Bärbel Nehring-Kleedehn
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Herr Minister Holter, wir werden es mit Sicherheit nicht scheitern lassen, wir können es auch zahlenmäßig nicht,
auch wenn nicht alle Abgeordneten im Plenarsaal sind, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Fakt ist, dass man mit diesem Gesetz auch insgesamt für die Zukunft weiter wird arbeiten müssen. Manchmal sind ja auch Dinge, wie sie dann in der Praxis sich bewähren, durchaus geeignet, das eine oder andere an Pietäten, die man geltend gemacht hat, auszuräumen.
Jedenfalls war es zum Zeitpunkt der Einbringung, meine Damen und Herren, des jetzt von uns abschließend zu beratenden und zu verabschiedenden Gesetzentwurfes auf Landtags-Drucksache 3/2610 so, dass ich zumindest davon ausgegangen war, dass die Beratungen im federführenden Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung relativ konfliktarm und problemlos durchgeführt werden.
Ein ganz erheblicher Teil der vorgesehenen Änderungen im Bereich des Architektengesetzes auf der einen und
des damit gleichsam korrespondierenden Ingenieurgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf der anderen Seite ist zwischen unseren Fraktionen in der Tat unstrittig und wird von uns mitgetragen. Aber alle an den Beratungen beteiligten Kollegen wissen auch, dass sich im Zuge der parlamentarischen Erörterungen herausstellte, dass es in einem wichtigen Detail des Gesetzentwurfes einen Disput gab, der doch für einige Überraschungen gesorgt hat, weniger bei der Opposition als vielmehr bei den regierungstragenden Fraktionen von SPD und PDS. Und es hatte auch, Herr Kollege Baunach, den Anschein, dass weder das zuständige Ministerium noch die Regierungsfraktionen auf diesen Streit oder diesen Disput vorbereitet waren.
Und so lösten denn auch die Ausführungen der Vertreter aller drei Industrie- und Handelskammern dieses Landes zu den sie berührenden Punkten im Artikel 1 Nummer 14 und im Artikel 2 Nummer 9 bei SPD und PDS einen Grad des Erstaunens aus, der bemerkenswert war. Und man konnte durchaus den Eindruck haben, Herr Minister Holter, dass es im Vorfeld keine Gespräche gab oder der Informationsfluss hier zwischen Exekutive und Legislative eingeschränkt funktioniert hat.
Fakt ist jedenfalls, dass zukünftig auch die Architektenund Ingenieurkammern unseres Landes die Befugnis erhalten sollen, Sachverständige öffentlich zu bestellen und zu vereidigen. Man mag dazu stehen, wie man will, ich kann für meine Fraktion nur sagen, dass die von den IHKs vorgetragenen Bedenken im Rahmen des Expertengespräches im Bauausschuss nicht in befriedigender Weise ausgeräumt werden konnten. Es kann meines Erachtens auch nicht bestritten werden, dass dieses Gesetz zu einer Zersplitterung des Sachverständigenwesens in Mecklenburg-Vorpommern führen wird. Allerdings teilen wir nicht das Argument, dass dieses verbraucherunfreundlich sei, dann könnte man ja gleich eine monopolistisch geprägte Wirtschaft anvisieren, und wer will das schon.
Nein, viel schwerwiegender erscheint mir der Einwand, dass die Gefahr besteht, dass der Antragsteller sich an genau die Institution richten wird, von der er annimmt, dass diese die geringsten Anforderungen hinsichtlich seiner angestrebten Bestellung und Vereidigung stellt. Aus seiner Sicht wäre das durchaus eine rationale Entscheidung, aber ob es im Interesse der allgemein anerkannten und akzeptierten Wertigkeit der damit einhergehenden Zertifizierung liegt, so zu verfahren, ist und bleibt doch zumindest zweifelhaft.
Ferner ist zudem der Sachverhalt nicht abstreitbar, dass im Gegensatz zu den IHKs die Architekten- und Ingenieurkammern jeweils einen ganz bestimmten Berufsstand vertreten. Es ist dann doch leicht nachvollziehbar, dass diese somit auch in erster Linie den Interessen der Architekten und Ingenieure verpflichtet sind, was völlig legitim ist, aber doch auch eine bestimmte Frage aufwirft, mit der wir erst an anderen Stellen in anderen Bereichen und auch in der Politik hin und wieder mal zu tun haben.
Es kann nicht wirklich davon ausgegangen werden, dass bei der Bestellung von Sachverständigen innerhalb der eigenen berufsständischen Organisation mit der gleichen Neutralität und Unabhängigkeit vorgegangen wird, wie das bislang der Fall war. Der Vollständigkeit halber sei
hier erwähnt, dass die jetzigen Sachverständigen in aller Regel nicht Mitglied einer IHK gewesen sind. Auch war es bislang nicht so, dass die Vertreter der berufsständischen Kammern im Rahmen des öffentlichen Sachverständigenwesens völlig außen vor waren. Wir wissen ja schließlich alle, dass sie oder ihre jeweiligen Vertreter in den entsprechenden Entscheidungsgremien der IHKs sitzen, also durchaus bei der Bestellung von Sachverständigen ein Wörtchen mitzureden hatten.
Insofern, meine Damen und Herren, bleibt die Frage im Raum, warum es in diesem Bereich überhaupt Handlungsbedarf geben soll. Ich hatte allerdings eingangs schon gesagt, dass meine Fraktion ansonsten mit diesem Artikelgesetz in seinen Grundsätzen leben kann. Wir halten aber die von mir eben skizzierten Aspekte für so wesentlich, dass wir dem Gesetz in Gänze nicht zustimmen werden können. Meine Fraktion wird sich daher der Stimme enthalten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Leerstand im Plenarsaal von Mecklenburg-Vorpommern bei diesem Thema.
