Bernadette Schuster-Barkau
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Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Niedersächsische Landesregierung schon einmal die Städtebaufördermittel und damit auch die Förderung des Schwerpunktes soziale Stadt/sozialer Brennpunkt ausgesetzt und nicht kofinanziert hat, womit sie nicht nur der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Jugendkriminalität geschadet hat, frage ich die Landesregierung, was sie über die Wiedereinsetzung des meines Erachtens unabdingbaren Fördermittelanteils hinaus zu tun gedenkt, um den Anstieg der Jugendgewalt und der Jugendkriminalität effektiver zu bekämpfen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat begegnet uns die Diskussion um die Europäische Union derzeit besonders häufig. Aber ich bedauere sehr, dass sie sehr oft mit einem negativen Unterton behaftet ist. Das ist bei dem heute zu verabschiedenden Antrag von CDU und FDP leider auch so. Sie schreiben in Ihrem Antrag - ich bin sehr konkret, indem ich auf Ihren Antrag explizit eingehe von großer Sorge, Resignation und Angst. Sie sprachen in der Beratung im Fachausschuss und auch heute, Herr Dinkla, von großem Unbehagen, von großer Verunsicherung, von einem möglicherweise einsetzenden schleichenden Entdemokratisierungsprozess, von einer Krise und von EU-Verdrossenheit. Sie konterkarieren damit selbst eigene Intentionen Ihres Antrages. Teile Ihres Antrages hätten wir in anders formulierter Form sicherlich mittragen können,
z. B. den ersten Teil Ihres Antrages, die EUVerfassung betreffend. Darin fordern Sie, dass die Vorzüge der EU-Verfassung in der Öffentlichkeit wesentlich offensiver dargelegt werden müssen. Hier haben Sie uns an Ihrer Seite, haben Sie unsere volle Unterstützung. Beim nächsten Punkt, die EU-Erweiterung betreffend, suggerieren Sie, auch weiterhin Zurückhaltung bei der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu üben. Hier bleiben Sie hinter der Zeit zurück.
Die Aufnahme der vor langer Zeit versprochenen Verhandlungen ist seit Oktober beschlossene Sache. Noch in unserer Ausschusssitzung im September hat der Erste Botschaftssekretär der britischen Botschaft, Paul Heardman, ausgeführt: „Wir haben unter der Maßgabe, dass die Türkei fristgemäß ihre letzten Verpflichtungen erfüllt, vereinbart, die Verhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober aufzunehmen.“ Gemeint sind Verhand
lungen mit dem Ziel des Beitritts und nicht nur einer privilegierten Partnerschaft. Das sollten sich im Übrigen nun endlich die CDU und auch Frau Merkel zu Eigen machen, wenn sie, wie sie einmal vorgab, für Kontinuität auch in der Europapolitik stehen will.
Die NOZ vom 8. November berichtete unter der Rubrik „Persönlich“, Frau Merkel werde am 18. November mit dem türkischen Außenminister Gül zusammentreffen.
Gül habe im Sommer die Position der Union zur Türkei scharf angegriffen. Ich zitiere aus dem Artikel:
„CDU und CSU sind gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU. Sie wollen Ankara als Alternative eine privilegierte Partnerschaft anbieten.“
Wir, die SPD-Landtagsfraktion, hegen die Hoffnung, dass es der Türkei gelingen wird, das Land so weit zu reformieren, dass eine Mitgliedschaft und nicht nur eine privilegierte Partnerschaft oder, wie es neuerdings heißt, ein privilegiertes Verhältnis möglich wird.
Meine Damen und Herren, nach Meinung der SPD leistet die EU-Erweiterungspolitik einen erheblichen Beitrag zur Friedenspolitik. Wir wollen keine rückwärts gewandte konservative Leitkulturdebatte.
Mit dem nachfolgenden Abschnitt Ihres Antrages zur EU-Rechtsetzung setzen Sie Ihre - ich sage es flapsig - Mäkelei fort.
