Jan Hippold
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Sächsische Landtag hat in seiner 14. Sitzung am 29. April 2010 auf Antrag der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Dringlichen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt.
Hinterfragt werden sollten entsprechend Untersuchungsauftrag – die Frau Präsidentin hat es eben bereits vorgetragen – die Versäumnisse und Fehler der Staatsregierung bei der Konzipierung, Organisation, Planung und Absicherung einer vorrangig auf Abfallvermeidung, Ressourcenrückgewinnung und Nachhaltigkeit ausgerichteten Abfall-Kreislaufwirtschaft sowie eine funktionierende Verwaltung und eine ordnungsgemäße Überwachung der umweltverträglichen Verwertung und Beseitigung von Abfällen in Sachsen.
Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben zahlreiche Zeugen vernommen, unter anderem Unternehmer, Behördenmitarbeiter sowie Sachverständige. Sie haben eine Abfallentsorgungsanlage besucht und einen Abschlussbericht erstellt. Als Fazit könnte man plakativ sagen: Außer Spesen nichts gewesen. Sachlich gesehen bleibt festzustellen, dass die staatlichen und kommunalen Aufsichtsbehörden die ihnen zugewiesenen Aufgaben so erledigt haben, wie es die zahlreichen europa-, bundes-, landes- und kommunalrechtlichen Vorschriften erwarten. Verstöße staatlicher und kommunaler Stellen konnten nicht festgestellt werden.
Ich weiß, Herr Lichdi, Sie sehen das völlig anders. Für Sie stand von vornherein fest, dass die Abfallverwertung im Freistaat Sachsen ein einziges Desaster ist, und die Zeugenanhörungen dienten Ihnen nur dazu, dieses Ihr Vorurteil zu bestätigen. Wenn ich mir jedoch anschaue, welche Schlussfolgerungen Sie aus den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses auf Seite 54 Ihres Minderheitenvotums ziehen, sind Sie sich wohl selbst doch nicht ganz so sicher. Auch Sie finden keine konkreten Handlungsnotwendigkeiten, sondern verbleiben in politischen Allgemeinplätzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bau einer Abfallentsorgungsanlage durch einen privaten Unterneh
mer ist ein Geschäftsvorgang, den es bisher zu Tausenden gegeben hat. Ein Unternehmer hat eine Vorstellung von der Gründung eines Abfallentsorgungsunternehmens. Mithilfe von Planungen und behördlichen Erlaubnissen setzt er diese Idee um. Damit das Geschäft wirtschaftlich betrieben werden kann, ist er wie jedes andere Unternehmen auf Kunden angewiesen. Es ist selbstverständlich, dass ein Unternehmer gewinnbringend arbeiten muss. Es ist ebenso selbstverständlich, dass ein Unternehmer Kunden braucht, und es ist auch selbstverständlich, dass er hierfür Akquise betreiben muss. Diese Akquise ist in der heutigen Zeit nicht nur auf das unmittelbare nationale Umfeld, sondern auch, wenn erforderlich, auf internationale Kunden ausgerichtet.
Abfall ist ein Wirtschaftsgut innerhalb der Europäischen Union, welches keinen Verkehrsbeschränkungen unterworfen ist. Nichts anderes tun im Grundsatz die Abfallentsorgungsunternehmen in Sachsen. Zu glauben, dass Abfälle unserer heutigen Industriegesellschaft auf Großvaters Komposthaufen entsorgt werden könnten, ist naiv. Aus diesem Grunde gibt es eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben, die von den Unternehmen einzuhalten sind und deren Einhaltung von den Behörden zu überprüfen ist.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind die gesetzlichen Vorgaben und die daraus resultierenden Verwaltungsvorschriften ständig überarbeitet und verbessert worden, und sie werden es weiterhin. Für die Betreiber von Abfallentsorgungs- und -verwertungsanlagen wurden und werden die Regelungen erheblich verschärft. Dies diente und dient in allererster Linie dazu, den Schutz für die Bevölkerung und die Umwelt weiter zu verbessern. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Unternehmen mit staatlicher oder kommunaler Beteiligung am Markt agieren. Jedes Unternehmen ist auf Kunden und Gewinne angewiesen, um weiter bestehen zu können.
Sachsen hat eines der modernsten Entsorgungskonzepte in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa. Die Altlasten der DDR mit ihren teilweise wahllos in die Landschaft eingebrachten Deponien werden kontinuierlich überwacht und saniert. Die neuen, nach 1990 entstandenen Abfallentsorgungsunternehmen mit ihren modernen Abfallbehandlungsanlagen und Deponien werden umfassend kontrolliert. Dies alles ist mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand verbunden. An diesem beteiligen sich die staatlichen und kommunalen Stellen jeweils in dem ihnen vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Umfang.
