Loretana de Libero

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was nützt die Soziale Erhaltungsverordnung, die Umwandlungsver
ordnung? Das fragen sich derzeit die Mieterinnen und Mieter in der Erichstraße auf St. Pauli. Dort will nämlich ein Investor Mietwohnungen in Eigentum umwandeln, und er darf das. Das lässt die Umwandlungsverordnung zu, die im Jahre 2012 gemeinsam mit der Sozialen Erhaltungsverordnung beschlossen wurde. Mit der Umwandlungsverordnung wird die Umwandlung nicht verboten, sie wird genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung ist jedoch nach Paragraf 172 Baugesetzbuch zu erteilen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren nur an die eigenen Mieterinnen und Mieter zu veräußern. Nach dieser Frist entfällt die Genehmigungspflicht, und er kann dann verkaufen, an wen auch immer er möchte. Und wenn jetzt diejenigen mit prallem Geldbeutel vor Augen meinen, dort ein Hintertürchen zu wittern, so sagen wir denen mit unserem Antrag: Wir werden auch dieser Spekulationsmöglichkeit einen dicken Riegel vorschieben.
Unabhängig davon sind und bleiben die beiden städtebaulichen Erhaltungsverordnungen ein wirksamer Schutzschirm gegen Verdrängung und auch gegen Aufwertung sogenannter Szeneviertel. Sie schützen vor Luxusmodernisierung und Nutzungsänderung. Es sind taugliche Instrumente, um alte eingesessene Nachbarschaften, intakte Milieus zu schützen und den Mieterinnen und Mietern Sicherheit in ihren eigenen gemieteten vier Wänden zu bieten. In den 1990er Jahren sind erstmals Soziale Erhaltungsgebiete von der SPD in Hamburg ausgewiesen worden, in der südlichen Neustadt, in Barmbek-Süd, Uhlenhorst, Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West. Im Jahr 1998 folgte die Umwandlungsverordnung. In den genannten Gebieten wurden bis 2003 damit tatsächlich spekulative Verwertungsinteressen wirksam bekämpft. Dann ließ der CDU-Schill-Senat die Verordnung wieder mit einer Ausnahme, das war die Neustadt, außer Kraft setzen, und in den citynahen Stadtteilen setzten sofort wieder Verdrängungsprozesse ein. Erst der SPD-Senat hat sich dieser Problematik erfolgreich angenommen. Seit 2012 wird das bewährte Steuerinstrumentarium der Sozialen Erhaltungsverordnung wieder angewandt.
Seither profitieren Stadtteile und Quartiere von Altona-Altstadt über die Sternschanze, St. Pauli, St. Georg bis Eimsbüttel-Süd von diesem strukturellen Bestands- und Milieuschutz. Für Bahrenfeld und Ottensen wir das derzeit geprüft. Ein Allheilmittel ist die Soziale Erhaltungsverordnung indes nicht, auch wenn das mancher Jurist einmal behauptet hat. Den einzelnen Mieter schützen sie nicht, Mietenbegrenzungen sind mit ihnen nicht verbunden. Das ist aber auch nicht ihr Ziel. Langfristig hilft in diesen Fällen nur eine erfolgreiche soziale Wohnungsbaupolitik, wie eben die des Ham
burger SPD-Senats und die von ihm auf den Weg gebrachten und von uns beschlossenen Maßnahmen für einen verantwortlichen Mieterschutz, zu dem etwa die Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen oder der verschärfte Wohnraumschutz gehören.
