Friederike de Haas
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Weltoffenheit ist Voraussetzung wissenschaftlicher Exzellenz“, so heißt es im ersten Satz des Nationalen Integrationsplanes zum Thema Wissenschaft. Das ist in einer internationalen Welt selbstverständlich, aber es ist eben auch ein politischer Auftrag.
Sachsens Hochschulen stehen im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Studenten aus aller Welt. Dabei werden wir auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn es uns in
unserem Land gelingt, eine Kultur des Willkommens zu etablieren, eine Kultur des Willkommens nicht nur, aber eben auch für ausländische Studierende.
Es ist schon gesagt worden, dass sich seit 1993 die Anzahl der hier lebenden Studierenden verdreifacht hat. Inzwischen ist jeder zehnte Studierende an sächsischen Hochschulen und jeder vierte Absolvent unserer Kunsthochschulen ein Ausländer. Diese Ausländer bilden damit eine der größten Gruppen der in Sachsen lebenden Ausländer. Sie setzen eine jahrhundertewährende Tradition, eine gute Tradition an sächsischen Universitäten, fort. Sie bringen vielfältige Kompetenzen mit, und sie tragen so zur Innovation in Forschung und Lehre an unseren Hochschulen bei. Das ist unersetzlich für Sachsen, nicht zuletzt auch dann, wenn wir an die Herausforderungen des demografischen Wandels denken.
Meine Damen und Herren, Sachsen ist gut aufgestellt. Seine reiche Geschichte, seine vielfältige Kulturlandschaft, seine internationale Anerkennung als Studienstandort und Standort von Wissenschaft und Innovation sind Pfunde, mit denen wir wuchern können.
Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage unter ausländischen Studierenden seitens des Instituts für Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden hat ergeben, dass sich jeder Dritte der Befragten aufgrund des Studienangebots für Dresden entschieden hat, und jeder Vierte entschied sich für Dresden, weil Freunde und Bekannte schon hier studieren. Eine Mehrheit der ausländischen Studierenden ist sehr zufrieden mit Dresden und würde diesen Hochschulstandort weiterempfehlen.
Meine Damen und Herren, dennoch, für eine wirkliche Kultur des Willkommens werden wir uns weiterhin anstrengen müssen; denn leider sind ausländische Studierende auch immer wieder direkt oder indirekt von Fremdenfeindlichkeit und gewalttätigen Übergriffen betroffen. Der Imageschaden, den unser Land damit in der Welt erleidet, ist verheerend. Auch deshalb ist es richtig und wichtig, dass die rechtsstaatliche Antwort auf entsprechende Straftaten und Übergriffe klar und deutlich ausfällt. Es ist mir wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen, dass unser Engagement zum Erhalt eines weltoffenen und toleranten Sachsen auch immer Engagement für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulstandorte ist.
Um dem steigenden Bedarf an akademischen Fachkräften zu entsprechen, muss aber auch die bestehende Hochschulinfrastruktur für ausländische Studierende attraktiv sein. Mit der Verabschiedung des Hochschulgesetzes im vergangenen Jahr haben wir einige Weichen dazu gestellt. Ausdrücklich sind die Integration wie die fachliche und sprachliche Betreuung ausländischer Studierender als Aufgaben der Hochschulen statuiert worden. Wir wollen nicht, dass ihr Studium zur Enttäuschung wird, und wir haben bereits im Gesetz klargestellt, dass sächsische Hochschulen selbstverständlich Studierenden aus aller Welt offenstehen.
Meine Damen und Herren, auch die Hochschulen selbst tragen eine besondere Verantwortung. Sie müssen noch internationaler werden. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Denn nur in einem solchen Umfeld können sich Studierende aus anderen Ländern wirklich wohlfühlen und effektiv studieren. Das Internationale Hochschulinstitut in Zittau ist hierfür schon ein gutes Beispiel; denn Internationalität ist hier kein Markenzeichen, sondern Grundlage eines eigenen Selbstverständnisses.
Meine Damen und Herren, zu einer Kultur des Willkommens zählt aber auch, für Studierende verlässliche und kompetente Ansprechpartner zu haben. Hier ist auch die öffentliche Verwaltung gefragt: Universitäten, Ausländerbehörden und später die Arbeitsagenturen. Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz sind unverzichtbar.
Leipzigs Ausländerbehörde hat vor einigen Jahren von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft einen Preis als Deutschlands freundlichste Ausländerbehörde erhalten, weil sie sich besonders aufgeschlossen, flexibel und hilfsbereit gegenüber ausländischen Wissenschaftlern und Studierenden zeigt.
Das sind Erfolge, bei denen wir nicht verharren dürfen, sondern an die wir anknüpfen müssen. Deshalb rege ich an, künftig ausländischen Studierenden und Studienbewerbern alle notwendigen Informationen und Behördenleistungen aus einer Hand anzubieten. Hamburg hat dafür sogenannte Willkommenscenter eingeführt. Ich meine, dass wir das auch können.
Wir werben um Studierende; also müssen wir attraktiver und besser sein als andere. Jede Investition in diese Richtung ist eine Investition in unsere eigene Zukunft.
Ausländische Studierende sind Brückenbauer, unabhängig davon, ob sie nach Abschluss ihres Studiums in Sachsen oder in Deutschland bleiben oder in ihr Herkunftsland zurückgehen. Je besser die persönlichen Erfahrungen sind, die sie als junge Menschen in unserem Land machen, desto fester werden die Bänder sein, die sie mit Sachsen knüpfen.
Von einer Kultur des Willkommens profitieren wir alle.
Ausländische Studierende bereichern unser Land. Sie tragen zur geistigen und kulturellen Vitalität Sachsens bei. Sie sind unerlässlich für die Zukunft unseres Landes.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einiger Zeit habe ich mit weiteren Mitgliedern meiner Partei und anderer Parteien sowie mit Vertretern des Staates und der Zivilgesellschaft das Manifest „Illegale Zuwanderung“ unterzeichnet. Darin heißt es: „Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland wie Europa insgesamt auch in absehbarer Zeit ein Ziel irregulärer Zuwanderung sein wird, sodass eine Vielzahl illegaler Aufenthaltsverhältnisse auch in Zukunft ein Faktum ist, das differenzierte politische Antworten erfordert.“
Meine Damen und Herren! Irreguläre Zuwanderung und Illegalität vor dem deutschen Aufenthaltsrecht sind Realität in Deutschland, und sie sind auch Realität hier in Sachsen. Ganz aktuell, gerade gegenüber dem Ticker, ist, dass in Leipzig drei Schleuser verhaftet wurden, die Iraker illegal nach Europa bringen wollten.
Die Staatsregierung weist zu Recht darauf hin, dass es naturgemäß keine exakten statistischen Angaben zu diesen Personen geben kann. Aber diese Personen existieren, sie sind nicht unsichtbar, sie führen ein Leben im Schatten. Nach Schätzungen handelt es sich deutschlandweit um eine halbe bis eine ganze Million Menschen, die ohne Aufenthaltspapiere hier in Deutschland leben.
Der Jesuitenpater Jörg Alt geht 1999 in seiner schon zitierten Studie davon aus, dass in Sachsen Leipzig eine erste Anlaufstelle sei. Nach seiner Schätzung lebten damals etwa 8 000 Menschen ohne Aufenthaltspapiere in dieser Stadt. Sachsen ist mit seiner langen Außengrenze zu Polen und Tschechien zudem Transitland. Irreguläre Migration gibt es nicht nur mit Booten im Mittelmeer. Das wurde uns mit dem tödlichen Unfall einer jungen ostafrikanischen Frau, die vor einiger Zeit auf dem Weg an der Bahnstrecke von Schmilka nach Dresden von einer S-Bahn erfasst worden ist, schmerzhaft vor Augen geführt.
Meine Damen und Herren! Irreguläre Zuwanderung stellt eine Herausforderung für unser Land dar. Sie rührt an das Selbstverständnis unseres Staates und seine normgeprägte rechtsstaatliche Ordnung, denn der Rechtsstaat ist auf das Vertrauen seiner Bürger in die Wirksamkeit seiner Gesetze angewiesen. Doch um eines klarzustellen: Der Rechtsstaat wird nicht von Rechtsextremen verteidigt. Dazu sind wir selbst in der Lage.
Meine Damen und Herren! Die Achtung und der Vollzug des Aufenthaltsrechtes sind und bleiben ohne Alternative. Das gilt schon, um dem verbrecherischen Treiben der Schleuserorganisation entgegentreten zu können. Dennoch müssen wir uns sehr ernsthaft die Frage stellen, ob aufenthaltsrechtliche und polizeiliche Maßnahmen ausreichen, der Herausforderung Illegalität zu begegnen. Die entsprechenden Lebenssachverhalte sind meist weiter gezogen; denken Sie an Familien, die ihre Kinder mit in die Illegalität nehmen und sie damit zu Leidtragenden der aufenthaltsrechtlichen Entscheidung ihrer Eltern machen.
Meine Damen und Herren! Ich fürchte, wenn wir eine Front zwischen ordnungsrechtlichen Sichtweisen auf der einen Seite und menschenrechtlichen Orientierungen auf der anderen Seite aufmachen, kommen wir nicht weiter. Eine solche Gegenüberstellung ist eines Rechtsstaates ohnehin nicht würdig, denn Ordnungsrecht kann in einem Rechtsstaat nur unter Achtung des ihm durch das Grundgesetz vorgegebenen menschenrechtlichen Kerns vollzogen werden.
Das, meine Damen und Herren, muss der Dreh- und Angelpunkt unserer Überlegungen sein, wenn wir uns der Herausforderung Illegalität ernsthaft stellen wollen.
