Andrea Hubrig
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bartl, ich werde auf Ihre massive Kritik nicht eingehen.
Sie haben sich dazu diesbezüglich bereits bei der Verabschiedung des Jugendstrafvollzugsgesetzes geäußert. Wir konnten Sie damals auch nicht überzeugen. Deshalb ist es der Mühe nicht wert.
Als Beiratsmitglied von Regis-Breitingen kann ich Ihnen sagen, dass ich das Gesetz in seiner Umsetzung als erfolgreich ansehe. Sicherlich muss man noch Erfahrungen sammeln, aber alles zu kritisieren finde ich nicht richtig.
Sie haben sich für eine gesetzliche Regelung des Vollzugs in freien Formen entschieden. Als Koalition haben wir uns die Frage gestellt, ob das bereits bestehende Jugendstrafvollzugsgesetz, welches erst im Dezember 2007 verabschiedet worden ist, für die dritte Form des Vollzugs ausreichend ist oder ob weitere gesetzliche Regelungen erforderlich sind. Die Koalition vertritt die Auffassung,
dass eine gesetzlichen Regelung nicht erforderlich ist, und hät die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen für ausreichend. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Auch die Anhörung war letztlich nicht so ergiebig, dass sich jemand festgelegt hätte, ob ein solches Gesetz notwendig ist oder nicht. Ich habe im Protokoll noch einmal nachgelesen und weiß, dass Ihr Sachverständiger, Herr Goerdeler, darauf etwas näher eingegangen ist. Aber ansonsten hat sich niemand zur juristischen Seite geäußert.
Aus § 13 Abs. 3 des Sächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes ergibt sich eindeutig, dass während der Unterbringung in einer Einrichtung des Vollzugs in freien Formen das Vollzugsverhältnis zur Jugendstrafanstalt weiterbesteht. Weiterhin lässt § 13 Abs. 3 den Vollzug in freien Formen ohne weitere Einschränkungen zu, sodass erforderliche konkretisierende Regelungen auf untergesetzlicher Ebene ausreichend sind.
Sie haben erwähnt, dass das Staatsministerium eine Verwaltungsvorschrift erarbeitet. In dieser Verwaltungsvorschrift sollten klare und konkrete Regelungen getroffen werden, wie zum Beispiel Ziel des Vollzugs in freien Formen und die dafür zugelassenen Einrichtungen, Voraussetzungen und Eignung des jugendlichen Strafgefangenen, Vorschriften zur Anordnung der Unterbringung, erzieherische Weisungen und Auflagen, Disziplinarmaßnahmen, besondere Sicherungsmaßnahmen, Rückverlegungen, eventuell auch die finanzielle Ausstattung bei der Ausbildungsbeihilfe, Maßgaben zur Vollzugslockerung und zu Urlaub sowie Aufsicht und Strafberechnung.
Herr Minister, ich bitte im Namen der Koalition in Anbetracht der Bedeutung dieser neuen Form des Vollzugs, die Verwaltungsvorschrift, wenn sie fertiggestellt ist, im Ausschuss vorzulegen, um über die Inhalte diskutieren zu können.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit und soziale Sicherungssysteme waren ein eigenständiges und sehr interessantes Thema, aber natürlich auch so komplex, dass man es nur anreißen kann. Ich darf auf unseren dicken Bericht verweisen, wenn Sie noch Fragen haben.
Die Menschen werden immer älter. Die Lebenserwartung einer Frau liegt derzeit bei 82 Jahren und die eines Mannes bei 76 Jahren. Viele werden auch über 90 oder sogar 100 Jahre alt. Diese Tatsache wird in der Gesellschaft sehr unterschiedlich aufgenommen. Viele sprechen von einer alternden Gesellschaft, in der junge Menschen keine rechte Zukunft mehr haben, sondern die Pflege und Betreuung älterer Menschen im Vordergrund stehe. Wir sehen diese Entwicklung durchaus positiv und betrachten sie als Chance und Herausforderung bei der Gestaltung vieler neuer, in die Zukunft gerichteter Aufgaben. Der kontinuierliche Anstieg der Lebenserwartung, der sich in allen Altersgruppen vollzieht, ist das Ergebnis einer gewachsenen hoch technisierten Medizin und auch eines steigenden Gesundheitsbewusstseins, wie zum Beispiel gesunde Ernährung, sportliche Betätigung und Verzicht auf gesundheitsschädigende Konsummittel sowie viele Präventivmaßnahmen und gute Aufklärungsarbeit über bestehende Zusammenhänge.
Die Frage nach der Gesundheit im Alter ist von erheblicher individueller wie gesellschaftlicher Bedeutung. Für jeden Einzelnen verbindet sich mit der steigenden Lebenserwartung natürlich auch die Hoffnung auf ein langes und gesundes Leben, während sich für die Gesellschaft die Herausforderung stellt, älteren Menschen die Teilhabe am sozialen, kulturellen und politischen Leben zu ermöglichen und im Krankheits- und Pflegefall eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Es gilt nun weiterhin,
die gerade in den letzten Jahren stark verbesserte gesundheitliche Situation der Bevölkerung bis in das hohe Alter zu beeinflussen. Deshalb müssen wir uns weiterhin mit den gesundheitlichen Risiken, den notwendigen präventiven Maßnahmen, einer bedarfsgerechten Entwicklung und der medizinischen Versorgung in allen Altersgruppen beschäftigen. Ebenso sind der Bedarf an sozialen Diensten und die Lage der zukünftigen älteren sowie jüngeren Generation einzuschätzen.
Es gibt eine ganze Reihe von Publikationen und Untersuchungen; was uns fehlt, sind genauere Auswertungen der gesundheitlichen Situation im Kinder- und Jugendbereich, aber auch bei den älteren Menschen für Sachsen. Das heißt, wir müssen für das Land Sachsen dringend die Datenlage für die wissenschaftliche, aber auch die regionale Auswertung verbessern, insbesondere in der Erforschung der Ursachen von Erkrankungen, die mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität, an Lebensjahren oder Erwerbsfähigkeit für die Patienten einhergehen oder eine sehr lange Zeit von Pflegebedarf nach sich ziehen. Insgesamt wird in den sehr hohen Altersstufen eine Zunahme von Behandlungs- und Pflegebedarf eintreten. Das ist einfach so, wenn man so alt wird. Ältere Menschen sind meist von Mehrfacherkrankungen betroffen. Das heißt, dass diese auch zur Pflegebedürftigkeit führen können. Deshalb sind Dienste zur Betreuung pflegebedürftiger Menschen ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur.
Von besonderer Bedeutung für das Krankheitsgeschehen sind aber auch soziale Faktoren, wie die persönliche materielle und physikalische Umwelt und die sozialen Beziehungen. Es ist nachgewiesen, dass ärmere Bevölkerungsschichten einem viel höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Schlechte Wohn- und Arbeitsbedingungen, fehlende Zukunftsperspektiven und vor allem geringe Bildung sind oftmals Faktoren, die die gesundheitlichen Risiken erhöhen. Bereits im Kindes- und Jugendalter bilden sich gesundheitsrelevante Einstellungen und Verhaltensmuster heraus, die sich im weiteren Lebensverlauf verfestigen und dann nur noch schwer beeinflussbar sind. Deshalb muss so eine Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen und sozialen Situation bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnen, da sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im weiteren Lebensverlauf negativ auswirken können und sich damit das Krankheitsrisiko im Alter erhöht. Auch zu diesen Fragen brauchen wir genauere und bessere Erkenntnisse.
Prävention erlangt in der medizinischen Versorgung eine wachsende Bedeutung. Die Nutzung der Präventionspotenziale im Kindes- und Jugendalter und die Förderung eines gesunden Aufwachsens lassen sich deshalb als wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung ansehen. Sie nimmt insbesondere Einfluss auf die Reduktion von Risikofaktoren, wie zum Beispiel Übergewicht, Bewegungsarmut, psychische Erkrankungen oder Substanzmissbrauch. Sie führt darüber hinaus zu einer wesentli
chen Kostendämpfung in der Gesundheitsversorgung und beugt altersrelevanten Erkrankungen vor.
Die medizinische Infrastruktur für Kinder und Jugendliche, wie zum Beispiel Einschulungs- und Schuluntersuchungen, zahnmedizinische Kontrollen in Kindergärten und Schulen, Frühförderung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, wurde in Sachsen immer weiter ausgebaut. Dennoch gilt es, Lücken bei fehlenden Pädiatern im Bereich Kinderheilkunde, besonders in den ländlichen Räumen, sowie bei Kinder- und Jugendpsychiatern zu schließen. Auch die Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe sind weiter konsequent auszubauen. Die Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendhilfe mit Bildungseinrichtungen unter Einbeziehung der Eltern sollte in Form eines präventiven und integrativen Programms zur kommunalen Familienpolitik gefördert werden.
Eine Verhaltens- und Verhältnisprävention muss so früh wie möglich eingeführt werden und sollte grundsätzlich informeller Bestandteil in den Schulen, den Betrieben, den Medien und bei Kampagnen von Kostenträgern sein. Bereits im Kindes- und Jugendalter sind chronische Erkrankungen ansteigend und keine Seltenheit. Sachsen hat sich an einem Forschungsprojekt für chronisch kranke Kinder und Jugendliche an allgemein bildenden Schulen beteiligt. Eine Auswertung liegt dazu in Berichtsform seit 2006 vor. Als Schirmherrin dieses Projektes habe ich mich sehr intensiv in die inhaltlichen Fragen einzubringen versucht. Deshalb kann ich nur empfehlen, dass diese Daten dringend in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Gerade in den ländlichen Räumen ist eine verstärkte Anstrengung zur Absicherung medizinischer Betreuungsleistungen notwendig. Versorgungs- und Kompetenzzentren, die auch beratende und Weiterbildungsaufgaben der Hausärzte oder ambulant tätigen Fachärzte übernehmen, sollten weiter gefördert werden. Eine Verzahnung von ambulanter, stationärer und rehabilitierender Versorgung muss deutlich verbessert werden, um insbesondere in strukturschwachen Regionen Versorgungsangebote aufrechtzuerhalten.
