilfseinrichtungen so auszurichten, dass sie auch gut funktionieren können.
Meine Damen und Herren! Auf Initiative der GAL hat die Hamburgische Bürgerschaft Ende 2010 einstimmig beschlossen, die Europäische Charta zur Gleichstellung der Frau zu unterzeichnen. Die Charta fordert die Erarbeitung und Umsetzung eines Gleichstellungsaktionsplans innerhalb von zwei Jahren. Artikel 22 dieser Charta sieht vor, sich mit dem Thema geschlechterspezifische Gewalt auseinanderzusetzen. Es bietet sich daher aus unserer Sicht an, nicht nur mit der Implementierung von Frauenförderung und Gender Mainstreaming im Kontext dieses Aktionsplans zu arbeiten, sondern auch den in Artikel 22 formulierten Maßgaben zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt weiter nachzugehen. Damit haben wir quasi ein Anschlussregime, mit dem wir weiter an der Verbesserung der Interventionsmöglichkeiten und unserer Aktivitäten hinsichtlich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Minoritäten und Menschen insgesamt arbeiten können.
In diesem Sinne freuen wir uns, dass der Senat es noch geschafft hat, den Aktionsplan vorzulegen, und wir diese Aufgabe, die von der Bürgerschaft ersucht worden war, damit zum Abschluss bringen können. Ich würde mich freuen, wenn das hier auch breite Würdigung findet. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach einer spannenden und langen Hafendebatte – immer gern geführt in Hamburg – haben wir die Gelegenheit, Integrationspolitik zu diskutieren. Es geht um den Bericht des Rechtsausschusses zu einem Antrag, den die SPD vor einem knappen Jahr als Reaktion auf ein Statement, das Ole von Beust auf dem Neujahrsempfang der Hamburger Handelskammer gegeben hat, gestellt hat:
"Lassen wir doch beide Herzen schlagen. Wir brauchen die jungen Leute."
Wir haben heute darüber zu entscheiden, ob Hamburg einen neuen Anlauf zur Abschaffung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht nehmen soll. Dieses Stichwort wird Ihnen allen in den letzten acht Jahren schon einmal begegnet sein. Ich möchte nur kurz einige Eckpunkte dieses Optionszwangs erläutern. 2002 wurde er im Rahmen der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss in das Staatsangehörigkeitsrecht aufgenommen. Das war sehr umstritten, aber die CDU hat hart dafür gekämpft, diesen Entscheidungszwang einzubauen. Seitdem müssen sich junge Menschen, die ab 1990 in Deutschland geboren sind, mit 18 Jahren
entscheiden, ob sie die von ihren Eltern ererbte Staatsangehörigkeit behalten oder die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen. Dieser Entscheidungszwang war damals durchaus ideologisch begründet
und wenn man sich die Debatten anschaut, die im Bundestag in letzter Zeit dazu geführt wurden, hört man noch immer, es sei ein frommer Wunsch, dass Menschen, die in Deutschland geboren wurden, sich automatisch integrierten. Das sagte kürzlich der Kollege Reinhard Grindel, ursprünglich aus Hamburg stammend und ehemaliges Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel. Er sagt auch Sachen wie:
"Anders als bei der Einbürgerung muss der Optionsverpflichtete keinerlei Integrationsleistungen erbringen."
Er ist schließlich in Deutschland geboren, aber das scheint Herrn Grindel nicht zu interessieren.
"Er muss nicht deutsch sprechen können. Er kann kriminell sein. Das Grundgesetz muss er auch nicht achten."
Wenn man so etwas liest, wenn das die Kriterien für die deutsche Staatsbürgerschaft sein sollen, dann müsste man eigentlich einen allgemeinen Einbürgerungstest für alle in Deutschland geborenen 18-jährigen erwarten. Es erstaunt doch sehr, welche Haltungen dort zu finden sind.
Diese ideologische Regelung ist praxis- und lebensfern. Das hatte Ole von Beust erkannt, als er sagte:
"Lassen wir doch beide Herzen schlagen. Wir brauchen die jungen Leute."
Für die jungen Menschen geht es um eine wesentliche Identitätsfrage. Die meisten von ihnen sind in Deutschland aufgewachsen und in Deutschland sozialisiert, ihre Eltern sind aber meistens in ihren Heimatländern aufgewachsen und sozialisiert und dieser Kultur natürlich auch verbunden. Und wenn man es als Integrationsvoraussetzung von den jungen Menschen erwartet, sich quasi von ihren Eltern abzugrenzen, und damit einen regelrechten Bruch erzeugt, um zu sehen, ob sie auch tatsächlich ernsthaft in unserem Land leben wollen, dann drückt man damit eine total veraltete Vorstellung von einer ethnisch verfassten Volksgemeinschaft aus, der man nur zugehörig werden kann, wenn man sich von allen anderen kulturellen Einflüssen frei macht. Das ist doch weit entfernt von der Realität unserer modernen globalisierten Welt, in der auch mehrfache Staatsbürgerschaften zum alltäglichen Leben gehören.
In der Praxis hat diese Regelung kritische Rechtsfolgen. Wenn die jungen Leute nicht bis zum 21.
Lebensjahr eine sogenannte Beibehaltungsgenehmigung beantragen, können sie die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren, was im Extremfall dazu führen kann, dass aus einem deutschen Staatsbürger ein staatenloser Ausländer wird. Das ist meines Wissen weltweit ziemlich einmalig. Es gibt im Übrigen massenhaft Ausnahmefälle, in denen die doppelte Staatsbürgerschaft hinzunehmen ist, weil es viele Länder gibt, die ihre Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen, Iran beispielsweise, Afghanistan, aber auch Argentinien und diverse andere Länder. Da sagen die deutschen Behörden natürlich, dem können wir das wohl nicht auferlegen, dass er seine ererbte Staatsbürgerschaft abgibt oder daraus austritt, da müssen wir die zusätzliche deutsche Staatsbürgerschaft hinnehmen. Es gibt ziemlich viele derartige Fälle und das bedeutet eine erhebliche Ungleichbehandlung bei diesen Verfahren, die einen müssen ihre ererbte Staatsbürgerschaft ablegen, die anderen nicht.
Man fokussiert immer gerne auf die Türkischstämmigen, weil die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft möglich ist, wenn auch nicht einfach. Aber es ist nicht nachzuvollziehen, warum den Iranern die doppelte Staatsbürgerschaft immer gestattet wird und den Türken nicht, weil das letztlich für die Rechtsfolgen in Deutschland gleich ist.
Es ist ein bürokratisches Monsterverfahren entstanden. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung macht deutlich, dass das Optionsverfahren nirgendwo klappt, dass es genauso bürokratisch und kompliziert ist wie das der Einbürgerung und dass damit erhebliche Komplikationen verbunden sind, weil die 18-jährigen jungen Menschen in der Regel kaum durchblicken, was da von ihnen gewollt wird und welche Entscheidungen und welche konkreten Schritte zur Ablegung ihrer ursprünglichen Staatsbürgerschaft von ihnen erwartet werden. Es ist eine wirklich unglücklich konstruierte Regelung, die an der Lebensund Rechtsrealität vorbeigeht und die letztlich einfach nur unsere Behörden belastet und uns von den eigentlichen Aufgaben der Integration abhält.
Deswegen freue ich mich, wenn wir heute zu der Entscheidung kommen, dass Hamburg wieder eine Initiative im Bundesrat startet. Im letzten Jahr hatte es Initiativen gegeben, den Optionszwang abzuschaffen. Nun haben sich die Rahmenbedingungen im Bundesrat verändert. Die Bundesregierung konnte sich nur dazu durchringen, die bestehende Regelung bis 2013 evaluieren zu wollen. Das, meinen wir, ist nicht ausreichend.
Das ist richtig, es waren SPD-Regierungen, die die Bundesratsinitiativen gestartet haben. Es gab auch diverse Anträge im Bundestag, von der SPD, von den Grünen und von der LINKEN. Das ist
schon ein ziemlicher Dauerbrenner, darauf hat keiner das alleinige Copyright.