Die Mieterinnen und Mieter in der Erichstraße sind mit ihren Sorgen an die Öffentlichkeit gegangen. Sie vergleichen die beiden städtebaulichen Instrumente mit einem Deich, der nun ein Loch hat. Dieses Loch ist der eingangs erwähnte Paragraf 172. Dieses Loch müssen wir stopfen, damit es nicht zu einem Deichbruch kommt und Spekulanten die eigentlich schützenswerten Wohngebiete Hamburgs überschwemmen. Mit unserem Antrag wollen wir daher ein deutliches Signal senden. Diejenigen, die in reiner Profitgier den schnellen Gewinn machen wollen, mit altem Bestand spekulieren, gewachsene soziale Strukturen, funktionierende Nachbarschaften gefährden, mögen sich ein Beispiel nehmen an Investoren, die bei allem legitimen Wirtschaftsinteresse sich auch für eine nachhaltige Stadtteilentwicklung engagieren und in Wohnungsneubau investieren.
Meine Fraktion ersucht daher den Senat, sich für einen verbesserten Mieterschutz vor spekulativen Umwandlungsbestrebungen einzusetzen, insbesondere im Geltungsbereich der Sozialen Erhaltungsverordnung. Da die Verordnung auf einem Bundesgesetz beruht, sind Ergänzungen oder Änderungen nur auf Bundesebene möglich. Angedacht war, das haben Sie auch gestern gehört, ein zehnjähriger Kündigungsschutz nach Verkauf von Wohnungen. Unser Antrag schließt daher als Möglichkeit auch ausdrücklich eine Initiative auf Bundesebene ein. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Man kann nicht ungeschehen machen, was geschehen ist. Man kann es vergessen, man kann es aufarbeiten und man kann es in einen historischen Kontext einordnen. Genau das wollen wir mit den Hamburger Ehrenbürgerschaften künftig stärker tun.
Mit der historischen Kontextualisierung ist das jedoch so eine Sache. Es ist ein Fremdwort, das nicht jeder versteht. Die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN beispielsweise wollen – Zitat –:
"[…] die Verleihungen in ihrem historischen Kontext […] betrachten…"
und als eine für sie logische Konsequenz Paul von Hindenburg die hamburgische Ehrenbürgerwürde aberkennen. Das aber ist ein Widerspruch in sich. Kontextualisieren meint nämlich, das Handeln vergangener Generationen nachzuvollziehen, die Gründe etwa, warum vor 96 Jahren Senat und Bürgerschaft dem 70-jährigen Generalfeldmarschall die Hamburger Ehrenbürgerwürde antrugen. Entweder wir betrachten die Geschehnisse in ihrer Zeit oder wir legen den moralischen Maßstab von 2013 an.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
In den letzten beiden Jahrhunderten ist insgesamt 36 Männern und Frauen die Ehrenbürgerwürde Hamburgs angetragen worden. Gleich die erste Verleihung 1813 war eine herbe Enttäuschung für die Hamburger. Baron von Tettenborn, übrigens kein russischer, sondern ein badischer General in russischen Diensten, wurde von der Bevölkerung als Befreier von den napoleonischen Truppen begrüßt. Tettenborn forderte und erhielt das Ehrenbürgerdiplom und viel Gold.
Ist es politische Korrektheit oder Nicht-Wissen, wenn die GRÜNEN in diesem Zusammenhang bloß von "der Fremdherrschaft" sprechen und dabei verschweigen, dass es die französische Besatzung war, die damals die Hamburger knechtete? Tettenborn jedenfalls ließ Hamburg kurz darauf wieder im Stich, er überließ es wieder den Franzosen. Und trotzdem haben die Hamburger die Verleihung an den General später nicht wieder rückgängig gemacht.
Was meinen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, in Ihrem Antrag eigentlich mit dem Satz, es müssten Empfehlungen erarbeitet werden, "welche der Ehrenbürgerschaften Hamburgs nicht mehr aktiv geführt werden sollten"?
Aktiv geführt? 30 von 36 Ehrenbürgern sind längst tot. Was meinen Sie mit dem Satz:
"…[Es] wurden einige Ehrenbürgerrechte verliehen, die mit den heutigen Werten […] nicht mehr kongruent sind."?
