Heike Becker

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle wissen: Ja, es ist nicht von der Hand zu weisen, die Corona-Pandemie hat die Bundesrepublik Deutschland vor große gesundheitliche, aber auch vor wirtschaftliche Probleme gestellt. Das ist eine große Aufgabe, auf die unsere Bundesregierung mit einem groß angelegten Konjunkturpaket reagiert hat. 130 Milliarden Euro werden in die Hand genommen, um die deutsche Wirtschaft wieder sozusagen in ruhiges Fahrwasser zu geleiten. Der Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte: „Mit diesem Wumms wollen wir die Wirtschaft stabilisieren und auch gleichzeitig für Zukunftsinvestitionen sorgen, sodass wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.“
Von diesem Konjunkturprogramm sollen viele profitieren, angefangen von Familien über die Wirtschaft bis hin zu den Kommunen und den Ländern. Ein Bestandteil dieses Konjunkturpakets ist, wie von meinen Vorrednern schon mehrfach erwähnt, auch diese zeitlich begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer/ Umsatzsteuer. Sie wurde ja vom 01. Juli bis Ende dieses Jahres von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise beim verminderten Satz auf 5 Prozent gesenkt. Diese zeitlich begrenzte Senkung soll eben dazu führen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher um einen Betrag von roundabout 20 Milliarden Euro entlastet werden. Bürgerinnen und Bürger sollen dadurch ermuntert werden, mögliche Kaufentscheidungen nicht auf die lange Bank zu schieben.
Es gab die Befürchtung, dass diese temporäre Mehrwertsteuersenkung nicht an die Endverbraucher weitergegeben würde, aber diese Befürchtung scheint sich nicht zu bewahrheiten. Darauf deuten die Inflationszahlen für den Juli hin, den ersten Mo
nat mit der sogenannten gesenkten Mehrwertsteuer. So schreibt das Statistische Bundesamt: Günstiger als im Juni 2020 waren im Juli 2020 zahlreiche Güter, und das infolge der Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung. - Kollege Wegner hat schon allgemein angesprochen, in welchen Bereichen sich Preissenkungen ergeben haben. Für Nahrungsmittel zum Beispiel sprechen wir von einer Senkung des Preises von ungefähr 2,7 Prozent. Wenn wir das alles in allem gegenüber dem Vorjahresmonat betrachten, können wir mit 0,1 Prozent von einer sogenannten Negativ-Inflation sprechen, der ersten seit fast vier Jahren!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn die Steuersenkung nicht immer zu sinkenden Preisen führt, bedeutet das nicht, dass sie keinen Konjunktureffekt hat, so eine Analyse des ifo‑Instituts. Wenn die Entlastung den Unternehmen zugutekommt, kann dies in einer Krise sogar wünschenswert sein. Gerade Restaurantbetreiber und Friseure - Sie erlauben mir, diese beiden Berufsgruppen stellvertretend für alle Betroffenen hier zu nennen - hatten ja wegen der Corona-Einschränkungen wochenlang keine Einnahmen. Hier ist es in einem gewissen Maße auch verständlich, dass die Mehrwertsteuersenkung in diesen Bereichen nicht in vollem Ausmaß an die Kunden weitergegeben wird.
Doch es stellt sich die Frage, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, zu entscheiden, wie im Antrag der AfD gefordert, die Mehrwertsteuer dauerhaft zu senken. Hier möchte ich die Worte unseres Bundesfinanzministers wiederholen, denn ihm sind ja, um einen gewünschten Konjunktureffekt auszulösen, drei Elemente wichtig: zum einen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer überraschend kam, dass sie ein großes Volumen hat und dass sie befristet ist. Denn wir alle wissen, für einen schnellen Konjunkturimpuls müssen Maßnahmen befristet sein, denn nur dann schieben während einer Krise die Konsumenten Kaufentscheidungen nicht auf die lange Bank. Und dass solche Impulse spürbar sind, hat Kollege Wegner in seinen Ausführungen dargestellt.
Wenn man nun, wie im Antrag gefordert, über eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer nachdenkt, darf man auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Mehrwertsteuer 2019 mit rund 120 Milliarden Euro die meisten Einnahmen beisteuerte. Wenn wir einen Blick in unsere europäischen Nachbarländer wagen, wissen wir, dass die Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union ja fast einheitlich gestaltet sind. Wir dürfen auch nicht aus dem Auge verlieren, dass die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer nicht nur dem Bund zugutekommen, sondern auch den Ländern und den Kommunen. Somit bedeutet eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auch eine dauerhafte Schwächung sowohl unseres Landes als auch der Kommunen. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es für fraglich, ob vor allem die Kom
munen neben dem prognostizierten Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen und den noch nicht absehbaren Mehrausgaben für die Bewältigung der Corona-Pandemie auch noch dauerhaft weniger Einnahmen aus der Umsatzsteuer verkraften könnten. Deshalb kommt meines Erachtens der Antrag der AfD viel zu früh, und insbesondere ist er an die falsche Adresse gerichtet.