Entscheidend ist zu erkennen, dass es nicht zielführend ist und nicht im Sinne der Menschen, diese Regelung bis 2013 weiterlaufen zu lassen, denn seit 2008 unterliegen die ersten Jahrgänge der Optionspflicht. Im Jahr 2008 waren es 3300, bis 2018 werden es circa 5000 pro Jahr sein und dann kommt ein großer Sprung und es werden pro Jahr über 50 000 junge Menschen in diese Entscheidung und in diese Bürokratiemühle gezwungen werden. Das muss wirklich nicht sein, wir sollten unsere Energien auf ein anderes Ziel fokussieren, denn wir brauchen diese jungen Menschen hier. Sie sind schließlich hier geboren und aufgewachsen. Und angesichts unserer demographischen Situation können wir es uns wirklich nicht leisten und es auch nicht als Erfolg feiern, wenn sich die Hälfte für die deutsche Staatsbürgerschaft erklärt. Die andere Hälfte lebt auch hier, diese Menschen sind hier genauso geboren und aufgewachsen, die müssen wir doch auch mitnehmen und ihnen Angebote machen.
Ich hatte eine Freundin, die in Madrid geboren war, weil ihr Vater dort für drei Monate für die Helm AG als Manager tätig war. Natürlich hat sie sofort die spanische Staatsbürgerschaft bekommen, und zwar seinerzeit im Franco-Spanien. Das war gängige Rechtspraxis. Natürlich hat sie zwei Staatsbürgerschaften, die deutsche und die spanische. What's the problem? Oder jemand kommt aus Argentinien, ist ein Rückwanderer und kann die argentinische Staatsbürgerschaft nicht abgeben; damit hat er zwei Staatsbürgerschaften. What's the problem? Das gesamte englische Commonwealth existiert nach diesem Motto, dass die Menschen aus den Commonwealthstaaten quasi ein Einwanderungsrecht nach Großbritannien haben. What's the problem? Da gibt es in Deutschland wirklich noch sehr verkrustete Haltungen und Denkstrukturen, die immer noch im Jus Sanguinis wurzeln; davon muss man abkommen.
Wir hatten im Rechtsausschuss fünf Befassungen und eine Expertenanhörung dazu; wir haben auch ein relativ detailliertes Petitum beschlossen mit möglichen Maßnahmen für die Zeit bis zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts auf Bundesebene, denn wir können nur versuchen, dazu einen Anstoß zu geben. Wenn die CDU sich heute – es gab solche Signale – mitbeteiligt und letztendlich der Idee ihres früheren Bürgermeisters Ole von Beust von vor einem Jahr folgt, wenn von Hamburg ein einstimmiges Signal ausgeht und der Senat – er hat jetzt nicht mehr so unheimlich viel auf der Agenda – auch tatsächlich diese Initiative in
Richtung Bundesrat ergreift, dann wäre das tatsächlich einmal ein progressives Signal
und das soll man, auch wenn es selten ist, dann auch nicht negativ darstellen. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich einen Irrtum aufgreifen, der Ihnen, Herr von Frankenberg, unterlaufen ist, als Sie sagten, Hartz IV wäre grundsätzlich als kurzfristige Hilfe konzipiert und so müsse man es auch verstehen. An der Neuregelung der SGB-II-Regelsätze hängen auch die SGB-XII-Regelsätze, das ist die Grundsicherung, von der Menschen langfristig abhängig sind. Auch der Begriff der Sockelarbeitslosigkeit sollte Ihnen geläufig sein und Sie wissen, dass es für viele Menschen eben keine kurzfristige, sondern durchaus eine so langfristige Situation ist, in der auch einmal eine Waschmaschine kaputtgehen kann. Und da sind wir schon mitten in den Problemen, dass die pauschalierten Leistungen der gegenwärtigen Regelsätze vollkommen unzureichend sind.
Wenn Sie sagen, trotz 5 Euro mehr klinge es fast so, als würde es um eine Reduzierung gehen, dann ist festzustellen, dass 5 Euro tatsächlich keine wirkliche Erhöhung sind. Wenn ich mir den gestern von der ILO veröffentlichten "Global Wage Report" anschaue, der feststellt, dass Deutschland in den letzten zehn Jahren der Einkommensminusmeister gewesen ist – inflationsbereinigt minus 4,5 Prozent der Bruttolöhne –, dann ist das die Situation, die wir haben, und diese ist vor allen Din
gen dadurch zustande gekommen, dass wir einen wachsenden Niedriglohnsektor haben. Dieser wachsende Niedriglohnsektor ist nun genau der Sektor, auf den bei der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze zugegriffen wird und der auch noch verkleinert worden ist. Es ist ein Zirkelschluss aufgebaut worden, in dem Armutslöhne herangezogen worden sind, um ein Existenzminimum zu berechnen, und das führt tatsächlich zu einem nicht auskömmlichen Existenzminimum. Das muss man wirklich angreifen, so kann eine Bundesregierung nicht verfahren und dann sind 5 Euro mehr eben keine Erhöhung, sondern wirklich ein Almosen, also von Hartz IV auf Hartz V und mehr nicht.
Ihre Rhetorik, Hartz IV sei der Weckruf der SED, ist sehr abgeschmackt.
Das erinnert mich an die spätrömische Dekadenz eines anderen Politikers,
der wahrscheinlich bald auf dem Abstellgleis der Geschichte landen wird, und mit solchen Sprüchen kommt man genau dahin. Das ist Wahlkampf und das ist sehr abgeschmackt.
Im Hinblick auf die von der LINKEN aufgeworfene Vermutung, dass die Bundesregierung sich schon die nächste Verfassungswidrigkeitsbestätigung einhandelt, weiß ich nicht, ob es verfassungswidrig sein wird, aber es wird sicherlich geklagt werden. Es gibt natürlich einen Ausgestaltungsspielraum und den hat die Bundesregierung hier ganz offensichtlich mindestens bis an die Grenzen ausgenutzt.
Es ist deutlich gemacht worden, dass die Verengung der Zielgruppe, das Zusammenstreichen der Einkommensstichprobe, die unzureichende Ableitung der Regelbedarfsstufen 2 und 3 und die Nichtneuberechnung der Kinderregelsätze zumindest handwerkliche Mängel an diesem Gesetz sind, und ein handwerklicher Mangel ist auch, dass das jetzt so spät kommt. Zum 1. Januar 2011 muss es umgesetzt sein, morgen befasst sich der Bundesrat damit und es ist klar, dass es in den Vermittlungsausschuss gehen wird. Daran werden auch die drei Hamburger Stimmen nichts ändern. Die Stimmen aus dem Saarland werden nicht kommen und es wird dann sicher ein sehr spannendes Vermittlungsverfahren. Ich hoffe, dass sich die Bundesregierung da tatsächlich noch ein ganzes
Stück bewegt. Sie muss sich im Interesse der Betroffenen ein ganzes Stück bewegen, da es für die Betroffenen eminent wichtig ist, dass sich hier in wirklich kurzer Zeit etwas ändert.
Ein Wort noch zu dem Mandat, das der Senat jetzt für die morgige Abstimmung hat oder nicht hat. Ich habe gestern gehört, wie Herr Ahlhaus sagte, dass dieser Senat sich als geschäftsführender Senat verstehe, der die Stadt weiter verwalte, aber natürlich keine grundsätzlichen Beschlüsse fassen oder das Land in einer Weise positionieren werde, wenn man dafür keine Mehrheit hat. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag der LINKEN auch unterstützen, da der Senat diese klare Botschaft haben sollte.