Noch etwas ist mir wichtig. Wer über Illegalität spricht, der darf nicht darüber schweigen, dass auch von regulärer Zuwanderung profitiert wird, denn es ist leider so, dass Illegalität aufseiten der Zuwanderer oft genug mit Illegalität aufseiten von Arbeitgebern korrespondiert, die schwarz und vor allem billig arbeiten lassen. Illegalität lässt sich auch im Pflege- und Gesundheitsbereich feststellen. Beispielsweise sind die polnischen Frauen, die Pflegedienstleistungen anbieten, deshalb so günstig, weil sie keine Rücksicht auf Ausländerbehörden oder Pflegeversicherungen nehmen müssen.
Ich halte es gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migrationsflüchtlinge und Integration für unerlässlich, dass Kinder von Eltern ohne Aufenthaltstitel die Schule besuchen können, ohne dass die Familien Angst haben müssen, aufgrund des Schulbesuchs der Ausländerbehörde gemeldet zu werden. Das ist inzwischen Konsens in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auch Bundesinnenminister Schäuble hat deutlich gemacht, dass er den Schulbesuch ermöglichen will. Dies findet meine ausdrückliche Zustimmung, aber nicht, um einen illegalen Aufenthalt gutzuheißen, sondern um den betroffenen Kindern im Interesse ihrer Entwicklungschancen das Menschenrecht auf Bildung zu gewährleisten, denn wir können die Kinder nicht für die Entscheidungen ihrer Eltern verantwortlich machen.
Meine Damen und Herren! Ein entsprechender Konsens für den Gesundheitsbereich ist noch nicht gefunden. Irreguläre Migranten sind zwar nach dem Asylbewerberleistungsgesetz berechtigt, ärztliche Leistungen in An
spruch zu nehmen, die Realität spricht aber eine andere Sprache. Aus Furcht vor der Aufdeckung ihrer Illegalität scheuen sie einen Arztbesuch. Dem steht die Unwissenheit des medizinischen Personals hinsichtlich der Strafbarkeit des eigenen Tuns gegenüber. Dadurch besteht die Gefahr, dass Krankheiten verschleppt und letztlich höhere Folgekosten produziert werden. Hier ist Aufklärung vonnöten.
Das Bundesinnenministerium stellt in einem 2007 erschienenen Bericht klar, dass sich Ärzte und behandelndes medizinisches Personal eben nicht strafbar machen und aufgrund der Schweigepflicht auch keiner Meldepflicht unterliegen. Das ist den Betroffenen meist nicht bewusst. Doch nicht nur der Staat, auch die Zivilgesellschaft ist gefordert. Fehlinformation, Stimmungsmache oder Skandalisierung, wie wir heute hier gehört haben, helfen den Betroffenen nicht. Dies ist in meinen Augen verantwortungslos. Im Übrigen gibt es keine einzige Verurteilung von Ärzten, die Illegale behandelt haben.
Meine Damen und Herren! Illegale Einwanderung lässt sich mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln begrenzen, ganz zu verhindern ist sie jedoch nicht. Das hat Gründe, wirtschaftliche wie soziale, aber auch politische. Viele Menschen entscheiden sich für eine Illegalität in Deutschland und nehmen die damit verbundenen Nachteile in Kauf, weil ihnen das immer noch besser scheint als die Zustände in ihrem Heimatland.
Meine Damen und Herren! Dennoch ist Illegalität strafbar. Das ist eine Entscheidung des demokratischen Souveräns. Doch stets muss gelten, mit Augenmaß zu agieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dass Bildung die zentrale Ressource unseres Landes ist, Bildung die Zukunft unserer Kinder und damit die Zukunftsfähigkeit unseres Freistaates in einer globalisierten Welt sichert, darüber ist hinlänglich diskutiert worden.
Ich möchte auf einen Bildungserfolg unseres Landes näher eingehen, den Herr Staatsminister Wöller kurz vorgestellt hat. Ausländische Kinder und Jugendliche tragen zum Bildungserfolg unseres Landes in erheblichem Maße bei. In Sachsen schließt jeder fünfte ausländische Schüler die Schule mit dem Abitur ab – deutschlandweit schafft das nur jeder zehnte –, und dies mit steigender Tendenz. Derzeit besuchen in Sachsen deutlich mehr ausländische Schülerinnen und Schüler ein Gymnasium als eine Mittelschule. Im Schuljahr 2006/2007 waren es rund 2 300 Schülerinnen und Schüler zu 1 800 Schülerinnen und Schüler in der Mittelschule. Ich habe in meinem Bericht bereits darauf hingewiesen. Drei Viertel aller vietnamesischen Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe besucht ein Gymnasium. Bei den russischen und ukrainischen Kindern und Jugendlichen sind es zwei Drittel. Unlängst hat ein junger Gymnasiast, ein Vietnamese aus dem Leipziger Wilhelm-Ostwald-Gymnasium, den ersten Preis, nämlich die Goldmedaille, bei der Biologieolympiade in Indien gewonnen. Er wird in Zukunft in Heidelberg Molekulare Zellbiologie studieren.
Er ist damit der beste europäische Vertreter gewesen. Darauf können wir in Sachsen stolz sein.
Meine Damen und Herren! Andere Zuwanderungsgruppen haben größere Schwierigkeiten. Auch das soll nicht verschwiegen werden. Deshalb verbietet sich eine Generalisierung. Doch es gibt kein anderes Bundesland, welches ähnlich gute Bildungsergebnisse unter ausländischen Kindern und Jugendlichen aufweist.
Das zeigt auch, dass es möglich ist, aus einer schwierigen sozialen Situation heraus hervorragende Bildungsergebnisse zu erzielen.
Meine Damen und Herren! Dieser Erfolg hat Ursachen. Sprach- und damit integrationsfördernd wirkt sich die flächendeckend vorhandene Struktur von Kindertagesstätten aus. Eine in der vergangenen Woche vorgestellte brandenburgische Studie weist nach, dass die erfolgreichen vietnamesischen Gymnasiasten zu einem hohen Anteil die Kindertagesstätte besucht haben. Vor allem aber ist es die sächsische Konzeption zur Integration von Migrantinnen und Migranten im schulischen Bereich mit ihren Betreuungslehrern und regelunterrichtsbegleitenden Sprachkursen, die die Grundlage für diesen Erfolg ist.
Meine Damen und Herren! Mehrsprachigkeit stellt für diese Kinder und Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit dar. Sie sind von Haus aus für Vielfalt und für unterschiedliche kulturelle Hintergründe sensibilisiert. Das sind Kinder und Jugendliche, die ein enormes Potenzial besitzen – für sich wie für unser Land. Das müssen wir noch mehr als bisher zur Kenntnis nehmen und auch bekannt machen. Wir müssen es in unserem ureigenen Interesse fördern, und zwar fördern für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Bereits jetzt verzeichnen wir in einigen Branchen einen Fachkräftemangel, der angesichts des demografischen Wandels zunehmen wird. Dagegen tauschen sich schon jetzt vietnamesische Schülerinnen und Schüler in Internetforen darüber aus, ob es nicht besser sei, mit einem Abitur- und dem Hochschulabschluss nach Vietnam zu gehen, um dort Geld zu verdienen.
Wir müssen diese Potenziale in unserem Land halten. Unser Land profitiert von Zuwanderung.
Dies ist nicht zuletzt auch der Erfolg einer umfassenden Bildungspolitik. Tun wir also alles zur Stärkung des Bildungsstandortes Sachsen!
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Das Thema Menschenrechte und Kinderrechte verdient unsere volle Aufmerksamkeit. Der Schutz von Kinderrechten und die Sorge um das Wohl unserer Kinder sind elementarer Bestandteil unseres Selbstverständnisses als demokratischer Rechtsstaat. Dies gilt für alle Kinder, die hier in Sachsen leben, seien sie nun Deutsche oder Flüchtlinge. Offenbar ist Ihnen, Herr Gansel, das entgangen. Sie kennen offensichtlich die Verfassung unseres Landes nicht.
Die 1992 für Deutschland in Kraft getretene UN-Kinderrechtskonvention verdeutlicht dies im besonderen Maße. Seit Inkrafttreten dieser Kinderrechtskonvention gibt es Streit um die durch Deutschland eingelegte Vorbehaltserklärung, insbesondere um den sogenannten Ausländervorbehalt. Vieles ist dazu gesagt worden.
Meine Damen und Herren, diese Debatte wird auch weiterhin geführt werden, aber sie darf nicht auf dem Rücken der betroffenen Kinder und Jugendlichen ausgetragen werden. Entscheidend ist vielmehr, was wir in Sachsen tatsächlich für Kinder und Jugendliche tun und ob wir Kindern gemäß der Kinderrechtskonvention den Schutz und die Fürsorge zukommen lassen, die zu ihrem Wohlergehen notwendig sind. Entscheidend ist zudem, ob wir unseren verfassungsrechtlichen Geboten der Menschenrechte und Menschenwürde im Umgang mit Flüchtlingskindern nachkommen. Deshalb ist das Kindeswohl im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher und asylrechtlicher Bestimmungen im Freistaat Sachsen nicht lediglich zu berücksichtigen, wie es die Antragsteller fordern. Die Anwendung von Ausländer- und Asylrecht auf Kinder und Jugendliche muss, um verfassungskonform zu sein, im Einklang mit dieser Fürsorgepflicht erfolgen, denn die Fürsorgepflicht für das Kindeswohl ist Ausdruck des Menschenrechtsschutzes unserer Verfassung.
