Edith Franke
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Gemäß Artikel 44 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen tritt der Landtag spätestens am dreißigsten Tag nach der Neuwahl zusammen. Die Wahl fand bekanntlich am 30. August 2009 statt, sodass die vorgeschriebene Frist eingehalten worden ist.
Meine Damen und Herren! Nach derselben Verfassungsbestimmung wird die erste Sitzung von der Alterspräsidentin einberufen und bis zur Wahl des Landtagspräsidenten geleitet. Diese Funktion fällt nach Feststellung des ausgeschiedenen Landtagspräsidenten Erich Iltgen mir zu. Ich darf mich Ihnen kurz vorstellen: Ich bin Dr. Edith Franke und wurde am 11. Oktober 1942 geboren.
Mit großer Freude begrüße ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten des 5. Sächsischen Landtages, und beglückwünsche Sie zu Ihrer Wahl.
Ich freue mich, dass eine große Zahl an Ehrengästen der Einladung zu unserer konstituierenden Sitzung gefolgt ist. Ganz herzlich begrüße ich die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes, die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die Angehörigen des Konsularischen Korps, die Repräsentanten der Kirchen und Religionsgemeinschaften, darunter die Vertreter der Jüdischen Gemeinden in Sachsen, die Vertreter der Landkreise und Kommunen, den Präsidenten des Sächsischen Rechnungshofes, die Sächsische Ausländerbeauftragte, den Sächsischen Datenschutzbeauftragten sowie die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger, die an dieser Sitzung als Gäste teilnehmen. Ebenso heiße ich den ehemaligen Landtagspräsidenten Herrn Iltgen und den ausgeschiedenen Vizepräsidenten Herrn Hatzsch willkommen.
Ich heiße Sie alle im Namen der Abgeordneten des 5. Sächsischen Landtages nochmals herzlich willkommen.
Erlauben Sie mir, nun das Wort zu einer kurzen Begrüßungsrede zu ergreifen.
Verehrter Herr Präsident des Sächsischen Landtages! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Landtagsabgeordnete! Verehrte Gäste! Es ist für mich eine große Ehre, die konstituierende Sitzung des Sächsischen Landtages zu eröffnen. Der Sächsische Landtag beginnt seine 5. Legislaturperiode seit der friedlichen Revolution. Morgen Abend erinnert ein Empfang in der Deutschen Botschaft in Prag an ein wichtiges Ereignis im
Herbst 1989, das den Aufbruch aus einem erstarrten System beschleunigte. Gemeint ist die Ankündigung der Ausreise der sogenannten Botschaftsflüchtlinge. Ich freue mich, dass der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen wie auch Repräsentanten der Landtagsfraktionen dort stellvertretend für die sächsische Bevölkerung an diesen bedeutsamen Tag erinnern.
Wir alle, meine Damen und Herren, stehen in der Pflicht, im gemeinsamen Handeln die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen für Sachsen angesichts der auch hier konkret spürbaren Folgen einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise trotz unterschiedlicher politischer Überzeugung zu meistern. Der Wahlkampf ist nun schon ein paar Tage vorbei, und wir geraten nicht mehr so schnell in den Verdacht, dieses Podium hier für Parteienwerbung zu nutzen. Gestatten Sie mir also einige Anmerkungen zum Beginn der vor uns liegenden parlamentarischen Wegstrecke.
Große Aufgaben sind zu lösen. Die Regierung muss das Land regieren und einen klaren Kurs gegen die Krise fahren. Die Opposition muss ihr Recht wahrnehmen, die Regierung zu kontrollieren, und ihr Vorschläge unterbreiten. Beide, Regierung wie Opposition, tragen gleichermaßen Verantwortung für die Geschicke aller Bürger in unserem Land. Nie sollten Politiker vergessen, woher sie kommen und was sie zugesagt haben. Wir sind den Menschen verpflichtet und nicht den Interessen von Parteien. Wir brauchen eine florierende Wirtschaft ebenso wie die Konsolidierung sozialer Sicherungssysteme. Wir brauchen den Abbau staatlicher Verschuldung ebenso wie die Sicherung des soziokulturellen Wohlbefindens. Wir brauchen einen Politikstil, der die Menschen nicht abschreckt, sondern anzieht und einbezieht.