Er hat aus diesem Hause kein Mandat, morgen eine Zustimmung abzugeben. Wenn Herr Ahlhaus das gestern ernst und ehrlich gemeint hat, dann erwarte ich, dass er sich morgen im Bundesrat enthält, weil er sagen muss, dass sein Parlament gestern beschlossen habe, dass er dem nicht zustimmen soll. So viel Anstand erwarte ich von diesem Bürgermeister. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist eine ernste Geschichte, aber, Herr Kienscherf, man muss sie im Ganzen sehen. Wenn wir uns das einmal über die letzten zehn Jahre hinweg anschauen, dann gab es Zeiten, in denen über 14 000 Menschen in öffentlicher Unterbringung waren. Die öffentliche Unterbringung war in Hamburg sehr weit ausgebaut. Das ist in den letzten Jahren zurückgeführt worden, und zwar in einem breiten Konsens. Es wurde sich sehr darum bemüht, diese Menschen in eigene Wohnungen zu vermitteln. Das war gut und
richtig und da ist auch einiges erreicht worden. Dazu hat auch der Kooperationsvertrag beigetragen, dessen Einhaltung Sie fordern. Das wollen wir natürlich auch. Wir haben ihn schließlich abgeschlossen und da wollen wir auch, dass er eingehalten wird.
Nun sind im Wesentlichen zwei Dinge geschehen. Zum einen hat sich die Obdachlosigkeit zwar reduziert, aber es gibt immer noch obdachlose Menschen mit multiplen Hemmnissen und Schwierigkeiten, in Wohnungen zu kommen. Zum anderen ist der Wohnungsmarkt tatsächlich enger und weniger aufnahmefähig geworden. Wir begrüßen deswegen den Ansatz des trägergestützten Modells mit kleineren Unternehmen, wie es auch schon praktiziert wird, sodass es eine Zwischenebene zwischen dem Vermieter und dem Menschen gibt, der erst einmal wieder an das Innehaben einer Wohnung und ihre Benutzung und korrekte Bezahlung herangeführt werden muss. Wir begrüßen auch den Ansatz mit Clearinghäusern, dass geschaut wird, welche Probleme es gibt. Da spielen Schuldenklärung, Suchtproblematik und eine Reihe anderer Problematiken eine Rolle, bevor man sagen kann, jemand ist in der Lage, dauerhaft eine Wohnung zu beziehen.
Diese Ansätze sind auch bei der von Frau Gregersen angesprochenen Fachtagung diskutiert worden. Da gehen die Diskussionen in der Fachwelt und auch in den Behörden durchaus in die richtige Richtung. Sie erfinden das Rad also nicht neu und wir stimmen Ihrem Antrag deswegen auch zu.
Was das Thema zentrale Anlaufstelle angeht – Frau Gregersen hat es schon gesagt –, so haben wir es da ein Stück weit mit einem neuen Phänomen zu tun, das Sie etwas undifferenziert mit "nicht deutsche Wohnungslose" bezeichnen. Das ist in gewisser Hinsicht eine spezielle Gruppe. Wir haben EU-Inländer und wir haben Visafreiheit. Rechtlich gesehen sind das eigentlich gestrandete Touristen, die man an die Konsulate verweisen müsste. Ob das nun wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, kann ich nicht beantworten. Aber man kann auch nicht vorschnell sagen, man wisse, was die Antwort sei und fange das jetzt auf. Wir müssen erst einmal nach der richtigen Lösung suchen. Für einige Menschen ist die zentrale Erstaufnahme die richtige Adresse und die öffentliche Unterbringung und für manche Menschen sind vielleicht andere Formen oder Reaktionsweisen das Richtige. Das muss man sehr differenziert anschauen und da greift Ihr Antrag einer nötigen, noch ausstehenden Diskussion vor.
Der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist der schon verschiedentlich angesprochene Bunker unter dem Hachmannplatz. Das war eine Sofortmaßnahme und sie hat Schwächen. Der Bunker mag ein Erfrierungsschutz sein, aber man kann und darf ihn nicht als Notunterkunft oder öffentliche
Unterbringung ansehen, denn damit würde man einer Standardabsenkung Tür und Tor öffnen. Wir wollen, dass dieser Bunker wirklich nur so kurz wie irgend möglich genutzt wird, denn das kann man den Menschen nur für einzelne Nächte zumuten. Wir haben dort unhygienische Verhältnisse und kein Licht; dieser Bunker kann nur eine Ultima Ratio sein. Deswegen unser Antrag und ich appelliere da auch an die LINKEN, sich ihm anzuschließen. Die Stadt hat öffentliche Gebäude. Man wird in ihnen keine große Menge von Menschen unterbringen können, aber uns – und den Behörden sicherlich auch – fallen einzelne Gebäude ein, die man für einige Dutzend Menschen fit machen könnte. Damit hätte man eine deutlich bessere Alternative als diesen Bunker unter dem Hachmannplatz. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Unterstützung. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Trotz der langen Ausführungen von Herrn Kienscherf werde ich nicht so lange brauchen.
Ich kann mich den inhaltlichen Ausführungen von Herrn von Frankenberg anschließen und ich kann mich auch dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖRA, insbesondere an die ehrenamtlich tätigen, anschließen. Ansonsten war das, Herr Kienscherf, der sehr bemühte und streckenweise unterhaltsame Versuch, eine Mücke zum Elefanten aufzublasen. Das war wirklich eine selten bemühte Arbeitsleistung heute.
Was diese Pro- und Kontraabwägung bezüglich der Frage, ob man nun eine Altersgrenze einführen soll oder nicht, betrifft, so war ursprünglich eine
Altersgrenze/Pensionsgrenze plus 5 Jahre, also in der Regel 70 Jahre, im Gesetz und es gibt durchaus gute Gründe, darüber nachzudenken. Ziel ist es, Volljuristen in der Beratertätigkeit zu haben, die noch einen Bezug zum praktischen Arbeitsleben, zur praktischen Rechtsentwicklung haben, und das ist auch wichtig, weil es im Interesse der Ratsuchenden ist. Das war ein Argument, das im Übrigen die Linksfraktion in den Ausschussberatungen eingebracht hatte.
Man muss auch sehen, dass das durchaus keine Lappalie ist, weil es im Interesse der Ratsuchenden gilt, die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist auch nachvollziehbar, dass an Beraterinnen und Berater höhere Ansprüche gestellt werden müssen als an Rechtsanwälte, die durchaus länger als bis 70 Jahre praktizieren können, denn die Ratsuchenden sind bei der ÖRA auf die Beraterinnen und Berater angewiesen. Die können sie sich nicht aussuchen. Bei einem Rechtsanwalt hat ein jeder das Recht, sich denjenigen auszusuchen, den er möchte, und er kann sich natürlich auch einen sehr erfahrenen alten Rechtsanwalt aussuchen.
Auch aus der Erfahrung der Praxis heraus – das hatte Herr Steffen in der Ausschussanhörung dargestellt – hat man darüber nachgedacht, diese Altersgrenzenregelung in das Gesetz einzubauen. Das Gesetzgebungsverfahren – und da sehe ich überhaupt nicht, wie Sie auch nur eine Nuance von Kritik finden können – ist am 3. Juni an die Ausschüsse überwiesen worden. Am 2. September hat sich der Rechtsausschuss damit befasst und der Sozialausschuss abschließend am 20. Oktober. Heute am 11. November haben wir es in der Bürgerschaft. Das ist ein normales Verfahren und wirklich nicht zu kritisieren, was den zeitlichen Ablauf angeht. Es ist richtig und gut und wir sind letztlich im parlamentarischen Verfahren zu einer von allen getragenen Anpassung gekommen, diese Altersbegrenzung herauszunehmen. Die SPD und die Koalitionsfraktionen haben unabhängig voneinander letztlich dieselben Änderungsvorschläge vorgelegt aus der Erwägung heraus, dass es richtig ist, den ehrenamtlichen Beraterinnen und Beratern zu ermöglichen, länger tätig zu sein und dass die vorhandenen Regularien zur Bestellung der Beraterinnen und Berater völlig ausreichen. Die Leitung der ÖRA muss der zuständigen Behörde jährlich einen Vorschlag unterbreiten. In diesem Rahmen ist es möglich, eine Nicht-Verlängerung zu veranlassen, was tunlichst vorher im persönlichen Gespräch erläutert werden sollte. Sollte es erforderlich sein, kann aus besonderen Gründen auch unterjährig eine Unterbrechung der Beratungstätigkeit erfolgen. Insoweit ist die Qualitätssicherung auf Basis der bestehenden Regelungen völlig ausreichend, auch wenn das vielleicht etwas mehr Arbeitsaufwand im praktischen Geschäft bedeutet. Wir haben das im Ausschuss beraten und das Er
gebnis unserer Erwägungen war letztlich zu sagen, dass wir diesen Schritt tun wollen, dass es vielleicht ein Stück Mehraufwand in der Verwaltung sei, dafür aber ein noch besseres Ausschöpfen der ehrenamtlichen Ressourcen.