Aber alle, die wichtig sind, sind ja da.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Im November 2000 hat die vom Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Raumordnung eingesetzte Kommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel“ in den neuen Bundesländern ihren lange erwarteten Bericht vorgelegt. Während in den anderen ostdeutschen Bundesländern seitdem eine heftige Debatte hinsichtlich der in dem Kommissionsbericht gemachten Vorschläge tobt und um die Frage, wie denn nun vor Ort mit den jeweiligen Problemen umzugehen sei,
ist die Thematik am Land Mecklenburg-Vorpommern scheinbar – ich sage ganz bewusst scheinbar – spurlos vorbeigegangen. Aber auch hier ist das Problem akut und alle Fraktionen sollten darüber reden, wie man unter Wahrung der Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine Lösung herbeiführt. In den Verhandlungen mit dem Bund und den Kommunen ist längst noch nicht alles in trockenen Tüchern und es ist mir zumindest noch keine konsistente Lösungskonzeption für Mecklenburg-Vorpommern ersichtlich.
Das hat meine Fraktion dazu bewogen, diesem Hause heute den Antrag, den Sie alle erhalten haben, vorzulegen. Meines Wissens stehen ja wohl Ende Mai die nächsten Gespräche mit der Bundesregierung auf der Ebene der Staatssekretäre an. Und insofern erscheint auch der gewählte Termin oder Zeitpunkt hinsichtlich der Vorlage dieses Antrages durchaus angemessen. Ziel dabei ist es, der Landesregierung Handlungsempfehlungen auf den Weg zu geben, damit das Wohnungsleerstandsproblem i n Mecklenburg-Vorpommern sachgerecht angegangen werden kann und sich die finanziellen Belastungen für das Land und seine Kommunen in einem vertretbaren Rahmen halten.
Ich will aber gar nicht so tun, als ob wir für die zahlreichen Detailaspekte des Wohnungsleerstandes in jedem Fall eine umfassende Beantwortung oder Problemlösung anbieten könnten. Aber ein paar Leitlinien für das weitere inhaltliche Vorgehen im Hinblick auf den Kommissionsbericht erscheinen notwendig und sinnvoll. Lassen Sie uns also Analysen und Handlungsempfehlungen der Lehmann-Grube-Kommission aufgreifen, gegebenenfalls unterstützen oder aber dort, wo es angezeigt ist, eigene Schwerpunkte setzen und dies vor allem gegenüber der Bundesregierung auch durchsetzen.
Da die Zeit begrenzt ist, möchte ich an dieser Stelle in der gewohnten Kompaktheit auf einzelne Punkte des Antrages näher eingehen:
Unter der Überschrift „Eigentumsbildung für die Stadtentwicklung nutzen“ empfiehlt die Kommission, die Eigenheimzulage aus dem Bestand, die bislang für acht Jahre in Höhe von 2.500 DM gewährt worden ist, auf 5.000 DM zu verdoppeln und quasi als Finanzierung in die bisherige Lösung im Neubau von 5.000 DM auf 2.500 DM zu halbieren. Ich halte diesen Vorschlag für gelinde gesagt unglücklich. Dass im Bereich der Bestandsforderung etwas getan oder besser gesagt noch mehr getan werden muss, ist ja klar.
Aber darum gleichsam eine doppelte 2-Klassen-Förderung anzustreben, das ist mir hier an dieser Stelle unverständlich. Einmal soll offenbar der Bestand gegen den Neubau ausgespielt werden, eine Position, die die CDU im Land und im Bund auf keinen Fall mittragen kann und wird, und zum Zweiten will die Kommission offenbar unterschiedliche Förderbedingungen in Ost und West. Auch dieses ist schon rein psychologisch fragwürdig. Man sollte sich auf gesamtdeutsche Konditionen einigen und das bedingt in der Tat, im Bereich des Bestandserwerbs etwas zu tun, aber eben nicht in Form eines finanzpolitischen Nullsummenspiels. Insofern halte ich eine Verdoppelung auf 5.000 DM in diesem Bereich für notwendig und geboten.
Noch völlig in der Schwebe ist der politische Umgang bezüglich der Kernforderung der Kommission, ein neues
Abrissprogramm aufzulegen. Demnach sollen in den nächsten zehn Jahren 300.000 bis 400.000 leerstehende Wohnungen abgerissen werden. Ziel ist dabei die Wiederherstellung eines so genannten Marktgleichgewichtes. Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass ein solches Programm finanziell gefördert und gelenkt werden muss. Sie empfiehlt einen Fördersatz von maximal 140 DM pro Quadratmeter und veranschlagt ein Gesamtfinanzierungsvolumen von zehnmal 300 Millionen DM, also insgesamt 300 Milliarden DM. Dabei soll jeweils ein Drittel der Kosten durch den Bund, die Länder und die Kommunen übernommen werden.
Meine Damen und Herren, wir haben die Themen Landeshaushalt, Kommunalfinanzen im Plenum unterschiedliche Male rauf und runter diskutiert. Wir wissen, es ist an allen Stellen eng. Es gibt genügend Gründe auch in diesem Fall, dieses als Anlass zu sehen, darüber zu reden. Ich brauche aber nicht im Einzelnen auf die Details einzugehen, sondern kann sagen, eine de facto Zweidrittelfinanzierung durch die betroffenen Bundesländer ist absurd und indiskutabel. Es muss meines Erachtens alles darangesetzt werden, dem Bund klar zu machen, dass es sich bei der Leerstandsproblematik um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt, da die ökonomischen und sozialen Folgen des Leerstandes – und ich werde noch in der Aussprache näher darauf eingehen – weit über die jeweiligen Regionen hinausreichen.
