Ralf Georgi
Sitzungen
Letzte Beiträge
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die diesjährigen Haushaltsberatungen sind überschattet von einer Entscheidung der Landesregierung, die wir LINKE nicht mittragen können. Das zeigt das ganze Dilemma der Jamaika-Koalition in diesem Land. Während diese Koalition ohne Hemmungen und ohne Scham seit Anbeginn ihrer Regierungszeit verdiente Parteigänger auf hohem Niveau versorgt, sollen bei den Behindertenwerkstätten 3,4 Millionen Euro eingespart werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, FDP und GRÜNEN, ich frage Sie, ist das eine verantwortungsvolle und sozial ausgewogene Politik? Ich frage Sie, ist eine solche Einsparung in diesem Zusammenhang wirklich zu rechtfertigen? Frau Minister Kramp-Karrenbauer, ich will Sie ganz direkt fragen. Sie haben den Eltern und
den Angehörigen der Menschen, die in saarländischen Behindertenwerkstätten eine Aufgabe und ein Auskommen gefunden haben, anlässlich der Übergabe von Unterschriften in Ihrem Ministerium gesagt, dass man sich trotz der Kürzungen keine Sorgen machen müsse. Sie haben gesagt, jeder Mensch, der einen Platz in einer Behindertenwerkstatt habe, dürfe diesen Platz behalten. Auch Lohnkürzungen müsse er nicht befürchten.
Ist ja in Ordnung, ich sage ja nur. - Der Sparbetrag der Landesregierung sei allein dazu da, die Strukturen in der Verwaltung solcher Werkstätten effektiver zu machen. Ich frage Sie: Wollten Sie damit zum Ausdruck bringen, die Beschäftigten und die Betreuer in solchen Werkstätten arbeiteten nicht effektiv genug?
Wollten Sie damit sagen, dass die Betreiber, die oft gemeinnützigen Träger solch wichtiger sozialer Einrichtungen, nicht mit Geld umgehen können?
Ist Ihnen klar, dass Sie mit einer solchen Äußerung die Würde dieser Menschen, die jeden Tag im Saarland einen schwierigen Betreuungsjob verrichten, verletzen?
Sicher. Und ich frage Sie: Wie effektiv ist denn im Vergleich eine Landesregierung, die in der Staatskanzlei einfach eine A-16-Stelle zusätzlich ansiedelt, weil nicht nur der grüne Herr Mahren zu versorgen ist, sondern auch der schwarze Herr Seilner?
Jedenfalls sind Sie uns die Antwort schuldig geblieben, wo und bei wem denn jetzt genau gespart werden soll und wie sich das auf die Betreuungsrelationen auswirken wird. Sie haben auch kein Wort zu der Frage gesagt, wie denn künftig trotz alledem noch Werkstattplätze in ausreichender Zahl vorgehalten werden können.
Meine Damen und Herren, dieser sogenannte Sparbeitrag, den dieser Bereich erbringen soll, er ist ein verheerendes Signal an unser soziales Gemeinwesen.
Wir fordern Sie auf, die geplanten Einsparungen nicht vorzunehmen, im Interesse der betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürger, im Interesse der
Schwächsten unserer Gesellschaft, die unsere besondere Hilfe verdienen.
Sie, lieber Kollege Scharf, möchte ich in diesem Punkt auch persönlich ansprechen. Offensichtlich konnten Sie sich bezüglich dieses Punktes in Ihrer Fraktion nicht durchsetzen. Zeigen Sie aber wenigstens heute hier Rückgrat
und stehen Sie ein für das, was Sie normalerweise an vorderster Front vertreten. Stimmen Sie heute ausnahmsweise mit uns! Stimmen Sie ab zugunsten der Menschen, deren Interessen Sie hier und anderswo vertreten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen sind gesellschaftlich benachteiligt. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die sogenannte BRK, ist seit März 2009 verbindlich geworden, auch hier für uns. Das oberste Ziel der BRK ist die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben. Die BRK fordert deutlich eine Abkehr vom Ansatz der primären Fürsorge. Vielmehr stehen die freie Persönlichkeitsentfaltung, der Barriereabbau und die Schaffung diskriminierungsfreier Verhältnisse an erster Stelle. Da stellt sich doch die Frage, ob wir nach über einem Jahr im Saarland nicht wenigstens mal damit anfangen müssten, alle Barrieren abzubauen, die diesem Ziel im Wege stehen.
Das gilt auch für die Bereiche, für die wir als Land zuständig sind. Da steht die Bildung an erster Stelle, meine Damen und Herren. Hier stellen wir fest: Zurzeit besuchen im Saarland nur rund 30 Prozent der behinderten Kinder eine Regelschule. Das liegt daran, dass wir hier im Schulsystem immer noch eine Trennung haben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich eine Trennung, die einer Aussonderung gleichkommt. Das neue Etikett "Förderschule" kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Sehen wir uns die neue UN-Konvention an. Es ist dort festgeschrieben, dass jedem behinderten Kind der Besuch der Regelschule ermöglicht werden muss. Danach muss also der Besuch einer Förderschule künftig die Ausnahme und nicht die Regel sein, meine Damen und Herren. Das heißt, Sie sind als Landesregierung in der Pflicht, dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Im Bildungsausschuss im Februar haben Sie angekündigt, diese Verpflichtung auf das übernächste Schuljahr zu verschieben. Aber, Kolleginnen und Kollegen, es muss Ihnen doch auch klar sein, dass das viel zu spät ist. Damit Eltern ihr Recht wirklich nutzen können, ihr Kind mit Behinderungen auf eine allgemeine Schule zu schicken, müssen die Regelschulen in die Lage versetzt werden, stärker auf die Bedürfnisse behinderter Kinder einzugehen.