Wir haben eine einstimmige Ausschussempfehlung an die Bürgerschaft und ich hoffe und glaube, dass wir sie auch einstimmig beschließen werden. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Herr Bischoff und Herr Grote, Sie haben eigentlich ein sehr wichtiges und brennendes Thema angemeldet, aber leider produzieren Sie zum guten Teil heiße Luft oder erzählen Geschichten von vorgestern. Das sind nicht die Antworten, die wir tatsächlich für morgen brauchen.
Zum Thema soziale Wohnraumversorgung will ich ein paar Dinge klarstellen. Zum einen ist deutlich geworden, dass es einen nur sehr geringen Wohnungsleerstand in Hamburg gibt. Das ist bei der angespannten Marktlage nachvollziehbar. Es mag dabei auch einzelne Fälle von spekulativem Leerstand geben,
dazu hat sich das Parlament verhalten, dem wird nachgegangen. Das sind aber keine großen Quantitäten, nicht das, was wirklich zur Problemlösung beitragen kann.
Zum anderen das Thema Büroleerstand: Wer von der Materie etwas Ahnung hat, weiß, dass Bürobauten wirklich nicht leicht in Wohnungen umzuwandeln sind und da wirklich keine Bäume in den Himmel wachsen. Wichtig ist das Thema gebundener Wohnraum, sozialer Wohnungsbestand. Und da ist es richtig, dass Hamburg noch rund 100 000 sozial gebundene Wohnungen hat. Diese Zahl ist in den letzten Jahren rückläufig, was damit zu tun hat, dass die starken Wohnungsbauzahlen der Sechziger- und Siebzigerjahre nach 30 Jahren aus der Bindung auslaufen. Das ist, bei allem Wollen einer städtischen Politik, ein Markteffekt und da ist nicht wirklich durch Neubau gegen anzuarbeiten.
Aber diese Wohnungen verschwinden nicht, wenn die Bindung ausläuft. Sie bleiben weiter in der Hand von auch sozial orientierten Vermietern. Als allererstes ist SAGA GWG zu nennen und zum anderen die Genossenschaften. Die Wohnungen fallen dadurch, dass sie nicht mehr formal Sozialwohnungen sind, nicht automatisch der Spekulation anheim, – Herr Hamann hatte es richtig gesagt –, Genossenschaftswohnungen haben eine Durchschnittsmiete von 5,05 Euro und das geht auch im Wesentlichen so weiter. Das muss man realisieren. Ich war am letzten Sonnabend auf der Demonstration, habe mir das angehört und natürlich wird dann immer gesagt, die Sozialwohnungen verschwinden alle. Sie verschwinden nicht und bleiben im Wesentlichen in der Hand von sozial agierenden Vermietern. Der soziale Wohnungsneubau ist deutlich wieder in Gang gekommen. Im
Jahr 2009 wurde das Wohnungsbauförderungsprogramm bereits zu mehr als 100 Prozent abgerufen; 1096 Wohnungen wurden bewilligt, geplant waren nur 1000. Im Übrigen hat eine sehr erfolgreiche Innovation gegriffen, nämlich die Verbindung der Modernisierungsförderung mit den Belegungsbindungen. Das betraf auf Anhieb im ersten Jahr 1440 Wohnungen und das ist sehr wichtig, weil wir diesen sozial gebundenen Wohnraum brauchen. Wenn man sich die Zahlen im Wohnungsbauentwicklungsplan anschaut, dann sieht man, dass die Zahl der Berechtigten für einen Dringlichkeitsschein in Hamburg seit 2007 wieder ansteigt und dass wir eine niedrige, leider noch gesunkene Versorgungsquote haben. Deswegen brauchen wir diese Wohnungen und es ist sehr wichtig, dass wir auf diesem Weg weitergehen, um die Menschen mit Dringlichkeitsschein mit Wohnungen versorgen zu können.
Wir haben gerade, das hat auch Frau Hajduk deutlich gemacht, besondere Aufgaben bei den Zielgruppen, die Wohnungen brauchen, um aus Einrichtungen herauszukommen, zum Beispiel aus der Haft entlassene ehemalige Gefangene oder Frauen aus Frauenhäusern. In der letzten Woche hatten wir dazu im Sozialausschuss eine sehr bewegende Expertenanhörung. Hier gibt es Engpässe und ich würde mir wünschen, dass wir darüber mehr sprechen würden, denn ein Kern des Problems liegt darin, dass wir für diesen Personenkreis mehr Versorgungs- und Handlungsmöglichkeiten erreichen müssen.
Ein Punkt noch: Die Situation in den innerstädtischen Stadtteilen ist angesprochen worden. Hier wird auf Flächen gebaut, wo immer es möglich ist. Es werden auch Gewerbeflächen zu Wohnflächen umgewandelt, das Beispiel Othmarschen Park kann hier genannt werden. Natürlich sind die Innenstadtteile total im Trend und es ist schlicht nicht möglich, allen, die dorthin streben, Wohnungen anzubieten. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir die Mieter dort schützen und dass die sozialen Erhaltungsverordnungen auf den Weg kommen, um den Veränderungsdruck zu regulieren.
Das ist tatsächlich aktive Wohnraumschutzpolitik. Und wenn man sich insgesamt die Instrumente anschaut, die der Senat ergreift, dann kann man wirklich festhalten, dass Hamburg eine sehr aktive Wohnungspolitik betreibt, was nicht heißen soll, dass sie nicht aktiv weiter betrieben werden muss und nicht noch zusätzliche Initiativen nötig sind. Gerade bei der Versorgung der Bevölkerungsgruppen, die Schwierigkeiten haben, einen Marktzugang zu bekommen, müssen wir noch einmal besondere Akzente setzen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, das mit der lächerlichen Debatte muss ich wirklich zurückweisen. Das ist nicht angemessen, dafür ist das Thema Nachbarschaftlichkeit doch deutlich zu wichtig.
Von der Aktion "Nachbarschaft verbindet!" darf man nicht die Lösung aller Konflikte in dieser Stadt erwarten; das ist mit einer Aktionswoche sicher nicht hinzubekommen. Sie ist eine Fortsetzung der interkulturellen Woche. Die BSG hat in diesem Jahr dazu aufgerufen und viele Vereine, Verbände, Initiativen, Privatleute sind diesem Aufruf gefolgt. Über 200 Aktionen haben stattgefunden: Nachbarschaftsfeste, Nachbarschaftsflohmärkte, Nachbarschaftsfrühstücke, Festtafeln, Nachbarschaftskickerturnier, Treppenhausfeste, Straßenfeste et cetera. Eine wirklich breite Beteiligung hat dabei stattgefunden und das ist Begegnung im sozialen Nahraum wider die Anonymität der Großstadt: einander kennen, einander helfen, Vertrauen aufbauen, Hilfsbereitschaft entwickeln. Das sollte wertgeschätzt und auch hier angesprochen werden und wir sollten deutlich machen, dass wir allen – und zwar wirklich allen – danken, die sich dabei eingebracht haben. Wenn Sie jetzt einzelne Projekte herausgreifen und sich fragen, ob sie denn wirklich so gut geeignet seien für die Aktionswoche "Nachbarschaft verbindet!", dann finde ich es eigentlich ein bisschen schäbig, weil es freiwillige Aktivitäten sind. Das ist Engagement und solches sollte man grundsätzlich nicht zurückweisen.