Die Kommunalreform im Jahre 2008 mit dem Wechsel von Zuständigkeiten von Landes- auf Kommunalbehörden hat nur kurzzeitig zu Anlaufschwierigkeiten geführt. Das ist bei einer solch umfassenden Reform nicht verwunderlich. Es ist höchstens beachtlich, dass bereits nach kurzer Zeit wieder das gewohnte Maß an staatlicher und kommunaler Prüfungstätigkeit erreicht wurde. Staatliche und kommunale Behörden sind in einem Rechtsstaat an umfangreiche gesetzliche Vorgaben gebunden, um Messwerte zu erheben und auszuwerten. Erst dann dürfen behördliche Anordnungen gegenüber Betreibern von
Abfallentsorgungsunternehmen ergehen. Bloße willkürliche Verdachtsmaßnahmen seitens der Behörden führen unweigerlich zu Schadenersatzforderungen der Betreiber. Darüber hinaus gibt es trotz aller staatlichen und behördlichen Überwachungsmaßnahmen keine hundertprozentige Sicherheit gegen rechtswidriges Vorgehen bzw. Verhalten von Unternehmern oder Privatpersonen.
Bezogen auf unseren Untersuchungskomplex ItalienAbfälle ist festzuhalten, dass nach Bekanntwerden von Verstößen gegen die Genehmigung beim Import dieser Abfälle entsprechende Anzeigen bei den Ermittlungsbehörden erstattet wurden. Anschließend wurde durch das SMUL die Überwachung dieser Abfallströme im Freistaat Sachsen per Erlass klargestellt.
Nach der Vernehmung der beiden Zeugen aus Italien – eines Staatsanwaltes und eines Polizeibeamten – durch den Untersuchungsausschuss kamen die „DNN“ und die „LVZ“ am 25. November 2013 zu dem Ergebnis – ich zitiere –: „Fehlverhalten deutscher Behörden stellte die italienische Justiz nicht fest.“ Zu Ihrer sicher großen Enttäuschung, Herr Lichdi, sehe ich damit die von uns vertretene Auffassung bestätigt.
Es gibt aus der Sicht des Ausschusses nach den Anhörungen der zahlreichen Zeugen keinerlei Hinweise darauf, dass die staatlichen und kommunalen Behörden in Sachsen die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht zur Zufriedenheit erledigt hätten. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass bei Kenntnis von Missständen staatliche und kommunale Behörden, soweit erforderlich, nicht unverzüglich eingegriffen hätten, um diese Missstände zu beseitigen. Diese Sorgfalt ging zum Teil so weit, dass Unternehmen mit der Androhung der Entziehung der Betriebserlaubnis konfrontiert wurden, um Schaden von der Bevölkerung und der Umwelt abzuwehren. Die hiervon betroffenen Unternehmer haben sich im Ausschuss zum Teil sehr heftig über die zahlreichen staatlichen und kommunalen Kontrollen ihrer Unternehmen beklagt. Jeder Bürger weiß, dass die Entziehung der Betriebserlaubnis eines Unternehmens vom Gesetzgeber zu Recht mit sehr hohen Hürden versehen ist. Dass die sächsischen Behörden diese Hürden nicht gescheut haben, um Bevölkerung und Umwelt zu schützen, spricht für die Arbeit dieser Institutionen.
Alle eingeleiteten Strafermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter von staatlichen und kommunalen Behörden wegen angeblichen Behördenversagens wurden im
Übrigen mangels Tatverdachts vonseiten der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Nun möchte ich noch einige Worte über die Aufgabe des Untersuchungsausschusses verlieren. Der Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss ein, um einen Sachverhalt überprüfen zu lassen. Er hat das Recht, Zeugen vorzuladen und Beweismittel anzufordern. Die Regelungen der Strafprozessordnung finden analog Anwendung. Am Ende steht ein Abschlussbericht, in dem der Sachverhalt aus unterschiedlicher Sicht gewürdigt wird. Dies kommt einem Urteil in einem Strafprozess gleich.
Am 30. Januar 2009 hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in einem Organstreitverfahren erklärt – ich zitiere –: „Zudem ordnet § 9 Abs. 5 Untersuchungsausschussgesetz an, dass sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses vor Abschluss der Beratungen über einen Gegenstand der Verhandlung einer öffentlichen Beweiswürdigung enthalten sollen. Der Abschluss der Beratungen über einen Gegenstand der Verhandlung ist aber nicht schon mit Beendigung einer konkreten Zeugenvernehmung erreicht, sondern frühestens dann, wenn der entsprechende Gegenstand im Ausschuss in der Weise erörtert worden ist, dass insoweit für die Abgabe des Abschlussberichtes an den Landtag die Mehrheits- und Minderheitsfassungen erstellt werden können.“ – Das heißt mit den Worten eines Nicht-Juristen, wie ich es bin: Bevor nicht alles auf dem Tisch ist, kann kein Urteil ergehen.