Meine Damen und Herren, dabei dürfen die das Ausländerrecht tragenden Ordnungsprinzipien nicht außer Acht gelassen werden. Skandalisierungen und Falschinformationen etwa zum bekannt gewordenen und durch die Antragsteller erwähnten Fall der Kinder von Treuen helfen den betroffenen Kindern in keiner Weise. Wenn tatsächlich Fehler gemacht worden sind, dann darf ich erwarten, dass dies sachlich und rechtsstaatlich aufgeklärt und, wenn nötig, entsprechend gebotene Konsequenzen gezogen werden. Alles andere spielt nur den Falschen in die Hände.
Meine Damen und Herren, Sie wissen um meine Haltung zur Unterbringung in Sachsen lebender Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Stets habe ich gute Beispiele genannt, aber auch die Defizite aufgezeigt und deutlich gemacht, dass eine menschenwürdige Unterbringung unabdingbare Voraussetzung unseres Zusammenlebens
mit den Betroffenen ist. Pauschale Verallgemeinerungen wie von den Linken vorgetragen, sind dabei wenig hilfreich und zielführend.
Offenbar fahren sehr viele meiner Kolleginnen und Kollegen durchs Land und besuchen solche Heime; auch ich habe das getan und habe mich überzeugen und über den Zustand der Heime informieren können.
Sie wissen auch, dass sich nach meiner Auffassung eine dezentrale Unterbringung aus verschiedenen Gründen als vorteilhaft erweisen kann. Dennoch möchte ich davor warnen, in der dezentralen Unterbringung die Lösung aller Probleme zu sehen. Es kommt, wie so oft, stets auf den Einzelfall an. Es gibt Heime in Sachsen, die über gute Wohneinrichtungen und entsprechende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche verfügen. Und es gibt dezentral Untergebrachte, die aber aus Gründen der sozialen Isolierung, fehlender Sprachkenntnisse und mangelnder Selbsthilfemöglichkeiten lieber früher als später zurück in ein Heim möchten. Noch einmal: Es kommt auf den Einzelfall an.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich in diesem Zusammenhang deutlich sagen: Wir bekennen uns zu einem familien- und kinderfreundlichen Freistaat. Das heißt für mich dann auch: Familien mit Kindern und Jugendlichen, die die Schule besuchen, die sich vielleicht sogar im Verein engagieren, soll die dezentrale Unterbringung in Wohnungen ermöglicht werden. Hier muss eine Regelung über den Einzelfall hinaus möglich sein.
Meine Damen und Herren, zum Thema Härtefallkommission. Als Vorsitzende der Sächsischen Härtefallkommission werde ich zu konkreten in der Kommission behandelten Fällen keine Aussagen in der Öffentlichkeit treffen. Ich darf mich darauf verlassen, dass der Staatsminister des Innern alle Ersuchen der Kommission – also auch diejenigen, die Kinder und Jugendliche betreffen – keiner wohlwollenden, sondern einer gewissenhaften Prüfung unterzieht.
Meine Damen und Herren, die Sorge um das Wohl betroffener Kinder muss auch dann im Mittelpunkt stehen, wenn es um Abschiebungen geht. Wiederholt haben wir auch zu diesem Thema hier in diesem Haus gesprochen. Klar muss sein: Abschiebungen sind gesetzliche ausländerrechtliche Maßnahmen, und dazu gehört auch die Abschiebehaft. Abschiebemaßnahmen bedeuten für die Betroffenen wie für die Vollzugsbeamten eine Stresssituation – in ganz besonderem Maße, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind. Deshalb habe ich bereits früher deutlich gemacht, dass es unabdingbar ist, spezifisch geschultes Personal für Abschiebungen einzusetzen. Kinder gehören grundsätzlich nicht in Abschiebehaft.
Kinder, die jünger sind als 14 Jahre, sind davon auch nicht betroffen. Für die älteren gilt: Entscheidend ist das Kindeswohl. Im Einzelfall kann die Trennung von Vater
oder Mutter und die Unterbringung in einem Kinderheim schwerer wiegen als die gemeinsame Inhaftierung. Daher ist es wichtig, dass in sächsischen Vollzugseinrichtungen Abschiebehaftplätze eingerichtet werden, die den spezifischen Bedürfnissen von Abschiebehäftlingen gerecht werden – gerade dann, wenn Familien betroffen sind.
Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland gekommen sind, benötigen unsere Hilfe. Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern gekommen sind, haben ihre schwierige persönliche Situation nicht selbst herbeigeführt. Sie sind die Leidtragenden der Entscheidung anderer. Das verlangt unsere besondere Aufmerksamkeit und sollte von keiner Seite und zu keinem Zeitpunkt für politische Ziele instrumentalisiert werden. Kinder haben Anspruch auf unseren Schutz; daran darf es keinen Zweifel geben.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über Weltoffenheit, über Toleranz reden. Wir können es nicht oft genug tun; denn Weltoffenheit und Toleranz sind nicht einfach liebenswerte Merkmale Sachsens oder gepflegter Luxus – Weltoffenheit und Toleranz sind eine zentrale Ressource unseres Landes. Demografische Entwicklung, wirtschaftlicher Aufschwung und Festigung der Demokratie können wir nicht „ohne“ denken, ohne weltoffen, ohne tolerant zu sein.
Sachsen ist ein weltoffenes Land und Sachsen ist ein tolerantes Land. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick in die Geschichte unseres Landes. Das zeigen die Menschen, die in unserem Land leben. Gewaltbereitschaft, Intoleranz, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit sind jedoch auch Tatsachen. Übergriffe während der Europameisterschaft auf türkische Imbissläden und Personen in der Dresdner Neustadt und anderswo stellen aber die Ausnahme dar. Hass, Gewalt und fremdenfeindliche Ausschreitungen sind keine Markenzeichen Sachsens oder Dresdens. Sie gab es in der Vergangenheit, sie werden sich zu meinem Bedauern auch künftig nicht vollständig verhindern lassen.
Meine Damen und Herren, Weltoffenheit und Toleranz verteidigen wir aber nicht dadurch, dass wir das Verhalten der Gewalttäter lautstark beklagen oder indem wir uns für unser Land und für unsere Stadt schämen. Das Verhalten der Täter ist in der Tat beschämend, aber deshalb lassen wir weder Stadt noch Land in Generalhaftung nehmen. Denn Stadt und Land, das sind vor allem die Menschen, die sich Tag für Tag ehrenamtlich engagieren, in Elternbeiräten, in Sport- und Kulturvereinen, bei Stadtteilfesten, in Religionsgemeinschaften und vielem mehr. Das sind Menschen, die über den Tellerrand blicken, die offen und gastfreundlich sind, und Menschen, die selbstverständlich mit Zuwanderern leben, die sich für Integration einsetzen und sich gegen die gefährliche Rhetorik der Rechtsextremisten zu wehren wissen. Dessen schäme ich mich nicht. Auf diese Menschen bin ich stolz.
Auch mir ist bekannt, dass wir mitunter weit davon entfernt sind, alle auf diesem Weg mitgenommen zu haben. Noch immer spielen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eine Rolle. Deshalb ist es wichtig, für etwas zu kämpfen, nämlich für gelebte Weltoffenheit und Toleranz, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Freiheit und Menschenwürde.
Dieser Aufgabe müssen wir uns alle stellen.
Meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag von 2004 heißt es: „Die Koalitionspartner wissen, dass eine demokratische Kultur nicht allein durch eine friedliche Revolution und ein Leben in 15 Jahren Demokratie entsteht. Die Herausbildung einer demokratischen Kultur der Toleranz und Weltoffenheit ist eine langfristige und dauerhafte Aufgabe.“
Weltoffenheit, Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen verteidigt werden. Polizei, Gerichte, Schulen, Jugend- und Sozialämter sind gefordert. Doch wir dürfen uns nicht hinter ihnen verstecken. Demokratie lebt davon, dass sich die Menschen einbringen, dass sie Initiative ergreifen und sich für das Gemeinwohl einsetzen. Es gilt, die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen deutlich zu machen. Sachverhaltsverzerrungen, Vorurteilen und nationalistischen Ressentiments muss entschieden entgegengetreten werden, nicht allein in diesem Hohen Haus, jede und jeder an seinem Platz.
Ein Pariser Germanist bezeichnete Sachsen vor einigen Jahren als europäischen Melting Pot, als Schmelztiegel. Das hat er nicht nur so dahingesagt. Ob in Politik, Wirtschaft, in Kultur, Religion, in Kunst oder Wissenschaft – Sachsen hat es in seiner Geschichte verstanden, vielfältige Beziehungen zu anderen Ländern, wie etwa Russland, Frankreich, Polen oder Großbritannien, zu pflegen. Eingewanderte französische Hugenotten haben dazu beigetragen, Leipzig zu einem führenden europäischen Handelszentrum zu entwickeln. Böhmische Glaubensflüchtlinge machten Sachsen stark und ließen Annaberg oder Marienberg erblühen. Der sächsische Bergbau und die hier gewonnenen Erkenntnisse fanden und finden
weltweite Anerkennung und Achtung. Sächsische Güter sind Exportschlager. Derzeit ist fast jeder vierte Unternehmer und fast jeder zehnte Arzt in Sachsen Ausländer. Das sächsische Handwerk spricht von der Öffnung der Ausbildungsplätze für polnische und tschechische Jugendliche.
Sächsische Universitäten stehen im Wettbewerb um die besten Köpfe weltweit. Die Dresdner Frauenkirche und die Neue Leipziger Schule erfahren weltweite Anerkennung.