Hier muss man sehen, dass diese Aktionswoche in Zusammenarbeit mit der Freiwilligenbörse eAKTIVOLI und auch mit dem Integrationsbeirat durchgeführt wurde. Viele Aktivitäten hatten das sehr wichtige Thema Integration zum Inhalt. Gerade auch die aktuelle Debatte in Deutschland, auch in dieser Stadt, zeigt, dass in diesem Punkt das Miteinander und das Aufeinander-Zugehen gestärkt werden müssen. Ich wünsche mir, dass ein Grundton in der Aktion "Nachbarschaft verbindet!" – die wir sicherlich auch künftig durchführen werden – ist, dass wir das Zusammenleben in der Stadt stärken müssen, vor allem das Sich-Öffnen gegenüber dem scheinbar fremden Nachbarn, der wahrscheinlich schon Jahrzehnte hier lebt, und das gegenseitige Sich-Kennenlernen.
Ich finde es auch gar nicht lächerlich, wenn man über Nachbarschaftlichkeit redet. In der Vorbereitung dieser Debatte sind mir ein, zwei Dinge wieder eingefallen, beispielsweise Nachrichten aus Harburg, wo es eine Abgrenzung gab gegen eine Jugendwohnung in einem meines Erachtens sehr saturierten Wohngebiet und ich mich gefragt habe, was das für eine Nachbarschaftlichkeit ist. Es geht um wenige junge Menschen, die dort wohnen können sollen und denen gegenüber man nicht wirklich große Ängste aufbauen muss. Oder eine andere Frage, nämlich die Diskussion über das Stay Alive, das von St. Pauli nach Altona-Altstadt umziehen soll, eine Drogenhilfeeinrichtung mit einer Klientel älter gewordener Heroinabhängiger, die vielleicht schlimm aussehen, aber wirklich nichts Schlimmes tun. Solche Fragen sollte man tatsäch
lich auch ansprechen: Wo brauchen wir Nachbarschaftlichkeit? Wo müssen wir Menschen zueinander bringen? Wo geht es darum, das soziale Miteinander zu stärken, weil es dabei nicht um das Allerbeste bestellt ist? Das sind meiner Meinung nach wertvolle Inhalte für so eine Aktion "Nachbarschaft verbindet!" und in dem Sinne sollten wir schauen, wie wir diese auch in den nächsten Jahren zu einer noch wertvolleren Aktion für Hamburg machen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir zumindest so weit Einigkeit erreicht haben, dass das keine lächerliche Debatte ist, sondern es im Kern um eine sehr wichtige Frage für das soziale Zusammenleben in dieser Stadt geht. Da fand ich jetzt, dass sich die Beiträge durch die Bank deutlich gesteigert haben. Die Frage der neuen Sozialpolitik muss man sich noch einmal sehr genau und differenziert anschauen, denn man darf nicht den Fehler machen, die Stärkung sozialer Netzwerke, die ohne Zweifel richtig und wichtig ist, in Abgrenzung zur Verantwortung
des Sozialstaats und der sozialen Sicherungssysteme zu bringen. Das sind zwei doch recht unterschiedliche Dinge, bei denen ich mir eine Verantwortungsübertragung nicht vorstellen kann. Soziale Netzwerke sind bedeutungsvoll, sie integrieren uns, sie geben uns Identität, sie können auch viel an Hilfestellung bringen, aber die Verbindlichkeit, die in ihnen erreicht werden kann, ist dann doch eine andere als die, die man braucht, um zum Beispiel eine verbindliche Pflege sicherzustellen.
Deswegen müssen wir schon sehen, was hier zusätzlich, aber trotzdem wichtig ist und was an professioneller und verbindlicher sozialer Fürsorge in den sozialen Sicherungssystemen nötig ist. Da ist leider der Weg der Entstaatlichung zur Entlastung des Sozialstaates ein sehr begrenzter, der möglich ist, was aber nicht vermeiden oder in Abrede stellen soll, dass wir gut beraten sind, soziale Netzwerke zu stärken und dabei auch manchen Schatz vielleicht noch werden heben können. In diesem Sinne sollten wir zusammenwirken. – Danke sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass ich zu einer anderen Einschätzung komme. Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, und zwar dramatisch, eine transparente, nachvollziehbare und auch lebensgerechte Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils vorzunehmen.
Es stößt einem schon auf, wenn man liest, dass der Regelsatz von 364 Euro bereits 2008 in einem Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2010 auftauchte. Ich glaube nicht immer an Zufälle. Es drängt sich doch der Eindruck auf, dass aus dem Warenkorb manche Bedarfspositionen gezielt heraus- und andere hineinsortiert wurden. Zimmerpflanzen, auch Haustiere und chemische Reinigung wurden herausgenommen, anderes kam wiederum hinein. Über Alkohol und Tabak mag man
sich streiten können, aber auch Übernachtungen – es geht dabei nicht um Urlaub, sondern um die Frage, ob ein Mensch einmal jemanden aus seiner Verwandtschaft besuchen kann und dann irgendwo günstig unterkommen muss – fliegen aus dem Satz heraus, bis dann eben 364 Euro herauskommen. Das wirkt kleinlich und lebensfern.
Das Problem bei dem von der Bundesregierung beabsichtigten Vorgehen ist, dass in Deutschland künftig Niedriglohnbeschäftigte nicht mehr durch den Sozialstaat geschützt werden sollen, sondern der Niedriglohnsektor zum Maßstab für die Grundsicherung wird, damit das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt. Das heißt im Klartext: Damit ein Grundsicherungsempfänger weniger hat als eine Friseurin oder ein Wachmann, muss die Grundsicherung niedrig sein und unter 400 Euro liegen. Das ist eine verhängnisvolle Kopplung.
Frau Badde hat schon angesprochen, dass in die Berechnungsgrundlage nur die unteren 15 Prozent der Einpersonenhaushalte eingeflossen sind; bei den Mehrpersonenhaushalten waren es die unteren 20 Prozent. Das macht einen ganz wesentlichen Unterschied. Mehr als die Hälfte der betroffenen Haushalte sind Einpersonenhaushalte und wenn man deren Verbrauchsverhalten in der Berechnung entsprechend gewichtet hätte, wäre wahrscheinlich ein Bedarfssatz von deutlich über 400 Euro herausgekommen.
So etwas wirft ein übles Licht auf die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils.
Frau von der Leyen hat die Ergebnisse der Berechnungen veröffentlicht, aber nicht den Weg dorthin. Erst wenn dieser Weg offengelegt wurde, kann man tatsächlich von einer transparenten Ermittlung der Bedarfe sprechen. Das ist aus unserer Sicht absolut unverzichtbar, erst recht, wenn Frau von der Leyen verlangt, wer höhere Regelsätze fordere, müsse das auf Heller und Cent vorrechnen. Meine Damen und Herren, erst einmal muss Frau von der Leyen das auf Heller und Cent vorrechnen.
Es ist zudem so, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Erhöhung aus seinem eigenen Etat wird finanzieren müssen. Das heißt, dass jede Erhöhung innerhalb des Haushalts gegenfinanziert werden muss und zu Einsparungen in diesem Bereich führt. Wenn man dann die Arbeitsmarktförderung kürzt, also in einem Bereich, der genau dem betroffenen Kreis zugute kommt, dann ist das aus meiner Sicht gar keine Erhöhung, sondern nur ein Verschieben von der rechten Ta
sche in die linke Tasche und das kann nicht die Antwort sein.
Aus der Arbeitsmarkpolitik sind bereits 900 Millionen Euro herausgestrichen worden und das merken wir in Hamburg auch sehr drastisch. Es sind über 40 Millionen Euro, die fehlen. Damit kann in einer Großstadt einiges finanziert werden: wichtige Projekte in den Stadtteilen, die vielen Menschen helfen, die auch die Menschen wieder an Arbeit heranführen und Stück für Stück reintegrieren. Das zur Gegenfinanzierung heranzuziehen, wenn es um Regelsatzerhöhungen geht, wäre aus unserer Sicht ein falscher Weg.
Etwas anders ist die Lage bei dem Bildungspaket. Ich sehe hier durchaus einen Ansatz, besser dahin zu kommen, den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden. Man muss sich aber fragen, wie das tatsächlich ausgestaltet und umgesetzt werden kann. Die Job-Center sind sicher nicht der richtige Andockpunkt. Das muss man sich sehr genau anschauen und darüber wird zu sprechen sein.