Als Kompass bei der Orientierung auf das Wesentliche dienen uns Grundwerte. Der wichtigste Grundwert ist die Demokratie, genauer gesagt: die demokratische Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft. Das heißt nichts weniger als das bestmögliche Gelingen einer menschlichen Gemeinschaft. Sie schließt sowohl diejenigen ein, die mitgestalten und wählen, als auch jene, die bei der Wahl zu Haus geblieben sind. Die nach vielen Umschulungen noch immer arbeitslose Bürokauffrau, die unterbezahlte Verkäuferin mit Aufstockergeld von der ARGE fühlen sich von der demokratischen Teilhabe genauso ausgeschlossen wie der Diplomingenieur, der bei Qimonda der Krise zum Opfer gefallen ist und nicht weiß, wie er seinen Kindern die Ursache seiner Arbeitslosigkeit erklä
ren soll. Und wie soll ein älterer Mensch ohne Arbeit seine Ängste vor der Rente mit 67 verkraften?
Wir sind uns sicherlich einig, meine Damen und Herren, dass eine Gesellschaft immer so stark ist, wie sie mit den Schwachen umgeht. Ihre Würde zu achten und zu respektieren sollte deshalb unser Denken und Handeln bestimmen. Ich kenne leider vielfältige Beispiele des würdelosen Umgangs mit Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben müssen, sei es nun durch Gesetzgebung wie Hartz IV, durch Behörden, Medien oder die sogenannte öffentliche Meinung.
Für mich ist es das größte Glück meiner „Tafel“-Arbeit, wenn es uns wieder einmal gelungen ist, einem jungen Menschen zu helfen, seine Hoffnungslosigkeit zu überwinden und sein Leben in die eigenen Hände nehmen zu können, einen Lebenspartner zu finden, eine Familie zu gründen und einen Beruf auszuüben, der mehr ist als Geld verdienen, der auch Sinn stiftet. Es widerspricht dem Sozialstaatsprinzip, den Menschen als Kostenfaktor zu behandeln und die Kosten seiner Existenz minimieren zu wollen. Jeder Mensch hat das Recht, seine persönliche Berufung so weit wie möglich zu verwirklichen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das nicht von einem bürokratisch errechneten Bedarf gefesselt ist.
Unvereinbar mit unserer Auffassung von Demokratie sind völkerverachtende und diskriminierende Parolen brauner Gesinnung, denen wir keinen Spalt breit die Tür öffnen dürfen. Mein Respekt gehört jenen, die den Versuchen der Volksverhetzung durch neofaschistische Kräfte entschlossen entgegentraten und dies künftig tun werden. Ich erlaube mir das auch zu sagen, da ich die Tochter von zwei Antifaschisten bin, Widerstandskämpfern, die ihre Gesinnung mit mehrjähriger Zuchthaushaft in der Nazizeit und mit Dienst im Strafbataillon bezahlen mussten. Die Qualität einer parlamentarischen Kultur erweist sich in dem stabilen Beitrag, den sie zur Identität der Bevölkerung zu leisten vermag. Können wir Identität stiften, ein Gefühl, das den Bürger bewusst und eigenverantwortlich in der Gesellschaft handeln lässt? Ich meine damit nicht die regionale Identität, die in Dresden stark ausgeprägt ist und die ein Pfund ist, mit dem wir alle wuchern sollten.
Ich meine vor allem die Integration in das öffentliche, politische, wirtschaftliche, geistige und kulturelle Leben und damit die soziale Identität. Ich musste die Erfahrung machen, dass wir dabei große Einbußen erleiden. Es erschüttert mich immer wieder, bei meiner sozialen Arbeit auf eine wachsende Anzahl von Menschen zu treffen, die verbittert und hoffnungslos sind und sich ausgestoßen fühlen.