Über den Mehrwertsteuersatz entscheidet der Bundestag, dann wäre es die Arbeit Ihrer dortigen Kolleginnen und Kollegen gewesen, einen solchen Antrag einzubringen. Aber wie Kollege Flackus ausgeführt hat, vertreten die mehrheitlich wohl eine andere Meinung.
Wir haben auf jeden Fall eine funktionierende innerparteiliche Demokratie und wir werden in unserer Partei die Mehrwertsteuer-Systematik zu gegebener Zeit diskutieren, dann wird sich auch unsere Bundestagsfraktion der Sache in Berlin annehmen.
Ich erlaube mir an dieser Stelle auch noch mal den Hinweis auf die Vorschriften aus der sogenannten europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, denn diese gibt vor, wie wir die nationalen Steuergesetze ausgestalten. Die würde es dann zu berücksichtigen gelten.
Im Antrag angesprochen war auch der Mehrwertsteuersatz für den gastronomischen Bereich. Bei der Mehrwertsteuer im gastronomischen Bereich muss man differenzieren, denn umsatzsteuerrechtlich stellt der Verkauf von Speisen und Getränken entweder eine Lieferung dar oder eine sogenannte sonstige Leistung. Das Kriterium für die sogenannte sonstige Leistung ist dann erfüllt, wenn nicht die Zubereitung der Speisen und Getränke im Vordergrund steht, sondern das Dienstleistungselement. In diesen Fällen kann der ermäßigte Steuersatz nicht zur Anwendung kommen. Hierzu gibt es auch schon höchstrichterliche Rechtsprechung, aus der sich die allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze ableiten lassen. Das heißt vereinfacht ausgedrückt, dass in der Gastronomie 19 beziehungsweise derzeit 16 Prozent erhoben werden, ist keine Willkür, sondern es bezieht sich darauf, dass das Dienstleistungselement in diesem Bereich im Vordergrund steht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns in einer schwierigen Zeit. Wir alle sind gefordert, mit Bedacht auf die Situation und die Veränderungen in unserem Land bewusst, verhältnismäßig und vor allen Dingen verantwortungsvoll zu reagieren. Deshalb sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt eine Diskussion über eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer als verfrüht. In diesem Sinne lehnen wir den Antrag der
AfD-Fraktion ab. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg möchte ich sagen: Ich bin weder links noch grün, aber ich bin bekennende Motorradfahrerin. Viele wissen es, es ist kein Geheimnis: Fahrzeuge sind eigentlich schon von Kindesbeinen an eine ganz große Faszination für mich. Ob Vehikel mit zwei Rädern, vier Rädern oder mehr - vom Mofa bis zum 40Tonner ist mir im Bereich Fahrzeuge nichts fremd. Meine Fahrpraxis mit all diesen Fahrzeugen ermöglicht es mir zu sagen, dass die Teilnahme am Straßenverkehr mit all ihren möglichen Folgen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Diese Erfahrungen haben mich sensibilisiert, im Hin
blick auf meine eigene Fahrweise, aber auch die der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Daher ist es naheliegend, dass ich mich vielleicht etwas mehr als die beziehungsweise der eine oder andere von Ihnen mit solchen Themen befasse, wie sie von der AfD in dem Antrag aufgegriffen werden.
Beleuchten wir diesen Antrag mal etwas näher. Was gibt es dort festzustellen? - Ich stelle drei Fakten fest: Erstens. Es ist ein Antrag, der diesem Hohen Hause würdig ist. Er enthält neben dem Antragsgegenstand ausnahmsweise auch mal eine ausführliche Begründung. Zweitens. Aus meiner Sicht werden in diesem Antrag zwei grundlegende Themen reingepackt, die komplett unterschiedlich zu betrachten und zu bewerten sind. Drittens. Die AfD fordert, man solle verhindern, dass es zu einem „im Moment geplanten“ Fahrverbot für Motorräder an Sonn- und Feiertagen kommt. Diesen konkreten Plan gibt es überhaupt nicht.
Es ist unbestritten, dass das Thema von Sonn- und Feiertagsfahrverboten für Motorräder tatsächlich ein großer Bestandteil der aktuellen öffentlichen Debatte ist. Wie Herr Müller schon angeführt hat, demonstrierten erst kürzlich, ich glaube, 1.500 Bikerinnen und Biker - und nicht nur 1.000 - vor dem Landtag.
Was geht dieser Diskussion voraus? - Voraus geht eine Entschließung des Bundesrates vom 15. Mai dieses Jahres zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm. Der entsprechenden Drucksache 125/20 ist zu entnehmen, dass der Bundesrat zu diesem Thema verschiedene Prüfbitten auf den Weg gebracht und an die Bundesregierung herangetragen hat. Hier sprechen wir nicht von einer Prüfbitte, wir sprechen von insgesamt zehn Prüfbitten. Davon bezieht sich - wohl gemerkt - nur eine auf ein eventuelles Fahrverbot für Motorräder an Sonn- und Feiertagen. Wenn man sich diese Prüfbitte einmal anschaut, kann man unter Ziffer 7 wörtlich nachlesen, was der Bundesrat formuliert hat: „Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonnund Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betone ganz ausdrücklich: für besondere Konfliktfälle! Hier ist nicht die Rede von einer pauschalen Forderung nach Verkehrsverboten für Motorräder an Sonn- und Feiertagen.