Rechte, Ehrenbürgerrechte nicht mehr kongruent? Das ist doch wirklich der Schnellschuss, von dem die Kollegin Fegebank gesprochen hat. Da wurde doch mit allzu heißer Nadel gestrickt. Es sollte wohl die Schlagzeile "Hitler" wieder für Aufmerksamkeit sorgen. Es tut mir leid, aber Ihr Antrag ist nicht nur, aber in Teilen historisch fehlerhaft. Allein das wäre schon ein Grund, ihn abzulehnen.
Verstehen wir das Verzeichnis der hamburgischen Ehrenbürger doch als ein historisches Dokument,
als ein Zeugnis, wie jeweilige Generationen meinten, Menschen auszuzeichnen. Ein Narbenbuch, so nennt es der Historiker Martin Sabrow, ein Gedächtnisraum, so meine ich. In diesem Gedächtnisraum versammeln sich die napoleonische Besatzungszeit Hamburgs, der Große Brand von 1842, das Kaiserreich, der Erste Weltkrieg, das NS-Unrechtsregime, aber vor allem das demokratische Deutschland mit all seinen Brüchen. Wir sollten dazu stehen und daher auch die Zählung wieder berichtigen, denn es sind 36, nicht 34 Verleihungen gewesen. Nummer 16 war Adolf Hitler 1933, Nummer 17 Hermann Göring 1937.
So zu tun, als hätte es diese Verleihungen nicht gegeben, hieße hier, die Geschichte zu verfälschen. Es ist in der Geschichte der hamburgischen Ehrenbürgerschaften zu diesen zwei, und eben nur zu diesen zwei Aberkennungen gekommen. Hitler war knapp einen Monat tot, Göring noch am Leben und in Haft, als Bürgermeister Rudolf Petersen beiden Kriegsverbrechern die Ehrenbürgerschaft entzog.
Das war im Juni 1945, da waberte noch der Hitler-Geist in vielen Köpfen. Da hörte ein Ralph Giordano in Hamburg immer noch, Juden seien an allem schuld. Es war daher ein notwendiges, wichti
ges politisches Signal. Diese Aberkennungen waren zum damaligen Zeitpunkt richtig.
Heute etwa den Namen Hindenburg zu tilgen, hieße, die Dimension der Verbrechen, die während der NS-Diktatur begangen wurden, zu relativieren.
Das Ausmaß dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist einzigartig und unvergleichlich. Das wollen Sie doch nicht bestreiten, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und der LINKEN?
Der 85-jährige Reichspräsident war Steigbügelhalter Hitlers. Er hat das Ermächtigungsgesetz unterschrieben. Das wissen wir nicht erst seit der jüngsten Biografie von Wolfram Pyta. Doch Hindenburg ist nicht Hitler. Zwischen Hindenburg und Hitler ist eben immer noch eine Trennlinie zu ziehen.
Den Antrag der GRÜNEN werden wir daher ablehnen. Dennoch ist bei allem Dissens um Hindenburg zu begrüßen, dass wir uns gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinweg zu einem Antrag zu den Hamburgischen Ehrenbürgerschaften entschließen konnten und ihn auf den Weg gebracht haben.
"Hamburg erinnert sich 2013", so lautet das Motto der diesjährigen Gedenkveranstaltungen, und das wollen wir mit den Ehrenbürgerschaften denn künftig auch tun. – Vielen Dank.
Hier war eben viel von Respekt die Rede. Ich habe mich in meiner Rede ausschließlich auf den Antrag der GRÜNEN bezogen
und keine Personen angegriffen, diffamiert oder verleumdet. Der Antrag der GRÜNEN ist in Teilen historisch fehlerhaft, er ist auch in Teilen unverständlich; das hatte ich zum Ausdruck gebracht.
Was die Sache als solche angeht: Wir haben abzuwägen zwischen Hitler und Hindenburg, und ich habe versucht, deutlich zu machen, dass zwischen Hitler und Hindenburg eine Trennlinie zu ziehen ist.