Das ist Ihre Aufgabe als Landesregierung. Das haben Sie als Koalitionsfraktionen erkannt. Sie fordern in Ihrem Antrag unter Punkt 1 die Landesregierung auf, vor diesem Hintergrund den gesetzgeberischen Handlungsbedarf in diesem Land zu überprüfen. Das begrüßen wir sehr. Denn dann kann die konsequente Antwort der saarländischen Landesregierung nur lauten: Wir setzen die UN-Konvention in allen Punkten um und bringen ein inklusives Bildungssystem auf den Weg.
Aber wenn ich in Ihrem Antrag unter Punkt 4 lese: „Ziel ist die dauerhafte Etablierung eines Drei-Säulen-Konzepts mit der Verstärkung der bereits vorhandenen Integrationsmaßnahmen, der Erhaltung der Förderschulen und dem gleichzeitig verstärkten Einsatz von Förderlehrern an Regelschulen“, dann weiß ich, dass Ihr Antrag eben doch nur halbherzig ist und dass er den Status Quo der Ausgrenzung schon der jüngsten Behinderten nur noch weiter festschreiben soll.
Das ist nämlich gerade nicht die Inklusion als Leitidee, so wie Sie das in Ihrem Antrag vollmundig formulieren, nein, das ist die Weiterführung der Exklusion als Leitidee, das ist keine neue Chancengleichheit, sondern das ist nur ein billiges "Weiter so", das wir nicht akzeptieren werden.
Sie wollten nichts auf den Prüfstand stellen, Sie wollen vielmehr an erster Stelle den Status quo erhalten. Das ist nicht im Sinne der behinderten Mitbürger, das ist stattdessen die Verbiegung der BRK nach saarländischer Jamaika-Manier. Das sage ich Ihnen: Politik, die sich nicht an den Menschen orientiert, sondern Politik, die Sachzwänge pflegt nach dem Motto "Das war schon immer so", wird scheitern und wird von uns nicht unterstützt.
Ihr Antrag ist ein Dokument des Stillstands und zeigt keinerlei politischen Veränderungs- oder Gestaltungswillen. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, der die beiden wichtigsten Punkte bei der Chancengleichheit behinderter Menschen beleuch
tet. Das ist einerseits ganz klar die schrittweise Überwindung aller Sonderschulen und das ist andererseits die Voranbringung des Persönlichen Budgets. Dass Sie in Ihrem Antrag das Persönliche Budget total ausgeklammert haben, ja noch nicht einmal erwähnt haben, entlarvt Ihre rückwärts gerichtete Behindertenpolitik und zeigt, dass es Ihnen in Wirklichkeit weder um volle Inklusion noch um ein echtes Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen geht. Gerade das Persönliche Budget ist bekanntlich ein Motor der Inklusion! Sie haben in der Vergangenheit so gut wie nichts getan, um diese Leistungsform zu etablieren. Bei der ambulanten Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gab es Ende 2009 von mehr als 6.500 Fällen nur 126 Persönliche Budgets im Saarland. Das Persönliche Budget als wichtiger Motor der Inklusion spielt also im Saarland keine Rolle. Ich sage Ihnen: Sie wollen das nicht, weil dies ein wirklicher Weg zur Inklusion gewesen wäre.
Ich empfehle Ihnen die Lektüre der Drucksache 14/144 der Landesregierung vom 19. April dieses Jahres. Das ist die Antwort auf meine Anfrage zur Umsetzung der Leistungsform Persönliches Budget bei uns im Saarland. Das ist auch der Grund, warum in unserem Antrag steht: „Der Landtag des Saarlandes fordert die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass (...) die Leistungsform des Persönlichen Budgets (...) stärker als bisher in Anspruch genommen wird“. Das Persönliche Budget ist der höchste Freiheitsgrad, der einem behinderten Menschen zugute kommt, denn es versetzt ihn in die Lage, autonom zu entscheiden, welche Hilfen er in Anspruch nehmen will und welche nicht.
Das persönliche Budget eröffnet also einen Wettbewerb der Leistungserbringer zugunsten behinderter Menschen. Dass viele Leistungsträger im Saarland diese neuen Freiheiten kritisch sehen, mag man verstehen, weil niemand gerne lieb gewonnene Pfründe aufgibt. Aber im Interesse der Betroffenen - diese müssen im Mittelpunkt stehen - führt an der weiteren Erhöhung des persönlichen Budgets kein Weg mehr vorbei. Deshalb kann ich Ihnen nur raten, Ihren Antrag zurückzuziehen. Ich empfehle Ihnen stattdessen die Zustimmung zu unserem Antrag, weil Sie damit der Umsetzung der UN-Konvention auch im Saarland am nächsten kommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.