Darüber hinaus kann man der Formulierung dieser Ziffer 7 doch entnehmen, dass eher eine Rechtsnorm angestrebt wird, die auf der Rechtsfolgenseite mehrere Entscheidungen zulassen würde. Dies bedeutet, dass es dem Rechtsanwender ermöglicht wäre, Ermessen auszuüben. Auch das ist für mich ein Indiz dafür, dass es zum jetzigen Zeitpunkt kein pauschales Anliegen betreffend Verkehrs- bezie
hungsweise Fahrverbote für Motorräder an Sonnund Feiertagen gibt.
Es sind in dieser Angelegenheit, wie schon erwähnt, viele Prüfpunkte möglich. Diese Prüfpunkte beziehen sich nicht nur auf Verbote, sondern auch auf Rechtssicherheit, die für unsere Landespolizeibehörden geschaffen werden soll. Sie beziehen sich auch auf Prävention, auf präventive Maßnahmen, um Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren. Und sie beziehen sich auf das Implementieren neuer Technologien, im Sinne des technischen Fortschritts, aber auch im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz. Sie alle aufzuzählen, das würde nun zu lange dauern. Ich denke, bei Interesse kann man das nachlesen.
In dieser Beschlussvorlage findet sich übrigens ja auch eine Begründung, in dieser heißt es: „Dabei sind ein rücksichtsvolles Miteinander, die Einhaltung geltender Gesetze und Geschwindigkeitsregelungen Voraussetzung, um Interessenskonflikte und Verbotszonen zu vermeiden. Die berechtigten Interessen der Anwohner und die der Motorrad Fahrenden gilt es, in einen fairen Ausgleich zu bringen.“ An dieser Stelle sei es noch einmal erwähnt: Das Verkehrsverbot ist hier lediglich als Ultima Ratio anzusehen, nicht mehr, nicht weniger.
Sehr geehrten Damen und Herren, eines ist doch ganz klar: Die Gruppe der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer soll hier nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Wir können diese Gruppe nicht per se dafür zur Verantwortung ziehen und sagen, sie alleine sei dafür verantwortlich, dass Anwohnerinnen und Anwohner Lärm ausgesetzt sind. Dafür gibt es mit Sicherheit auch weitere Verantwortliche, auch mit anderen Fahrzeugen, die vielleicht auch manipuliert sind.
Die einfachste Art der Argumentation ist hier, einfach zu sagen, dass die Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer selbst in der Verantwortung stehen. Für mich durchaus erstaunlich, man kann aber darauf hinweisen: Der Bundesverband der Motorradfahrer, der BVDM, hat sich in dieser Angelegenheit auch schon ganz klar positioniert. Er sieht nämlich die Motorradindustrie in der Verantwortung. Daher lautet seine Forderung: freiwillige Produktion von Fahrzeugen, die auch im Fahrbetrieb „sozialverträglich“ leise sind.
Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist wie immer im Leben: Es gibt solche und solche. Das können auch wir nicht ändern. Wir müssen also dort ansetzen, wo manipuliert wird. Und dazu benötigen wir, wie schon zuvor angeführt, eine zeitgemäße und verhältnismäßige Rechtsgrundlage. Deren Schaffung bedarf nun keiner großen politischen Diskussion, das geht ganz klar als Aufgabe an die Adresse der Regierung. Diese wird sich sicherlich mit Fachkompetenz der Prüfaufträge annehmen. Meines Erachtens sollte sie in Erwägung ziehen, Fachverbände, eben beispiels
weise den BVDM, und andere Institutionen schon frühzeitig am Verfahren partizipieren zu lassen.
Eine Frage sollten wir uns vielleicht auch mal stellen, einer Frage sollte man sich annehmen: Warum gibt es immer noch Anbauteile ohne ABE, ohne Allgemeine Betriebserlaubnis, im Handel käuflich zu erwerben? Es ist durchaus vorstellbar, dass eine diesbezügliche Neuregelung viele Probleme im Keim ersticken würde. Denn Teile ohne ABE, die man nicht kaufen kann, kann man auch nicht an seinem Motorrad verbauen.
Was nun aber die Neuregelung zum Führerscheinentzug beziehungsweise der neue Bußgeldkatalog im Allgemeinen hiermit zu tun haben sollten, das erschließt sich mir nicht wirklich. Wie man zudem behaupten kann, ein Fahrverbot käme nun viel zu schnell zum Tragen, erschließt sich mir noch weniger.
Sehr geehrte Herren der AfD, haben Sie sich einmal die Regelungen in den Ländern außerhalb Deutschlands angesehen? Dort wird man als Temposünderin oder Temposünder ganz anders sanktioniert. Werfen wir nur mal einen Blick über die Grenze zu unseren französischen Freundinnen und Freunden: Dort zum Beispiel droht bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 Prozent - wenn man also innerorts 75 km/h anstatt 50 km/h fährt - der Führerscheinentzug. Dort ist der Führerschein weg und das Fahrzeug wird konfisziert, und man hat mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 1.500 Euro zu rechnen. Da könnte man, auch im Vergleich mit den Ansätzen in unserem Bußgeldkatalog, darüber nachdenken, ob die Verhältnismäßigkeit noch gegeben ist.