Inhaltlich können Sie uns auch hier an Ihrer Seite finden. Allerdings formuliere ich es so: Ich begrüße und wir unterstützen, dass ein Schwerpunkt der britischen Ratspräsidentschaft sein wird, sich mit dem Abbau bürokratischer Hemmnisse zu befassen, sich damit zu befassen, wie Behördenstrukturen verbessert und die EU-Gesetzgebung verein
facht werden können. Ziel soll eine bessere Gesetzesfolgenabschätzung sein. - Das ist aber bereits expliziter Bestandteil des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2006, wie den uns unter dem Datum 3. November übermittelten Papieren der Landtagsverwaltung zu entnehmen ist: dem Vermerk der Staatskanzlei vom 31. Oktober und der im Wortlaut angefügten Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen unter dem Titel „Das ganze Potenzial Europas freisetzen“. In diesen Papieren steht alles zu und aus Ihrem Antrag und noch mehr. Ich erspare Ihnen und mir ein Zitieren daraus. Ich empfehle Ihnen nachzulesen, was dort festgeschrieben ist zur Verbesserung der Rechtsetzung, zur Folgenabschätzung, zur Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, zu Kosteneffizienz, Transparenz und Verantwortlichkeit.
Im letzten Abschnitt Ihres Antrages - „Conclusio“ genannt - werden Sie im Ton etwas positiver. Sie erkennen an, dass die EU in der Vergangenheit herausragender Friedensgarant und Wirtschaftsmotor war. Auf diesem Weg muss es weitergehen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu beizutragen, sind wir alle gefordert. Aber bitte konstruktiv und zukunftsorientiert.
Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass Sie Ihren Antrag in der vorliegenden Form zurückziehen oder zumindest verändern.
Ich fasse zusammen: Er ist im Ton verkehrt, ferner überholt und damit überflüssig.
Ihrem Antrag in der vorliegenden Form kann meine Fraktion jedenfalls nicht zustimmen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Reden wir heute noch einmal über Ihren Antrag, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen
- ja, im Ausschuss auch -, der wie ein weißer Nerz ist: Schön - aber selbst da habe ich so meine Zweifel -, jedoch auf jeden Fall überflüssig.
Überflüssig - warum? Ich setze mich jetzt mit Ihrem Antrag ganz konkret auseinander.
Im ersten Absatz Ihres Antrages steht, dass der Landtag die Vorschläge der Europäischen Kom
mission zur künftigen Ausgestaltung der Strukturpolitik begrüßt. Das haben wir aber bereits mit der einstimmig angenommenen Entschließung in Drucksache 1158 in der 38. Plenarsitzung am 24. Juni 2004 getan. Ich zitiere aus der Entschließung:
„Der Landtag begrüßt die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Strukturpolitik von 2007 - 2013 als eine sachgerechte Antwort auf die Herausforderungen der erweiterten Gemeinschaft.“
Ja, auch die SPD-Landtagsfraktion hat anerkannt und wird unterstützen, dass die Europäische Kommission richtige Akzente auch für die bereits stärker entwickelten Regionen, die vielleicht keinen Entwicklungsrückstand, aber dennoch Strukturprobleme haben, setzt.
Da ist ein positiver Aspekt sicherlich das neue Ziel 3, welches der europäischen territorialen Zusammenarbeit dient und das bisherige erfolgreiche INTERREG-Programm ersetzen soll. Eine künftige Förderung der Binnengrenzregionen im Rahmen einer neuen Ziel-3-Förderung gerade für die grenzüberschreitende Kooperation mit den Niederlanden, eben auch nach 2006, wäre für die weitere Entwicklung dieser Region mehr als willkommen. Auch könnten die erfolgreiche Ostseeund Nordseezusammenarbeit und die Entwicklung der Küstengebiete weiter gefördert werden.
Auf die bisherigen guten Erfahrungen und Erfolge - darauf haben auch schon andere wie etwa mein Vorredner verwiesen - verweist u. a. aber auch ein Positionspapier der fünf EUREGIOs aus dem April 2004 mit der Überschrift: EU-Mittel für die Kooperation in Grenzregionen sind gut angelegt. - Darin wird an einigen meiner Meinung nach markanten Beispielen recht deutlich gemacht, dass die bestehende Förderung erfolgreich ist: in der Zusammenfassung von Hochschulkompetenzen durch das European Center for Coating and Surface Technology, bei vergleichenden Untersuchungen der verschiedenen Gesundheitssysteme, beim grenzüberschreitenden Naturschutz und zugleich bei der Schaffung von Erholungslandschaften und bei noch in den Anfängen steckenden sozialen Netzwerken zur grenzüberschreitenden Qualifikation von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Auch die Bedeutung der aus INTERREG IIIB im Nordseeraum entwickelten Kooperationsnetzwerke sowie das Programm „Hanse Passage“ im Rah
men von INTERREG IIIC wird von uns nicht verkannt.