Der Ökonom spricht in diesem Zusammenhang von negativen externen Effekten und um dies zu internalisieren, ist eine angemessene Beteiligung des Bundes unabdingbar. Nun kann man sich natürlich fragen, was angemessen ist. Sicher lässt sich dieses auf zwei Stellen hinter dem Komma nicht quantifizieren, aber es würde mich schon sehr wundern, wenn die Abgeordneten dieses Landtages und damit in ihrer Funktion als Interessenwahrer der Kommunen oder wenn die Vertreter, die auch im kommunalen Bereich engagiert sind, sich sang- und klanglos einer 1-zu-2-Regelung beugen würden.
Ich kann Sie, Herr Minister Holter, daher von dieser Stelle auch nur eindringlich auffordern, in dieser Frage einen klaren und dem Land dienlichen Standpunkt zu vertreten und dieses gegenüber dem Bund auch unmissverständlich deutlich zu machen. Sorgen Sie bitte dafür, dass der Bund nicht weiter fortlaufend Lasten auf die Länder verschiebt! Lassen Sie sich nicht auf die Tricksereien in der Form ein, dass Leistungen des Bundes im Rahmen des Paragraphen 6 Absatz 2 a Altschuldenhilfegesetz mit dem Abrissprogramm verrechnet werden! Und damit ich an dieser Stelle richtig verstanden werde, auch wir müssen unseren finanziellen Beitrag leisten. Wir können aber keiner Entwicklung zustimmen, die langfristig darauf hinaus läuft, dass wir vor Ort praktisch handlungsunfähig werden. Gehen Sie also davon aus, dass Sie hierbei die volle Unterstützung der CDU-Landtagsfraktion haben werden.
Zudem frage ich mich auch gerade im Hinblick auf Mecklenburg-Vorpommern, ob es wirklich immer gleich der Abriss sein muss oder ob nicht auch weniger radikale Maßnahmen wie Rückbau oder vorübergehende Stilllegung
von Wohngebäuden sachgerecht sein könnten. Dies wird aber nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung vor Ort entschieden werden können und auch müssen.
Darüber hinaus erscheint es mir überdenkenswert, ob die von der Kommission vorgesehene Grenze in Höhe von sechs Prozent Leerstand angemessen ist, denn immerhin gilt eine Quote von fünf bis sieben Prozent als durchaus normal und im Fall geringerer Leerstände sind auch noch Strategien anwendbar, die auf abrissvermeidende Aufwertung von Stadtteilen fielen, zum Beispiel mittels Ergänzung der lokalen Infrastruktur und Bewohner aktivierender Strategien.
Man sieht schon allein daran, es wird sehr wichtig sein, ganz individuelle Vor-Ort-Lösungen zu entwickeln und gegebenenfalls im Rahmen eines wie auch immer gearteten Abrissprogramms dieses den Ländern auch zu ermöglichen. Das heißt, die Programmkonditionen dürfen nicht zu restriktiv verfasst sein, sondern müssen den jeweiligen lokalen Gegebenheiten Rechnung trag e n.
Der Abschnitt 1.3 unseres Antrages stellt den wiederholten Versuch unserer Fraktion dar, den Sturz der heimischen Bauwirtschaft abzumildern. Wer es mit Sanierung, mit attraktiven liebens- und lebenswerten Innenstädten ernst meint, der muss auch dafür sorgen, dass die Anreize zum Erwerb solcher Immobilien und Grundstücke möglichst attraktiv erscheint, auch über steuerliche Anreize. Sanierung schafft eine höhere Lebensqualität und mehr Beschäftigung. Über einen harten und nationalen Standortfaktor, zum Beispiel über das Steuerrecht, realisieren wir im Lande weiche Standortfaktoren. Dies macht Sinn und hilft am Ende allen Beteiligten.
Leider ließ die Informationspolitik der Landesregierung in Bezug auf die Leerstandsproblematik noch einige Fragen offen. Verlässliche Zahlen nach Regionen getrennt liegen offenbar nicht vor. Dies zeigen die Antworten der Landesregierung auf meine beiden Kleinen Anfragen vom Frühjahr diesen Jahres. Das Parlament hat jedoch einen Anspruch darauf, über den Fortgang der Verhandlungen zeitnah und umfassend informiert zu werden. Dazu fordern wir Sie auf!
Für den Inhalt des Abschnittes 3 unseres Antrages habe ich implizit schon etwas gesagt. Die Anzahl der Betroffenen ist gerade bei dieser Problematik immens: Bund, Land, Kommunen, Wohnungswirtschaft, Eigentümer und Mieter und auch die Bauwirtschaft. Ebenso ist klar, dass Abriss oder Rückbau nur im Rahmen eines städtebaulichen Gesamtkonzepts erfolgen kann, ansonsten finden isolierte Maßnahmen statt, die in ihrer Summe der Sachlage nicht gerecht werden. Ich unterstelle gar nicht, dass Sie dies alles nicht wollen, aber im Sinne einer Selbstverpflichtung und eines Signals an die Beteiligten sollte der Landtag dieses auch nach außen hin deutlich bekunden.
Meine Damen und Herren, sachlich müssten eigentlich alle Fraktionen mit diesem Antrag leben können. Er enthält keinen politischen Sprengstoff, verlangt nichts Unmögliches und nutzt dem Land. An die Adresse der SPD gerichtet: Es gibt Landtagsfraktionen Ihrer Partei, die solchen Anträgen bereits zugestimmt haben, und in diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn Sie auch diesem Antrag Ihre Zustimmung geben können oder hilfsweise in den Ausschüssen mit uns darüber beraten würden. – Danke.
Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!