Ein besonders trauriges Kapitel ist die Kinderarmut, die unter den europäischen Industriestaaten nicht ihresgleichen hat. Die Zahl der armen Kinder steigt schneller als die Zahl der Armen. Insgesamt nahezu jedes dritte Kind in Sachsen lebt heute in einer Hartz-IV-Familie und damit in Armut. Ich frage Sie: Wie lange können wir noch zusehen, wenn das Geld der Eltern nicht für ausgewogene Ernährung reicht, Chancen auf höhere Bildung oft am
Geldbeutel der Eltern scheitern, Spiel und Sport im Verein aus Geldmangel verschlossen bleiben? Sind nicht die meisten von uns Eltern, Großeltern oder Paten von Kindern? Gehen wir in der Solidarität mit den Unterdrückten und Armen nicht auch von unserer besonderen Verantwortung für den Schutz aller Kinder aus? Besinnen wir uns darauf und handeln danach, dass jedes Kind ein Stück Zukunft ist!
Damit wir uns richtig verstehen: Ich bin keine Anhängerin einer steten Ausweitung von Sozialverwaltung und Sozialstaat im engen Sinne. Was wir brauchen, ist eine Stärkung des politischen Willens, unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit, die Grundrechte der Verfassung des Freistaates Sachsen für alle Bürger zu verwirklichen.
Vor uns stehen große Herausforderungen. Sehen wir die Menschen als gleichberechtigte Bürger, sprechen wir nicht zu ihnen, sprechen wir mit ihnen. Wir brauchen alle Ideen, die Tatkraft der Bürger in unserem Land; denn wir alle haben ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft. Handeln wir gemeinsam, dann werden uns die Menschen als ihre Interessenvertreter vertrauen und achten!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine anstrengende Zeit hinter uns, aber die eigentlichen Aufgaben stehen uns bevor. Gehen wir bei ihrer Lösung fair, sachlich und demokratisch miteinander um. Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Arbeit mit den Menschen und für die Menschen im Freistaat Sachsen.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Im Vorpräsidium bestand Einvernehmen zwischen den Fraktionen, dass für die heutige konstituierende Sitzung zunächst die Geschäftsordnung des 4. Sächsischen Landtages analog angewendet wird, bis der 5. Sächsische Landtag eine neue Geschäftsordnung beschlossen hat.
Meine Damen und Herren! Analog § 2 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung benenne ich aus den Reihen der Mitglieder des Landtages folgende fünf Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführern: Frau Aline Fiedler, Frau Ines Springer, Herrn Sebastian Gemkow, Frau Julia Bonk und Frau Dr. Liane Deicke. Frau Fiedler und Frau Bonk, bitte nehmen Sie rechts und links von mir Platz. Der vorläufige Sitzungsvorstand ist damit gebildet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Konstituierung des Landtages fort. Gemäß § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Geschäftsordnung des 4. Sächsischen Landtages erfolgen nun der Namensaufruf sowie die Verpflichtung der Abgeordneten.
Ich bitte Sie, Ihre Vorschläge vorzutragen.
Das sind die Anträge der Fraktionen der CDU und der FDP. Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir über die Tagesordnung ab. Wer der Änderung der Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt gegen den Antrag? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Antrag stattgegeben.
Der zweite Antrag betrifft die Verpflichtungserklärung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Somit ist der Antrag beschlossen und wir werden nach ihm verfahren.
Meine Damen und Herren! Wir fahren damit in der Konstituierung des Landtages fort. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 der Geschäftsordnung des 4. Sächsischen Landtages erfolgt jetzt die Verpflichtung der Abgeordneten. Nachdem ich Ihnen die Verpflichtungserklärung, die soeben durch uns beschlossen wurde, vorgelesen habe, wird der Namensaufruf vorgenommen. Ich bitte Sie, sich beim Aufruf Ihres Namens zur Bekräftigung der Verpflichtungserklärung von Ihrem Platz zu erheben und dann mit Ja zu antworten.
