Wolf Weber
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den investiven Leistungen zur Herstellung von mehr Sicherheit in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten war bereits die Rede. Ich nenne Ihnen aber dennoch noch einmal die Gesamtsumme, über die wir eigentlich sprechen: Es handelt sich um sage und schreibe deutlich mehr als 500 Millionen DM. Herr Möllring, wenn Sie davon reden, dass Ihnen das bekannt ist, dann sollten Sie das dann, wenn Sie öffentlich zu Fragen des Vollzugs Stellung nehmen, nicht immer verschweigen; denn das ist eine Leistung, die der gesamte Landtag mit verantwortet und die natürlich nur möglich ist, weil man die Prioritäten mit diesem großen Ausrufezeichen beim niedersächsischen Justizvollzug gesetzt hat, obwohl sich jeder wünschen würde, dass diese große Ausgabe nicht an der Stelle nötig wäre, sondern an anderer Stelle getan werden könnte.
Meine Damen und Herren, 500 Millionen DM sind aber nicht alles, was da an Leistungen zu Buche schlägt. Während wir 1990 noch etwa 3.000 Beschäftigte im Justizvollzug hatten, gehen wir in diesem und im nächsten Jahr auf 4.000 Beschäftigte zu. Diese Zahl setzt sich aus zwei großen Blöcken zusammen, nämlich aus den neuen Stellen, die Jahr für Jahr zusätzlich in den Haushalt eingestellt worden sind, und aus der großen Zahl von Stellen, die in den beiden letzten Jahren hinzugekommen sind, namentlich diejenigen rund 500 Stellen, die für Anwärter vorgesehen sind, welche in den neuen Anstalten demnächst ihre Arbeit versehen werden. „Die neuen Anstalten“ meint nicht irgendein Wolkenkuckucksheim für die Zukunft, sondern das bedeutet noch in diesem Jahr einen Bezug der neuen Justizvollzugsanstalt in Oldenburg. Das wird in der Folge außerdem bedeuten, dass wir die Anstalten in Sehnde und im Raum Göttingen ebenfalls hinzubekommen werden.
Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, werden personell wie investiv dazu beitragen, dass man in der Öffentlichkeit in der Tat von einem Mehr an Sicherheit im Niedersächsischen Justizvollzug sprechen kann.
Ich füge noch eines hinzu: In der politischen Auseinandersetzung mag man ja gelegentlich bei den ausgewählten Mitteln nicht sonderlich wählerisch sein. Aber ich habe die dringende Bitte an Sie, Herr Busemann - nicht in meinem Interesse oder im Interesse von Politik -, im Interesse derjenigen, die in den Anstalten ihren Dienst tun und ihn dort hervorragend tun, auch einmal anzuerkennen, dass sie das machen,
und nicht in zwei Reden dem einen den moderaten Teil zu überlassen und sich dann, wenn Sie eine Zeitung finden, dem Vollzug und der Justiz insgesamt gegenüber in nach meinem Geschmack unverantwortlicher Weise propagandistisch zu äußern und Ihren Zuhörern, Lesern oder auch Ihrem öffentlichen Publikum allgemein wenig von den Realitäten zu vermitteln. Das hätten Sie besser machen können. Es gibt im Vollzug noch viel zu tun und viel zu kritisieren. Das ist keine Frage. Das tun wir, und wir werden das als Daueraufgabe auch weiterführen,
und zwar immer mit dem notwendigen Augenmaß, das man bei Ihren Stellungnahmen vermissen muss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es so wäre, dass Herr Busemann meine Einstellung zu dieser Frage nicht kennen würde, oder wenn es daran irgendeinen Zweifel gäbe, Herr Busemann, dann hätten Sie ein Recht, danach zu fragen. Aber Sie kennen meine Einstellung zu diesem Thema. Sie wollen der Öffentlichkeit weismachen, dass es die Überlegung gäbe, sozusagen gewollte Sollbruchstellen zu haben.