Okay, es mag subjektives Empfinden sein, dass nach dem neuen Bußgeldkatalog der Führerscheinentzug zu früh droht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen Sie doch mal einen kleinen Ausflug in die Zeit des Theorieunterrichts in der Fahrschule. Sie können sich sicherlich erinnern, dass uns allen diese drei „Grundformeln“ eingebläut wurden. Die Formel für die Reaktionszeit, die für den Bremsweg und die für den Anhalteweg.
Okay - Sie werden, wenn Sie sich zurückerinnern, sicherlich feststellen, dass sich schon bei einer unwesentlich höheren Geschwindigkeit der Anhalteweg fast verdoppelt.
Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Es gibt derzeit keinen konkreten Plan für ein Verkehrsverbot für
Motorräder an Sonn- und Feiertagen, es gibt lediglich Prüfaufträge. Einem pauschalen Fahrverbot würde auch die SPD-Fraktion nicht zustimmen, das kann ich versichern. Was die Novellierung des Bußgeldkatalogs anbelangt: Das sollten wir einfach unserem Bundesverkehrsminister überlassen. Abschließend möchte ich noch einmal an die Grundregeln der Straßenverkehrsordnung erinnern: Nehmen wir sie uns alle zu Herzen, dann brauchen wir weder einen Bußgeldkatalog noch Überlegungen zu einem Fahrverbot. Wir alle haben es in der Hand beziehungsweise im Fuß. Den Antrag lehnen wir ab. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allzeit gute Fahrt!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es lebe der Sport, er ist gesund und macht uns hart - sinngemäß nach einem Song von Rainhard Fendrich. Das würde vielleicht passen, wenn wir hier von Leibesübungen sprechen. Doch damit möchte ich es mit der Polemik belassen.
Ich denke, es ist nichts Neues, wenn ich hier sage, dass Kinder Bewegung brauchen. In der Schule können Kinder Bewegung erfahren - und zwar im Schulsport. Schule bietet den Kindern vielfältige Möglichkeiten, sich zu bewegen. Wer Sport treibt, der weiß, dass sie dabei ihre Muskeln und den Kreislauf stärken. Also leistet der Schulsport einen wichtigen Beitrag zur gesunden körperlichen Entwicklung der Kinder. Das ist aber nicht alles. Der Sportunterricht erfüllt auch wichtige erzieherische und soziale Aufgaben. Er fördert faires, partnerschaftliches Verhalten und den Abbau von Aggressionen. Weiter stärkt er die Persönlichkeit und ver
mindert Konflikt- und Gewaltpotenzial. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Schulsport ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Bildungssystems. Er ist wichtig und richtig und nicht mehr wegzudenken. Deshalb sehen die Lehrpläne an den saarländischen Schulen wöchentlich zwei Sportstunden vor. Ob eine dritte Sportstunde dem Ganzen dienlich ist, wage ich zu bezweifeln.
Über die Praxis der Schulsysteme der Nachkriegszeit kann ich nichts berichten. Das liegt in der Natur der Sache, denn ich bin erst in den Siebzigerjahren geboren. Wenn ich allerdings auf meine aktive Schulzeit zurückblicke, so kann ich doch feststellen, dass sich seit den Achtzigerjahren im Bildungssystem vieles verändert hat. Das ist auch gut so. Flexibilität hat Einzug gehalten, denn Sport ist auch Bewegung und Bewegung wird heutzutage zeitgemäß in den Unterricht integriert. Das ist meines Erachtens immens wichtig. Nicht nur ich bin dieser Meinung, sondern auch eine anerkannte Institution, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Die DGU sagt in diesem Zusammenhang - Herr Präsident, erlauben Sie mir zu zitieren -: „Über körperliche Aktivität werden Entwicklungsprozesse des Gehirns und damit die Lernleistung und die emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefördert.“
Der enge Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Lernen sollte Konsequenzen für die Schule haben und im Sinne eines ganzheitlichen Lernens mit allen Sinnen die strikte Trennung von Körperübungen im Sportunterricht und Kopfübungen im Klassenzimmer aufheben.
Was bedeutet dies in der Praxis? - Hier möchte ich als Beispiel das „Schleichdiktat“ nennen. Dieses wird nicht vom Lehrer vorgelesen, sondern die einzelnen Wörter oder Sätze werden auf Zetteln aufgeschrieben, die dann in der Klasse aufgehängt werden. Die Schüler schleichen dann zu diesen Zetteln, prägen sich den Satz ein, schleichen wieder zurück zu ihrem Platz und schreiben das Gemerkte auf.
Doch kommen wir wieder zur dritten Sportstunde. Betrachtet man die geforderte dritte Sportstunde realistisch, so muss man feststellen, dass davon effektiv vielleicht 20 bis 25 Minuten verbleiben. Diese Tatsache zeigt, dass eine dritte Sportstunde obsolet ist.