Auch im Bereich der ärztlichen Versorgungssituation – wir haben hier schon sehr oft darüber gesprochen – sind bereits heute über- und unterversorgte Bereiche sichtbar. Diese bereits angestrebten Initiativen, wie zum Beispiel die finanzielle Besserstellung oder günstige Kreditierung, haben unseres Erachtens noch nicht den notwendigen Erfolg gebracht.
Bei allen Anstrengungen, die durch das Land, die Städte und Gemeinden zur Absicherung der Gesundheitsversorgung geleistet werden, wird das bürgerschaftliche Engagement weiterhin einen wesentlichen Anteil zum Erhalt der sozialen Infrastruktur darstellen. Gerade nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben fördert die ehrenamtliche Tätigkeit in der offenen Altenhilfe, in kulturellen, Bildungs- und Sportangeboten, die eigene Lebensfreude zu erhalten und Wissen an andere weiterzugeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Sicherung im Alter wird wesentliche Diskussionsgrundlage für die kommenden Jahre sein. Auch wenn die Rentengesetzgebung vorwiegend Bundesrecht ist, gibt es ausreichende Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen im Land zu verbessern. Es ist bereits jetzt absehbar, dass sich die Alterseinkommen insbesondere durch die sich verändernden Rentenbiografien stark verändern. Die heutigen Bestandsrentner, vor allem in den neuen Bundesländern, sind im Durchschnitt noch vergleichsweise gut abgesichert. In Zukunft aber wird es aufgrund veränderter Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitslosigkeit eine stärkere Differenzierung von Alterseinkünften geben. Diese betreffen insbesondere Personen in Teilzeitarbeit, Menschen mit niedrigem oder gar fehlendem Schul- oder Berufsabschluss sowie allein erziehende Frauen.
Stabile Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt, qualifizierte Abschlüsse und eine auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgerichtete Familienpolitik sind die besten Instrumente für eine gute Zukunftssicherung. Wir brauchen Anreize für zusätzliche Altersabsicherung und höhere Hinzuverdienstgrenzen, eine Förderung altersgerechter Arbeitsplätze und längerer Erwerbstätigkeit für einen selbstbestimmten, gleitenden Übergang in den Ruhestand auch noch im höheren Alter.
Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich noch einmal für die Zusammenarbeit bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die konstruktiv gearbeitet haben. Ich muss ehrlich sagen: Auch für mich war es eine ganz neue Erfahrung, wie man gemeinsam nach Lösungen suchen und diese auch gemeinsam umsetzen kann. Ich würde gern, wenn es möglich ist, in der neuen Legislaturperiode mit Ihnen zusammen weiter an diesem Thema arbeiten.
Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der Verabschiedung eines neues Jugendstrafvollzugsgesetzes für Sachsen sowie der konzeptionellen Umsetzung im neu gebauten Strafvollzug Regis-Breitingen erlangt der Umgang mit jungen und heranwachsenden Straftätern eine ganz neue Bedeutung.
Zum 01.10.2007 wurde diese zentrale Jugendstrafvollzugsanstalt mit Häftlingen belegt, die in der Regel Mehrfach- und Intensivtäter sind. Ziel des Gesetzes muss es daher sein, in einem erzieherisch ausgerichteten Strafvollzug mit entsprechend ausgerichteter Wiedereingliederung eine zukünftige Straffälligkeit zu vermeiden und somit einer weiteren Verfestigung der Mehrfach- und Intensivtäterschaft entgegenzuwirken.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten intensiv zu den Gesetzesvorlagen diskutiert. Ich muss meinen Vorrednern recht geben: Es ist ein recht unglücklicher Umstand gewesen, dass die mitberatenden Ausschüsse keine Gelegenheit mehr hatten, abschließend zu diskutieren. Das sollte nicht gängige Praxis werden. Ich möchte daran erinnern, dass uns die Föderalismuskommission – wenn ich mich recht erinnere – erst im Frühjahr übertragen hat, dieses Jugendstrafvollzugsgesetz für die Länder umzusetzen.
Herr Bartl, um noch einmal auf Sie einzugehen: Ich muss mich etwas wundern, dass Sie bezüglich der Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen sagen, wir hätten eine Reihe von redaktionellen Änderungen vorgelegt und einen Antrag mit untergejubelt. Ich kann mich erinnern,
dass es eine ganze Reihe von Änderungsanträgen der Koalition gegeben hat und wir darüber diskutiert haben. Deshalb ist Ihre Aussage einfach falsch.
Frau Herrmann, es tut mir leid, wenn Sie das Gefühl hatten, dass Sie durch uns brüskiert worden sind. Über Ihre Aussage war ich etwas erschrocken. Ich denke, dass es trotz mancher unterschiedlicher Auffassung eine recht faire Diskussion im Ausschuss gewesen ist. Wenn Sie sich einmal die Reaktionen zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung vergegenwärtigen, werden Sie feststellen, dass uns die anderen Länder ein ganzes Stück beneiden und sagen: Es ist ein recht fortschrittliches Gesetz; wir hätten uns gewünscht, wir hätten auch die Kraft in der Umsetzung gehabt. Deswegen liegen wir mit unserem Entwurf ganz richtig.
Ich denke, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweisen Einigkeit darüber erzielt haben, dass insbesondere durch intensivere Maßnahmen das Rückfallrisiko vermindert werden muss.
Das Bundesministerium der Justiz hat im Jahr 2003 in Kooperation mit dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, dem Statistischen Bundesamt und der Kriminologischen Zentralstelle erstmalig eine Dokumentation herausgegeben, die sich mit der Rückfallquote auseinandersetzt.
Das Ergebnis, meine Damen und Herren Abgeordneten, ist erschreckend. Die Rückfallhäufigkeit für Jugendliche und Heranwachsende, die aus der Haft entlassen werden, beträgt fast 80 %. Das zeigt einen erheblichen Handlungsbedarf auf. Auffällig ist in dieser Dokumentation aber auch der Unterschied zwischen den Rückfalltätern ohne Bewährung – 77,8 % – und Rückfalltätern mit Bewährung – 59,6 %; das sind fast 20 %; das zeigt, dass ein weiteres wichtiges Augenmerk auf die Sanktionsmaßstäbe zu lenken ist.
Ausgehend vom Gesetzesziel, eine Straftatwiederholung des überführten Jugendlichen bzw. Heranwachsenden zu verhindern, müssen die Sanktionsmaßstäbe im Sinne der Verhältnismäßigkeit notwendig, geeignet und angemessen sein.
Das vorliegende Jugendstrafvollzugsgesetz beinhaltet dahin gehend in seiner Umsetzung eine Reihe von Maßnahmen, die zugleich auch als Chance für die Jugendlichen und Heranwachsenden bei der Strafaufarbeitung und Resozialisierung zu sehen sind. Die Ergänzung im § 4, die Bereitschaft der Gefangenen zur Mitwirkung auch auf Belohnung und Anerkennung auszurichten, soll eine Motivation zur Mitarbeit bei der Erreichung des Vollzugszieles sein. Öffnung des Vollzuges nach innen durch Auf- und Umschluss, Wohngruppenvollzug, Sport- und Freizeitaktivitäten, Vollzugslockerung und Urlaub sind wichtige Angleichungen für eine spätere Wiedereingliede
rung in die Gesellschaft. Erziehung und Förderung sind wesentliche Grundlagen zur Erreichung des Vollzugszieles, um den Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten zu befähigen. Dabei soll auf die Persönlichkeit und die Fähigkeit und Fertigkeit jedes Einzelnen durch differenzierte Angebote eingegangen werden. Diese richten sich nach der Auseinandersetzung mit der eigenen Straftat auf die schulische Bildung, die berufliche Qualifikation, die soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der Freizeit sowie der Außenkontakte.
In einem Änderungsantrag der Koalition wurde deshalb noch einmal unter dem Punkt „Bedienstete“ der ausdrückliche Hinweis auf Fachpersonal wie Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen verankert. Die Vollzugsplanung sollte regelmäßig fortgeschrieben und entsprechend der Entwicklung der Jugendlichen angepasst werden. Ein besonderer Wert wird auch auf die Beteiligung an diesem Prozess durch die Personensorgeberechtigten gelegt, die nach Möglichkeit einen positiven Einfluss zur Erreichung des Vollzugszieles nehmen sollen.
Die Pflege der Familienbeziehungen ist insbesondere für Jugendliche und Heranwachsende sehr wesentlich. Sie haben daher im Gegensatz zum Erwachsenenvollzug eine höhere Priorität im Gesetz erhalten. Kontakte zu Kindern werden unter Berücksichtigung des Erziehungsauftrages und des Kindeswohles besonders gefördert. Dies soll das Verantwortungsgefühl und die Bindung zur Familie stärken.
Ein wesentlicher Aspekt des Gesetzes ist die Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter während des Vollzuges bei der Entlassungsvorbereitung und Nachsorge als sogenannte durchgehende Betreuung. Jugendliche und junge Heranwachsende, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden und die sich zum Zeitpunkt der Haftentlassung noch im Jugendstrafvollzug befinden und deren Haftentlassung vorbereitet wird, benötigen ein stabiles Umfeld bzw. oftmals Unterstützungsangebote, um sich wieder in die Gesellschaft eingliedern zu können.