Ich komme zum Schluss.
Diese Vorlage, wie sie von der Bundesregierung unterbreitet wurde, kann so nicht beschlossen werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es darf keinen Mietwucher auf Kosten sozial Schwacher geben;
es muss alles getan werden, um dies zu verhindern. Ich denke, dass sieht niemand in diesem Hause anders.
Herr von Frankenberg hat deutlich gemacht, welche Dimension die Kosten der Unterkunft für eine Stadt wie Hamburg haben: 130 000 Haushalte werden von der Stadt finanziert, dafür werden 517 Millionen Euro aufgewendet. Das ist ein erheblicher Batzen im Hamburger Haushalt und diese Kosten steigen immer weiter an. Das ist auch eine
strukturelle Frage, wir haben eine Situation, in der kleine Wohnungen Mangelware sind.
Die Rahmenbedingungen sind bekannt: eine wachsende Zahl von Haushalten, Zuzug nach Hamburg und stagnierende Einkommen in den unteren Lohnsegmenten. Das Ergebnis ist ein erheblicher Nachfrageüberhang nach günstigen Wohnungen. Das führt dazu, dass die Anbieter die Preise und zunehmend auch die Konditionen bestimmen. Vor allem bei den Nachfragegruppen, die die schwächste Position haben, nutzen das einige schamlos aus und dem muss man einen Riegel vorschieben.
In Hamburg gab es zu dieser speziellen Problemlage im Oktober 2009 erste Berichte. Damals vertrat man bei t.a.h. und den Behörden offensichtlich die Auffassung, dass es sich im Wesentlichen um Einzelfälle handele und nicht um eine systematische "Abzocke". Im Februar 2010 war man da schon deutlich weiter. t.a.h. und BSG sind gemeinsam zu der Einschätzung gekommen, dass dies ein größeres Problem sei, und haben wichtige, entschlossene und tiefgreifende Gegenmaßnahmen eingeleitet, nämlich eine großangelegte Überprüfungsaktion durch die t.a.h., die bis Mai 2010 107 Verdachtsfälle auf Mietwucher und Mietbetrug ergeben hat. Gegen drei Vermieter wurde Strafanzeige erstattet. Es wurden drei Zivilklagen eingereicht. Herr Kuhlmann, der schon früh in der Kritik stand, hat im Februar sein Mandat niedergelegt und Anfang März wurde Strafanzeige gegen ihn eingereicht. Auch die Bezirke sind tätig geworden und haben Mieter befragt, Bauakten verglichen und Kontrollmessungen durchgeführt und so über 20 Fälle aufgeklärt. Losgegangen ist dies mit ein wenig zeitlicher Verzögerung, um die Anzahl der Fälle und die Strukturen wirklich aufdecken und klar benennen zu können, welche Vermieter beteiligt sind. Das ist der Status, an dem wir heute angelangt sind. Herr Kuhlmann hat eine Sicherungsleistung von zunächst 110 000 Euro zugesagt. Wenn die Überprüfung ergibt, dass höhere Rückzahlungsforderungen an ihn zu richten sind, dann sind – so verstehe ich das – diese 110 000 Euro möglicherweise auch nicht auskömmlich.
Entscheidend ist, was jetzt weiter geschieht und wie künftig seitens t.a.h. und BSG mit Vermietern umgegangen wird, die Wohnungen an ALG-II-Empfänger vermieten, denn die angespannte Situation in diesem Marktsegment wird sich, egal, was man tut, kurzfristig sicherlich nicht auflösen lassen. Die BSG hat bekanntgegeben, dass von Vermietern die Einhaltung eines Verhaltenskodexes erwartet wird, nach dem Vermieter, bei denen Anzeichen darauf hindeuten, dass sie mietrechtliche, strafrechtliche oder KdU-Regularien verletzen, sich bereiterklären, vollständige Trans
parenz über die Größe der vermieteten Flächen herbeizuführen und die in Rede stehenden Flächen von der Behörde und einem durch den Vermieter beauftragten Architekten nachmessen zu lassen. Gemäß dem Kodex verpflichten sich Vermieter, die Bezirksämter und t.a.h. bei dieser Zustandsprüfung nach Kräften zu unterstützen und die Miete anzupassen, wenn die vom Mieterverein festgestellte Wohnfläche um mehr als 10 Prozent von der im Mietvertrag angegebenen Fläche abweicht, und die überzahlten Beträge sofort und vollständig zurückzuzahlen. Unabhängig von diesem Verhaltenskodex laufen bereits eingeleitete Strafverfahren weiter.
Damit leistet der Senat, was Sie in Punkt 1 Ihres Antrags fordern:
"…ein verbessertes Verfahren zum Schutz und zur Unterstützung von SGB-II-Leistungsempfängern bei Verdacht auf Mietbetrug".
Das ist aber nicht alles. Wenn sich Vermieter auf diesen Kodex verpflichten und es klare Regelungen gibt, wie mit festgestellten Abweichungen umzugehen ist, ist das nur der erste Schritt. Wichtig ist, dass es bereits seit 2003 eine Vereinbarung mit den Mietervereinen gibt, nach der jeder ALG-II-Bezieher den Mitgliedsbeitrag erstattet bekommt, wenn er Hinweise glaubhaft machen kann, dass es eine Mietpreisüberhöhung oder Mängel an seiner Wohnung gibt. Darüber ist aufgeklärt worden. Im Frühjahr sind 10 000 Plakate und Flyer in den Job-Centern und Sozialämtern aufgehängt beziehungsweise verteilt worden, um die Betroffenen darüber zu informieren, dass sie das Recht haben, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Herr Kienscherf, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Vermieter zum Teil mit Kündigungen reagieren, wenn Mieter Mietminderung geltend machen. Da ist natürlich das privatwirtschaftliche Vertragsverhältnis zu sehen, in dem Mieter und Vermieter stehen. Es ist eine unmögliche Reaktion, wenn Vermieter, denen Mängel an der Mietsache oder überhöhte Mieten nachgewiesen werden, ihre Mieter vor die Tür setzen, anstatt einzuschwenken und zu fairen Bedingungen zurückzukehren. Aber das kann vonseiten der Stadt zunächst nicht anders abgefangen werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt wird sein, zu einer besseren Vor-Ort-Kontrolle, einer Art aufsuchenden Überprüfung zu kommen. Im vergangenen Jahr hat das bereits stattgefunden. Der Betreuungsdienst der ARGE ist in Marsch gesetzt worden und hat Wohnungen kontrolliert, aber seine Kapazitäten sind begrenzt. Wenn man das in Zukunft ernsthaft und konsequent weiterführen und eine wirksame Kontrolldichte erreichen will, wird man zusätzlich etwas tun müssen. Die BSG erwägt offensichtlich, dies mit eigenen Kräften zu unterstützen. Das ist ein wichtiger Schritt. Hier sollte aber
auch die Wohnungspflege in den Bezirken eingebunden werden, schließlich ist dies zu einem guten Teil ihre Aufgabe. Wir sollten uns diesen Aspekt im Ausschuss noch einmal genau anschauen und erörtern, damit aus diesen drei Elementen – Vereinbarung mit den Vermietern, Unterstützungsangebot für Mieter und nachlaufende Kontrolle – ein wirksames Konzept wird. Damit kann man zuversichtlich sein, in Zukunft eine bessere Situation und eine Eindämmung zu erreichen. Dass sich die Probleme durch öffentliches Handeln komplett werden lösen lassen, erwarte ich nicht, und auch Sie werden realistischerweise nicht erwarten, dass nun alle Vermieter automatisch auf dem Pfad der Tugend wandeln. Wir müssen die Situation sehr genau im Auge behalten, weil sie strukturell so ist, wie ich es eingangs genannt habe.