Hitler ist der größte Massenmörder aller Zeiten, das ist eindeutig. Wir haben bisher nur Hitler und Göring die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Und wenn wir daneben jetzt Hindenburg stellen, dann relativieren wir doch diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich verstehe die Aufregung darüber nicht oder was Sie daran nicht verstehen wollen. Es ist einzigartig in der Geschichte, was zwischen 1933 und 1945 passiert ist.
Wollen wir neben diese beiden Aberkennungen von Hitler und Göring den 85-jährigen Generalfeldmarschall stellen? Natürlich war er ein Steigbügelhalter Hitlers. Aber geht es nicht darum, dass wir es mit zwei Massenmördern zu tun haben und dass die da auch alleine stehen bleiben sollen, angeprangert für alle Zeiten? Die Dimension dieser Verbrechen wird relativiert, wenn wir da noch den Hindenburg dazustellen. Sie wird relativiert, wenn wir den Tettenborn dazustellen. Sie wird relativiert, wenn wir den Bremer Johann Smidt dazustellen, der ein Antisemit gewesen ist. Von den 36 – jetzt nur noch 34 – Ehrenbürgern würden wir wahrscheinlich kaum einen stehen lassen können, aber dann wären Hitler und Göring nur zwei unter vielen. Wollen Sie die Verbrechen der Nationalsozialisten dadurch, dass Sie Hindenburg dazu nehmen, auf dieses Niveau senken? Lassen wir doch das Unvergleichliche an diesen Verbrechen in der Liste stehen. Nur diese beiden Kriegsverbrecher, nur diese beiden Massenmörder sollen da stehen, angeprangert für alle Zeiten.
Man kann sich auch von Hindenburg distanzieren, und das tun wir ja auch. Wir wissen um das, was er getan hat. Wir wissen um das, was er im Ersten Weltkrieg getan hat und was er in den 1920er-Jahren getan hat; das ist herausgearbeitet worden. Wir können ganz deutlich sehen: Hindenburg ist der erste direkt vom Volk gewählte Reichspräsident, er hat in den 1920er-Jahren anscheinend versucht, das Volk zu einigen. Das meinen wir damit, es stärker in den historischen Kontext einzubetten; darum geht es. Die Frage ist, wie wir mit Hindenburg umgehen. Wir werden das wissenschaftlich aufarbeiten und es in den Kontext stellen. Aber Hindenburg neben Hitler zu setzen hieße wirklich, Hitler kleiner zu machen, und das sollten
wir nicht tun. Das ist genau das, was ich gesagt habe, und das können Sie auch nachlesen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Gondeln im Flachland", "Hängepartie um Seilbahn", so oder so ähnlich heißt es seit mehr als zwei Jahren in der Hamburger Presse. Eine Seilbahn soll von St. Pauli über einen Musicalstandort in Steinwerder nach Wilhelmsburg führen. Dreimal hat sie der Privatinvestor, die Stage Entertainment, der Öffentlichkeit schmackhaft machen wollen. Das Angebot ist da, aber dennoch keine einhellige Begeisterung. Einige Hamburger Unternehmen begrüßen die Seilbahn als touristische Attraktion. Ich würde die Umfrage der Handelskammer einmal ganz genau anschauen und nicht alles kaufen, was sie uns glauben machen wollen.
Anwohner lehnen sie ab, und deshalb ist es so, dass der Antrag der Freien Demokraten das Ansinnen des Privatinvestors beflügeln will. Ein Geschenk für Hamburg sei die Seilbahn, sagt die Handelskammer. Doch kommt dieses Geschenk besonders den eventgebeutelten Anwohnerinnen und Anwohnern von St. Pauli wie ein weißer Elefant vor. Nach einer kürzlich erfolgten, repräsentativen Umfrage von Radio Hamburg wollen 50 Prozent der Betroffenen auf St. Pauli keine Seilbahn. Die Wohngebiete sind schon jetzt bis an die Grenzen des Zumutbaren belastet durch die vielen Groß-Events,
die Massenveranstaltungen und den Tagestourismus. Die Menschen befürchten eine weiter zunehmende Eventisierung mit all ihren negativen Begleiterscheinungen und Folgekosten: erhöhtes Verkehrsaufkommen bis zum Infarkt, massive Lärmbelästigung, Verlust von urbanem Grün und Eingriffe in das historische, unverwechselbare Hamburger Stadtbild.