Eine Rückfälligkeit nach der Haftentlassung soll durch eine optimale, das heißt abgestimmte, koordinierte und frühzeitige Betreuung und Nachbetreuung vermieden werden. Das kann nur bei einer effektiven Kooperation aller Beteiligten erreicht werden. Die Vernetzung aller, die sich mit der Wiedereingliederung von Strafgefangenen beschäftigen, bündelt Wissen und erleichtert Koordination und die Organisation bei den Entlassungsvorbereitungen und einen reibungslosen Übergang in die Freiheit. Auch nach Verabschiedung des Gesetzes sollte uns dieser Punkt der Zusammenarbeit in der Umsetzung weiter beschäftigen, da er unseres Erachtens einer intensiveren Form der Unterstützung der außervollzuglichen Einrichtung und der Organisationen bedarf.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! In den letzten Jahren fand der Strafvollzug in der Öffentlichkeit überwiegend nur dann Beachtung, wenn es wieder einen spektakulären Ausbruch oder irgendwelche
andere Probleme gab. Damit wurde natürlich sofort wieder der Ruf auf intensiveres Wegsperren, konsequentere Sanktionen und Ähnliches laut – etwas zu kurzsichtig, so meinen wir, denn nach der Absolvierung der Haftstrafe ergibt sich wieder eine neue Konfrontation für die Bevölkerung, aber auch für den Entlassenen. Deshalb ist es wichtig, bis zu diesem Zeitpunkt alles zu tun, was ein Zusammenleben wieder auf Vertrauen und gegenseitiger Achtung aufbaut.
Vielen Dank.
Wir möchten gern noch einmal auf das zuletzt Gesagte eingehen, weil uns das natürlich sehr am Herzen liegt. Es ist so, dass sich die Rechtslage durch das Jugendstrafvollzugsgesetz nicht ändert. Es ist in den §§ 76 und 77 eindeutig geregelt, wie mit Gefangenen während oder nach der Schwangerschaft umzugehen ist.
Es gibt einen ganz klaren medizinischen Anspruch. Es gibt ebenso klare Regelungen zur Entbindung. Wir wollen natürlich auch nicht, dass es irgendwelche Ankettungen während der Entbindung gibt. Wir möchten, dass die Würde der Frau gewahrt wird. Der Minister hat uns zugesagt, einen Vermerk dazu in der Verordnung vorzusehen, dass so etwas nicht passiert.
Deshalb halten wir Ihren Antrag nicht für notwendig, weil es gesetzlich geregelt ist.
Herr Bartl, Sie machen es sich jetzt ein bisschen einfach. Sie wissen, wir haben das ausführlich diskutiert, und es hat jeder – ganz egal, ob er schwanger oder krank ist oder etwas anderes hat –, nach dem Gesetz einen Anspruch auf medizinische Versorgung.
Weil uns genau dieses Thema so wichtig war und weil wir es auch kontrollierbar gestalten wollen, haben wir im Ausschuss den Minister gebeten – Sie waren dabei –, das Problem in der Verordnung noch einmal separat zu regeln. Ich verlasse mich auf den Minister, wenn er sagt, dass er dies umsetzt. Es liegt an uns, einfach nachzulesen, ob es auch durchgeführt worden ist.
Ich denke, wir haben das im § 43 eindeutig geregelt. Ich finde sogar, dass unsere Regelung noch etwas weitgehender ist, indem wir hier geschrieben haben: „Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft“. Also hat jeder sogar einen Anspruch, nach seiner Religion einen Seelsorger zu bekommen. Das halte ich für günstiger, als wenn man jemanden – es gibt ja verschiedene Glaubensrichtungen – einer anderen Religion zuordnet.
Auch das ist ganz klar geregelt. Wer keiner Religionsgemeinschaft oder einer Konfession angehört, hat genauso einen Anspruch auf einen Seelsorger.
So verkürzt, wie es gerade dargestellt worden ist, ist es der Entwurf der Staatsregierung gewesen. Wir haben ja noch den Antrag eingebracht, dies zu erweitern – zu den Bediensteten, insbesondere Sozialarbeiter, Psychologen und Pädagogen. Ich weiß, dass der Antrag seelsorgerisch und medizinisch noch etwas weiter gehend wäre, aber die beiden Dinge haben wir besprochen. Die Seelsorge haben wir vorhin besprochen und medizinische Leistungen sind ein Anspruch.
Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass wir vor Kurzem die Abgeordneten für die Beiräte gewählt haben. Es werden immer mehr Leute, die im Geschäft mitmischen. Wir haben so schon eine sehr komplizierte Situation. Wenn die Beiratsmitglieder aus dem Parlament ihre Tätigkeit ernst nehmen, kann man viele dieser Aufgaben mit erfüllen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Legislatur setzen wir uns bisher mehr als sonst mit dem Strafvollzug auseinander. Dies ist sicher der uns übertragenen Aufgabe einer neuen Strafgesetzgebung geschuldet, aber auch der damit verbundenen Chance zu hinterfragen, ob unsere Strafvollzugseinrichtungen den jetzigen Anforderungen entsprechen oder nicht.
Die in der Vergangenheit aufgetretenen Vorkommnisse wie Entweichungen, verbunden mit neuen Straftaten, oder Gewalt in der Haftanstalt haben auch aus der Bevölkerung heraus die Forderung nach mehr Kontrolle und Sicherheit laut werden lassen.
Wenn man sich einmal intensiv mit dem Strafvollzug beschäftigt, wird man schnell feststellen, dass innerhalb der Einrichtung ein gewisses Eigenleben stattfindet. Die aus den unterschiedlichsten Gründen inhaftierten Strafgefangenen müssen sich neuen Regeln und Verhaltensanforderungen stellen. Betreuer, Psychologen und Sozialarbeiter bemühen sich um die Einbindung in das Alltagsleben hinter verschlossenen Türen. Verschiedene Charaktere prallen aufeinander und es ist oftmals schon vorprogram
miert, dass es innerhalb des Strafvollzuges zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt.
Auch das ständige Bemühen, Betäubungsmittel zu erlangen, gehört zum Alltag vieler Gefängnisinsassen. Eine Statistik, die 11,1 % Drogenabhängige in unseren Anstalten ausweist – wie es in der Antwort der Staatsregierung zu lesen war –, kann keinesfalls zufriedenstellen.
Sie selbst, Herr Minister, haben im Zusammenhang mit einem Besuch in der JVA Chemnitz mit Bundestagsabgeordneten festgestellt, dass diese Entwicklung der Drogenabhängigkeit eine erschreckende Bilanz aufweist.
Es ist schon nachdenkenswert, wenn zum Beispiel in Dresden nur eine drogenfreie Station ausgewiesen wird, obwohl es doch eigentlich umgekehrt sein sollte. Ich meine, dass man dann vielleicht eine Station hat, auf der Drogenabhängige sind; aber das sind diejenigen, die gerade erst hineingebracht worden sind. Andersherum sollte es eigentlich nicht sein.
Dies ist eine große Herausforderung für alle Beschäftigten im Vollzug, denen wir von dieser Stelle aus unsere Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen wollen.
Diese Arbeit, meine Damen und Herren, bedingt Teamgeist, ständige Abstimmung untereinander und die personellen Möglichkeiten in der Umsetzung der unterschiedlichen Aufgaben. Es erfordert Angebote entsprechend der Persönlichkeit des Strafgegangenen auf Bildung, Arbeit, Therapie und sinnvolle Freizeitgestaltung.
In der Antwort der Staatsregierung ist erkennbar, dass es ein breites Angebot an all diesen Maßnahmen gibt. Insbesondere das Konzept der neuen Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen weist alle Betreuungs-, Entwicklungs- und Resozialisierungsmaßnahmen auf, die man von einer modernen Einrichtung erwarten kann.
Gerade in den letzten Jahren wurde wesentlich in unsere Vollzugseinrichtungen investiert, um die Haftbedingungen zu verbessern. Sorgen bereitet uns aber die personelle Besetzung insbesondere im psychologischen und sozialen Dienst. Wenn man die Antwort der Staatsregierung genau gelesen hat, wird man feststellen, dass in fast jeder benannten Maßnahme Sozialbetreuer und Therapeuten sowie Psychologen einbezogen sind.
Zunehmend ist die Anzahl persönlichkeitsgestörter Straftäter oder Drogen- und Alkoholabhängiger. Die für diese Straftäter erforderlichen Therapien sind nicht nur für den Strafgefangenen wichtig, sondern auch für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt. Und es geht uns auch um die Gesundheit und Sicherheit des Justizpersonals.
Es ist daher unseres Erachtens notwendig, den Bereich der sozialen und psychologischen Betreuung auf die Umsetzbarkeit der erforderlichen Aufgaben hin zu prüfen.
Positiv sehen wir die vonseiten der Staatsregierung gemachten Anstrengungen, die freien Träger, die ehrenamtlichen Helfer sowie die Bewährungshelfer während der Haftzeit und Entlassungsvorbereitung in die Arbeit des Strafvollzuges einzubeziehen. Diese enge Zusammenarbeit erleichtert dem Strafgefangenen bei seiner Entlassung eine möglichst schnelle Eingliederung in die Gesellschaft und kann damit Rückfälligkeit verhindern.
Dennoch muss es eine klare Trennung der jeweiligen Aufgabenbereiche geben. Ehrenamtliche Helfer oder Betreuungsträger können nicht die Aufgaben des Strafvollzuges übernehmen. Es wäre daher sicher sinnvoll, Herr Minister, klare Regelungen für die Zusammenarbeit zu erzielen und dafür die technischen Voraussetzungen zu schaffen.