Zudem stellt sich mir die Frage: Soll die dritte Sportstunde zulasten eines anderen Faches gehen oder als eine zusätzliche Schulstunde, die die Wochenstundenzahl für die Schülerinnen und Schüler erhöhen würde? - Der Kurzantrag der AfD-Fraktion gibt diesbezüglich keinen Aufschluss und Ihre Begrün
dung, lieber Kollege Dörr, nach meiner Ansicht auch nicht.
Der Sportunterricht ist aber auch noch unter einem weiteren Aspekt zu sehen. Er dient nämlich der Animation, aktiven Sport in den Vereinen zu treiben. Über Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen werden den Kindern und Jugendlichen zusätzliche Bewegungsangebote für einen regelmäßigen Ausgleich im schulischen Alltag geschaffen. Wird dies im gebundenen Ganztag praktiziert, ist es eine echte Win-win-Situation. Viele dieser Kooperationen an saarländischen Schulen zeigen dies.
Hier kann ich aus meinem regionalen Umfeld zum Beispiel über die Kooperation zwischen der Gebundenen Ganztagsschule in Neunkirchen mit der Spielvereinigung Elversberg berichten. Diese Kooperation besteht schon seit vielen Jahren. Die Fußballförderung wurde kontinuierlich ausgebaut und ist von großem Erfolg gekrönt. Im Schuljahr 2014/2015 wurde die GGS Neunkirchen als Eliteschule des Fußballs vom Deutschen Fußballbund zertifiziert. Mittlerweile werden mehr als 20 Schülerinnen und Schüler der GGS allein nur im Nachwuchsleistungszentrum der SVE betreut - Tendenz steigend.
Ihren Ausführungen zu dem mangelnden Nachwuchs muss ich aus gelebter Praxis ebenfalls aus meiner Heimatstadt Neunkirchen vehement widersprechen. Geht man zu unserem Verein, Borussia Neunkirchen, so kann man feststellen, dass dort in den beiden letzten Jahren die Jugendarbeit eine wohlwollende Förderung erfahren hat und man die Teilnehmerzahl von Kindern und Jugendlichen verdreifacht hat. Das ist ein Beweis für sinnvolle und nachhaltige Arbeit.
Unabhängig von einer dritten Sportstunde haben bereits viele Schulen zusätzliche Bewegungsanreize und -angebote geschaffen. Ich will hier in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit einige wenige nennen: Grundschulen nutzen die Förderstunden für den sportlichen Bereich, im Unterricht wurde bewegtes fächerübergreifendes Lernen eingeführt, die Pausen werden zu angeleiteter oder freier Bewegung genutzt, auf den Schulhöfen wird vielfältiges Spielmaterial zur Verfügung gestellt und vieles mehr. Nicht zu vergessen ist das bewegte Schulleben durch Schulsport-AGs, die Durchführung von Spiel- und Sportfesten, sportorientierte Wandertage sowie Klassenfahrten und insbesondere die Teilnahme an den Schulsportwettkämpfen. Hier möchte ich nur auf die 120-seitige Broschüre des Bildungsministeriums hinweisen mit einer Vielzahl an schulsportlichen Wettbewerben nicht nur in den klassischen Sportarten wie Fußball, Handball, Turnen und Leichtathletik,
sondern auch in vielen Trendsportarten wie Klettern, Triathlon und Beachvolleyball. Zu nennen sind da auch Jugend trainiert für Olympia und die Paralympics.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie meinen Ausführungen entnehmen können, ist eine dritte Sportstunde weder notwendig noch zeitgemäß. Zudem würden bei der dritten Sportstunde zusätzliche Ressourcen benötigt werden. Der Kosten-NutzungFaktor steht bei einer zu erwartenden effektiven Sporteinheit von 20 bis 25 Minuten in keinem vertretbaren Verhältnis. Darüber hinaus bietet die derzeitige Gestaltungsweise den Schülerinnen und Schülern ein größeres Potenzial.
Die Kooperationen mit Sportvereinen ermöglichen den Schulen kompetente Unterstützung in der Bewegungs- und Gesundheitserziehung. Den Vereinen eröffnen sie auch die Chance für die Vereinsentwicklung. Sie sind sozusagen als Zukunftssicherung im Kinder- und Jugendsport zu sehen.
Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund für eine Ausweitung des Schulsports. Daher lehnen wir den Antrag der AfD-Fraktion ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf feststellen, dass die AfD mit dem vorlie
genden Antrag erstmals einen Beitrag zur Gesundheitspolitik des Landes leisten will. Sie möchte mit einer Aufklärungskampagne über die Gefahren von Shisha-Rauchen und E-Zigaretten informieren. In ihrer Begründung führt sie - wie auch schon mehrfach von meinen Vorrednern erwähnt - die Ausführungen des Präsidenten der Saarländischen Ärztekammer auf, auf die sie sich bezieht.
Meine Recherche ergab - wie auch schon erwähnt -, dass der Präsident, Herr Mischo, in einem Artikel in der Lokalpresse auf die Gefahren des Gebrauchs einer Shisha-Pfeife verwiesen hat. Als Giftstoffe, die auch schon genannt wurden, möchte ich hier auch noch einmal Nikotin, Teer, Kohlenmonoxid et cetera erwähnen.