Tourismus ist wichtig für die Stadt. Er erfährt doch auch und gerade auf St. Pauli eine sehr hohe Akzeptanz, mehr als in anderen Stadtteilen. Aber die Botschaft in diesen Stadtteil hinein darf nicht sein, dass Tourismus wichtiger ist als die Belange der 26 000 Menschen, die dort wohnen.
Der Hauptbeitrag zur Stadtentwicklung auf St. Pauli darf kein Seilbahnprojekt sein.
Privat finanziert werden soll die Seilbahn, aber das sollte einst auch die Elbphilharmonie. Stage Entertainment und der österreichische Seilbahnhersteller Doppelmayr haben 50 Millionen Euro übrig. Da fällt mir als Sozialdemokratin unangenehm auf, dass der Stage Entertainment für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anscheinend das Geld fehlt. Sie werden nämlich in Leiharbeitsfirmen ausgegliedert oder ihnen wird, wenn sie sich wehren, gleich gekündigt.
Die Bürgerschaft soll nun, so will es die FDP und so wollen es auch die GRÜNEN, dieses Seilbahnvorhaben auch noch begrüßen. Der Bezirk Hamburg-Mitte ist gegen das Seilbahnprojekt. Der Hauptausschuss hat im September 2011 – übrigens mit den Stimmen der FDP und auf Antrag der damaligen GAL – den Seilbahnbau auf öffentlichem Grund in der Neustadt und auf St. Pauli mehrheitlich abgelehnt. Die Beschlusslage ist somit eindeutig. Hieran sieht sich auch das Bezirksamt Hamburg-Mitte gebunden.
Braucht eine Metropole wie Hamburg eine Seilbahn? Die Befürworter verweisen auf Seilbahnen in anderen Städten. Auch Herr Kluth war eben ganz begeistert von der Koblenzer Seilbahn, die von besagter Firma Doppelmayr gebaut und betrieben wurde. Nach meinen Recherchen will der Betreiber diese Seilbahn wieder abbauen. Sie würde sich nicht rechnen. Die Trierer Kabinenbahn über die Mosel, die auch häufig in der Presse auftaucht, blieb defizitär und wurde im Jahre 2000 eingestellt. Die Kölner Rheinseilbahn schwebt seit 55 Jahren über den Fluss und schrieb erst 2004 schwarze Zahlen.
Schauen wir weiter nach Europa. Die Hafenseilbahn in Barcelona ist die touristische Attraktion.
Besucher bewundern die tolle Aussicht. Sie beklagen aber auch lange Wartezeiten, hohe Preise von 10 bis 15 Euro und kleine Gondeln, die sie Sardinenbüchsen nennen. Die von Doppelmayr gebaute Seilbahn über die Themse in London sollte ursprünglich rein privat finanziert werden. Jetzt werden aufgrund massiv gestiegener Baukosten die Pendler, die EU und der Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Eine Seilbahn in der Funktion eines urbanen, umweltfreundlichen Transportmittels ist eine gute Sache. Die Seilbahnplaner sagen uns, ihnen läge die öffentliche Verkehrsanbindung von Wilhelmsburg am Herzen. Kleine, für acht bis zehn Personen vor
gesehene Gondeln sollen von Wilhelmsburg über das Hafengebiet zum Musical schaukeln. Dort erfolgt dann ein Umsteigen in zwei 20-Personen-Gondeln, mit denen Berufspendler und Touristen nach St. Pauli fahren. Die Fahrzeit betrage, so Stage Entertainment, insgesamt entspannte, staufreie 18 Minuten, wobei das Umsteigen wohl nicht eingerechnet ist, denn rund 5000 Personen sollen laut Stage Entertainment pro Tag allein zwischen St. Pauli und dem Musical befördert werden. Pendlerfreundlich geht anders.