Die Entlassungsvorbereitung ist für einen Strafgefangenen eine der wichtigsten Eingliederungshilfen. Wohnung, Arbeit und die weitere Betreuung für die notwendigen Alltagsaufgaben sind weitere wesentliche Kriterien,
Rückfälligkeit vorzubeugen. Im Wesentlichen ist diese Vorbereitung gewährleistet. Auch hier wird sich die engere Zusammenarbeit zwischen Strafanstalt und freien Trägern auszahlen. Die Zusammenarbeit insbesondere mit der Bewährungshilfe sollte intensiver gestaltet und weiter ausgebaut werden.
Allerdings gibt es leider noch Fälle, in denen entlassungsvorbereitende Maßnahmen unterbleiben, wenn der Zeitraum zwischen der gerichtlichen Entscheidung über die Entlassung und dem Entlassungszeitpunkt eine Entlassungsvorbereitung nicht mehr zulässt. Eine bessere Verständigung im Vorfeld sehen wir hier als notwendig an.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich abschließend noch auf die Regelung im Umgang mit Abschiebehäftlingen eingehen. Es ist leider so, dass es keine spezielle gesetzliche Regelung über den Vollzug der Abschiebehaft gibt. Sinn und Zweck der Haft aber sind unterschiedlich: Die Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens, die Strafhaft der Prävention und der Repression – Repression natürlich im rechtlichen Kontext als Aufgabe der Strafverfolgung – und die Resozialisation und die Abschiebungshaft der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass bei der Unterbringung der Abschiebehäftlinge eine Vermischung mit Straftätern und Untersuchungshäftlingen, also Personen, die der Begehung erheblicher Straftaten verdächtig sind, nicht stattfinden sollte.
Bereits in mehreren Anträgen erfolgte über die Jahre immer wieder die Anfrage, inwieweit da eine Veränderung möglich ist. Auch die Staatsregierung hat sich bereits seit 1996 intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt und nach Lösungen gesucht. Leider ist uns bis heute keine Umsetzung gelungen. Diese Trennung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen ist schon deshalb notwendig, weil es klare Unterschiede im Vollzug der Abschiebehaft im Vergleich mit Straf- und Untersuchungshaft, wie zum Beispiel die Möglichkeiten der Telefonate, Briefkontakte, Besuchs- und Bewegungsmöglichkeiten, geben muss.
Auch die Betreuung durch Seelsorger, Rechtsanwälte und Beratungsstellen ist unterschiedlich. Es gibt religiöse Besonderheiten und sprachliche Barrieren.
Aus diesen vorgenannten Gründen bitten wir die Staatsregierung, die bereits 1996 angelaufenen Überlegungen auf getrennte Unterbringung wieder aufzunehmen und voranzutreiben.
Die Taschengeldregelung für Abschiebehäftlinge ist in den letzten Monaten auch Gegenstand der Diskussion
insbesondere in den Anstaltsbeiräten gewesen. Es ist eigentlich unverständlich, Herr Minister, dass der Staatsregierung keine Fälle bekannt sind, in denen es zur Verzögerung von Auszahlungen gekommen ist. Es ist die Regel, dass die Antragstellungs- und Auszahlungsmodalitäten sehr unterschiedlich gehandhabt werden und daher Wartezeiten von über drei Monaten auftreten. Das birgt natürlich die Gefahr der Abhängigkeit von anderen Strafgefangenen in sich.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Entwicklung des Strafvollzugs wird auch in Zukunft der Koalition ein weiteres wichtiges Anliegen sein. Ich denke, dass deshalb die Mitarbeit vieler Abgeordneter aus dem Parlament in den Beiräten der Justizvollzugsanstalten weiterhin sehr informativ und hilfreich sein kann.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass wir – das konnte man heute aus den Debatten der Fraktionen auch erkennen – mit unseren Meinungen sehr eng beieinander sind, auch mit den Problemstellungen. Aber wir sind in der Koalition der Meinung, dass das Thema viel komplexer ist, als es der Entschließungsantrag hergibt, und dass man jetzt nicht einzelne Teile aus diesem Komplex herausziehen sollte. Vielmehr wollen wir gern mit allen Fraktionen im Ausschuss weiter an dem Thema Strafvollzug arbeiten. Wir werden also den Antrag ablehnen.
Danke.
Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts von den vier Strukturfonds der Europäischen Union ist der Europäische Sozialfonds. Es ist die Hauptquelle der Europäischen Union für die finanzielle Unterstützung der Bemühungen, die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und Humanressourcen aufzubauen. Grundlage für die ESF-Förderung bilden die Ziele: Bewältigung des demografischen Wandels, Verbesserung der Beschäftigungschancen im ersten Arbeitsmarkt, Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und auch der Unternehmen, Verbesserung der sozialen Integration, Verbesserung von Bildung und Ausbildung, Nachhaltigkeit sowie Chancengleichheit.
Der Europäische Sozialfonds steht zur Verfügung, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Menschen im Arbeitsmarkt zu halten und Ausbildungsmaßnahmen zu fördern. Das Geld fließt in langfristige strategische Programme.
Das dafür in Sachsen erstellte Operationelle Programm entspricht dem Siebenjahresprogramm der EU 2007 bis 2013. Wie bereits in der Antwort der Staatsregierung erwähnt wurde, kommt dem ESF als einem Instrument der Strukturfonds eine ergänzende Funktion zu. Er kann daher nicht als eigenständiges Politikfeld betrachtet werden. Das ist ohne Frage im Verbund mit weiteren Förderinstrumenten eine große Herausforderung, vor allem in der Umsetzung für die nächsten sieben Jahre.
Wir haben uns oft in Debatten hier im Landtag mit den Zielen der ESF-Förderung in Sachsen auseinandergesetzt. Es ist richtig, Frau Lay, dass dabei die Auffassungen der Fraktionen zu den Zielen sehr unterschiedlich gewesen sind. Aber dass das Parlament nicht in die Gestaltung des Operationellen Programms einbezogen wurde, ist schlichtweg falsch. Sie haben sich dabei, glaube ich, ein Stück weit selbst widersprochen, weil Sie gesagt haben, dass Sie sich bemüht hätten, im Haushalt andere Prioritäten zu setzen. Während Sie sich zu anderen Fragen bekannt haben, arbeiteten wir bereits gemeinsam an diesem Operationellen Programm.
Wenn Sie das Gefühl hatten, dass Sie nicht genug Einfluss nehmen konnten, dann hätten Sie sicherlich einen Antrag zum Operationellen Programm stellen können. Das hat Ihre Fraktion nicht getan. Sie haben zwar zum ESF sehr viele Anfragen und Anträge gestellt, aber direkt zur Bearbeitung des Operationellen Programms habe ich von Ihnen keinen Antrag gefunden.
Selbstverständlich.
Vielleicht gibt es an dieser Stelle zwischen uns ein kleines Missverständnis. Ich gebe zu, dass ich in diese Angelegenheit nicht involviert war, weil ich dem Ausschuss nicht angehöre. Aber hier im Parlament gibt es keinen Antrag unter dem Thema Operationelles Programm/ESF-Förderung.
Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass Sie in die Bearbeitung des Operationellen Programms nicht einbezogen waren. Dass wir Diskussionen zum ESF hatten und von Ihnen viele Anträge vorliegen, hatte ich bereits erwähnt.
Nein,
aber es ging darum, dass Sie angeblich nicht einbezogen worden sind.
Ich habe ja gesagt, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben. Es ist auch richtig, dass das so ist.
Die Koalition hat sich vorrangig für die Verbesserung des Humankapitals ausgesprochen, also für den weiteren Ausbau der Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie des Wissens, das in Personen verkörpert ist und das durch Erziehung, Ausbildung, Weiterbildung und Erfahrung erworben werden kann.
Die Sicherung der Ausbildung des Nachwuchses, die vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung erforderlich ist, und die Förderung von Arbeitslosen haben im neuen Operationellen Programm im Gegensatz zur letzten Förderperiode eine Aufwertung erfahren. Potenzielle Förderbereiche sind weiterhin die Verbesserung der Berufs- und Studienorientierung oder die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen. Präventiv muss weiter Einfluss darauf genommen werden, die Zahl der Schulabgänger mit schlechten beruflichen Perspektiven, wie etwa
Schulabgänger ohne Schulabschluss oder mit abgebrochener Berufsausbildung, zu verringern.
Der Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung sowie der sozialen Eingliederung von benachteiligten Personen kommt große Bedeutung zu. An dieser Stelle ist uns wichtig – und das ist von der Linksfraktion.PDS angesprochen worden –, dass die bereits bestehenden Fördermöglichkeiten über die Bundesagentur für Arbeit und die Träger des SGB II in diesem Bereich in sehr enger Abstimmung und Kooperation mit den Arbeitsagenturen, den ARGEn und den Optionskommunen eingesetzt werden.
Ich bin sehr froh, Herr Minister, dass die doch etwas langwierige Diskussion, ob wir uns bemühen sollten, dass diese Förderprogramme wieder miteinander verbunden werden, auf fruchtbaren Boden gefallen ist und wir diese Möglichkeit wieder haben, weil das sehr wichtig ist.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Debatten erinnern, die in den letzten Monaten insbesondere zum Jugendstrafrecht stattgefunden haben. Über alle Fraktionen hinweg waren wir uns einig, dass präventive Maßnahmen Vorrang vor der Einweisung in den Strafvollzug haben sollten. Die Vernetzung der Förderprogramme ist dazu ein zwingend notwendiger Schritt.