- Reden Sie nicht solch einen Unsinn. - Die Wahrheit ist, dass wir einen gesetzlichen Auftrag haben, den unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug jeden Tag auch mit Risiko für ihre eigene Person - was das bedeutet, das haben wir wohl in Uelzen erlebt - erfüllen. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Es gibt auch nichts an der Verantwortlichkeit des Staates dafür zu deuteln, dass dann, wenn es eine richterliche Entscheidung gibt, die jemandem die Freiheit nimmt, diese richterliche Entscheidung auch durchgesetzt wird. Das ist keine Frage. Herr Kollege Busemann, man kann es sich aber nicht so einfach machen, dass man es bei polemischen Reden in diesem Hohen Hause belässt, anstatt sich investiv, personell und unter Einschluss der Aspekte, die - ich bin Herrn Schröder ausdrücklich dafür dankbar, dass er die genannt hat - zu einer veränderten Vollzugslandschaft führen können, z. B. um die Drogenkriminalität und darum zu kümmern, wie die Mitarbeiter arbeiten müssen und welche Bedingungen sie vorfinden.
Ich sage Ihnen: Mich hat es nicht beunruhigt, dass der Ministerpräsident zitiert hat, was Fachleute von dem Justizvollzug der vergangenen beiden Jahre - man darf auch noch mehr Jahre einschließen halten. Die wissen, wovon sie reden. Das höre ich mit Genugtuung. Sie wissen offenbar nicht, wovon Sie reden.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die personelle Verstärkung habe ich bereits hingewiesen und muss das für den Kollegen Stratmann eben wiederholen. Wenn sie über Jahre hinweg sehr kontinuierlich und in letzter Zeit sogar sehr massiv betrieben wird, so heißt es, Eulen nach Athen zu tragen, falls man dies noch einmal fordert, wenn das passiert, was zu meinem großen Leidwesen im Vollzug immer wieder einmal passiert, nämlich ein Ausbruch. Der Unterschied zwischen uns beiden liegt in Folgendem: Wir arbeiten jeden Tag an einem vernünftigen und auch ausgewogenen Personaleinsatz; Sie tun es immer dann, wenn jemand ausgebrochen ist.
Zum Thema Vertraulichkeit: Sie brauchen keine Sorge zu haben, dass ich Ihnen jetzt Informationen anbiete, die Sie sowieso schon kennen. Aber das muss die Öffentlichkeit wissen: Mein Angebot, Sie zu informieren, bezog sich gerade nicht auf Informationen, die die Öffentlichkeit kennt, sondern auf solche, die man in einem laufenden Verfahren, in dem es staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen gibt, nun wahrlich nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten darf, wenn man nicht Schaden für das Gesamte hervorrufen will. Dafür bin ich nicht zu haben.
Sensibilisierung des Vollzuges: Glauben Sie eigentlich im Ernst, dass Sie in Zeiten, in denen Sie verbal immer von Verwaltungsreform reden, den Mitarbeitern im Vollzug, die ihre Situation und auch ihre eigene Gefährdung sehr genau kennen und jeden Tag am eigenen Leibe spüren, noch mitteilen müssen, welche besonderen Fähigkeiten Strafgefangene haben, die aus bestimmten Ländern kommen und darauf regelrecht trainiert sind? Wenn es nötig wäre, ihnen das mitzuteilen, dann wären sie in der Tat an einem Punkt angekommen, der unvertretbar wäre.
Meine Mitarbeiter sind viel besser, als Sie es ihnen unterstellen. Die wissen das.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, mein „Ja“ kommt auch ins Protokoll. Deswegen habe ich es noch einmal gesagt.
Ich meine, wir sollten uns die Dinge um 18.30 Uhr abends nicht schwerer machen, als sie sind. Alle Fraktionen haben bereits die Gelegenheit genutzt, mit mir zusammen im Rechtsausschuss über dieses Thema zu reden. Der Text der schriftlichen Stellungnahme - das ist eben schon angesprochen worden - ist Ihnen allen bekannt, dazu auch das begleitende Schreiben, das die Bundesjustizministerin von mir bekommen hat. Sie wissen deswegen, dass darin die grundsätzliche und sehr nachhaltige Zustimmung der Landesregierung zu Reformvorhaben in der Justiz enthalten ist.