Das alles ließe sich fortsetzen. Wir können stolz auf unser Land sein. Wichtig ist Weltoffenheit und Toleranz. Das garantiert die Zukunftsfähigkeit Sachsens in einer globalisierten Welt. Es ist unser aller Verpflichtung, dieser Verantwortung im Interesse unseres Landes und unserer Menschen gerecht zu werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich hoffe, es geht Ihnen jetzt besser, Herr Gansel, nachdem Sie die Schimpfkanonade losgelassen haben. Dass Sie über hellseherische Fähigkeiten verfügen, ist mir nun völlig neu.
Nun zum Thema. Meine Damen und Herren, Illegalität ist ein zentrales Problem im weltweiten Geschehen der Gegenwart. Menschen ohne Aufenthaltsrecht und -duldung stellen eine Realität vor allem in den Großstädten dar. Es bedeutet in erster Linie Rechtlosigkeit auf allen Gebieten des täglichen Lebens. Illegale leben immer in der Angst, entdeckt zu werden; aber sie ziehen ein Leben in der Illegalität den oft dauerhaft bedrohten Lebensverhältnissen in der Legalität in ihren Heimatländern immer noch vor. Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, um ein Bleibe- bzw. Aufenthaltsrecht zu erhalten, aber keinen gültigen Pass oder ähnliche Nachweise vorlegen kann, hat es schwer, dies auch zu erhalten.
Aus der Perspektive der öffentlichen Sicherheit und Ordnung steht fest: Illegalität ist strafbar; denn wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhält
und keine Duldung besitzt, macht sich strafbar und hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung. Diese Sichtweise wird in der öffentlichen Meinung in den Mittelpunkt gestellt. Aber Illegalität ist vielschichtiger. Viele Menschen kommen aus Ländern, in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrscht, die politische Betätigung eingeschränkt wird und die Grundrechte nicht in der Form gewährt werden, wie wir das in Deutschland kennen. Wieder andere suchen, persönlich oder wirtschaftlich, ihre Lebenssituation zu verbessern. So können Maßnahmen zur Verringerung von Illegalität nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Menschen in Not werden immer versuchen, auch noch so hohe Hürden zu überwinden. Menschen in der Illegalität, Menschen ohne Papiere werden eine dauernde Herausforderung bleiben.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bedient die einseitige Sicht, schürt Ängste, konstruiert Feindbilder und bedient Vorurteile. Das sind die Beiträge der NPD-Fraktion zum Thema Ausländer und Asyl, und das ist nicht überraschend.
Meine Damen und Herren! Es gibt nicht 23 000 untergetauchte Asylbewerber in Sachsen. Sachverhaltsentstellungen, wie sie die NPD-Fraktion hier betreibt, sind völlig fehl am Platze. Seit 1990 sind über 110 000 Asylbewerber nach Sachsen gekommen. Von diesen sind 23 000 Personen, also alle diejenigen, die in den vergangenen 18 Jahren eine Ablehnung ihres Asylantrages erhielten, unbekannten Aufenthalts. Unbekannter Aufenthalt heißt nicht zwingend untergetaucht, heißt auch nicht zwingend illegal und heißt auch nicht zwingend kriminell. Bekannt ist der Aufenthalt von nahezu vier Fünfteln der 110 000 in Sachsen jemals registrierten Asylbewerber.
Mehrfacherfassungen waren in der Vergangenheit möglich, da ein Vergleich der Fingerabdrücke nicht durchgeführt werden konnte. Menschen sind in andere europäische Länder weitergereist, in denen sie sich einen Flüchtlingsstatus erhofften oder aber erhalten haben, so wie irakische Flüchtlinge in Schweden. Andere wiederum sind freiwillig ausgereist, ohne dass die Ausreise registriert oder erfasst wurde; denn so, wie Asylsuchende mit der Hoffnung nach Deutschland kamen, bleiben zu können, so haben sie es auch in anderen europäischen Staaten getan wegen der unterschiedlichen Handhabung in der Vergangenheit. Jetzt ist durch Brüssel geplant, eine einheitliche Entscheidungspraxis herzustellen. Ohne diese Weiterwanderung, die in der Vergangenheit festgestellt werden konnte, können solche Regelungen auch nicht entstehen.
Meine Damen und Herren! Wieder andere werden möglicherweise auch den Weg in die Illegalität angetreten haben, aber verlässliche Zahlen kann es hier naturgemäß nicht geben. Panikmache ist aber völlig fehl am Platz!
In den vergangenen Jahren kamen knapp 1 000 Personen nach Sachsen, um hier nach Asyl zu suchen. Das sind 0,02 % der sächsischen Bevölkerung. Das konterkariert das bewusst falsch gezeichnete Bild der NPD, dass „Asylbetrüger“ massenhaft in unser Land kämen. Umso wichtiger ist es, sachlich zu informieren. Genauso unerlässlich ist es, immer wieder deutlich zu machen, dass das Grundrecht auf Asyl zum Kernbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zählt.
Das zeigt nicht zuletzt die historische Erfahrung politischer Verfolgung zu Zeiten des Nationalsozialismus und der kommunistischen Diktatur.
Meine Damen und Herren! Deshalb ist Sorgsamkeit geboten, ist Information notwendig, um der populistischen Panikmache der NPD zu begegnen. Dieser Antrag kann nur abgelehnt werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Mügeln lässt sich nicht ungeschehen machen. Das Ansehen Sachsens hat Schaden genommen. Doch lassen Sie mich eines in aller Deutlichkeit sagen: Die NPD-Fraktion vertritt mit ihrer Großen Anfrage nicht die Interessen der Menschen in Mügeln, der Menschen in Sachsen.
Was in Mügeln geschehen ist, wird nicht durch die NPDFraktion, sondern durch Polizei und Justiz aufgeklärt. Die Urteile der vergangenen Wochen gestatten keinen Zweifel am Funktionieren unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Diejenigen, die Straftaten begangen haben, gleich ob deutscher oder ausländischer Herkunft, müssen bestraft werden, denn vor dem Gesetz sind alle gleich.
Es steht außer Frage, dass Vorverurteilungen, in welche Richtung auch immer, fehl am Platze sind. Doch es ist schon dreist, wenn sich gerade diejenigen beschweren, die ansonsten keine Gelegenheit auslassen, ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger als Kriminelle und systematische Asyl- und Sozialleistungsbetrüger zu diffamieren. Wer so handelt, will nicht aufklären, sondern pflegt fremdenfeindliche Ressentiments.
Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus braucht keine Belehrungen, wenn es um die Ablehnung von Gewalt geht, schon gar nicht vonseiten der NPD-Fraktion, die oft genug mit ihren Reden die Menschenwürde der
ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Sachsen verletzt. Es mutet daher außerordentlich bizarr an, wenn nun von dieser Seite nach den Leitlinien meiner Arbeit gefragt wird. Brauchen Sie Nachhilfe? Das Gesetz über die Arbeit der Sächsischen Ausländerbeauftragten ist ganz leicht im Internet herunterzuladen.
Ich habe es sehr oft deutlich gemacht: Es gibt in Sachsen Fremdenfeindlichkeit, es gibt Gewalt, und es gibt verbreitet Vorurteile. Dabei leben bei uns sehr wenige, im ländlichen Raum noch weniger Ausländer. Man kann von Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer sprechen. Dies macht sich die NPD zunutze, denn ihre ausländerfeindlichen Parolen müssen selten den Belastungstest persönlicher Bekanntschaften und Erfahrungen bestehen, die über den Verkauf von Pizza und Döner hinausgehen. Extremismus und Gewalt gegen Ausländer, gegen die Demokratie, gegen Freiheit und gegen Rechtsstaatlichkeit ist nicht hinzunehmen.
Wir müssen Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit in Sachsen wahren, um ein friedliches Miteinander mit ausländischen Mitbürgern zu gewährleisten. Mügeln bestürzt, aber es macht nicht ratlos. Es bedarf der offenen Auseinandersetzung auf allen Ebenen, im Sächsischen Landtag ebenso wie vor Ort mit und bei den Menschen. Wir müssen den öffentlichen Raum besetzen. Wir müssen für Demokratie und für die Übernahme persönlicher Verantwortung begeistern. Investitionen in den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft und in die Demokratievermittlung sind auch weiterhin geboten. Institutionen sind wichtig, aber wir dürfen uns nicht hinter ihnen verstecken, denn Demokratie baut nicht auf Ämtern auf, sondern auf der Überzeugung der Menschen.
Wir müssen die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen deutlich machen. Wir müssen dazu ermuntern, einzugreifen.
Deshalb ist Zivilcourage wichtig, darf aber auch nicht mit Leichtsinn verwechselt werden. Oma Meier allein wird sich nicht an die Front werfen, wie eine Zeitschrift kurz nach den Ereignissen in Mügeln zutreffend bemerkte. Für Gefahrenabwehr muss die Polizei sorgen. Das haben die Polizisten in Mügeln zum Schutz der in die Pizzeria geflüchteten, auch indischen Mitbürger, schnell und mit großer Courage getan. Dafür verdienen sie unseren Dank.
Für die politische Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, und um ein friedliches Zusammenleben der Menschen, Deutscher wie Ausländer, zu gewährleisten, Freiheit und Demokratie zu verteidigen und jeden Tag aufs Neue zu erringen, dafür sind wir alle zuständig, denn
das Letzte, was Mügeln braucht, sind die Schattenspiele einer Partei mit dem Ziel der Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen komplettiert mit dem Sächsischen Gesetz zur Ausführung des Zuwanderungsgesetzes den umfassenden Regelungsbereich, der sich für Deutschland mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vor über zwei Jahren eröffnete.