Ein weiterer Schwerpunkt wird nach wie vor die Steigerung der Wirtschafts- und Innovationsfähigkeit sein. Diese zielt auf wirtschaftsnahe Förderbereiche einschließlich Dienstleistungen ab. Die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit ist die entscheidende Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Auch hier kommen Maßnahmen zur Qualifizierung von Fachkräften sowie Fach- und Hochschulabsolventen zum Tragen, für die bei sächsischen Unternehmen vor dem Hintergrund einer zunehmend globalisierten Wirtschaft ein besonderer Bedarf besteht.
Ein neuer Schwerpunkt im Operationellen Programm sind transnationale Maßnahmen, die nicht nur in den grenznahen Regionen, sondern im gesamten Freistaat Möglichkeiten zu grenzübergreifenden Kooperationen bieten. Damit ergeben sich weitere Chancen für unsere Wirtschaft im Wettbewerb in Europa.
Bei allen anstehenden Aufgaben sind die Chancengleichheit von Frauen und Männern und der Abbau geschlechterbedingter Benachteiligungen ein selbstverständlicher Bestandteil.
Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass das Operationelle Programm für den ESF 2007 bis 2013 im Verbund mit den drei weiteren Strukturfonds die konsequente Politik Sachsens seit 1990 fortschreibt. Lebenslanges Lernen, Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial – im Einklang mit der Bewältigung des demografischen und wirtschaftlichen Wandels sind die Herausforderungen, denen wir uns als Koalition stellen wollen und werden.
Am vergangenen Mittwoch fand in Hof die Unterzeichnung des Operationellen Programms für den Europäischen Fonds für die Regionalentwicklung statt. Sachsen
ist bei der Erstellung der Operationellen Programme für die EU-Strukturfördermittel europaweit unter den Vorreitern und startet als eines der ersten Länder in die neue Förderperiode des EFRE. 3,1 Milliarden Euro sind in den nächsten Jahren zu verwalten und umzusetzen. Wichtig ist, jetzt sehr schnell und ohne Zeitverzögerung unbürokratische und für alle verständliche Fördervorschriften zu schaffen.
Den Antrag der PDS-Fraktion lehnen wir ab.
Unter Punkt I können wir natürlich diese Missbilligung nicht mittragen.
Unter Punkt II gehen wir davon aus, dass ausgehend von Punkt I eine völlig falsche Situationsbeschreibung vorliegt. Ich denke, dass eine Rechtsverordnung nicht unbedingt etwas mit dem Parlament zu tun hat. Wenn wir noch über Rechtsverordnungen debattieren wollen, wird das sicherlich eine schwierige Situation, auch von der Zeit her. Ich denke, es steht jeder Fraktion frei, sich sachkundig zu machen, Informationen einzuholen und sich Bericht erstatten zu lassen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Frau Herrmann bereits erwähnt hat, ist der sächsische Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, bis zum Ende des Jahres 2007 Regelungen zum Jugendstrafvollzug zu schaffen. Deshalb ist es wichtig, dass wir rechtzeitig unter Einbeziehung der bereits bestehenden Instrumente und Fördermöglichkeiten ein Gesetz schaffen, das durch effektive Behandlungsmaßnahmen eine erfolgreiche Resozialisierung und damit eine vollständige Integration in die Gesellschaft gewährleistet.
Die nunmehr vorliegende Datengrundlage durch die Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dabei hilfreich sein, wobei ich dennoch anmerken möchte, dass der Umfang der Anfrage leider keinen konkreten Einstieg zur Bearbeitung einzelner wichtiger Themen der Gesamtproblematik leisten kann. Deshalb möchte ich mich auf drei Teile beschränken: erstens die Prävention zur Haftvermeidung, zweitens die Ausrichtung im Jugendstrafvollzug und drittens die Nachsorge zur Vermeidung von Rückfälligkeit.
In den letzten Jahren hat sich ein recht umfangreiches Netz an Angeboten für Jugendliche zur Hilfe, um Straffälligkeiten zu vermeiden, entwickelt. Jugendhilfe, Kommu
nen, Schulen, Polizei, Verbände, Vereine und Elterninitiativen bemühen sich in Zusammenarbeit, Hilfsangebote zu schaffen, die wieder eine Integration in ein ganz normales Leben ermöglichen sollen. Hilfen zur Erziehung durch Familienberatungsstellen sowie Erziehungsbeistände sollen Eltern bei der Bewältigung von Konfliktsituationen und Notfällen, wie starken Verhaltensauffälligkeiten, extremem Leistungsabfall in der Schule, familiären Problemen und Entwicklung zum Außenseiter oder Ähnlichem, helfen. Dabei verfügen die Einrichtungen über gut qualifiziertes Fachpersonal und nutzen die angebotenen Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung.
Dennoch gelingt es trotz aller Maßnahmen nicht, eine Straffälligkeit immer auszuschließen.
Wichtig ist es bei der Aufklärung der Straftat, einen kurzen Zeitraum zwischen Tat und Sanktion zu gewährleisten, um eine wirksame Methode zum Erkennen der Straftat und den dazu veranlassten Sanktionen zu ermöglichen. Die Jugendrichter sollten sich immer vom Erziehungsgedanken leiten lassen, um einen Ausgleich zwischen Erziehung und Hilfe zu schaffen. Die von den Gerichten immer öfter gewählte Form der Zuweisung von Sozialarbeit und dadurch oftmals bedingte Heimunterbringung als Chance vor der Inhaftierung halten wir für sinnvoll und wichtig. In der letzten Zeit hat es diesbezüglich aber oft Probleme bei der Zuständigkeit der Finanzierung zwischen Kommunen und Land gegeben. Es wäre daher sicherlich sinnvoll, Herr Minister, sich mit dieser Problematik noch einmal auseinanderzusetzen, um den Trägern bei der Umsetzung der Maßnahmen Hilfe und Unterstützung zu geben.
Eine Reihe freier Träger beschäftigt sich seit Jahren mit der Eingliederung benachteiligter Jugendlicher. Eine solche Arbeit ist hinsichtlich Kraft und Zeit sehr aufwendig. Oftmals werden derartige Projekte über drei Jahre geführt, insbesondere wenn es um Jugendliche geht, die keinen Bezug mehr zur Alltagsrealität haben. Motivation zum Leben, Integration in den Alltag, Stützunterricht wegen der vernachlässigten Schulbildung, Teillehrabschluss und das Erlangen eines festen Arbeitsplatzes – das alles sind Maßnahmen einer sehr langen Kette. Ich glaube, jeder Träger ist froh, wenn die Jugendlichen diese notwendigen drei Jahre überstehen. Sie bedingen auch eine sehr umfangreiche Fördermöglichkeit der einzelnen Programme, die sich oft aus Justiz, Soziales, Wirtschaft und Mitteln der Arbeitsagentur zusammensetzen. Daher sind wir sehr dankbar, dass sich die Staatsregierung bei der Verabschiedung des Operationellen Programms für die nächsten sieben Jahre wieder zur Kofinanzierung zwischen ESF und Bundesarbeitsmitteln bekannt hat,
weil nur so diese Programme wirklich effektiv geführt werden können.
Wichtig ist aber auch die Arbeit mit jungen Intensivtätern im Freistaat Sachsen. Diese sind für einen überproportio
nalen Anteil der Straftaten Jugendlicher verantwortlich. Deshalb ist das Vorhaben der Staatsregierung zu begrüßen, eine besonders enge Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaften und Jugendeinrichtungen zur Bekämpfung dieser Delikte anzustreben.
Am 14. Dezember des vergangenen Jahres hat der Sächsische Landtag auf Initiative der Koalitionsfraktionen einen Antrag zum Thema „Künftiger sächsischer Jugendstrafvollzug“ beschlossen, mit dem die Staatsregierung ersucht wurde, unter Beachtung bestimmter Mindeststandards gesetzliche Regelungen zu erarbeiten. Am Ende des Diskussionsprozesses muss es Regelungen zum Strafvollzug geben, die gute Voraussetzungen für einen sicheren und anspruchsvollen Vollzug in Sachsen bilden. Ich möchte deshalb hier noch einmal unsere Mindestanforderungen benennen:
Der Vollzug muss jugendspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen und übergreifend erzieherisch wirken.
Die Festschreibung von effektiven Behandlungsmaßnahmen wie Sozialtherapie und eine Beschäftigungsquote soll erfolgen.
Die Priorität im Vollzug muss auf schulischen und beruflichen Maßnahmen vor Zuweisung von Arbeit liegen. Alle jungen Gefangenen mit Defiziten im schulischen Bereich müssen entsprechende Maßnahmen angeboten bekommen.
Wir brauchen zukünftig eine qualifizierte Forschung über die Wirkungen und die Einbeziehung kriminologischer Erkenntnisse.
Die Unterbringung muss entsprechend der persönlichen Eignung und im Sinne des Erziehungsauftrages erfolgen. Es gilt der Grundsatz der Einzelunterbringung bei Nacht. Jugendliche und Heranwachsende sollen in kleineren Wohngruppen, deren Größe sich nach dem Erziehungsauftrag bemisst, untergebracht werden. Auch die Abteilungen sind nach Förderschwerpunkten differenziert in angemessener Größe zu bilden.
An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass es zur Unterbringung Jugendlicher sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Nicht alle erachten einen Strafvollzug nur mit Jugendlichen als sinnvoll, sondern plädieren eher für eine Mischung von Alt und Jung, weil sich viele junge Leute bei Problemen eher älteren Bezugspersonen anvertrauen.
Weiter aus unserem Maßnahmenkatalog:
Die Zusammenarbeit des Strafvollzugs mit der Jugendhilfe, dem Sozialen Dienst der Justiz und den freien Trägern der Straffälligen- und Jugendhilfe zur Entlassungsvorbereitung soll eine klare Regelung erfahren.