Noch ein Wort zu der Causa Kuhlmann. Ganz sicher sind das äußerst unappetitliche und wahrscheinlich auch strafrechtlich belangbare Geschäftspraktiken und es war notwendig und völlig richtig, dass Herr Kuhlmann sein Deputationsmandat niedergelegt hat. Ich habe aber bisher keine Hinweise oder Anhaltspunkte für irgendeine Form der Protektion oder der langen Leine erkennen können, die wirklich dingfest oder belegbar gewesen wären. Deswegen geben diese Anwürfe nicht viel her.
Es kommt jetzt darauf an, konsequent und effektiv zu handeln. Das ist das Interesse von CDU und GAL und ich denke, dass es auch Ihr Interesse ist. Wir werden uns im Sozialausschuss damit befassen. Dort schauen wir dann noch einmal auf Ihren Antrag, welche Dinge noch zu vereinbaren sind, die uns weiter voranbringen. Aber ich denke, die BSG ist bereits in Marsch und das ist auch gut und wichtig. – Danke.
Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal kurz auf das Thema Satzungsermächtigung in Paragraf 22 SGB II eingehen, nämlich das Thema, wie wir vielleicht zu Quadratmeterhöchstmieten kommen. Frau Badde, ich muss Ihnen widersprechen. Es ist durchaus nicht so, dass dies irgendwann einmal passiert, sondern es wird zur Stunde auch im Bundestag debattiert. Dann wird man sich bald weiter damit im Bundesrat und anderswo auseinandersetzen müssen. Es kann durchaus einen positiven Effekt haben, erst einmal eine Quadratmeterhöchstmiete einzuführen und tatsächlich an bestimmten Stellen das Limit zu setzen, das uns gegenwärtig fehlt. In dem Gesetzesentwurf, im Referentenentwurf steht leider auch, dass die Länder die Kommunen und kreisfreien Städte ermächtigen können, Pauschalen einzuführen, und zwar ganz generell für das Ge
biet ihrer Kommune oder der kreisfreien Stadt. Das ist äußerst schwierig. Ich gehe nicht davon aus, dass man in Hamburg daran denkt, so einen Weg zu gehen. Es gibt in Hamburg einen anerkannten und gut funktionierenden Mietenspiegel und ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass er auch weiterhin die Referenzgröße sein wird, wenn man hier über die KdU spricht.
Wenn nun im Zuge der Ausfüllung der Verordnungsermächtigung die KdU-Richtlinie überarbeitet wird, dann muss man natürlich noch einmal auf den Mietenspiegel 2009 schauen, denn auch das Bundesgesetz, so wie es vorliegt, verlangt eine regelmäßige Anpassung. Das ist dort normiert, es ist alles noch nicht beschlossen, aber der Gedanke macht durchaus Sinn.
Das sind positive Ausfüllungsmöglichkeiten, die Hamburg hat, aber der Gesetzesentwurf im Bereich KdU hat noch einige weitere Haken. Wie schon gesagt, sind 517 Millionen Euro für den Hamburger Haushalt ein großer Batzen. Das ist das Geld, das der Bund und das Land hereingeben. Der Bund hat seine Beteiligung limitiert auf 24,6 Prozent, auf 3,4 Milliarden Euro. Das ist äußerst negativ, weil die Landeskosten steigen und das auch wahrscheinlich in Zukunft, wenn man nicht jetzt noch andere Eingriffsmöglichkeiten aktiviert. Das ist ein Problem.
Es ist auch ein Problem, dass das Kinderwohngeld gestrichen werden soll und dass der Heizkostenzuschuss beim Wohngeld gestrichen werden soll. Wir haben in Hamburg Möglichkeiten, die eingesetzt werden können, um bestimmte Dinge zu limitieren und Geld zu sparen, das ist richtig. Aber wenn auf der anderen Seite vom Bund Dinge beschlossen werden, die wiederum die KdU belasten, dann weiß ich nicht, wo wir dann am Ende landen werden. Man muss sich also sehr genau anschauen, wie man diese Verordnungsermächtigung ausfüllen kann und was getan werden muss, damit dies für die Länder tatsächlich hinterher ein Gewinn ist. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut – es ist in der Tat, da gebe ich Herrn Kienscherf recht, schade, dass wir ein so wichtiges und großes Thema haben und die Reihen im Parlament nicht so gefüllt sind, wie ich es mir wünschen würde, und zwar durch die Bank bei allen Fraktionen. Nichtsdestotrotz will ich versuchen, die Diskussion hier hineinzutragen, denn das ist ein zentrales Thema.
Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut ist eine Aktion der EU, die auf Bewusstseinsbildung setzt. 17 Millionen Euro sind europaweit für Veranstaltungen, Informationen und Diskussionen zur Verfügung gestellt worden. Aber gut, Bewusstseinsbildung ist auch wichtig.
Drei Themen hat die EU in den Mittelpunkt gestellt: Zugang zu Bildung – jedes Kind ist wichtig –, mit Arbeit Hilfebedürftigkeit überwinden und Integration statt Ausgrenzung. Diese drei Bereiche sind auch für Hamburg ganz wichtige und elementare Themen, die wir thematisieren wollen und die in der Großen Anfrage auch thematisiert werden.
Und ich muss Ihnen widersprechen, Herr Kienscherf. Die Armutsgefährdungsquote ist, wenn man nicht ein statistisches Werk aufbauen will, indem verschiedene andere Indikatoren, die auch möglich sind, aufgeblättert werden, ein sehr geeigneter Indikator, um Hamburg mit dem Bund zu vergleichen, um verschiedene Städte und Länder miteinander zu vergleichen und auch verschiedene Typen von Haushalten und von Lebenslagen miteinander vergleichbar zu machen. Die Armutsgefährdungsquote entspricht da absolut dem Stand der Diskussion.
Herr von Frankenberg sagte bereits, dass in Hamburg die Armutsgefährdungsquote von 2005 bis 2008 gegenüber dem Bundesdurchschnitt überproportional gesunken ist um 2,6 Prozent, bundesweit um 0,3 Prozent. Das ist auf der Basis der Aussagefähigkeit dieses Indikators ein sehr guter Wert. Man muss sehen, dass Hamburg auch gegenüber den Stadtstaaten besser dasteht. Es lohnt sich aber auch, einen Blick hineinzuwerfen und zu sehen, wie die Problemlagen sind, denn es werden zum Beispiel Haushaltstypen, Alterstypen, auch die Frage des Migrationshintergrunds und des Bildungsstands unterschieden. Generell ist in der ganzen Bundesrepublik die Gruppe der Alleinerziehenden diejenige mit der höchsten Armutsgefährdung. Darauf folgt die Gruppe der Haushalte mit drei und mehr Kindern. Dieses sind die am meisten gefährdeten Gruppen. Dies in Verbindung gesehen mit dem Hauptthema des Europäischen Jahres, so ist Zugang zu Bildung ein Merkposten, den ich erst einmal setzen will.
Ein anderer wesentlicher Punkt ist: Wenn man das Qualifikationsniveau und die Armutsgefährdung im Zusammenhang betrachtet, dann sieht man, dass
Geringqualifizierte ein fünfmal höheres Risiko haben, von Armut gefährdet zu sein als Hochqualifizierte. Hier besteht ein sehr starker Zusammenhang. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist die Armutsgefährdung zweieinhalb Mal so hoch wie für Menschen ohne Migrationshintergrund. Das ist in ganz Deutschland so.
In Hamburg ist dies grundsätzlich nicht anders. Eine insgesamt niedrigere Armutsgefährdungsquote geht einher mit einer etwas höheren Jugendarmut, einer etwas niedrigeren Altersarmut, hier steht Hamburg im Bundesvergleich sehr gut da. Mit einer niedrigeren Armutsgefährdungsquote bei Alleinerziehenden auf der einen Seite, auf der anderen Seite mit einer etwas höheren Armutsgefährdungsquote bei großen Familien und auch beim Migrationshintergrund ist die Situation stärker ausgeprägt als im Bundesdurchschnitt. Dafür gibt es Erklärungen. Dies ist metropolenspezifisch und liegt beispielsweise auch an den Strukturen der Haushalte.