Meine Damen und Herren, das Zuwanderungsgesetz stellt eine Zäsur für Deutschland dar. Nicht allein die neuen, die erleichterten Möglichkeiten für Ausländerinnen und Ausländer, unser Land durch ihr Kommen zu bereichern, sondern auch die erstmalige gesetzliche Festlegung von Integration als gesellschaftlicher Aufgabe zeugen von dem großen Schritt, der damit gegangen wurde. Sie wissen, dass dies in der Vergangenheit nicht so war.
Die eben gehörten, in meinen Augen menschenverachtenden Äußerungen von Herrn Apfel sind dieses Hauses unwürdig, und ich denke, sie hätten einen Ordnungsruf verdient.
Sie sind eine Missachtung von Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Jedes Menschen!
Ich denke, Sie sind demokratisch gewählt. Sie sollten sich auch an Artikel 1 des Grundgesetzes halten. Genauso wie Sie ihn für sich in Anspruch nehmen, sollten Sie dies auch für alle anderen Menschen tun.
Die mit dem Zuwanderungsgesetz angestoßene und nun über den Nationalen Integrationsplan, das bundesweite Integrationsprogramm und auch die Deutsche Islamkonferenz beschleunigte Entwicklung ist richtig für unser Land, sie ist richtig für Deutschland.
Meine Damen und Herren, Zuwanderung ist Bereicherung. Menschen, die zu uns kommen, die hier mit uns leben, arbeiten, zur Schule gehen wollen, die sich in der Freizeit und ehrenamtlich engagieren, die vielfältige Potenziale, Erfahrungen, Sprachen mit sich bringen, diese Menschen tun unserem Land gut.
Ich verkenne nicht, dass es Probleme gibt. Deutschlandweit sind Sprachdefizite, Bildungsdefizite und damit auch Ausbildungs- und Berufsdefizite sowie die daraus resul
tierenden Folgen festgestellt. Anderswo treten sie sicher schärfer zutage als in Sachsen. Dennoch: Integration ist wichtig und Integration gelingt vor Ort oder sie misslingt vor Ort. Und Integration ist keine Einbahnstraße. Wir alle sind gefordert.
In Sachsen leben derzeit 85 000 Ausländer. Das sind etwa 2 % der sächsischen Bevölkerung. In den Großstädten sind es mit bis zu 7 % schon deutlich mehr. Mit dem Sächsischen Ausländerrechtszuständigkeitsgesetz und dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz treten Vorschriften in Kraft, die zum Teil frühere Gesetze ablösen bzw. Verordnungen ersetzen.
Im Ausländerrechtszuständigkeitsgesetz wird ausdrücklich ein unbeschränktes Weisungsrecht statuiert. Die damit nun auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellte Möglichkeit einer einheitlichen Verwaltungspraxis im Ausländerrecht ist so richtig wie wichtig.
Ich habe als Ausländerbeauftragte die mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wahrgenommen und mich in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Es gab in Einzelfragen durchaus unterschiedliche Sichtweisen. Da ist die Frage der unterschiedlichen Kostenerstattungsmöglichkeiten der Kommunen für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für die jeweiligen Personengruppen, zum Beispiel für Asylbewerber und Geduldete auf der einen Seite und für Personen mit einem humanitären Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz auf der anderen Seite; Herr Bandmann ist schon darauf eingegangen. Eine solche Regelung ist möglich, aber ihr Vollzug verdient Beachtung.
In diesem Zusammenhang halte ich fest, dass Kommunen entsprechende Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz nicht allein deshalb ablehnen dürfen, weil sie dann keine Kostenerstattungspauschale bekämen. Das wäre schlicht rechtswidrig.
Ich begrüße deshalb die von meinem Kollegen Bandmann angekündigte Überprüfung.
Auch dass die tatsächlichen Ausgaben der Kommunen zur Kostenerstattung bei Krankheit evaluiert werden, ist positiv zu betrachten. Sie wissen, dass der Freistaat die Summe, die den Sockelbetrag von 7 669,38 Euro pro Patient und Jahr übersteigt, den Kommunen erstattet. Die Evaluation ist erforderlich, um eine Regelung treffen zu können, die die finanzielle Verantwortung beim Freistaat belässt, aber auch die Kommunen zu einem verantwortlichen Umgang mit den Ressourcen anhält.
Schließlich das Flüchtlingsaufnahmegesetz. Es nimmt Bezug auf die Unterbringungssituation in Sachsen. Dazu eine kurze Anmerkung: Nach dem Asylverfahrensgesetz sind Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie ihre Familien im Regelfall in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. Pauschale Abqualifizierungen sind wenig hilfreich. Es ist erforderlich, eine differenzierte Betrach
tung dieser Gemeinschaftsunterkünfte vorzunehmen. Deshalb weise ich die pauschale Äußerung von Frau Ernst in diesem Zusammenhang zurück,
obwohl ich sehr wohl weiß, dass es unterschiedliche Gemeinschaftsunterkünfte gibt. Das habe ich selbst kritisiert. Aber nur schwarz gibt es nicht, es gibt auch nicht nur weiß. Wir müssen bitte auch in diesem Bereich die Dinge sehr differenziert betrachten, um sie einem positiven Ergebnis zuführen zu können.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob der Regelfall tatsächlich auch immer dann Geltung beanspruchen kann, wenn Familien mit schulpflichtigen Kindern oder Menschen, deren Gesundheit beeinträchtigt ist, betroffen sind. Hier plädiere ich für die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur dezentralen Unterbringung in Wohnungen oder zu einer wohnungsähnlichen Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften.
Die Asylbewerberzahlen gehen deutlich zurück. Kamen 1992 noch 26 000 nach Sachsen, waren es 2006 nur noch etwa 1 100. Dies und die anstehende Verwaltungs- und Gebietsreform geben den Kommunen Chancen, alte und abgewohnte Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen und nach anderen Möglichkeiten zu suchen.
Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs ausgeführt: Das Zuwanderungsgesetz stellt einen Paradigmenwechsel für unser Land dar, einen Wechsel, der nicht nur zum Nutzen der in unserem Land lebenden Ausländerinnen und Ausländer geht, sondern einen Wechsel zum Nutzen aller und einen Wechsel, den wir auch in gemeinsamer Verantwortung nicht allein mit diesem Gesetz gestalten wollen und müssen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Das Bleiberecht ist die juristische Anerkennung des faktischen Miteinanders vor Ort, des Miteinanders im Kindergarten, in Schulen, an den Arbeitsplätzen, in der Kirchgemeinde und beim Sport.
Das Bleiberecht entscheidet für die Menschen, und damit ist es eine Entscheidung für die Menschlichkeit.
Aber, meine Dame, meine Herren von der NPD, mit Menschlichkeit können Sie ohnehin nichts anfangen. Es überrascht nicht, dass Sie stets nur Kriminalität vor Augen haben und Halb- und Unwahrheiten verbreiten. Schleuserbanden und eine Bleiberechtsregelung haben nichts, aber auch gar nichts gemein.
Es wird weiterhin Schleuserkriminalität geben. Das weiß auch ich und das wissen auch wir, die wir hier zusammensitzen, und zwar unabhängig davon, ob es Bleiberechtsbeschlüsse gibt oder nicht. Es ist die Aufgabe verantwortlicher Politik darzustellen, wie menschenverachtend und gefährlich es ist und mit welcher kriminellen und verachtungswürdigen Energie Schleuser vorgehen, denen es eben nicht um die Menschen, sondern nur um das Geld geht. Dem muss im Interesse der Betroffenen entschieden begegnet werden, entschieden und sachlich und nicht durch Verbreitung von Angst und Panikmache.
Auf diesem Gebiet arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte eng zusammen. Die Ausländer werden bei Verurteilung zwingend ausgewiesen.
Wir leben in der Europäischen Union in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. So haben das systemsichere Drittstaaten und Herkunftsländer sowie die Dublin-II-Verordnung festgestellt, die eine Asylverfahrenszuständigkeit für das Land der Europäischen Union bestimmt, mit dem der erste Kontakt bestand, sowie weitere Maßnahmen zu einem Rückgang der Asylbewerberzahlen geführt. Schleusungen gibt es, weil es irreguläre Einwanderung gibt. Irreguläre Einwanderung gibt es, weil es weltweit einen hohen Migrationsdruck gibt. Internationaler Migrationsdruck wiederum resultiert aus
internationaler Ungleichheit. Frau Süssmuth, die Mitglied der Weltkommission für Internationale Migration ist, betont, dass wir immer weniger Zuwanderung unter der Gruppe der Asylbewerber haben. Nehmen Sie endlich die Fakten zur Kenntnis. 438 000 Menschen kamen noch 1992 nach Deutschland und stellten einen Asylantrag. 2005 waren es ganze 29 000.
In Sachsen waren es im Vergleichszeitraum 7 800 und bis Ende Oktober kamen 1 240. Damals wie heute ist für jeden ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert.
Meine Damen und Herren! Wir können uns glücklich schätzen, in einem attraktiven Land zu leben, attraktiv seines Wohlstands und seiner Rechtssicherheit wegen. Auch Deutschland ist Zielland von Migration, muss und wird diesen Prozess deswegen auch aktiv begleiten.
Ich jedenfalls stehe für eine gestaltungswirksame Zuwanderungspolitik, um Schleusern und Opfern klarzumachen, dass sich die Machenschaften nicht lohnen, ebenso wie ich zu einer Bleiberechtspolitik stehe, die Menschen in angemessener Zeit und unter erfüllbaren Bedingungen Sicherheit bietet. Das Bleiberecht ist eine Entscheidung des Rechts und niemals eine des Unrechts. Sie ist eine Entscheidung für die Menschen, die seit vielen Jahren bei uns leben, die eben nicht kriminell sind und nun wieder eine Perspektive für sich und ihre Familien finden können. Ich verwahre mich vor der Gleichsetzung von Migration und Kriminalität.