Es ist, da können Sie auch auf die Homepage des potenziellen Betreibers schauen, ein Preis von 5 bis 15 Euro pro Fahrstrecke angedacht. Teil des HVV wird diese Seilbahn nicht. Ob sie auch in den frühen Morgenstunden fahren wird, sagt Stage Entertainment nicht. In Koblenz tut sie es jedenfalls nicht.
Pendler schweben über die Elbe, so die Vision des Tourismusverbandes. Das Schweben über den Fluss dürfte hier eher ein Warten am Hafen werden.
Nein.
Diese Seilbahnstrecke entlastet die S-Bahn nicht, das hat nichts mit Nahverkehr zu tun.
Ich komme kurz zum Zusatzantrag. Auch die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN wollen, anders als ihre Bezirksfraktion, die Seilbahn von St. Pauli nach Wilhelmsburg.
Bei Ihrem Votum für die Seilbahn auf St. Pauli ist Ihnen aber, so wie Herrn Kluth, einiges entgangen. Die Bauprüfabteilung der HPA hält den südlichen Streckenabschnitt durch das Hafengebiet nach Wilhelmsburg für nicht genehmigungsfähig. Die Gründe sind hier vielfältig, vor allem das Hafenentwicklungsgesetz ist betroffen, von anderen rechtlichen Problemen und auch Fragen der Sicherheit ganz zu schweigen.
Der potenzielle Betreiber, für den sich die FDP so sehr einsetzt, erklärte überdies Ende 2011 – Zitat –:
"[…] ein vorrangiges Eigeninteresse nur an der nördlichen Teilstrecke zu haben."
Zitatende.
Diese geplante Seilbahn besitzt also eine reine Zubringerfunktion zum Musical-Theater. Es sind 1,1 Kilometer – das nenne ich eine Entlastung des Verkehrsangebots.
Die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger aus St. Pauli und der Neustadt sollen, so der Antrag der GRÜNEN, bei der Planung berücksichtigt in das Verfahren eingebracht werden. Wie wäre es denn erst einmal mit einer Beteiligung der Betroffenen vor einer Festlegung auf dieses Seilbahnprojekt?
Haben die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN einmal überlegt, was passiert, wenn die Anwohner im Verfahren anregen, das Seilbahnprojekt zu beerdigen? Und ist das, was Sie beantragen, wirklich Ihr Verständnis von einer Bürgerbeteiligung in St. Pauli oder der Innenstadt? Im Übrigen – das haben schon einige außerhalb des Parlaments angemerkt – gehört das Heiligengeistfeld nicht, wie Sie schreiben, zur Innenstadt, sondern immer noch zu St. Pauli.
Abschließend verwundert es schon, dass immer nur die eine Strecke von St. Pauli zum Musical im Gespräch ist.
Warum immer St. Pauli? Warum werden nicht verschiedene, auch verkehrspolitisch sinnige Streckenvarianten durchgespielt, wenn man unbedingt eine Seilbahn möchte?
Eine mögliche Streckenführung – das hätte ich auch vielleicht als Vorschlag von der FDP hören wollen – wäre beispielsweise in der HafenCity zum zukünftigen Kreuzfahrtterminal Grasbrook und meinetwegen dann zum Musical-Theater. Das wäre doch einmal ein Sprung über die Elbe. Alternativen sollten also ernsthaft andiskutiert werden. Hamburg als Seilbahnstandort – was bringt das den Menschen und was bringt es der Stadt? Das muss alles in Ruhe geprüft und beraten werden. Deshalb beantragt meine Fraktion die Überweisung der Anträge von FDP und GRÜNEN an den Stadtentwicklungsausschuss. – Ich danke Ihnen.