Maßnahmen zur Schuldenregulierung müssen festgeschrieben werden.
Geregelt werden soll auch die Mitwirkung der Angehörigen beim Vollzug.
Zur Sicherung eines nahtlosen Übergangs in die Freiheit ist eine Nachsorge durch die Bewährungshilfe, die bereits während des Vollzugs gestellt wird, weiter auszubauen.
Wir wollen eine zweijährige Berichtspflicht über die Lage des sächsischen Jugendstrafvollzugs, um Schlussfolgerungen für die Weiterbildung der gesetzlichen Regelungen treffen zu können.
Diese angesprochenen Punkte werden auch zur Sicherheit in den Anstalten beitragen. Beschäftigung und sozialtherapeutische Maßnahmen schützen vor Aggressionen. Wichtig ist, dass unser Gesetz die Voraussetzungen dafür bietet, dass die jungen Gefangenen nach der Entlassung aus der Haft ein straffreies Leben führen können. Die Übersichten zeigen, dass die Jugendkriminalität bei den Tatverdächtigen nach Fallzahlen rückläufig ist, aber der prozentuale Anteil der Heranwachsenden im Verhältnis zur Anzahl der Tatverdächtigen insgesamt noch ansteigt.
Zu beachten ist außerdem, dass Sachsen beim Anteil der Tatverdächtigen im Vergleich der Bundesländer bei den strafmündigen Kindern zwar unter dem Bundesdurchschnitt, jedoch bei den Jugendlichen im Altersbereich zwischen 14 und 18 Jahren und bei den Heranwachsenden im Altersbereich zwischen 18 und 21 Jahren über dem Bundesdurchschnitt liegt. Statistiken beweisen, dass die Rückfallquoten hoch sind. Eine durch das Bundesministerium der Justiz im Jahre 2003 herausgegebene Rückfallstatistik hat ergeben, dass die Rückfallquote bei jungen Tätern, die zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt wurden, mehr als 75 % beträgt.
Deshalb müssen wir dringend den gesamten Bereich Nachsorge und Haftentlassung noch einmal an verschiedenen Punkten überdenken. Beispiele sind die Arbeit der Bewährungshilfe, Zuweisung von Wohnraum, Hilfe bei Ausbildungs- und Arbeitsplatzfindung, Integration in das Alltagsleben und Begleitung in den ersten Monaten; vielleicht ähnlich, wie es beim Maßregelvollzug geregelt ist. Das sind unseres Erachtens notwendige Maßnahmen, um die Rückfallquoten zu verringern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unsere Kinder vor Straffälligkeit zu bewahren. Die Erziehung obliegt erstrangig dem Elternhaus. Jedoch müssen Jugendämter und insbesondere die Schulen Erziehungsdefizite zeitnah erkennen und diesen entgegensteuern. Wir haben die Chance, in der neuen Gesetzgebung auf die notwendigen Maßnahmen und Förderstrukturen einzugehen. Dabei muss man auch neue Wege gehen können. Ich hoffe, dass uns das gemeinsam im Interesse der Entwicklung der jungen Menschen zu mehr Eigenständigkeit gelingt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und der SPD. 1. Vizepräsidentin Regina Schulz: Die Linksfrakti- on.PDS ist an der Reihe. Herr Bartl, bitte. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drucksa- che 4/7383, das Werk, das der heutigen Debatte zugrunde liegt, umfasst einschließlich der statistischen Anlagen 259 Seiten, 18 Seiten Anfragen und Begründung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Rest Antwort der Staatsregierung. Die Antwort datiert vom 20. Febru- ar 2007. Ausgegeben wurde sie am 27. Februar 2007, mithin vor 17 Tagen. Ich habe Frau Vizepräsidentin so verstanden, dass es beim allerbesten Willen nicht zu leisten war, in den Tagen, die uns seither blieben, die ganze Breite der behandelten Komplexe zu erschließen. Frau Herrmann wiederum habe ich so verstanden, dass es heute um einen Impuls geht, sich mit der Materie zu befassen, und zwar mit dem Ziel, die Erkenntnisse, die – was wir nicht vergessen dürfen – in mühsamer Arbeit zusammengetragen worden sind, sinnvoll in die weitere Arbeit einzubeziehen. Wenn wir Große oder Kleine Anfragen stellen, dann gibt es niemanden, der diese virtuell beantwortet. Das machen regelmäßig Staatsanwälte, Richter oder Mitarbeiter vor Ort, die dafür mitunter für Tage oder Wochen aus der Rechtsprechung herausgezogen werden. Sie beklagen immer wieder, dass sie in dieser Zeit keine Fälle erledigen konnten, weil sie unsere Fragen beantworten mussten. Ich meine: Das muss sein und gehört zu unserem Geschäft. Alle Abgeordneten müssen Anknüpfungstatsachen erfra- gen dürfen, um mit Kompetenz Lösungsvorschläge ins Parlament einzubringen. Aber die Antworten dürfen nicht nur auf das Papier geschrieben werden, sondern wir haben mit aller Vehemenz zu gewährleisten, dass wir aus dieser Arbeit, die andere für uns leisten, etwas machen. (Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)
Deswegen appelliere ich ebenso wie Frau Herrmann, dass dieses Papier intensiv in seinen Komplexen von uns durchleuchtet wird, wir uns entsprechend den Mitteln, die wir haben, in weiteren Anhörungen sowie in den Fachausschüssen damit befassen und das in entsprechenden Gesetzgebungsakten berücksichtigen; dass wir uns also den Gehalt dieser Großen Anfrage zu eigen machen. Das ist die erste Schuld, die wir gegenüber denjenigen haben, die das dankenswerterweise sehr substanziell zusammengetragen haben.
Wir haben, was die momentane Aufarbeitung des Gegenstandes betrifft, aus unserer Sicht folgende Bemerkungen, die sich in erheblichem Umfang mit dem decken, was Frau Herrmann hier sehr kompetent vorgetragen hat.
Erstens. Laut Polizeistatistik haben wir einen Rückgang der aufgeklärten Delikte der Jugendkriminalität bei den deutschen Tatverdächtigen und bei den nicht deutschen Tatverdächtigen hinsichtlich des prozentualen Anteils an der Gesamttatverdächtigenzahl.
Über die Unwägbarkeiten der Polizeistatistik brauchen wir uns hier nicht näher zu verständigen. Darin sind auch die Verdächtigen enthalten und es ist mitnichten jede Zahl belastbar. Ein nicht geringer Teil der in der Polizeistatistik Enthaltenen wird später als unschuldig erkannt bzw. das Verfahren wird eingestellt oder keine Schuld festgestellt.
Frau Herrmann hat bereits ausgeführt, dass diese 30 % Rückgang in den Jahren seit 1999 beachtlich und positiv sind. Welchen Einfluss dabei der Rückgang des Anteils der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung spielt, wurde hier nicht ausgeführt. Das dürfte aber in den jetzigen Altersgruppen noch nicht relevant sein. Es sind also tatsächlich Ergebnisse der Prävention oder der Bekämpfung der Kriminalität, die zu positiven Ergebnissen geführt haben. Wir müssen also unser Licht nicht unter den Scheffel stellen.
Ich mache mir die Schlussfolgerung von Frau Herrmann zu eigen, dass deshalb die Frage zu stellen ist, womit sich die Rufe nach schärferen und drastischeren Jugendstrafbestimmungen rechtfertigen lassen. Das kann auch ich nicht erkennen. Das sind allenfalls Reflexionen auf extreme Einzelfälle. Jeder extreme Einzelfall ist einer zu viel, jede Straftat ist eine zu viel. Darin sind wir uns völlig einig. Aber die Zahlen, die uns jetzt vorliegen, geben mitnichten eine Rechtfertigung dafür her, nach Verlängerung und Verschärfung von Strafen, nach der Veränderung der Altersgrenzen für das Erwachsenenstrafrecht etc. zu rufen.
Zweitens. Das Land Sachsen, für das wir im Parlament Verantwortung tragen, liegt in der Kriminalitätsbelastung Jugendlicher und Heranwachsender unverändert deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das ist einfach eine Realität. Ausgenommen davon ist der Prozentanteil nicht erwachsener Tatverdächtiger, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Der Ausländeranteil ist also niedriger als in den anderen Bundesländern. Das ist auch eine Botschaft.
Woraus sich wiederum der Umstand ergibt, dass in Sachsen ein größerer Anteil Jugendlicher und Heranwachsender straffällig wird, ist noch nicht belastbar erforscht. Das wird durch die Große Anfrage nicht erklärt und kann es auch nicht. Wir wissen nicht, worauf das beruht. Das ist eine unbefriedigende Situation und wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir hier zu verlässlichen Daten kommen.
Es lässt sich aber feststellen, dass Sachsen seit Jahr und Tag eines der Länder der Bundesrepublik Deutschland ist, das sich durch einen relativ hohen Anteil verordneter Untersuchungshaft gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden auszeichnet, wenngleich ich mit großer Sympathie verfolge, dass der Anteil der Jugendlichen, die in Untersuchungshaft genommen worden sind, in den Jahren deutlich rückläufig ist. Es gibt jetzt eine durchaus größere Bereitschaft, auf andere Maßnahmen auszuwei
chen. Aber es gibt nach wie vor die Tatsache, dass wir mit unserem Anteil an verhängten Jugendstrafen fast doppelt so hoch wie die anderen Bundesländer liegen, ohne dass damit eine geringere Quote der Jugendkriminalität erreicht wurde. Das zeigt wiederum, dass die Schwere der Strafe keinesfalls mit Effekten bei der Zurückdrängung der Kriminalität gekoppelt ist. Dieser Zusammenhang besteht offensichtlich nicht.