Es ist schäbig, eine Entscheidung für die Menschlichkeit unter Verweis auf mögliche kriminelle Trittbrettfahrer herabzusetzen. Für eine Politik auf freiheitlichdemokratischer Grundlage brauche ich, brauchen wir Ihre Ratschläge wahrlich nicht.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte zunächst einen Dank loswerden, und zwar an Sie, Herr Martens, der Sie regelmäßig die undankbare Aufgabe haben, nach der NPD-Fraktion sprechen zu müssen und speziell in diesem Fall, wenn es um das Ausländerrecht geht, quasi für alle die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Herzlichen Dank dafür!
Vielen Dank für Ihre klaren Worte, hinter denen jede Demokratin und jeder Demokrat stehen kann.
Meine Damen und Herren, die Bleiberechtsregelung – ich habe das schon heute früh gesagt – ist die faktische Anerkennung des Miteinanders vor Ort. Nun kann man mit den Kriterien unterschiedlich umgehen. Ganz sicher gibt es unterschiedliche Erwartungen, nachdem im Vorfeld diese auch sehr hochgeschraubt gewesen sind. Aber wir alle wissen, dass 16 Innenminister die unterschiedlichsten Erfahrungen ihrer Länder haben einbringen können und dann einstimmig entscheiden mussten. Ich bin dankbar, dass es eine Bleiberechtsregelung gibt, auch wenn nicht alle Blütenträume gereift sind.
Denken Sie nur an die Bleiberechtsregelung aus dem Jahre 1999. Da war von Übergangsfristen noch keine Rede. Ich denke, das ist ein Fortschritt. Die Ausländerbeauftragte hat bei der Umsetzung mitzuwirken, indem sie bei der Verwaltungsvorschrift ihre Stellungnahme abgibt. Herr Bräunig, ich bin inzwischen glücklicher. Das können Sie mir abnehmen. Das, was in meinem Amt und in meiner Kraft steht, werde ich einbringen. Aber wir sind mitten im Verfahren und die Fairness gebietet es, darüber nicht öffentlich zu diskutieren und die unterschiedlichen Haltungen einander vorzuhalten und sich niederzumachen.
Sobald es da ist, sind auch Sie selbstverständlich eingeladen, es entsprechend mit umzusetzen.
Meine Intention ist vor allem, dass möglichst viele von dieser Regelung profitieren können und wieder eine Perspektive für ihr Leben haben, in unserem Land. Das
gilt insbesondere für Familien mit Kindern. Wir haben das im Juni ausführlich miteinander diskutiert. Für mich geht es darum, einfach handhabbare Regelungen und Vorschriften für Betroffene wie Ämter und Behörden und Arbeitgeber zu haben, die so anwendbar sind, dass eben möglichst viele davon profitieren können.
Ein Wort zu den Ausschlussgründen. Es ist notwendig, dass bestimmte Kriterien auch dazu festgeschrieben sind und dass das, was für Deutsche gilt, nämlich Recht und Gesetz, auch für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu gelten hat. Straftäter dürfen nicht vom Bleiberecht profitieren. Dazu stehe ich nach wie vor. Das ist auch detailliert geregelt. Dennoch möchte ich auf einen Punkt hinweisen. Dieser betrifft die Straftaten, wenn die gesamte Familie darunter leiden soll. Da geht es vor allen Dingen darum: Stellen Sie sich die Situation vor, dass der Familienvater wegen Gewalt in der Familie verurteilt wird. Soll die gesamte Familie deshalb ausgewiesen werden? – Ich bitte darum, dass einfach auch der Einzelfall in aller Regel geprüft wird.
Schließlich werden nicht alle profitieren. Das sollte uns klar sein. Es wird auch weiterhin Menschen geben, die, obwohl sie von Gesetzes wegen zur Ausreise verpflichtet sind, geduldet werden. Es ist schon jetzt unsere Pflicht, mit diesen menschenwürdig und achtungsvoll umzugehen und sie entsprechend zu behandeln.
Sie können sicher sein, dass ich das Meine tun und dort, wo ich kann, Einfluss nehmen werde.
Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu gestern: Ich bedauere außerordentlich, dass ich gestern nicht hier sein konnte und damit für Irritationen gesorgt habe. Ein privater Termin hat mich gehindert. Dazu kam im Anschluss daran ein Defekt an unserem Auto – das von mir und meinem Mann –, sodass ich nicht rechtzeitig hier sein konnte. Die Entschuldigung war rechtzeitig an den Parlamentarischen Geschäftsführer meiner Fraktion gerichtet worden. – Dies dazu.
Meine Damen und Herren, nun zu dem heutigen Thema. In den vergangenen 15 Jahren sind für die unterschiedlichsten Ethnien und Personengruppen Bleiberechtsregelungen verabschiedet worden. Unter anderem erhielten die Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer der ehemaligen DDR ein Bleiberecht, aber auch Studentinnen und Studenten aus bestimmten Staaten und traumatisierte bosnisch-herzegowinische Bürgerkriegsflüchtlinge. Mit der letzten Regelung erhielten 145 Personen ein Bleiberecht durch die Altfallregelung. Sie sehen daran, dass sich die Innenminister der Probleme sehr wohl bewusst sind.
Nun war mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes die Hoffnung verbunden, dass die sogenannten Kettenduldungen, auf die bereits eingegangen wurde, abgeschafft werden könnten, damit Menschen nicht jahrelang in Unsicherheit leben müssen. Schon im Herbst 2005 stand deshalb ein Entwurf einer Altfallregelung auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz, der mit dem Hinweis, dass zunächst geprüft werden solle, ob das Zuwanderungsgesetz diese Abschaffung der Kettenduldungen erreicht habe, nicht behandelt wurde. Die Evaluierung zeigt nun, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllt hat. All das wissen Sie ebenso gut wie ich.
Es freut mich, dass nun die Notwendigkeit einer Altfallregelung, also einer weiteren Bleiberechtsregelung, parteiübergreifend anerkannt wird. Sehr viele Menschen setzen ihre Hoffnung auf eine Entscheidung der Innenministerkonferenz und, meine Damen und Herren, es ist hinlänglich bekannt, dass ich für eine Altfallregelung eintrete, die
für die lange unter uns lebenden Menschen tatsächlich eine aufenthaltsrechtliche Perspektive eröffnet, und ich habe dies mehrfach mit dem Innenminister erörtert.
Aber Sie wissen auch, dass sich die Positionen in den einzelnen Ländern in Bezug auf das Erfordernis und die Ausgestaltung dieser Regelung grundlegend unterscheiden. Die Beschlüsse aber müssen dann einstimmig gefasst werden. Ich bin sicher, dass der Innenminister alles daransetzen wird, eine weitreichende Altfallregelung zu erreichen. Es gibt erste Anzeichen für eine grundsätzliche Einigung und dennoch wird am Ende nur ein Kompromiss stehen können. Bis es so weit ist, sind viele Verhandlungsrunden notwendig, in die die Verhandlungsführer im Interesse der Betroffenen möglichst ohne vorbestimmte Forderung gehen sollten, um die Einstimmigkeit nicht zu gefährden. Wenn wir eine Bleiberechtsregelung erreichen wollen, müssen wir dem Minister die Verhandlungsführung zubilligen. Das gebietet für mich schlicht die Vernunft. Alles andere wäre unvernünftig.
Diese Regelung wird an bestimmte Kriterien gebunden sein. Es wird Ausschlussgründe geben. Aus meiner Sicht sollte aber unstreitig sein, dass besonders auf die hier geborenen oder im Kleinkindalter eingereisten und hier aufgewachsenen Kinder Rücksicht genommen wird. Wenn Kinder in unserem Land geboren wurden, hier die Schule besucht haben, dann haben sie hier ihr Zuhause, dann sollten diese Kinder und ihre Familienangehörigen auch ein Bleiberecht erhalten und es sollte kein Herkunftsland von der Regelung ausgeschlossen sein.
Ein weiterer Punkt ist die Sicherung des Lebensunterhaltes. Aus der Zeitung wissen Sie, wie im Moment der Diskussionsstand ist. Wenn Sie an dem Thema Interesse haben, sollten Sie darüber informiert sein. Es ist so, dass auf Bundesebene nach Lösungen gesucht wird, von denen ich hoffe, dass sie eine Aufenthaltserlaubnis mit Arbeitserlaubnis für Tätigkeiten jeder Art vorsieht.
Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass die bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes auch in Zukunft Anwendung finden können. Dazu gehört für mich die Härtefallkommission, die weiterhin für besonders gelagerte Fälle der letzte Anlaufpunkt für ein humanitäres Bleiberecht sein wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Arbeit der Härtefallkommission in Zukunft gestalten wird. Wir sollten erst zu gegebener Zeit darüber eine Entscheidung treffen.