Herr Schröder war so freundlich, mir schon an dieser Stelle das Wort aus dem Mund zu nehmen. Es war schon toll, wie die Justiz in den zurückliegenden zehn, 15 Jahren immer für ihre Verstaubtheit, ihre veralteten Arbeitsmethoden, die Langsamkeit der Verfahren und die gesamte Komplexität, die kein Bürger mehr verstünde, kritisiert worden ist. Gesetze selbst sollten vereinfacht werden. Wie auch immer: Man verstand die Justiz doch nicht mehr.
Ich finde es gut, dass gerade auch die Anwaltschaft heute entdeckt hat, dass die Verfahren gar nicht so lange dauern, jedenfalls im internationalen Vergleich, sondern dass wir eigentlich sehr gut dastehen
und dass die Verfahrenszüge vielleicht doch nicht so kompliziert sind, dass sie niemand mehr durchschauen kann.
Meine Damen und Herren, das ist aber eigentlich immer wieder ein falscher Ansatzpunkt. Er vertei
digt nämlich. Er verteidigt etwas - wie es Juristen so machen -, was 100 Jahre - vielleicht auch nur 70 oder 80 Jahre; darauf will ich mich gar nicht im Einzelnen einlassen - gut war, denkt aber nicht daran, dass wir in den vor uns liegenden vier oder fünf Jahren ein System aufbauen müssen, das geeignet ist, Justiz auch im Jahr 2050 auszuüben, und zwar so, wie es die Bürger wünschen, und wir sollten nicht etwa erwarten, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger bitte schön in ihrem Verhalten, wenn sie nach Rechtsschutz suchen, so einrichten sollen, wie es die Justiz gern möchte. Das ist es, was wir noch leisten müssen.
Was Frau Däubler-Gmelin vorgelegt hat, ist, wie sich sogar aus den Antragstext - nicht aus dem Beschlussvorschlag - ergibt, in vielen Teil fast unumstritten. Es wird regelrecht gesagt: Jawohl, das ist die richtige Richtung, und über die Details müsse gesprochen werden. Das ist die Einladung, die auch ich an den verschiedensten Stellen an die niedersächsische Justiz ausgesprochen habe, nämlich sich der Diskussion auch wirklich zu bemächtigen, sie selbst zu gestalten und zu wissen, dass man nicht ängstlich verteidigend, rückwärts gewandt auf die letzten 70 bis 80 Jahre schauen sollte, sondern dass man mutig versuchen sollte, eine Perspektive für die Zukunft hineinzubringen und ein Gesetz zu schaffen, das versucht, den Stand der Rechtspolitik beispielsweise im Jahr 2020, 2030 oder 2035 vorwegzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir müssen auf alle Fälle sehen, dass viele Problemkomplexe miteinander zusammenhängen. Die Anwaltschaft klagt über den großen Zustrom an jungen Juristen in den Anwaltsberuf, die dort nach ihrer Meinung gar nicht benötigt werden. Ich teile diese Auffassung. Wir klagen darüber, dass vieles, was im rechtwissenschaftlichen Studium stattfindet, eigentlich in der Praxis so nicht, aber anderes - das wir nicht machen - dafür ganz dringend benötigt wird.
In den Universitäten klagt man darüber, dass Studenten eigentlich nicht zu den Vorlesungen kommen, sondern lieber zum Repetitor gehen, weil dass für sie sicherer zu sein scheint.
Alles zusammengenommen scheint mir, dass vieles auch sachlich miteinander zusammenhängt. Wir sollten uns einem Reformprozess in der Justiz wahrlich nicht versperren, sondern uns dafür öffnen und richtig aktiv mitgestalten wollen.
Der Entschließungsantrag, so wie er jetzt vorliegt - schauen Sie sich einmal den Beschlussvorschlag an -, enthält nichts anderes als einen Abwehrkampf. Ich kann der Justiz insgesamt nur raten - darauf werde ich meine Politik auch ausrichten -, sich nicht in Verteidigungskämpfe zu verstricken. Die Moderne wird uns da schon überrollen, und dann werden Forderungen der Justiz gegenüber laut werden, die vielleicht viel grundsätzlicherer Natur sind, als ihr gut tut.
Lassen Sie uns mitgestalten. Daran will ich mitarbeiten. So habe ich mich bisher verhalten - auch in der Offenheit gegenüber dem Ausschuss. Sie werden im Ausschuss noch einmal über diese Themen diskutieren.