Herr Schier, es ist ja schön, wenn Sie alles schon so verstanden haben, weil der Minister immer dabei ist in den Ausschusssitzungen und auch am Problem dran ist. Aber letztlich liegt noch kein Gesamtkonzept vor, wie es sich die Bundesregierung vorstellt, die Ergebnisse des Berichts der Lehmann-Grube-Kommission dann auch finanziell zu untersetzen. Und jammern Sie mir, Herr Kollege Schier, nachher nichts vor,
wenn es darum geht, dass alle neuen Bundesländer quasi entsprechend Bevölkerungsanteil gleichermaßen an einem wie auch immer gearteten Förderprogramm beteiligt werden und dass wir unter Umständen zusehen müssen, wie Bundesländer, die die Umkehr in Richtung Bestandsforderung beziehungsweise die lange praktizierte Forderung des Wohnungsneubaus im ersten Förderweg praktiziert haben und somit einen höheren Leerstand haben als Mecklenburg-Vorpommern, dann natürlich überproportional an bestimmten Dingen beteiligt werden. Darauf hinzuweisen, für solche Dinge zu sensibilisieren, ich glaube, da kommt man nie zu spät. Wir wollen ja alle nicht, dass unser Minister Gelder zurückbekommt, die sich letztlich aber nicht im Kasseneingang bei der Finanzministerin niederschlagen. Also insofern, denke ich mal, ist dieser Antrag mit Sicherheit nicht zu spät. Wer nämlich darauf vertraut, dass letztlich aus Berlin alles so kommt, wie wir uns das vorstellen, der kann sich, glaube ich, bei
vielen anderen Anlässen das Land Mecklenburg-Vorpommern betreffend davon überzeugen, dass es nicht so ist.
Wer sich, meine Damen und Herren, einmal die Antworten auf die Kleinen Anfragen zur Leerstandsproblematik anschaut, wird auch feststellen, dass das vorliegende Datenmaterial für eine sachgerechte Problemlösung nicht ausreichend ist. Ich werfe dieses der Landesregierung keineswegs vor. Ich kann auch mit dem Redebeitrag von Herr Minister Holter sehr gut umgehen und teile seine Auffassung. Ich bin mir auch sicher, dass er mit der entsprechenden Sensibilität dort vorgehen wird,
aber wir als Parlamentarier …
Wenn Sie das sagen, Herr Schoenenburg, glaubt er Ihnen das sicherlich auch, aber wenn ich es sage, glaubt er mir das vielleicht noch mehr.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bauministerium sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt außerstande sieht, eine Aufstellung über vom Leerstand am stärksten betroffene Kommunen an das Parlament zu geben. Nach wie vor ist auch unklar, warum über die Leerstandsquote in Mecklenburg-Vorpommern völlig unterschiedliche Zahlen vorliegen. Bis dato waren wir doch alle – und da schließe ich mich nicht aus – von einer Quote von sechs bis sieben Prozent, acht Prozent wurden heute gesagt, ausgegangen. Wer nun aber einen Blick in den Kommissionsbericht wirft, der hält doch mit Erstaunen fest, dass auf der Basis des Mikrozensus 1998 des Statistischen Bundesamtes ganz andere Werte zum Vorschein kommen, fein säuberlich nach Wohnungsarten aufgeschlüsselt. Und dazu muss man nicht Mathematiker sein, um diesbezüglich auch mal so was zu hinterfragen und nachvollziehen zu können.
Tja, ich glaube, wir leben zehn Jahre nach der Einheit. Vielleicht darf man den Statistiken auch mal Glauben schenken?
Ich hoffe, die Präsidentin rechnet mir das auf meine Redezeit an. Danke, Herr Schoenenburg.
So haben wir demnach im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser eine Quote von 8,7 Prozent. Platz eins ist Ostdeutschland, dessen Durchschnitt bei 7,1 Prozent liegt. Im Segment der kleinen und vorstädtischen Geschosswohnungen, das sind Gebäude mit drei bis sechs Wohnungen und einem Baujahr vor 1948, haben wir einen Wert von 28,5 Prozent zu verzeichnen, immerhin Platz zwei. Hier liegt der Durchschnittswert bei 24,5 Prozent. Nicht viel anders verhält es sich bei den innerstädtischen Geschosswohnun
gen. Das sind Gebäude mit sieben und mehr Wohnungen und einem Baujahr bis 1948. Dort liegt die Quote für unser Land bei stattlichen 26,1 Prozent. Damit sind wir zwar unterhalb des Durchschnitts der neuen Länder, der bei 32,9 Prozent liegt, zur Entwarnung besteht aber dennoch kein Anlass. Insgesamt verzeichnet Mecklenburg-Vorpommern einen Leerstand von 90.000 Wohnungen. Das entspricht einem Quotienten von 11,1 Prozent. Wer nun glaubt, es lägen mittlerweile aktuellere Angaben vor, der irrt. Nicht mal für das Jahr 1999 liegen konkrete Werte v o r. Wohl gemerkt, die obigen Zahlen stammen aus dem Jahr 1998. Die Lage dürfte seitdem kaum besser geworden sein und wer sich – Herr Minister, Sie haben es ja erwähnt – in Eggesin und Basepohl umschaut, der kann leicht zu Horrorszenarien gelangen, die leider einer gewissen Berechtigung nicht entbehren. Immerhin steuert der letztgenannte Standort auf einen Leerstand von bis zu 40 Prozent hin, wenn bis 2004 nichts passiert.
Aus all diesem ergibt sich für mich die Schlussfolgerung, dass dieser Thematik in unserem Land im parlamentarischen Raum bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Ich finde es im Übrigen außerordentlich bemerkenswert, dass die Zahlen aus dem Mikrozensus darauf hindeuten, dass das Hauptaugenmerk, das wir zunächst auf die Platte gelenkt haben und wo wir meinten, das ist auch völlig in Ordnung so, bei diesem Bericht eben nicht auf der Platte liegt.