Sehr geehrter Herr Lichdi, Sie geben im Parlamentsbuch an, dass Sie Jurist seien. Wie erklärt es sich dann, dass Sie in der Rolle eines Richters – denn nichts anderes tun wir an dieser Stelle – schon vorab eine Beweiswürdigung über eine zu erwartende Zeugenaussage fällen oder vorab mit einem Zeugen die abschließende Presseerklärung über die Zeugenvernehmung, die erst am nächsten Tag erfolgen soll, besprechen und noch während der Zeugenaussage eine Presseerklärung herausgeben? Ich vermute einmal, dass Sie in Ihrer Anwaltstätigkeit jeden Richter, der so tätig werden würde, zu Recht wegen Befangenheit ablehnen würden.
Ich weiß, dass der Untersuchungsausschuss auch ein politisches Instrument ist; aber der Unterschied zu einem Kasperletheater sollte auch von Ihnen gewahrt werden.
Im Übrigen möchte ich Ihnen danken, dass Sie dem Parlament durch Ihre zahlreichen, endlosen Zeugenbefragungen und das Vorlegen unendlich vieler Akten ermöglicht haben, einen tiefen Einblick in die sächsische staatliche und kommunale Verwaltung zu nehmen. Aber auch dabei frage ich mich, ob es wirklich erforderlich ist, dass allein ein Beweisantrag Kopierkosten von über
120 000 Euro verursacht, um am Ende festzustellen, dass die staatlichen und kommunalen Behörden genau das getan haben, wofür sie eingesetzt worden sind: die Durchführung und Überwachung staatlicher Gesetze und sonstiger Regelungen.
Die Opposition hat während der gesamten durchgeführten Anhörungen aus den beigezogenen Beweismitteln keinen einzigen Fehler im Verwaltungshandeln der sächsischen staatlichen und kommunalen Behörden finden können. Anpassungsschwierigkeiten bei der Umsetzung einer Verwaltungsreform sind nicht vollständig zu verhindern. Abfallkonzeptionen nach der desolaten DDR-Zeit aufzustellen und sie zügig umzusetzen ist eine außerordentliche, großartige Leistung der sächsischen Verwaltung. Wie
es auch anders aussehen könnte, sieht man in südlicheren Gefilden unseres Kontinents. Auch hier zeigt sich wieder einmal: Wenn man inhaltlich keine Fehler finden kann, versucht man, an den formellen Dingen herumzukritisieren.
Wie Sie der Presse entnehmen konnten, hat es Strafverfahren gegen Unternehmer gegeben, die bisher noch nicht abgeschlossen sind. Die Staatsanwaltschaft hat uns die Unterlagen zur Verfügung gestellt, damit der Ausschuss seine Aufgaben erledigen kann. Die Übergabe der Akten war mit der Bitte um vertrauliche Behandlung des Akteninhaltes verbunden, um weiter gehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu gefährden. Dieser Bitte ist der Ausschuss nachgekommen. Genau aus diesem Grund finden sich einige Zeugenaussagen nicht im öffentlichen Teil des Berichtes wieder. Ich lehne es ab, zu deren Inhalt Stellung zu nehmen. Eine Aussage hierzu würde die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft behindern und die Vertraulichkeitsverabredung zwischen dem Ausschuss und der Staatsanwaltschaft ad absurdum führen.
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf das Minderheitenvotum eingehen, das es doch tatsächlich schafft, der Staatsregierung zu unterstellen, sie habe etwas getan, aber es gleichzeitig unterlassen zu haben. So soll die Staatsregierung zu Beginn des Ablagerungsverbotes unbehandelter Siedlungsabfälle ab dem Jahr 2005 Warnungen vor entstehenden Überkapazitäten ignoriert haben. Im nächsten Atemzug bzw. Anstrich wird bemängelt, dass es im gleichen Zeitraum unterlassen worden wäre, den Bau neuer Anlagen der Abfallbehandlung zu fördern, die dann wiederum zu Überkapazitäten geführt hätten. Wie man daraus dann noch den Schluss ziehen kann, dass diese im Jahr 2005 zu einem Entsorgungsnotstand geführt hätten, bleibt mir schleierhaft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Fazit und das der CDU-Fraktion lautet: Die staatlichen und kommunalen Aufsichtsbehörden haben die ihnen zugewiesenen Aufgaben so erledigt, wie es die zahlreichen europa-, bundes-, landes- und kommunalrechtlichen Vorschriften erwarten. Verstöße staatlicher und kommunaler Stellen wurden nicht festgestellt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.