Drittens. Es bleibt dabei, dass auch in Sachsen der Anteil Rückfälliger bei Jugendlichen, gegen die freiheitsentziehende Maßnahmen zur Anwendung kamen – die also in Arrest gingen oder Jugendhaftvollzug erlitten haben – deutlich höher ist als der Rückfallanteil bei Jugendlichen, gegen die sogenannte Zuchtmittel, Erziehungsmittel oder eben die Aussetzung der Jugendhaft zur Bewährung zur Anwendung kamen. Auch hier bin ich der Auffassung, dass wir die Realität zur Kenntnis nehmen sollten.
Herr Staatsminister, ich bin generell etwas stutzig geworden, als ich die Antwort auf die Frage zu U-Haft-Vermeidungsprojekten las. Nun war die Frage so gestellt: Was könnten wir denn einsparen, wenn wir U-Haft-Vermeidungsprojekte anstelle von Untersuchungshaft bei Jugendlichen nehmen? Darauf antwortet der Staatsminister: Nach Aushandlung mit den Jugendhilfebereichen kostet uns ein U-Haft-Vermeidungsplatz pro Tag zwischen circa 117 und 147 Euro, während uns der Haftplatz circa 69 Euro kostet. Das mag ja so sein, aber wenn man daraus die Schlussfolgerung zieht, dann machen wir eben mehr Untersuchungshaft, weil es billiger ist, ist das irgendwie etwas kurzschlüssig. Ich denke, das rechnet sich andersherum bei Rückfallquoten allemal wieder, wenn ich vorher interveniere und nicht gleich inhaftiere.
Viertens. Entgegen der gefühlten Bedrohung durch vermeintlich schwere Kriminalität jugendlicher Heranwachsender zeigt die Statistik: Mehr als die Hälfte der von dieser Altersgruppe begangenen Straftaten sind Diebstähle ohne erschwerende Umstände – sprich: einfache Ladendiebstähle –, Sachbeschädigungen – darunter fallen Graffiti-Schmierereien etc. –, Beleidigungen und Ähnliches mehr. 2005 waren um die 9 000 der 15 000 Straftaten Jugendlicher der Kategorie der leichten Kriminalität zuzuordnen. Das müssen wir einfach feststellen. Es ist also mitnichten so, dass in diesem Lande Halbwüchsige marodierenderweise in Serie herumziehen, sondern es sind in der Regel relativ leichte Straftaten, die die Masse ausmachen. Auch das sollte der Antwort entnommen werden.
Fünftens. Die Antwort der Staatsregierung auf die Anfragen zu jugendkriminalpräventiven Konzepten – meine Kollegin Klinger wird dazu noch etwas sagen – ist ausführlich. Sie signalisiert, dass die Staatsregierung die Breite kennt. Ich bin für die Herangehensweise der Frau Vizepräsidentin an die Thematik mit der Erörterung dieser Problematik kriminalpräventiver Konzepte, Therapien etc. sehr dankbar. Aber bei der realen Existenz dieser Projekte und der Verfügbarkeit im Einzelnen – auch
flächendeckend, je nachdem, wo der betreffende Jugendliche ist – haben wir noch ganz erhebliche Defizite.
Ein Problem sind letzten Endes die Zahlen dieser kriminalpräventiven Projekte, die eine wesentliche Rolle spielen können, wenn sie eingeführt sind und wirksam werden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zu 3.3 erfragt, was seit 1990 an finanziellen Mitteln für kriminalpräventive Projekte ausgegeben worden ist. Das muss man sich mal überlegen: Seit 1999 erhielt die Integrationsgesellschaft Freital für berufliche Wiedereingliederung benachteiligter Jugendlicher 1 780 DM. Im Jahre 2000 gab es sachsenweit vier Vereine, die für Suchtprävention für Kinder und Jugendliche, Schülermediation, pädagogische Maßnahmen im Mädchenschutzhaus und freizeitpädagogische Maßnahmen zwischen 3 600 und 14 940 DM erhielten. 2001 gab es eine einzige kriminalpräventive Maßnahme. Sie lief bei der Integrationsgesellschaft Sachsen in Freital. Es war eine freizeitpädagogische Maßnahme mit 6 450 DM. Im Jahr 2002 unterstützte eine kriminalpräventive Maßnahme pädagogische Maßnahmen im Mädchenschutzhaus mit 3 540 Euro. Summa summarum sind das, auf die letzten sechs Jahre berechnet, ganze 48 000 DM oder 24 000 Euro, die wir in kriminalpräventive Projekte investiert haben. Das ist schlicht und ergreifend zu wenig. Zu solch einem Spottpreis bekommen wir greifende Prävention mit Sicherheit nicht hin. Das ist letztendlich auch unsere Auffassung.
Sechstens. Die erste grundsätzliche Lehre, die wir aus unserer Sicht aus der Antwort ziehen, ist: Wir stehen im Freistaat Sachsen vor einem Richtungsentscheid auf dem Gebiet der Jugendkriminalitätsbekämpfung, der Jugendkriminalitätsprävention, der Jugendstrafpolitik und der Vollzugspolitik, nicht nur in Sachsen, sondern in der gesamten Bundesrepublik Deutschland: Setzen wir weiterhin, wie in den letzten Wochen und Monaten die verschiedensten Initiativen aus den Bereichen der konservativen Politik kamen, auf Kriminalrepression. Das heißt, dass wir Strafe verschärfen, Jugendstrafrecht nicht mehr auf Heranwachsende anwenden, die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche einführen, den Strafrahmen für Jugendliche von zehn auf 15 Jahre erhöhen wollen, die höchsten Zeiten der Jugendstrafen verlängern etc. pp. Oder aber wir setzen Zeit, Geld, Mittel, Geist, personelle Ressourcen usw. für die Kriminalprävention ein, das heißt für die frühzeitige Intervention gegenüber kriminell gefährdeten Menschen und in die Veränderung sozialer Bedingungen, die in diesem Lande nicht selten Ausgangspunkt für strafbares Handeln von Jugendlichen und Heranwachsenden sind.
Das kommt in der Anfrage logischerweise nicht zur Behandlung, weil es so nicht gefragt war. Die Krisen des Sozialstaates bewirken zunehmende Veränderungen in der sozialen, politischen und in den strukturellen Rahmenbedingungen für soziale Jugendpolitik und soziale Arbeit. Die Tatsache, dass immer mehr Kinder und Jugendliche in Familien aufwachsen, die vermehrt von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialem Ausschluss bedroht und belastet
sind, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Sie hat auch einen kriminologenen Hintergrund. Demzufolge müssen mobile Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit viel stärker als gewichtige Integrations- und Aktivierungsfunktion in die Politik eingebracht werden.
Wir müssen mit den Mitteln des Landtages dafür Sorge tragen, dass wir im Freistaat Sachsen mehr Möglichkeiten schaffen, um dort, wo wir nicht von vornherein die sozialen Bedingungen für die Menschen verändern können, zumindest durch freizeitbegleitende Angebote und sinnvolle Angebote im Freizeitbereich diesen Faktoren entgegenzuwirken. Der Satz „Kriminalprävention ist humaner als Kriminalrepression“ gilt mit Gewissheit auch bei Jugendlichen und ist auch für die Opfer wesentlich produktiver; denn „Opfer“ heißt immer, dass es vorher eine Straftat gab. Opfer gibt es nicht, wenn ich vorher durch Prävention vermeide, dass es zur Straftat kommt. Deshalb sollte unser Gewicht weiterhin darauf liegen.
Danke schön.
Vielleicht erst einmal eine kurze Anmerkung an meine Kollegin Dr. Raatz zur musikalischen Ummantelung: Bei uns würde das vielleicht heißen: „Kummt ihr Leitle, schiebt a bissel!“
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, obwohl es schon ziemlich spät ist, auch einmal ein wenig Lokalpatriotismus zu betreiben, weil die Bahn schließlich fast unmittelbar vor meiner Haustür fährt.
Es ist in der Tat so, es hat ein wenig Unruhe in der letzten Zeit gegeben, sicher auch durch Ihren Brief, Herr Minister, und die Dinge, die dazu noch in der Presse erschienen sind. Man hat ein bisschen was dazugetan und ein bisschen was in der Presse weggelassen. Dann war die Unruhe natürlich besonders groß. Ich denke, es ist wirklich nur ein ziemlich großes Missverständnis gewesen. Das habe ich im Nachhinein durch die Gespräche so eingeschätzt.
Manchmal kann eine solche Aufregung gar nicht schaden. Es kommt viel in Bewegung. Das haben wir gesehen. Merkwürdigerweise gewinnt man auch dadurch plötzlich viele neue Mitstreiter, wie das zum Beispiel mit der FDPFraktion ist. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut.
Sie haben das ja in Ihrem Antrag gezeigt. So haben wir natürlich jetzt die Debatte im Landtag, um nun auch noch den letzten Zweiflern klarzumachen, dass es bald wieder Dampf im Weißeritzkreis geben wird.
Herr Zastrow, ich muss Ihnen und Ihrer Fraktion meine Bewunderung aussprechen, wie es Ihnen immer wieder gelingt, auf Züge aufzuspringen, die eigentlich noch gar nicht vor Ort sind. Ich kann Ihnen sagen, da kann man sich manchmal ganz schöne Blessuren holen.
Auf jeden Fall war es so, dass sich alle die, die sich schon seit Jahren um den Wiederaufbau der Weißeritztalbahn bemühen, am ersten Adventswochenende zum 8. Kleinbahnfest versammelt haben. Sie wissen, dass es dann immer auf der Strecke, die noch intakt ist, eine kleine
Fahrt gibt. In diesem Jahr gab es eine Besonderheit, und zwar sind wir diesmal etwas später losgefahren. Wissen Sie, warum? Wir haben nämlich auf Sie gewartet. Leider ist wieder einmal, zum achten Mal, keiner gekommen.