Aber dennoch, Herr Kollege Kreuzer, ich erinnere Sie daran, wie Sie astronomische Zahlen von Neubau gefordert haben, was letztlich dann auch dazu geführt hätte, dass wir heute noch bei einem weitaus höheren Wert der Leerstände liegen würden.
Ich bin übrigens der Auffassung, zu den beiden vom Minister genannten Gründen hinsichtlich Leerstand beziehungsweise dazu, dass wir einen Übersatz an Wohnungen haben, kommt ein Argument oder ein Grund mit dazu, und zwar dass die Menschen natürlich einen qualitativen Bedarf hatten,
der gedeckt werden musste. Insofern ist das nicht nur im Ergebnis einer verfehlten oder überzogenen Förderpolitik zu sehen, sondern woanders orientieren sich die Märkte ja auch nach einem Bedarf beziehungsweise sie initiieren einen Bedarf und die Nachfrage. Insofern, denke ich mal, wird viel zu diskutieren sein.
Der Bericht orientiert sich hauptsächlich auf Altbauviertel mit Häusern aus der Gründer- und Zwischenkriegszeit. Und wer bei diesem Thema von einem groß angelegten Abrissprogramm reden wollte, der würde natürlich einem Wegbrechen von Kultur und Historie Vorschub leisten. Ich glaube, das wollen wir letztlich alle nicht. Auch dieses ist ein Argument dafür, dass manche eine sehr differenzierte Herangehensweise haben. Denn viel zu lange in den Jahrzehnten vor 1990 sind die Innenstädte dem Verfall preisgegeben worden, und das wollen wir auf keinen Fall jetzt mit anderen Vorzeichen wieder tun.
Die Ursachen und Folgen solcher Leerstände sind wie gesagt in den zurückliegenden Jahren lange nicht so in
das öffentliche Bewusstsein gedrungen, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. Ich gebe zu, dass auch Teile der durch Gebühren mitfinanzierten Infrastruktur in mit Leerstand betroffenen Stadtteilen weniger kostengünstig zu betreiben sind. Auch das sind Ursachen.
Meine Damen und Herren, ich will nicht weiter auf die Ursachen des Leerstandes im Einzelnen eingehen, denn dies kann man überall nachlesen. Beispielhaft ist aber auch, dass selbst in den neuen Bundesländern in den vergangenen Jahren eine unterschiedliche Herangehensweise im Bereich der Wohnungs- und Städtebauförderung praktiziert wurde. Ich sagte ja eingangs, das darf Mecklenburg-Vorpommern nicht zur Last gelegt werden, wenn es darum geht, jetzt auch eine Umkehr zu praktizieren beziehungsweise einen weiteren Strukturwandel in der Wohnungs- und Städtebauförderung mit neuen qualitativen Ausrichtungen zu untersetzen.
Wie ist nun sachpolitisch mit der Leerstandsproblematik umzugehen? Keinesfalls sollte ein eigenes Landesabrissprogramm wie in Sachsen aufgelegt werden. Das ist meine Meinung. Die ersten dort gemachten Erfahrungen zeigen, dass sich einzelne Wohnungsunternehmen als Freerider, das heißt als Trittbrettfahrer verhalten. Sie zögern, Abrisse im eigenen Bestand vorzunehmen, um möglicherweise von den Effekten der Abrisse anderer Wohnungsunternehmen zu profitieren. Wir haben es, ökonomisch gesprochen, mit einem Gefangenendilemma zu tun, welches sich aus dem Attentismus der Beteiligten ergibt. Dies darf der Staat nicht zulassen und deswegen ist von einem solchen Weg auch abzuraten. Egal wie die Vorgaben im Einzelnen ausgestaltet sein sollen, Einigkeit herrscht wohl insoweit, als dass es einen vernünftigen Mix aus allen Maßnahmen, die die Zu- und Wegzugsentscheidungen beeinflussen, geben muss.
Vielleicht sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob die Städte nicht notwendigerweise über den Weg von Bundeszuschüssen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter von Wohnungsunternehmen kompensiert werden, sondern dass Bundesmittel quasi zweckgebunden in den kommunalen Finanzausgleich implementiert werden, die Zuweisungssumme also teteris paribus erhöht wird. Das hätte den Vorteil, dass die Kommunen selbst Abrissvorhaben besser nach eigenen Prioritäten steuern und bezuschussen könnten. Mit einem solchen Vorgehen wäre auch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich in den ostdeutschen Städten noch ein hoher Anteil der Wohnungen in kommunalem Eigentum befindet und dass dieser Anteil reduziert werden könnte, wenn primär Wohnungen im städtischen Besitz in Abrissprogramme aufgenommen werden könnten. Auch dem oben beschriebenen Attentismus könnte man damit vorbeugen.
Ich habe bereits bei meiner Einbringungsrede gesagt, wir sind nicht bereit, die Forderungen des Bestandserwerbs auf Kosten des Eigenheims zu betreiben, wie es leider auch diese Landesregierung macht. Der Staat hat nicht zu entscheiden, wie die Menschen leben wollen. Herr Minister, Sie wissen ja selbst, Ihr Bestandserwerb aus der Platte läuft, gelinde gesagt, nicht so recht. Andere würden sagen, es ist ein Flop. Und diese Mittel haben Sie aus der Eigenheimförderung herausgenommen. Das ist meines Erachtens nach Ideologie, aber keine sachgerechte Politik.