Wenn man im Internet recherchiert, kann man feststellen, dass es viele Gruppierungen und Institutionen gibt, die sich mit diesem Thema befassen und entsprechend auch bereits Handreichungen und Aufklärungsmaterialien zur Verfügung gestellt haben. Weiterhin ergab meine Recherche, dass der Medizinreport im Ärzteblatt, welcher sich auf die Untersuchungen einer amerikanischen Universität sowie auf die Ausführungen des Deutschen Krebsforschungszentrums bezieht, ebenfalls auf die Nikotinmenge abstellt, die während einer Shisha-Session aufgenommen wird.
Kollege Mildau hat soeben in seinen Ausführungen erwähnt, dass auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Zusammenhang mit den Risiken, die von E-Zigaretten und Wasserpfeifen ausgehen, auf den Nikotingehalt abstellt. Wenn man die Arbeit der Bundeszentrale verfolgt, so kann man feststellen, dass sie auch schon präventiv tätig ist. Sie hat bereits Aufklärungskampagnen und Informationsbroschüren, welche sich dieser Thematik annehmen, aufgelegt und sogar eine kostenlose Hotline eingerichtet.
Man stellt allerdings auch fest, dass das Thema in Teilen auch kontrovers diskutiert wird. So kam beispielsweise das Londoner Krebsforschungszentrum in einer Langzeitstudie zu dem Ergebnis, dass E-Zigaretten weniger schädlich seien als herkömmliche Zigaretten.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir im Zusammenhang mit dem Konsum von E-Zigaretten beziehungsweise Wasserpfeifen und den daraus resultierenden möglichen Gesundheitsrisiken von Langzeitstudien sprechen, handelt es sich um erfasste Studienzeiträume von zwei bis drei Jahren. Im medizinischen Bereich sind Langzeitstudien allerdings durchaus auf zwei bis drei Jahrzehnte ausgelegt. Nach einem solch langen Zeitraum spricht man von
verlässlichen Ergebnissen. Es geht hier - um das einmal klarzustellen - keinesfalls darum, das Gesundheitsrisiko in irgendeiner Art herunterzuspielen. Denn auch hier gilt: Wehret den Anfängen.
Wir sind uns auch in vollem Maße bewusst, dass es gesundheitliche Risiken geben kann - ja, gibt. Hier muss gehandelt werden. Ich kann nur hinzufügen, dass wir bereits jetzt gut aufgestellt sind. Prävention ist gut und wichtig, Kontrolle und Unterstützung allerdings auch.
Ja, ich sehe es auch als unsere Aufgabe, uns für den Gesundheitsschutz, den Jugendschutz und den Schutz der Beschäftigten, die in Shisha-Cafés und sonstigen Einrichtungen tätig sind, einzusetzen. Doch an dieser Stelle, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sei auch einmal angemerkt, dass sich die SPD-Fraktion und ihr Koalitionspartner der Regierungsverantwortung bewusst sind und dieser auch gerecht werden. Wie schon bei vielen anderen wichtigen Themen hat man auch hier bewiesen, dass man Hand in Hand arbeitet, wenn es um das Wohl der Saarländerinnen und Saarländer geht.
Dies spiegelt sich in der Tatsache wieder, dass neben den vielseitigen präventiven Maßnahmen, die auch schon bereits von anderen anerkannten Stellen durchgeführt werden, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr in Abstimmung mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie ein Rundschreiben auf den Weg gebracht hat, welches das Problemfeld der ShishaBars vollumfänglich behandelt. Dieses Rundschreiben wurde bereits im September des vergangenen Jahres als Handlungshilfe an die Gewerbeämter und die Ortspolizeibehörden der saarländischen Kommunen übersandt. Darin werden unterschiedliche Rechtsgebiete wie beispielsweise das Saarländische Nichtraucherschutzgesetz, sonstige Gesundheits- und Hygienevorschriften, aber auch das Jugendschutzgesetz behandelt. Darüber hinaus werden auch glücksspielrechtliche Vorschriften, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht und strafrechtliche Vorschriften thematisiert.
Doch betrachtet man die Vorschriften des Nichtraucherschutzgesetzes näher, so bleibt festzuhalten, dass es sich beim Rauchen von Wasserpfeifen auch um Rauchen im Sinne dieses Gesetzes handelt. Dies wurde durch einen Beschluss des OVG Lüneburg am 17. Oktober 2018 auch klargestellt. Daraus folgt, dass das Angebot und die Verabreichung von Shishas in geschlossenen gewerblichen Räumen nur zulässig sind, wenn keinerlei Tabakprodukte in
den Shishas verwendet werden und keinerlei gastronomische Leistungen erbracht werden. Viele der zuvor in den einzelnen Studien angeführten Fälle, die auf den Konsum von nikotinhaltigen Tabakstoffen abzielen, sind per Gesetz im Saarland schon geregelt.
Auch jetzt kann man schon auf kommunaler Ebene feststellen, dass diverse Maßnahmen zur Sicherheitsverstärkung in Shisha-Bars vorangebracht werden. So wurde schon erwähnt, dass die Stadt Homburg allen voran eine Verfügung erlassen hat, die den Betreibern der Shisha-Cafés deutliche Auflagen macht. Das wird gemacht, um zu vermeiden, dass Kohlenmonoxidwerte die Grenzen übersteigen. Alle Kommunen haben im Saarland gegenwärtig die Chance, diesem Vorbild zu folgen, ihrer in der Verfassung garantierten Selbstverwaltung nachzukommen und solche Vorschriften auf den Weg zu bringen.