Positiv gilt festzustellen, dass es uns offenbar besser gelingt, Alleinerziehenden Lebenschancen zu bieten, als dies in anderen Flächenländern, aber auch in anderen Stadtstaaten gelingt. Das nennt man Gelegenheitsdichte, die Möglichkeiten, hier durch gute Kinderbetreuung Familie, auch alleinerziehende Familie, und Beruf miteinander in Einklang zu bringen
und Einkommen zu erzielen. Das ist ein positiver Faktor.
Das ist eine Sonderdiskussion; aber genau da kann man sagen, dass diejenigen, die alleinerziehend ein Einkommen erzielen und einen in der Regel bezahlbaren Kitaplatz haben, eine sehr flexible und bedarfsgerechte Kitabetreuung erhalten. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie mit bis zu zwölf Stunden Betreuung im Krippenbereich ist hier gut gegeben. Wo finden Sie eine solche Situation? Nur das ermöglicht es tatsächlich, ein entsprechendes Erwerbseinkommen zu erzielen.
Auf der anderen Seite gelingt es uns offenbar nicht, Migrantinnen und Migranten Ähnliches zu bieten; das sollte uns ein Stück zu denken geben.
Wenn man einen Blick auf die Ursachen von Armut wirft – im Europäischen Jahr der Armut ist es das Thema Arbeit –, dann gibt es hierzu in der Großen Anfrage einen hübschen Satz:
"Mögliche Armutsursachen sind niedrige Einkommen."
Das wirkt auf den ersten Blick total trivial, ist es aber nicht. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit zwischen 18 und 25 Jahren beispielsweise ist nicht so ein Thema, weil es eine Altersgruppe ist, die typischerweise nicht über hohe Einkommen verfügt und die also Einkommensarmut oder Geldarmut nicht in der Weise als Chancenarmut empfindet, wie dies bei anderen Gruppen in der Regel der Fall ist.
Auf der anderen Seite sehen wir, das hatte Herr von Frankenberg richtigerweise herausgestellt, dass sich in Hamburg die Arbeitsmarktzahlen sehr positiv entwickeln. Wir haben eine Abnahme der Arbeitslosigkeit von 5,1 Prozent gegenüber April, das sind 5000 Arbeitslose weniger; dies ist ein elementarer Punkt. Da kann Einkommen erzielt werden, das bedeutet Zugang zu Arbeit und ist eine sehr positive Entwicklung für Hamburg. Wenn man über Armut und Einkommen redet, dann ist das durchaus erwähnenswert.
Einen weiteren Punkt möchte ich noch anreißen, das Thema Bildungsvoraussetzungen. Ich möchte mich dem von ganz anderer Seite annähern, nämlich mit einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft. Sie ist betitelt mit dem Thema "Integrationsrendite – Volkswirtschaftliche Effekte einer besseren Integration von Migranten". Die Studie arbeitet den engen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Bildungserfolg heraus und betrachtet dies besonders unter der Fragestellung von Arbeit und Beschäftigung. Insgesamt lägen die Bildungsabschlüsse von Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund unter denen der deutschen Bevölkerung. Das ist international überall so. Allerdings lägen in Deutschland die Bildungsabschlüsse von Migrantinnen und Migranten gegenüber den Menschen mit Migrationshintergrund, die hier geboren sind, unter den durchschnittlichen Bildungsabschlüssen der Zugewanderten. Das ist auch ein Stück weit bekannt, aber es ist ein zentraler Punkt, der uns in höchstem Maße alarmieren muss, weil mit Blick auf die langfristige Perspektive der demografischen Entwicklung und der abnehmenden Schülerzahlen hier ein extremer Handlungsbedarf gegeben ist.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Integrationsrendite von 12 Prozent möglich sei, dass sich die Investitionen in die Bildung von Migrantinnen und Migranten volkswirtschaftlich quasi hoch verzinsten. Das hat sogar der FDP-Wirtschaftsminister herausgestellt.
In dem Kontext heute geht es eher um die individuelle Rendite, um die Rendite jedes Einzelnen. Hier möchte ich den Exkurs noch weiter ausdehnen zum Integrationsbeirat, der letzte Woche die Hamburger Schulreform diskutiert hat. Die übergroße Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen hat sich dort eindeutig für die Hamburger Schulreform ausgesprochen, weil
diese Gruppen genau wissen, welche Verbesserung für die Entwicklungs- und Bildungschancen der Migranten damit verbunden ist. Das ist ein höchst wichtiger Punkt, der auch im Kontext des Europäischen Jahres der Armut gedacht und genannt werden kann, wenn man systemisch bedenkt, was volkswirtschaftlich nachhaltig und wichtig ist, denn nur Egoismus denkt kurzfristig.
Ich will jetzt nicht die vielfältigen Maßnahmen auffächern, die in der Großen Anfrage dargestellt sind, das kann im Sozialausschuss erfolgen. Wir halten es auch für richtig, dieses dort noch intensiver und vertiefter zu diskutieren, um genau diese Bewusstseinsbildung, die das Europäische Jahr der Armut voranbringen will, auch in diesem Hause stattfinden zu lassen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, diese beiden genannten Indizes aufzuklären, nämlich zum einen die Armutsgefährdungsquote im Bundesvergleich und zum anderen die regional bezogene Messung der Ein
kommensungleichheit. Dabei machen Sie einen Fehler, denn es geht nicht um Durchschnittswerte, sondern um den Median; das ist etwas anderes. Die Durchschnittswerte verzerren die Einkommensrealität in Hamburg sehr stark. Hamburg ist eine Stadt mit hohen Einkommen, auch mit einzelnen extrem hohen Einkommen. Wenn Sie diese mit hineinrechnen, dann kommen Sie bei einem ziemlich hohen Durchschnitt an, der jedoch nicht der Einkommensrealität in dieser Stadt entspricht. Die Einkommensrealität in Hamburg, exklusive der extrem hohen Einkommen, liegt deutlich unter diesem Durchschnitt. Es kommt auf die Kaufkraft an und die Kaufkraft bei Lidl in Hamburg ist dieselbe wie in Erlangen oder sonst wo.
Grosso modo ist es so. Daraufhin können Sie die ganze Bundesrepublik Deutschland überprüfen, ohne das widerlegen zu können. Das zum einen.
Es gibt zweifelsohne auch Dinge, an denen sich die Kaufkraft in einer Großstadt von anderen, peripheren Regionen unterscheidet. Aber Sie sollten auch bedenken, dass Hamburg ein öffentliches Wohnungsunternehmen mit 130 000 Wohnungen hat und nach wie vor jährlich 120 Millionen Euro in eine soziale Wohnraumförderung investiert. Beides ist bundesweit einmalig und ein wichtiger Faktor bei dem Thema, was man sich kaufen kann, wie zum Beispiel Wohnen in dieser Stadt. Ich will damit nicht sagen, dass das deswegen problemlos ist.
Herr Joithe hatte die HVV-Kostensteigerung angesprochen. Das wieder eingeführte Sozialticket, ein sehr substanzielles Angebot für Mobilität, gibt es für ursprünglich 34 000 kalkulierte Nutzer inzwischen für 49 000 Nutzer. Wenn Sie im Kontext des Europäischen Jahres denken, in dem es um Chancengerechtigkeit geht, dann können Sie nicht wegreden oder bestreiten, dass diese Koalition auch beim Thema Kita und Schule im Sinne einer nachhaltigen chancengerechten Entwicklung für diese Stadt substanziell draufgesattelt hat.
Noch eine Anmerkung: Es geht auch nicht allein um den Kampf gegen die Armut, der nie gewonnen werden kann, ohne dass Investitionen, Aufwendungen nicht mehr nötig wären. Es geht um die Sicherung von Teilhabe, um die Ermöglichung von Chancengerechtigkeit, und auch diese wird zukünftig hohe Anstrengungen erfordern. Ich hatte vorhin versucht, dies mit dem Thema Migrationshintergrund – Integration, Zugang zu Bildung – zu verdeutlichen. Das ist eine Mammutaufgabe, aber die Maßnahmen dieses Senats zeigen durchaus, dass man sich ihr stellt. – Vielen Dank.