Meine Damen und Herren! Von einer Bleiberechtsregelung können und werden nicht alle erfasst werden können, und es werden nicht alle Hoffnungen erfüllt werden können. Mit den von mir skizzierten Punkten könnte aber vielen Menschen eine Perspektive in unserem Land eröffnet werden. Ich denke, genau das will auch der Innenminister. Genau dazu ist der Beschluss vom Juni eine gute Grundlage. Die Hoffnung für die Betroffenen
erhalten zu können, dazu möchte ich meinen Beitrag verstanden wissen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weiteres Mal eine Debatte zum Bleiberecht für lange Jahre in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer, die lediglich geduldet sind. Es geht um Menschen, die lange Jahre hier leben, und es geht um Kinder, um Kinder, die hier geboren und aufgewachsen sind. Wir sprechen über Menschen, die weit gehend integriert sind – eine Debatte, die ein weiterer Schritt zur Lösung des Problems sein kann, denn die grundsätzliche politische Schwierigkeit einer Debatte um das Bleiberecht ist hinlänglich bekannt. Wenn wir nämlich über Bleiberechtsregelungen für diese Menschen sprechen, dann müssten wir auch über die Geltungskraft unserer Normen des Ausländerrechtes sprechen.
Die potenziell von einer Bleiberechtsregelung Betroffenen sind nach geltender Rechts- und Gesetzeslage seit Langem zur Ausreise verpflichtet. Nachvollziehbar sind daher laut gewordene Befürchtungen, eine Bleiberechtsregelung könne illegale Migration fördern und ein falsches Signal setzen.
Meine Damen und Herren! Zur Geltungskraft von Normen zählt aber auch die Kraft der Überzeugung. So bleiben Zweifel, ob diese Gesetze die sich über Jahre entwickelte Lebenswirklichkeit dieser Menschen noch erfassen und angemessen würdigen können. Denn die
Betroffenen leben häufig schon länger als ein Jahrzehnt unter uns. Es sind dies in Sachsen – es wurde bereits gesagt – derzeit etwa 5 500 ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eine Duldung besitzen, weil sie nicht abgeschoben werden können, etwa 10 % bereits seit mehr als zehn Jahren. Meine Damen und Herren, diese Menschen sind genauso lange bei uns, wie wir hier in diesem Gebäude zusammenkommen, also seit zweieinhalb Legislaturperioden.
Auch wenn wir Zahlen nennen – diese Zahlen haben letztlich Gesichter, sie haben Namen. Wir sprechen über konkrete Menschenschicksale. Denken wir an die Kinder und Jugendlichen, die in unserem Land geboren sind und hier die Schule besuchen. Etwa 25 % der Geduldeten sind Minderjährige. Das sind die Spiel- und Schulkameraden Ihrer Töchter und Söhne, Ihrer Nichten und Neffen. Auch von denen kann unser Land und können unsere Kinder etwas lernen. Auch sie stellen eine Bereicherung für unser Land dar.
Meine Damen und Herren, konkrete Beispiele gibt es genug. Unser Land vergab zu Beginn dieses Jahres gemeinsam mit der Hertie-Stiftung Begabtenstipendien zur Förderung der Kinder von Zuwanderern. Unter den zehn Stipendiaten waren auch die Kinder Geduldeter. Oder im Sport, etwa im Fußball: Dieser Tage finden in Sachsen anlässlich der Fußballweltmeisterschaft verschiedene kleine Turniere statt, an denen Mannschaften mit Kindern und Jugendlichen teilnehmen, die nur geduldet sind, aber trotzdem viele Tore schießen. Morgen findet die Abschlussrunde des Streetsoccer-Turniers in Leipzig statt. Über diese Veranstaltung habe ich die Schirmherrschaft übernommen. Es muss eine Lösung zugunsten dieser Menschen gefunden werden, eine Lösung zugunsten unseres Landes.
Meine Damen und Herren, Sie werden sich nicht wundern: Ich stehe hinter einer Bleiberechtsregelung; denn auch das neue Zuwanderungsgesetz hat bisher keine zufrieden stellende Antwort finden können – obwohl Konsens bestand –, die so genannten Kettenduldungen abzuschaffen. Allein mit der Härtefallkommission kommen wir einer Lösung dieses Problems auch nicht näher. Der Einzelfallbezug eröffnet Möglichkeiten zur Lösung spezifischer Fälle, dem allgemeinen Härtefall der Altfälle vermag sie jedoch nicht zu entsprechen.
Zurzeit findet die erste Evaluation des Zuwanderungsgesetzes statt, die im Koalitionsvertrag der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD vereinbart worden ist. Dies begrüße ich und versichere Ihnen, dass ich diesen Prozess mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln begleiten werde. Es müssen Lösungen gefunden werden. Aber es ist ebenso klar, dass diese an bestimmte Voraus
setzungen zu knüpfen sind; der Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD nennt die wesentlichen.
Ich weiß um die schwere Lage derer, die von Abschiebung bedroht sind. Deshalb unterstütze ich die Forderung nach Anwendung besonderer Sorgfalt bei der Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber Personen mit langjährigem Aufenthalt in unserem Land. Es ist bereits gesagt worden und ich möchte es bekräftigen: Je länger der Aufenthalt, desto größer die Sorgfalt. Das Schicksal betroffener Kinder und Jugendlicher, die sich in Schule und Ausbildung befinden, die Würdigung der Integrationsleistung, eine ausgeübte Erwerbstätigkeit oder nachgewiesene ernsthafte Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu bekommen, das ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Engagement – all dies soll und darf auch jetzt schon zur Verabschiedung einer Bleiberechtsregelung nicht außer Acht gelassen werden.
Meine Damen und Herren, noch einmal: Ich unterstütze die Bemühungen, damit eine Lösung für diese Menschen gefunden wird. Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD zeigt in eine solche Richtung.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse, über die gesprochen wird, liegen inzwischen einen Monat zurück, haben aber ihre Aktualität nicht verloren.
Die versuchte und letztlich gescheiterte Abschiebung dieser 31-jährigen Frau und ihres Kindes ist schon oft geschildert worden und ich habe an Tatsachen nichts hinzuzufügen.
Auch meine Stellungnahme zu den Ereignissen kennen Sie. Ich halte es nach wie vor für außerordentlich fragwürdig, dass es in unserem Land möglich sein soll, ein Kleinkind durch polizeiliche Einsatzkräfte ohne Begleitung durch seine Mutter aus einer Kindertagesstätte zu holen, um so die Abschiebung zu erzwingen.
Was die rechtliche Bewertung anbelangt, halte ich mich mangels hinreichend gesicherter Tatsachengrundlagen
noch zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und es gibt interne dienstliche Untersuchungen. Dies begrüße ich ausdrücklich und betone, dass dies Ausweis eines funktionierenden Rechtsstaates ist.
Nun gehören Abschiebungen zum Vollzug unseres Ausländerrechts, wie sie auch in anderen Ländern stets stattfinden. Ob nun Abschiebemaßnahmen in konkreten Einzelfällen sinnvoll und notwendig sind und ob einige der ihnen zugrunde liegenden ausländerrechtlichen Konzeptionen noch zeitgemäß sind, muss im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche Herausforderungen einer kritischen Überprüfung unterzogen werden.
Daran arbeite ich als Sächsische Ausländerbeauftragte. Aber das kann heute nicht das Thema sein. Unser Thema ist heute das menschliche Miteinander. Unser Thema ist, wie wir in schwierigen Situationen, die anlässlich polizeilicher Abschiebemaßnahmen unvermeidlich sind, so miteinander umgehen, dass Würde, Persönlichkeit und Gesundheit aller Beteiligten geachtet und geschützt bleiben.
Hier tragen der Staat und seine Organe eine besondere Verantwortung und hier müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Ich habe schon deutlich gemacht: Abschiebungen sind tägliche ausländerrechtliche Maßnahmen. Im letzten Jahr sind sachsenweit 1 600 Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben worden. Dabei sind Abschiebemaßnahmen hochsensiblen Charakters und wirken schwer auf die Betroffenen. Umso mehr bedarf es eines behutsamen und feinfühligen Umgangs. Gerade wenn Kinder von Abschiebemaßnahmen betroffen sind, ist es schlicht das Gebot menschlicher Vernunft, Rücksicht walten zu lassen und im Zweifel gegebenenfalls das Interesse an einem schnellen Vollzug der Abschiebung hinter dem Kindeswohl zurückstehen zu lassen.
Sicherlich stehen unsere Polizeibeamten in schwierigen Situationen unter Druck. Fehler und Fehlverhalten lassen sich nicht immer von vornherein gänzlich ausschließen. Wir müssen sie aber minimieren, und das im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Es ist meines Erachtens unabdingbar, dass künftig spezifisch geschultes Personal für Abschiebungen eingesetzt wird und gegebenenfalls in den hochsensiblen Bereichen auch Personen, die nicht der Polizei angehören, die Abzuschiebenden begleiten.
Meine Damen und Herren! Was im letzten Monat geschehen ist, ist leider geschehen. Aber ich fordere uns alle auf, dies zum Anlass zu nehmen, gemeinsam wirksame institutionelle Vorkehrungen zu treffen, damit es in Zukunft nicht mehr geschehen kann, dass mit Menschen
auf diese Art und Weise umgegangen wird. Ich jedenfalls werde alles mir Mögliche dazu tun, damit dies nicht wieder passiert.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zum zwölften Mal steht im Sächsischen Landtag der Bericht
eines, heute besser einer Sächsischen Ausländerbeauftragten auf der Tagesordnung. Ich komme damit nicht nur meiner gesetzlichen Pflicht nach, Sie, meine Damen und Herren, über die Tätigkeit meines Amtes und die Situation der gemeinsam mit uns in Sachsen lebenden Ausländerinnen und Ausländer zu informieren. Indem damit auch die Regierung wie die Öffentlichkeit über die Arbeit unterrichtet werden, setze ich bewusst ein Signal zugunsten eines gewollten und tatsächlich erlebten weltoffenen und toleranten Sachsen.