Überflüssig - warum? Im zweiten Absatz fordern Sie, dass sich der Landtag dafür aussprechen möge, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit an der deutsch-niederländischen Grenze auch künftig mit EU-Mitteln zu fördern und dadurch weiterzuentwickeln und zu verstärken. Auch das haben wir schon in der Juni-Sitzung unterstrichen. Mein Kollege Plaue hat ausgeführt:
„Niedersachsen ist als europäische Region in den vergangenen Jahren hervorragend aufgestellt worden. Wir sollten alles tun, damit es bei dieser Positionierung bleibt.“
Ebenfalls hat Herr Plaue auch damals schon auf den drittletzten Absatz der gemeinsam angenommenen Entschließung explizit verwiesen, in dem es hieß:
„Die von der Europäischen Kommission vorschlage Aufteilung der Strukturfondsmittel für Ziel 1/Ziel 2/Ziel 3 in Höhe von 78 %/18 %/4 % stellt eine geeignete Verhandlungsgrundlage dar.“
Überflüssig - warum? Im dritten Absatz der heute zur Verabschiedung anstehenden Entschließung wird die Landesregierung gebeten, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass auch künftig an den bisherigen Binnengrenzen gefördert werden kann. Bereits mit dem Beschluss im Juni haben wir formuliert, was der Niedersächsische Landtag von der Landesregierung erwartet, was diese in die Verhandlungen über die Zukunft des Europäischen Strukturfonds gegenüber dem Bund und den Ländern einbringen möge.
Ich erinnere. Es heißt:
„Die Förderinhalte der Gemeinschaftsinitiativen sollten weitergeführt werden. Die europaweite Vernetzung der Projekte ist von einem hohen EUMehrwert gekennzeichnet. Die interregionale Zusammenarbeit sollte auch an den bisherigen Binnengrenzen der EU 15 als ein wesentlicher Bestandteil eines Europas der Bürger und Regionen in Zukunft als Teil der INTERREG-Förderpalette erhalten bleiben.“
Ich hoffe doch sehr, dass die Landesregierung dieses also längst tut und dazu nicht noch einmal extra aufgefordert werden muss. Oder vielleicht doch?
Ich möchte die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen aber bei etwas anderem in die Pflicht genommen sehen, und zwar vor dem Hintergrund der bereits als nicht verfassungskonform angekündigten Haushalte für die nächsten Jahre. Der jeweilige Landesanteil ist vom Land und von niemandem sonst zu übernehmen. Eine wie in anderen Fällen den Partnern - z. B. den Kommunen - vorgeschlagene Vorfinanzierung oder womöglich eine Übernahme des Landesanteils durch diese sind ja realitätsfern. Schließlich entziehen doch gerade Sie den Kommunen noch Geld.
Wollten Sie in Oppositionszeiten den KFA noch um 500 Millionen DM erhöhen, reden Sie jetzt bereits einer Kürzung von 150 Millionen Euro das Wort. Im Übrigen ist das eine Differenz von 800 Millionen.
- Ich komme darauf gleich noch zu sprechen, Herr Rolfes. - Jetzt meine Reaktion auf Herrn Wulff. Meiner Meinung nach ist das ein eklatantes Beispiel dafür, wie sehr Wahlversprechen und Handeln auseinander klaffen.
Ich sehe, dass meine Redezeit langsam abläuft. Unter dem zweiten Spiegelstrich des dritten Absatzes haben Sie etwas gefordert, was Herr Thiele bereits als erledigt festgestellt hat. Als Kriterien für die Mittelverteilung soll vorrangig der Bevölkerungsumfang, nicht aber sollen die sozioökonomischen Bedingungen der Grenzregionen zugrunde gelegt werden. Das wurde auch schon in den Beratungen im Fachausschuss von ihm dankbar begrüßt.
Meiner Meinung nach habe ich ausführlich begründet, warum dieser Antrag überflüssig ist. In
haltlich können wir aber nicht ernsthaft etwas gegen ihn haben. Also wird die SPD-Fraktion diesem Antrag ihre Zustimmung nicht verweigern. Ich verstehe die heutige Beschlussfassung als ein Signal für die derzeitigen Akteure in den regionalen Kooperationen. Wir würdigen damit deren erfolgreiches Wirken.