Ich möchte noch ergänzend anmerken, dass unsere Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und ihr Team auch weiterhin die Arbeit der Kommunen unterstützen werden und sich weiterhin für die Sensibilisierung bei den kommunalen Gewerbe- und Ordnungsämtern stark machen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aktuell gibt es im Saarland über 100 Shisha-Bars. Meine Vorredner haben es bereits erwähnt: Eine Stadt ohne eine Shisha-Bar scheint mit diesen Zahlen nur schwer vorstellbar. Es scheint, als hätten sich Shisha-Bars zu einem festen Bestandteil der saarländischen Ausgehkultur konstituiert. Dieses Phänomen ist unbeschränkt und existiert eindeutig in allen Kulturkreisen. Deshalb stellt sich auch mir hier die Frage, welches Ziel die AfD mit ihrem Antrag verfolgt.
Die Formulierung der Begründung lautet: Seit einigen Jahren hat sich insbesondere durch die Einwanderung aus islamisch-orientalischen Ländern das Bild der Gastronomie und des entsprechenden Angebots auch im Saarland verändert. - Das könnte vermuten lassen, dass neben dem Schutz der Gesundheit auch eine andere Intention oder Ideologie verfolgt wird. Denn eigentlich positioniert sich die AfD bekannterweise zumindest in den meisten Fällen gegen das Nichtraucherschutzgesetz, beziehungsweise gegen alle Maßnahmen, die weitere Verschärfungen nach sich ziehen. Sie sagte, es gehe ihr um den Schutz von existenziellen Interessen der Gastronomie. Diese existenziellen Interessen scheinen bei der Betrachtung von Shisha-Cafés wohl ausgelagert. Im Bundestag geht die AfD sogar noch einen Schritt weiter. Den Antrag der SPD, das
Rauchen im Auto zu verbieten, sieht sie als autoritär an und als etwas, das nicht eigens gesetzlich reglementiert werden muss.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich sage noch einmal, dass wir uns in vollem Maße über die möglichen gesundheitlichen Risiken bewusst sind. Wir sind jedoch mit unserem Nichtraucherschutzgesetz bereits gut aufgestellt. Die zuständigen Ministerien und Kommunen sind ebenfalls schon tätig. Wie schon erwähnt, gibt es anerkannte Institutionen, die präventiv tätig sind. Wegen der zuvor genannten Gründe wird auch die SPD diesem Antrag nicht zustimmen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute bei meiner ersten Rede müsste ich eigentlich anders als üblich in diesem Hause beginnen, nämlich mit “Liebe Kinder”, und zwar genau deshalb, weil es um ihre Rechte geht. Rechte, auf die Kinder permanent pochen und sich vor allem verlassen können. Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, ist zwar ein großer Anspruch, aber leider ist dies im Alltag und im politischen Geschäft noch nicht ausreichend verwirklicht. Viele von uns sehen Kinder als unsere Zukunft. Doch sind Kinder keine kleinen Erwachsenen, sie sind heranreifende Persönlichkeiten. Es ist gut, dass wir miteinander darüber sprechen, was wir tun können, um ihren Weg auch als Politik und Staat zu begleiten.
Herr Präsident, erlauben Sie mir, an dieser Stelle Johann Wolfgang von Goethe zu zitieren, der einst sagte: „Denn wir können die Kinder nicht nach unserem Sinne formen.“ - Das ist richtig, das können wir nicht, denn Kinder sind vom ersten Tag an Persönlichkeiten. Sie entwickeln frühzeitig Kompetenzen, sie wollen lernen. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei
zu fördern und die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu brauchen Kinder Erwachsene, die sich für sie einsetzen, für ihre Rechte kämpfen und dafür sorgen, dass es ihnen gut geht. Kinder brauchen Schutz und Fürsorge. Deshalb ist die Zeit überreif, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns durchaus bewusst, dass sich mit der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz die Lebenswirklichkeit der Kinder in unserem Land nicht automatisch ändern wird. Doch mit der Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz verpflichten sich der Staat und die Gesellschaft, die Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern in unserem Land zu verbessern. Damit dies gelingt, müssen politische Anstrengungen folgen. Ja, aus der Grundgesetzänderung muss Verfassungswirklichkeit werden.
Deshalb sage ich jetzt hier auch ganz deutlich, wir wollen keine Symbolpolitik! Nein, wir wollen ein klares Bekenntnis der Politik für Kinderrechte mit Verfassungsrang.