Kontinuität und Veränderung bestimmten mein erstes Jahr im Amt und so stehe ich wie mein Amtsvorgänger den mit uns lebenden Ausländerinnen und Ausländern selbstverständlich als verlässliche Ansprechpartnerin für Bitten, Beschwerden, Petitionen gern zur Verfügung. Jedoch sind zugleich vielfältige neue Herausforderungen in rechtlicher wie politischer Hinsicht zu bewältigen.
Da wäre zunächst das Zuwanderungsgesetz. Erfüllt es die vielseitig begründeten Erwartungen und Hoffnungen, die mit seinem In-Kraft-Treten verbunden waren? Wie steht es um drängende gesellschaftliche Fragen zu einer zeitgemäßen Migrations-, Integrations- und Sicherheitspolitik? Wie ist Pluralität in Meinung, wie Kultur zu fördern und wie die Integration als wechselseitiger Prozess zu begleiten oder die Entschlossenheit zur Bekämpfung von Rassismus wie Radikalismus?
Meine Damen und Herren, das sind Herausforderungen, die auch weiterhin einer intensiven Begleitung bedürfen. Die wohl wichtigste mit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes verbundene Neuerung war – nun vom Allgemeinen zum Besonderen – die Möglichkeit der Einrichtung einer Härtefallkommission. Parteienübergreifend sind Sie darauf eingegangen. Diese Kommission arbeitet seit dem Sommer 2005 unter meiner Leitung. Sie trägt eine besondere Verantwortung nicht nur für das persönliche Schicksal der Betroffenen, sondern auch die Interessen der Gesellschaft, und wir nehmen unsere Verantwortung in dieser Kommission sehr bewusst wahr.
In vielen Fällen zählen Familien zu den Betroffenen, die lange hier in Deutschland und Sachsen gelebt haben, mit Kindern, die zum Teil hier geboren wurden oder zumindest den größten Teil ihres bisherigen Lebens mit uns verbracht und die Schule hier besucht haben.
In vier Sitzungen konnten 13 Anliegen mit insgesamt 41 Personen beraten und in sieben Fällen ein Härtefallersuchen an das Sächsische Staatsministerium des Innern gerichtet werden. Dieses hat in bislang sechs Fällen jeweils die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen veranlasst.
Dennoch stehen wir vor einer Schwierigkeit. Die Kommission ist nach dem Gesetz berufen, bei den Betroffenen den spezifischen Härtefall aus persönlichen oder humanitären Gründen im Einzelfall festzustellen. Sie ist hingegen kein geeignetes Instrument zur Lösung sämtlicher offener
Fälle. Wir müssen uns deshalb nach wie vor die Frage stellen, wie wir mit Menschen und insbesondere Familien umgehen, die seit Langem in Deutschland leben, deren Kinder hier geboren sind, die unsere Schule besuchen, die deutsch sprechen und ihr Heimatland nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen und die über kein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen, sondern lediglich geduldet sind.
Womit ich beim nächsten Problem und einer unerwarteten Hoffnung an das Zuwanderungsgesetz wäre. Die Zahl der so genannten Kettenduldungen konnte nicht signifikant reduziert werden. Die jetzt stattfindende Evaluierung des Gesetzes begrüße ich außerordentlich und werde sie mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln auf Länder- wie auf Bundesebene begleiten.
Es muss eine Lösung für diese Menschen, die zum Teil zehn Jahre und länger in unserem Land leben, gefunden werden. Im Übrigen ist dies kein spezifisch sächsisches Problem.
Zum nächsten Punkt, der Integrationspolitik. Wo müssen wir in Sachsen ansetzen, wenn wir anerkennen, dass Integration keine Einbahnstraße ist, sondern Zuwandernde wie Einheimische gleichermaßen gefordert werden? Die Förderung der Sprache als Schlüssel der Integration und die Sicherung des Zugangs zu Arbeit, Bildung und Ausbildung stehen dabei im Mittelpunkt unserer Politik. Nun gelingt Integration nicht auf Konferenzen oder während einer Parlamentsdebatte. Sie gelingt oder misslingt vor Ort in den jeweiligen Kommunen mit den dort lebenden Menschen. Wir können und müssen diesen Prozess begleiten. Dies will ich über gezielte und umfassende Öffentlichkeitsarbeit tun.
Sie können es im Jahresbericht nachlesen: In Sachsen leben etwa 86 000 Ausländer aus 177 Ländern. Das macht etwa 2 % der Wohnbevölkerung aus. Das ist wenig, verglichen mit den Zahlen der alten Bundesländer, bei denen etwa 8 % der Wohnbevölkerung ausländischer Staatsangehörigkeit sind. Großstädte, also Ballungszentren, erreichen Ausländeranteile von etwa 25 %. Unsere Ballungszentren Dresden und Leipzig sind bei etwa 5 bis 7 %.
Meine Damen und Herren! Wenige Ausländer bedeuten nicht wenig politischen Handlungsbedarf; denn ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht zuletzt der geringe Anteil mit uns lebender ausländischer Menschen ist, der Fremdenfeindlichkeit ermöglicht. Wenn kaum persönliche Berührungspunkte zwischen deutscher und ausländischer Bevölkerung bestehen,
bleibt das Fremde abstraktes Phänomen und kann leicht als Spielball irregeleiteter Ausgrenzungsideologie missbraucht werden.
Wir haben auch heute wieder ein eindeutiges Beispiel bekommen. Hier sind wir alle, hier ist nach wie vor auch die Politik gefordert. Berührungspunkte zu ermöglichen und zu vermitteln wird durch die kommunalen Ausländerbeauftragten in vorbildlicher Weise praktiziert. Sie sind erste und vertrauensvolle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, sie haben immer in allen Fragen ein offenes Ohr für die gemeinsam mit uns lebenden Ausländerinnen und Ausländer.
Integration beginnt auch bei institutioneller Gewährleistung. Wer hier sparen will, der spart letztlich am Erfolg der Integration.
Kommunale Ausländerbeauftragte sind unverzichtbar als Schaltstelle zwischen Zuwanderern und Bevölkerung wie Verbänden und Vereinen.
Meine Damen und Herren! Vorrangige Aufgabe der Politik muss es sein, durch gezielte und gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit den Bereicherungsaspekt hier lebender und zuwandernder Menschen ausländischer Herkunft für alle Bereiche der Gesellschaft, insbesondere der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, zu betonen.
Mit dem Kuratorium für ein weltoffenes Sachsen sowie den von mir ins Leben gerufenen Veranstaltungen zu aktuellen Themen wie Zuwanderung und demografische Entwicklung oder Bereicherung durch kulturelle Vielfalt leiste ich dazu einen Beitrag. Es sind aber weitere Anstrengungen aller gesellschaftlichen wie politischen Bereiche notwendig.
Meine Damen und Herren! Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Wir dürfen darüber nicht die Gedanken, Anregungen und Wünsche derjenigen überhören, für deren Wohl ich mich – wie viele andere auch – einsetze und deren Interessen und Anliegen ich vertrete. Dies ist einer der Gründe, warum ich mich entschieden habe, sie in meinem nächsten Jahresbericht zu Wort kommen zu lassen. Ich bitte die hier lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie diejenigen, die hier eingebürgert worden sind, über ihre eigenen hier gesammelten Erfahrungen mit Land und Menschen zu berichten; denn ich möchte ihnen – fern der streng rational geführten statistischen integrationswissenschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Diskussionen – wirksam Gehör verschaffen. In meinem
Bericht finden Sie dazu einen Aufruf, den ich Sie bitte weiterzugeben.
Meine Damen und Herren! Ihre Anerkennung hat mich sehr gefreut und ich danke Ihnen dafür.
Meinen Dank möchte ich an Sie weitergeben; denn Ihre Unterstützung, Ihre Anregungen und hin und wieder Ihre Kritik erleichterten mir mein erstes Jahr im Amt nicht unwesentlich. Auf dieses Fundament gemeinsamer Zusammenarbeit baue ich sehr gern auf und hoffe auch weiterhin auf Ihre – auch kritische – Begleitung.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation im Irak wird uns angesichts der aktuellen Ereignisse um die Geiselnahme der deutschen Archäologin Susanne Osthoff und ihres Fahrers ein weiteres Mal eindringlich vor Augen geführt. Entführungen in- und ausländischer Personen, nahezu tägliche und hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Bombenanschläge und ein unerhörtes Maß an Gewalt bestimmen das Leben im Irak. Ein normales und zivil geführtes Leben scheint undenkbar.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, halten wir es für geboten, dass wir über die Vorgehensweise der ständig erneuerten Kettenduldung von Flüchtlingen im Irak hinwegkommen, und zwar einfach aus humanitären Gründen. Der Status der Kettenduldung bringt für die Betroffenen nicht hinnehmbare Nachteile mit sich, denn sie dürfen ihre Stadt, den Kreis, in dem sie leben, nicht verlassen. Sie fallen unter den Begriff des Asylbewerberleistungsgesetzes mit den entsprechenden Kürzungen bei der Sozialhilfe. Beim Arbeitsmarktzugang und Ähnlichem ist es das Gleiche. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen bestätigt diesen Befund und hat sich im September dieses Jahres aktuell zur Rückkehrmöglichkeit irakischer Flüchtlinge positioniert. Seine Stellungnahme, mit der er sich an diejenigen Staaten wendet, die irakische Flüchtlinge aufgenommen haben, enthält deshalb im Wesentlichen die Empfehlung, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, die Rückführung von Flüchtlingen in den Irak ebenfalls nicht vorzunehmen sowie jegliche Förderung einer freiwilligen Ausreise zum jetzigen Zeitpunkt zu unterlassen.