An die Adresse der SPD gerichtet sage ich: Ihre Politik ist letztlich völlig widersinnig. Sie beklagen den Eigen
heimbau auf der grünen Wiese, streichen die Fördergelder im Haushalt zusammen und sorgen auf Bundesebene für die verstärkte Subventionierung der Pendelkosten in Gestalt der Entfernungspauschale. Können Sie mir diese Logik erklären? Natürlich wird die Entscheidung für den Erwerb eines neuen Eigenheims im Stadtumland dadurch erleichtert. Das ist Förderpolitik im Sinne eines unabgestimmten Stückwerks ohne Hauch vernetzten Denkens meines Erachtens nach. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, trotz mancher förderpolitischer Brechstange wird es Ihnen gerade in Ostdeutschland dann nicht gelingen, die Präferenzen der Menschen für das Wohnen im Eigentum durch staatliche Eingriffe umzulenken. Versuchen Sie es also gar nicht erst. Die Menschen haben ihre jeweils höchst privaten Vorstellungen von Glück und es ist nicht die Aufgabe des Staates, darin herumzupfuschen.
Von dieser Einsicht getragen fordere ich Sie nochmals auf, unserem Antrag zuzustimmen. Sorgen Sie für eine klare Verhandlungsposition Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber der Bundesregierung, sorgen Sie für eine umfassende Mitwirkung der am Prozess Beteiligen, sorgen Sie für eine verstärkte Förderung unserer Innenstädte, sorgen Sie für eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten und sorgen Sie für mehr Gestaltungsfreiräume der Kommunen! – Ich danke Ihnen.
Ich habe zwei Fragen. Herr Kollege Kreuzer, stimmt es, dass die Bundesregierung nicht an die Empfehlungen der Arbeitsgruppe gebunden ist?
Zweite Frage: Meinen Sie nicht, dass es sinnvoll ist, den Vertretern der Landesregierung den politischen Willen des Landtags Mecklenburg-Vorpommern mit auf den Weg zu geben, um bei der Bundesregierung auch Erfolg zu haben?
Sehen Sie! Dann stimmen Sie unserem Antrag …
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Uns liegt heute der überarbeitete Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern vor. Genauer geht es um den Paragra
phen 52, dem ich mich auch bei meinen Ausführungen inhaltlich etwas mehr widmen werde.
In diesem Paragraphen sind die Vorschriften zum so genannten barrierefreien Bauen enthalten. Absicht der Koalitionsfraktionen ist es, diese so zu erweitern, dass damit behinderten Menschen die Benutzung und Inanspruchnahme von Gebäuden verschiedenster Art erleichtert werden soll. Ich gehe davon aus, dass niemand unter uns ist, der diese grundsätzliche Intention nicht für begrüßenswert hielte und nicht nach Wegen und Möglichkeiten suchen würde, um diese zu realisieren. Meine Fraktion hat auch im Rahmen der Ausschussberatung von Anfang an deutlich gemacht, dass parteiübergreifend ein hohes Interesse besteht, hier zu Fortschritten zu kommen. Dieses werden wir auch heute deutlich machen, indem wir den vorliegenden Gesetzentwurf nicht in Bausch und Bogen ablehnen werden.
Nach meiner Auffassung haben die Beratungen um die Auswertung der Anhörung aber auch ergeben, dass wieder einmal der Teufel im Detail steckt und dass unzureichend berücksichtigt wurde, dass der Kreis der von der Änderung Betroffenen weit über die Gruppe der Behinderten hinaus geht. Dieses kommt im Entwurf nicht genügend zum Ausdruck und deshalb werden wir ihm auch nicht zustimmen können. Ich möchte im Folgenden genauer darauf eingehen.
So sehr die Neufassung des Paragraphen 52 den Interessen der Behinderten zugute kommen mag, was sich in der Praxis erst noch herausstellen wird, die Folgen betreffen einen weit größeren Kreis von Personen und Institutionen, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Ich denke an die Einrichtungen des Hotel- und Gaststättengewerbes, dessen Verband auf die für seine Mitglieder nachteiligen Folgen ausdrücklich hingewiesen hat. Leider zeigt sich auch hier wieder einmal, dass es offensichtlich das Bestreben der Koalitionsfraktionen ist, der heimischen Wirtschaft ein weiteres Beschwernis aufzubürden.
Wem damit langfristig geholfen sein soll, bleibt wohl das Geheimnis der Koalitionäre. Wir finden auch an dieser Stelle ein erstes Indiz für das handwerkliche Defizit dieses Entwurfs.
Vielleicht geben Sie mir nachher, Frau Dr. Seemann, noch eine Nachhilfestunde.
Er kann zum Beispiel die Frage nicht beantworten, wie mit der Problematik zukünftig zu verfahren ist, dass es keine Abstimmung mit den Gesetzen und Gesetzgebungsvorhaben auf Bundesebene gegeben hat. Ich denke da nur an das Gaststättengesetz und die Musterbeherbergungsverordnung. Im Übrigen sei noch ein kleiner marktwirtschaftlicher Exkurs gestattet. Wenn denn die Nachfrage von Behinderten nach Dienstleistungen dieses Wirtschaftssektors so ungemein groß wäre, dann hätten die jeweiligen Unternehmen und Einrichtungen doch von sich aus genügend Anreize, entsprechende bauliche Maßnahmen und Veränderungen vorzunehmen,
da sie dann ja mit höheren Umsatzerlösen rechnen können. Dieser Prozess wäre aber auch im Rahmen der
bestehenden Regelungen ohne weiteres möglich gewesen. Hinzu kommt, dass wir es hier mit einem Zielkonflikt zwischen den Belangen des Denkmalschutzes
vor allem in den Stadtkernen und den Belangen der Behinderten zu tun haben. Vieles, was unter denkmalpolitischen Erwägungen sachgerecht erscheint, steht den Absichten des Gesetzentwurfes entgegen. Ungeklärt bleibt die Frage, wie in altbaulich geprägten Innenstädten zukünftig mit Aspekten der Plätze, der Besitzverhältnisse, der Kosten, ja der Gestaltung an sich umgegangen werden kann und soll. Eine Antwort enthält der Gesetzentwurf eben nicht, sondern spielt vielmehr die Interessen der Betroffenen gegeneinander aus und lässt große Teile davon sogar im Regen stehen, Frau Dr. Seemann. Ich habe große Zweifel, ob Sie dem Anliegen der Behinderten dauerhaft damit nicht eher einen Bärendienst erweisen. Es ist nämlich nicht so, dass man, wenn man etwas schwarz auf weiß hat, damit getrost nach Hause gehen kann und sich daraus ein Rechtsanspruch ergibt.