Wir haben uns dann bei einem Glas Glühwein im Salonwagen überlegt, was Sie eigentlich mit dem Antrag bezwecken. Wir haben gar nicht lange nachdenken müssen. Wir sind dahintergekommen: Sie wollen sich wieder einmal einen Orden an die Brust heften, der überhaupt nicht an Ihre Brust gehört;
denn es sind letztlich nicht Sie gewesen, die darum gekämpft haben, sondern es sind vorrangig die Menschen im Weißeritzkreis gewesen und in ganz besonderem Maße die Interessengemeinschaft Weißeritztalbahn, die seit Jahren im Ehrenamt Sonderfahrten organisiert, um die Erinnerung an die Bahn wachzuhalten, also sprich: seit 2002.
Ich habe sehr großen Respekt vor dem Engagement dieser Interessengemeinschaften und ich möchte einmal von dieser Stelle aus meinen ganz herzlichen Dank aussprechen.
Der Landtag hat die Hausaufgaben gemacht. Die 10 Millionen Euro Kofinanzierung der Bundesmittel sind im Haushalt eingestellt, die regionalen Mittel sind bereitgestellt, der Verkehrsvertrag zwischen BVO und VVO ist unterschrieben und sichert die Bestellung eines regelmäßigen Linienverkehrs. Für den Bauabschnitt von Freital nach Dippoldiswalde sind Ausschreibungsunterlagen um die Verkehrssicherung und den Bau fertig, und sie werden im Sächsischen Ausschreibungsblatt sowie im Amtsblatt der EU noch im Dezember 2006 ausgeschrieben und veröffentlicht. Die Förderbescheide vom Regierungspräsidium Dresden liegen dazu komplett vor. Der Baubeginn ist für Ende Januar 2007 angesetzt, und im Dezember 2007 soll die Inbetriebnahme der Strecke Freital bis Dippoldiswalde mit sechs Regionalzügen erfolgen.
Für den Bauabschnitt von Dippoldiswalde nach Kipsdorf werden die Planungen ab Januar 2007 zielstrebig fortgesetzt. Baubeginn soll Mitte 2007 ab Ulberndorf sein. Ab August 2008 hoffen wir, dass die Gesamtfertigstellung bis Kipsdorf geplant werden kann.
Sie sehen, wir werden die gesamte Strecke wieder aufbauen. Ich hoffe, dass wir zur 150-Jahr-Feier – das ist am 03.09.2008 – auch in Kipsdorf die Kleinbahn in Betrieb nehmen können.
Dennoch, meine Damen und Herren, muss es erlaubt sein – das ist auch schon angesprochen worden –, dass man nach wie vor über neue Konzepte nachdenkt, um eine langfristige Betreibung sicherzustellen. Deshalb hat vielleicht manches etwas länger gedauert, als uns allen lieb gewesen ist. Zu diesen Dingen, meine Damen und
Herren Kollegen von der FDP, gehört eben etwas mehr als nur ein Antrag und ein Bekenntnis.
Ich lade Sie ein, so wie ich Mitglied der Interessengemeinschaft zu werden. Wir werden in den nächsten Jahren jeden Cent und jeden Mitstreiter brauchen können.
Ihren Antrag werden wir, weil er einfach nicht mehr sinnvoll ist, ablehnen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Vollzugsziel der neuen gesetzlichen Regelung zum künftigen Jugendstrafvollzug soll sein, die Persönlichkeit eines inhaftierten jungen Menschen so zu entwickeln, dass er
künftig zu einem straffreien Leben in Freiheit befähigt wird.
Es geht dabei um Resozialisierung und Integration in die Gesellschaft nach dem Strafvollzug und um die Übernahme sozialer Verantwortung. Optimal wäre es natürlich, wenn es gar nicht erst zu einer Inhaftierung käme. Denn wenn sich die Türen in einem Strafvollzug geschlossen haben, ist dies für eine bestimmte Zeit etwas Endgültiges. Es gibt bereits eine Reihe von Trägern, die straffällige und von Straffälligkeit bedrohte Jugendliche, die sich nicht mehr über die normalen staatlichen Projekte einordnen lassen, in Projekten betreuen und damit eigentlich die Aufgabe erfüllen, die wir in unserem Koalitionsantrag zum Ziel haben.
Ich denke, das ist eine außerordentliche Herausforderung für die Träger, die bereits Früchte trägt und hilft, den Weg in den Strafvollzug zu vermeiden.
Auch unsere Gerichte entscheiden sich zunehmend dafür, einer Zuweisung an einen Verein mit den entsprechenden sozialen Auflagen an den Verurteilten Vorrang vor einer Inhaftierung zu geben, um nochmals eine Gelegenheit zu persönlichen Veränderungen einzuräumen.
Trotz all dieser bereits positiven Ansätze werden wir auch weiterhin einen Jugendanteil im Strafvollzug nicht ausschließen können. Der vorliegende Antrag ist ein klares Bekenntnis, wie wir uns als Koalition zu den Problemen junger Menschen stellen, die den Strafvollzug leider nicht umgehen konnten.
Schule, Bildung, berufliche Qualifikation, arbeitspädagogische Angebote und, wenn möglich, auch die Zuweisung von Arbeit entsprechend der Persönlichkeit, den Vorkenntnissen und der Eignung sind wesentliche Grundlagen, um eine erfolgreiche Aufarbeitung der Straftat zu erreichen, aber auch dem inneren Antrieb Kraft zu verleihen, die Möglichkeit auf eine wirkliche Chance zur Eingliederung nach dem Strafvollzug zu nutzen.
Aus meiner Arbeit im Anstaltsbeirat habe ich die Erfahrung gemacht, dass gerade für junge Menschen im Vollzug Bildung und Arbeit ganz oben im Rang der Wünsche stehen und dass der Entzug dieser Angebote als Disziplinarmaßnahme als eine der höchsten Bestrafungen empfunden wird.
Nun ist es trotz der sehr großen Bemühungen bisher nicht immer gelungen, die Angebote auf Bildung und Arbeit zu ermöglichen. Deshalb müssen wir uns dieser Aufgabe stellen.
An dieser Stelle danke ich Herrn Staatsminister Mackenroth dafür, dass er sich schon oft dieser Probleme angenommen hat. Ich denke, Herr Minister, wir haben gezeigt, dass man in guter Zusammenarbeit Probleme nicht nur benennt, sondern auch lösen kann.
Ein zweiter, sehr wesentlicher Bestandteil unseres Antrages ist die Verbindung zu Familie, zu Freunden, aber auch zu den Menschen, die den Jugendlichen bereits im Vorfeld des Strafvollzugs betreut haben. Diese sozialen Kontakte sind deshalb so wertvoll, weil viele Strafgefangene oftmals das Gefühl haben, den Boden unter den Füßen zu verlieren und nach Verbüßung der Strafe nicht mehr in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Ein beständiger Außenkontakt zu funktionierenden Strukturen, die Gewährung von Lockerungen, Hafturlaub und viele weitere Maßnahmen – so weit es zu verantworten ist – werden sich positiv bei der Wiedereingliederung gestalten.
In Zusammenarbeit mit der Anstalt, den Bewährungshelfern und den unterstützenden Bezugspersonen kann damit die Rückfallquote, die heute noch relativ hoch ist, verringert werden. Nachsorge in Form von Übergangshäusern und sozialer Absicherung sind weitere wichtige Einstiegsmaßnahmen, um wieder leichter dem Alltag zu begegnen. Nachsorge heißt aber auch, Strukturen zu schaffen und abzusichern, die eine Nachsorge ermöglichen. Hier schließt sich wieder der Kreis zu den von mir zu Beginn meiner Rede erwähnten freien Trägern, die mit ihren Sozialarbeitern die weitere Begleitung in unserem Auftrag übernehmen sollen.
Es steht außer Frage, dass an diese Träger ein sehr hoher fachlicher Anspruch gestellt werden muss. Wir beauftragen uns mit diesem Antrag, die Trägerfunktion zu stärken und zu unterstützen, das heißt auch, die oftmals wechselnden Förderstrukturen unbürokratisch und zeitnah anzupassen – so weit wir darauf Einfluss haben –, um auch den Trägern die Chance der Umsetzung zu geben. Ich denke dabei zum Beispiel an die Förderung durch ESF-Mittel oder die Möglichkeit der Verknüpfung über ALG II. Mit den dazu bereits begonnenen Gesprächen zwischen dem Wirtschaftsministerium und uns sind wir auf dem richtigen Weg, auch dafür meinen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich mir durchaus bewusst bin, dass unsere Vorschläge zur Förderung Jugendlicher im Strafvollzug in der Öffentlichkeit nicht immer auf Verständnis und Zustimmung stoßen, zumal viele junge Menschen außerhalb der Gefängnismauern unsererseits Unterstützung erwarten. Dennoch sollten wir bedenken, dass es im Strafvollzug nicht nur Mörder und Vergewaltiger gibt, sondern auch viele junge Strafgefangene, die zum Teil durch sehr unglückliche Lebensumstände in diese Situation gekommen sind und dankbar für diese Unterstützung sein werden. Genau diese Menschen sollten es uns wert sein, ihnen eine Zukunftschance zu geben. Mancher Familie, aber auch der Gesellschaft wird eine nicht unerhebliche Sorge abgenommen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich nehme die Wahl an. Ich bedanke mich und freue mich auf die Zusammenarbeit.