Ich meine, auf Bundesebene - das haben Herr Schröder und Frau Bockmann auch gesagt - sind wir im Stand eines Referentenentwurfs. Noch nicht einmal das Planspiel, das wir zusammen mit Nordrhein-Westfalen machen, hat begonnen, ist geschweige denn durchgeführt und ausgewertet. Der Kabinettsentwurf liegt noch nicht vor. Das Kabinett hat noch nicht diskutiert und noch nicht beschlossen. Der Bundestag hat noch gar nicht angefangen. Meine Damen und Herren, es ist viel zu früh, um zu sagen, so ist es, aber wirklich höchste Zeit, sich aktiv in die Diskussionen einzuschalten. Das geschieht in Niedersachsen derzeit, und das ist gut so.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden noch aus den verschiedensten Anlässen heraus Gelegenheit haben, uns dieses Themas weiterhin anzunehmen. Eine solche Gelegenheit wird z. B. dann bestehen, wenn der Bund eine entsprechende Novellierung dieser Regelungen vorlegt. Das Bedürfnis nach einer Klarstellung in Sachen Prozesskostenhilfe wird von niemandem bestritten, auch nicht von der Bundesregierung. Ich denke also, dass wir in absehbarer Zeit einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch haben werden.
Herr Heinemann hat dankenswerterweise schon erwähnt, dass es auch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu diesem Thema gibt. Dort wird unter maßgeblicher Mitarbeit Niedersachsens gearbeitet. Deshalb können wir erwarten, dass unsere landesspezifischen Interessen in die Diskussion Eingang finden werden.
Das sind aber nicht die Gründe, aus denen ich mich zu Wort gemeldet habe. Ich habe mich vielmehr an einem Wort gestoßen, das Herr Schröder gesagt hat. Er hat gesagt, die Landesregierung habe die Probleme, die mit der Insolvenzordnung verbunden sind, ständig geleugnet. Ich hätte dies noch im vergangenen Jahr so gesagt.
Wissen Sie, Herr Schröder: Ich lasse mir in diesem Zusammenhang ja eine ganze Menge vorhalten. Aber dass nun ausgerechnet ich als Person diese Probleme geleugnet haben soll, entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Das Auslaufen der Förderung der sozialen Schuldnerberatung ist wiederholt Gegenstand meiner Bemühungen gewesen. Gerade die Vereinbarung mit dem Sparkassen- und Giroverband und die Aufgabenlastverteilung zwischen den Sparkassen - da hätten wir gerne auch noch die Privatbanken gesehen - sind zustande gekommen, weil ich mich - damals noch als Sozialminister - mit dem Sparkassen- und Giroverband - sogar unter Abschluss eines kleinen Vertrages - ins Benehmen gesetzt habe.
250 Stellen im Haushalt, was die gerichtliche Insolvenzberatung angeht, wenn man das einmal so nennen will, Haushaltsvorsorge für die zugegeben großen Summen bei den Veröffentlichungskosten, die Mitwirkung auf der Bundesebene und
im Übrigen auch die Vorlage des Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung zeigen nun nicht gerade, dass wir Probleme, die dabei entstehen, geleugnet haben, sondern zeigen, dass wir sie ständig begleitet haben. Das schließt ein eine, wenn ich mich recht erinnere, sogar relativ heftige Debatte in diesem Hohen Hause darüber, ob es denn richtig war, die Zeitpunkte so zu wählen, wie die damalige Bundesregierung sie gewählt hat: Verhandlungen bis zur letzten Minute, bis in den Mai des damaligen Jahres hinein, mit Arbeitsgruppengesprächen, mit intensiven Beratungen zwischen Bundesjustizministerium und den Ländern und dann zu guter Letzt keine Einigung, sondern eine abschließende Entscheidung, die Sie doch veranlasst hat, die Debatte hier unter dem Tenor aufzugreifen, wir seien zu langsam gewesen.
Meine Damen und Herren, von einem Leugnen der Probleme kann also überhaupt nicht die Rede sein. Wenn wir den Entschließungsantrag zum Anlass nehmen, auch die Landesbemühungen um Vereinheitlichung und Verschlankung des Verfahrens ernst zu nehmen, wird darüber niemand glücklicher sein als der Justizminister.