Indem sie sich darauf konzentrieren, wie künftig in deren Sinne gebaut werden muss, produzieren Sie solche Erschwernisse, dass sich die Frage stellt, ob dann überhaupt gebaut wird.
Und wollen wir das?
Meine Damen und Herren! Anstatt neue verschärfte Vorschriften einzubauen, wäre es vernünftiger gewesen, über sachgerechte Modifizierungen bereits existierender Förderprogramme finanzielle Anreize zu setzen, die es einem Bauherren erleichtern würden, barrierefrei im Sinne des neuen Paragraphen 52 zu bauen. Ich bin sicher, man hätte solche Änderungen implementieren können, ohne die öffentlichen Haushalte über Gebühr zu belasten, zum Beispiel über zinsverbilligte oder gar zinslose Darlehen. Deutlich glaubwürdiger als durch das phantasielose Festschreiben von Regeln hätte das Land hierdurch seinen Willen zur Verbesserung des Alltages der betroffenen Personenkreise bekunden können. Dazu waren Sie, meine Damen und Herren von PDS und SPD, aber aus Gründen, die sich mir hier noch nicht erschlossen haben, nicht bereit. Stattdessen nichts als neue Vorschriften und Verordnungen von oben durchgepaukt und sich dann noch schamlos mit dem Mäntelchen des Sozialen zu umhüllen.
Herr Minister Holter, bei anderen ideologisch geprägten Losungen wie „Jugend baut“ und Ähnlichem gelingt es Ihnen, wenigstens Mittel zur Verfügung zu stellen. Hier aber, wo es wirklich wünschenswert, sachgerecht und möglich gewesen wäre, haben Sie geschwiegen. Ein Ruhmesblatt war es nicht und so entpuppt sich ein „gut gemeint“ als das Gegenteil von „gut“. Oder hatten die Koalitionsfraktionen wieder einmal die begründete Befürchtung, von der Finanzministerin zurückgepfiffen zu werden, wie das ja bei der Frage der kommunalen Finanzausstattung mittlerweile Usus ist? Da ist es dann doch viel einfacher und bequemer, die Kosten auf Dritte abzuschieben, und die sollen dann mal sehen, wie sie damit zurechtkommen. „Wer nicht hören will muss fühlen!“, das ist Ihr Motto. Ich sage Ihnen ganz klar, eine solche Politik
der finanziellen Verschiebebahnhöfe lehnen wir an dieser Stelle entschieden ab.
Nein, nicht nur an dieser Stelle, Herr Bluhm.
Herr Bluhm, ich glaube, ich brauche Ihnen keinen Exkurs zu geben, was es heißt, Investitionen zu machen oder keine Investitionen zu machen.
Investitionen durchzuführen heißt Arbeitsplätze zu schaffen, heißt Steuereinnahmen, heißt Entlastung der öffentlichen Haushalte und so weiter. Das Umgekehrte in diesem Fall ist im Moment an der Tagesordnung. Und es ist eine Verhöhnung der Abgeordneten, wenn es dann im Punkt „D. Kosten“ der Drucksache 3/1947(neu) heißt, und ich zitiere wörtlich: „Der Umfang der Mehrkosten für Bauherren und die Kosten auf die Anpassung bestehender sozialer Einrichtungen und öffentlicher Gebäude lassen sich nicht ermitteln.“
Wenn dieses Beispiel Schule machen sollte, dann können wir zukünftig auf diesen Punkt in Gänze verzichten, frei nach dem Motto: Was kostet die Welt, wir haben es ja. Und in diesem Zusammenhang sage ich Ihnen, wir haben es in vielen Bereichen eben nicht. Und schon aus Gründen der Selbstachtung kann ich als Abgeordnete nicht einem Gesetz zustimmen, über dessen Folgekosten ich von der Exekutive im Unklaren gelassen werde.
Nun weiß ich sehr wohl, dass es recht schwierig ist, für jede einzelne in Frage kommende Baumaßnahme einen exakten Kostenvorschlag zu ermitteln. Dass sich aber das Finanzministerium und das Ministerium für Arbeit und Bau nicht in der Lage sehen, wenigstens grobe Schätzungen als Orientierungsgröße zu präsentieren, finde ich schon enttäuschend, und das ist mit meinem Selbstverständnis von Informationspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag nicht in Einklang zu bringen.
Mit einer löblichen Ausnahme waren die Abgeordneten der SPD und PDS im Bauausschuss leider auch nicht bereit, einen in der Sache völlig berechtigten Hinweis eines Anzuhörenden – nämlich der WIRO (Wohnen in Rostock) – aufzugreifen, der zum Inhalt hatte, dass eine pauschale Forderung nach barrierefreien Erdgeschosswohnungen bei konsequenter Umsetzung zu einem Angebot an größeren und damit teureren Wohnungen führen werde, zumal die jeweils darüber liegenden Wohnungen darüber konstruktiv korrespondieren.