Bereits 1989 wurde die Konvention über die Rechte des Kindes von der Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig beschlossen. Ich wiederhole, einstimmig. Die sogenannte UN-Kinderrechtskonvention wurde im Jahr 1992 von Deutschland ratifiziert. Ziel der Konvention ist es, die Rechte der Kinder weltweit zu stärken und für positive und kindgerechte Lebensbedingungen zu sorgen. So heißt es in Artikel 4 des Übereinkommens: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.“ - Wir unterstützen daher die jetzige Gesetzesinitiative auf Bundesebene und wollen, dass nach langen Beratungen nun endlich den Kindern Rechte mit Verfassungsrang zugeschrieben werden. Wir müssen diese Initiative weiterbegleiten und vorantreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Leider kennen wir auch die Vielzahl von Berichten in den Medien über Gewalt gegen Kinder, Verwahrlo
sung von Kindern, zunehmende Kinderarmut sowie fehlende Bildungschancen für viele junge Menschen. All dies zeigt uns auf, dass wir in Deutschland von einer kinderfreundlichen Gesellschaft noch weit entfernt sind und dass die Rechte der Kinder zu wenig Beachtung finden. Ich finde es deprimierend zu sehen, dass mit dem Besten, was wir haben, nämlich mit unseren Kindern, oft sträflich umgegangen wird. Erschreckend ist auch festzustellen, dass es oft sogar die eigenen Eltern oder das direkte Umfeld dieser Kinder sind. Deshalb muss der Staat unsere Kinder schützen.
In den Politikbereichen muss die Achtung der Kinderrechte zur Richtschnur unseres Handelns werden. Dabei ist es wichtig, dass wir die Welt aus dem Blickwinkel der Kinder betrachten. Wenn wir für kindgerechte Lebensbedingungen sorgen wollen, muss das Kind im Mittelpunkt unseres politischen Handelns stehen. Unser Ziel muss es sein, dafür Sorge zu tragen, dass alle Kinder im Land unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Zukunftschancen und Lebensperspektiven haben. Damit die Rechte verwirklicht werden können, müssen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es gibt auch Personen, die die Heraufstufung der Kinderrechte zu Rechten mit Verfassungsrang kritisch sehen. Doch diesen Kritikern können und müssen wir entschieden entgegentreten. Kinder werden dadurch in ihrer Rolle gestärkt, und Eltern können mit verbesserter Legitimation alles Erforderliche für das Wohl ihrer Kinder einfordern.
Manche sind auch der Auffassung, durch Kinderrechte würden die Rechte der Eltern geschwächt. Man muss diese Sorge zwar ernst nehmen, aber genau durch Kinderrechte im Grundgesetz werden die Rechte der Eltern gestärkt. Das besagt auch Artikel 5 der UN-Kinderrechtskonvention, in dem es nämlich heißt, dass die Vertragsstaaten in der Verwirklichung der Kinderrechte die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern weiterhin zu achten haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir uns mal vor Augen: Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, und trotzdem ist jedes fünfte Kind arm oder von Armut bedroht. Dieses Problem wäre lösbar, wenn wir die Weichen in der Politik stellen würden. Das Wohl von Kindern bei zukünftigen Entscheidungen muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Kinder müssen konsequent mit ihren eigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden. Und so ist die Bekämpfung der Kinderarmut eines unserer wichtigsten Ziele. Kinder, die in familiärer Armut aufwachsen, erfahren von An
fang an Benachteiligungen. Sie sind materiell nicht ausreichend versorgt, sie leiden häufiger unter gesundheitlichen Problemen, sie können Angebote im Freizeit- oder im kulturellen Bereich nicht wahrnehmen. Das heißt, sie erfahren schon in früher Kindheit, was es heißt, nicht mithalten zu können, ja gar ausgeschlossen zu sein.
Daher setzen wir uns für eine Weiterentwicklung bedarfsgerechter und präventionsorientierter Maßnahmen ein. Bei dem heute veröffentlichten Ergebnis des ersten Kinderrechte-Indexes sieht auch das Deutsche Kinderhilfswerk Nachholbedarf unter anderem in den Bereichen Gesundheit und angemessene Lebensstandards. Deshalb muss es unser Ziel sein, eine „Große Lösung“ für Leistungen für Kinder und Jugendliche umzusetzen.
Wir setzen uns daher auch für eine Kindergrundsicherung ein und wollen, dass kein Kind in Deutschland mehr arm ist. Hierbei dürfen natürlich die Kinder mit Behinderungen nicht außen vor bleiben. Welche Kämpfe müssen sie und ihre Eltern ausstehen, um endlich zu ihrem Recht zu kommen? Sie haben aber das Recht, gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft zu sein. So ergeht es auch den Kindern mit Migrationsbiografien, sei es entweder bei sich selbst oder in ihren Familien, denn sie erleben weiterhin Diskriminierung. Flüchtlingskinder sind sogar an vielen Stellen viel zu lange abgeschottet oder gar ausgeschlossen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, unsere Kinder sind großartig. Jeder junge Mensch ist wunderbar und in unserer Gesellschaft herzlichst willkommen. Es geht hier um die Rechte aller Kinder. Es geht um sehr viel. An dieser Stelle wiederhole ich noch einmal: Kinder gehören in den Mittelpunkt der Politik.
Jedes Kind verdient es, geliebt, geschützt, unterstützt und vor allem von der Gesellschaft wertgeschätzt zu werden. Lassen wir sie ihre Fähigkeiten entfalten und zum Blühen bringen! Von daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Vielen Dank.