Die jetzt vorgesehene Regelung führt unter Umständen dazu, dass Eigentümer von Wohngebäuden mit mehr als drei oberirdischen Geschossen unabhängig vom tatsächlichen Bedarf behindertengerechte Wohnungen vorhalten müssen. Aus gutem Grund hat meine Fraktion daher den entsprechenden Passus im Paragraphen 52 Absatz 7 Satz 1 ändern wollen, der die Anforderungen hinsichtlich des barrierefreien Bauens in Wohngebäude auf solche mit mehr als vier oberirdischen Geschossen begrenzen wollte. Auch mit diesem Antrag konnten wir deutlich machen, wir sind zu konstruktiver Mitarbeit am Gesetz bereit, allerdings muss das Verhältnis von Wünschbarkeit und Machbarkeit beziehungsweise Tauglichkeit ausgewogen sein und bleiben.
Wie bereits gesagt, diesem Anliegen haben Sie sich leider verweigert. Ideologie und Starrköpfigkeit haben wieder einmal die Oberhand über Vernunft und Sachverstand erhalten. Bis hinein ins Absurde wurde die Konfrontationsstrategie der Koalitionsfraktionen allerdings getrieben, als es darum ging, die Problematik der grundsätzlichen Umsetzbarkeit der Vorschriften zu behandeln. So wiesen mehrere Anzuhörende darauf hin, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe „nicht nur geringfügige Änderungen der Gebäude“ im Paragraphen 52 Absätze 3 und 5 sowie „unverhältnismäßig hoher Mehraufwand“ im Paragraphen 52 Absatz 9 einer Konkretisierung bedürften. Und nun frage ich mich natürlich: Hätte es nicht auch im Interesse der Koalitionsfraktionen gelegen, hierbei noch Änderungen vorzunehmen? Was kann man sachlich dagegen haben, an dieser Stelle für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und in Verbindung damit ein Unterwandern der Vorschrift zu vermeiden? Ich glaube aus der Anhörung entnommen zu haben, dass dieses ein wichtiger Ansatzpunkt der Betroffenen gewesen ist, Rechtssicherheit aus einem Gesetz zu erlangen. Ich kann es schlicht nicht nachvollziehen, dass Sie sich selbst diesem Anliegen verweigert haben. Es zeigt sich, was von der Opposition kommt, muss schon per Definition falsch sein, möge es auch noch so sehr im Interesse der Sache liegen.
Im Zuge der Beratungen wurde leider auch nicht der Frage näher nachgegangen, ob das derzeitige Hauptproblem im Zusammenhang mit dem barrierefreien Bauen nicht vielleicht doch in einer unzureichenden Anwendung der jetzt noch existierenden Regelung besteht. Ich hätte von der Landesregierung erwartet, dass sie diesbezüglich den Landtag oder wenigstens den Fachausschuss darüber unterrichtet, wie sich die Situation aus Sicht der Landesregierung darstellt. Auch hier ist zu konstatieren: Fehlanzeige. Anstatt sich erst einmal über den Ist-Stand zu verständigen, der ja beispielsweise auch von den einzelnen Landkreisen recht unterschiedlich aufgefasst wird, werden jetzt gleichsam mit der ideologisch verbrämten Brechstange Änderungen vorgenommen, die über das Ziel hinausschießen. Ich kann in diesem Zusammenhang nur hoffen, dass die Ausnahmeregelung nach Paragraph 52 Absatz 9 möglichst großzügig gehandhabt wird.
Ungeklärt bleibt auch der Hinweis seitens des Städteund Gemeindetages, dass Festlegungen zur baulichen Barrierefreiheit auch für Menschen mit Sinnesschädigungen, Kommunikationseinschränkungen und Mobilitätsbeschränkungen gelten sollen. Was aber nützen die Bestimmungen in den Absätzen 6 und 7 beispielsweise einem sehbehinderten Menschen, ja sie können sich sogar als nachteilig für ihn herausstellen. Was zum Beispiel dem Rollstuhlfahrer nützt, ich denke da an das Absenken oder Aufheben von Kanten,
kann sich für den sehbehinderten Menschen als zusätzliches Problem herausstellen.
Ich habe dieses so, Frau Müller, in der Anhörung vernommen.
Wiederum spielen Sie hier verschiedene Behindertengruppen gegeneinander aus, was ich für recht billig halte. Eine befriedigende Antwort auf diesen Zielkonflikt haben Sie ebenfalls bis heute nicht gegeben.
Wenn man aber die weniger konkreten Regelungen des Absatzes 1 auf diese Gruppe anwendet, sind die sich in
der Praxis dann ergebenden Auslegungsschwierigkeiten schon heute abseh- und vorhersehbar, und Sie konterkarieren sich hier ein Stück weit selber. Die im Absatz 3 getroffene Selbstverpflichtung des Landes MecklenburgVorpommern hat zwar einen gewissen Charme, aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Sie damit der eigentlich gewollten Selbstverständlichkeit des barrierefreien Bauens entgegenwirken? Wenn Sie von der Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen so überzeugt sind, wer oder was hindert Sie eigentlich daran, entsprechende bauliche Anpassungen in Ihrem Verantwortungsbereich vorzunehmen? Brauchen Sie quasi für sich selbst wirklich eine rechtliche Verpflichtung? Das ist mir schlicht unverständlich.
Abschließend bleibt zu sagen, Sie haben dieses Gesetz möglicherweise in guter Absicht eingebracht. Und wie habe ich vorhin gesagt, „gut gemeint“ ist oftmals das Gegenteil von „gut“. Wir begrüßen Ihre gute Absicht. Wie so oft sind Sie sachlich zu kurz gesprungen und haben sich mit einer Second-best-Lösung zufrieden gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf spaltet die Betroffenen einmal im Verhältnis zueinander und auch jeweils innerhalb. Ich habe für beides Beispiele genannt. Er wird meiner Meinung nach die Akzeptanz der Behinderten nicht wirklich erhöhen. Er wälzt Lasten auf Dritte ab und ist finanzpolitisch unsauber. Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Drucksache nicht zustimmen, sondern sich aus eingangs genannten Gründen der Stimme enthalten. – Danke schön.