Ich lese zunächst den Text vor: „Die Mitglieder des Sächsischen Landtages bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des Volkes im Freistaat Sachsen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm abwenden, die Verfassung und die Gesetze achten, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegen jedermann dem Frieden dienen werden.“
Frau Abg. Bonk ruft jetzt die Namen auf.
Sind noch Abgeordnete im Saal, die nicht aufgerufen worden sind? – Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, dass 128 Abgeordnete zu unserer 1. Sitzung verpflichtet wurden. Es liegen drei Entschuldigungen vor. Die Verpflichtung derer, die sich entschuldigt haben, erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Die Tagesordnung für die 1. Sitzung ist Ihnen zugesandt worden. Gibt es – außer den abgestimmten – weitere Veränderungen zur Tagesordnung? – Es liegen keine weiteren Veränderungen vor. Ich rufe auf
Tagesordnungspunkt 2
Wahl des Präsidenten
Die Wahl erfolgt gemäß Artikel 47 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen. Als Wahlkommission berufe ich die Abg. Thomas Colditz als Leiter, Andrea Roth, Mario Pecher, Dr. Jürgen Martens, Michael Weichert und Gitta Schüßler. Zur Wahl des Präsidenten liegt Ihnen gemäß § 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung des 4. Sächsischen Landtages der Vorschlag der stärksten Fraktion, der CDU-Fraktion, vor, der zusammen mit der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/1 eingereicht wurde.
Meine Damen und Herren! Entsprechend § 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung wird der Präsident in geheimer Wahl gewählt. Um dieser Vorschrift zu entsprechen, darf ich Sie bitten, die Wahlkabine links oben, vom Präsidium aus gesehen, zu benutzen. Herr Colditz als Leiter der Wahlkommission nimmt den Namensaufruf vom Rednerpult aus vor. Die aufgerufenen Abgeordneten bitte ich, sich nach oben zur Elbseite des Plenarsaales zu begeben. Sie
erhalten dort den Stimmschein und einen Wahlumschlag. Sie können sich zu dem Vorschlag durch Ankreuzen im entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Enthaltung entscheiden. Der Kandidat ist gemäß § 3 Abs. 4 der Geschäftsordnung im ersten Wahlgang gewählt, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Landtages – das sind 67 – für ihn mit Ja gestimmt hat. Die Mitglieder der Wahlkommission bitte ich, ihre Stimmzettel am Schluss abzugeben.
Wir treten in die Wahlhandlung ein. Herr Abg. Colditz, bitte beginnen Sie mit dem Namensaufruf.
Meine Damen und Herren! Befinden sich noch Abgeordnete im Saal, die ihren Stimmschein noch nicht abgegeben haben? – Das ist offenbar nicht der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung.
Ich schlage Ihnen vor, dass die Wahlkommission die Auszählung außerhalb des Plenarsaales im Saal 2 vornimmt und wir auf das Ergebnis warten. Gibt es grundsätzlichen Widerspruch? – Das ist offenbar nicht der Fall. Dann verfahren wir so; danke.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Wahlergebnis bekannt. An der Wahl des Landtagspräsidenten haben sich 128 Abgeordnete beteiligt. Alle Stimmscheine waren gültig. Auf Herrn Abg. Dr. Rößler entfielen 82 Stimmen.
Mit Nein haben 43 Abgeordnete abgestimmt. Drei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten.
Herr Abg. Dr. Rößler hat mehr als die Hälfte der Stimmen der Mitglieder des Landtages erhalten und ist damit zum Präsidenten des Sächsischen Landtages gewählt worden.
Ich frage Sie, Herr Abg. Dr. Rößler, ob Sie die Wahl annehmen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, eine Unterlassung zu korrigieren. Ich begrüße natürlich auch ganz herzlich die 1. Vizepräsidentin des 4. Sächsischen Landtages, Frau Regina Schulz.
Bevor meine Aufgabe als Alterspräsidentin erfüllt ist und ich Sie bitte, die Leitung der Sitzung zu übernehmen, gratuliere ich Ihnen, Herr Präsident Dr. Rößler, sehr herzlich im Namen des ganzen Hauses und persönlich zu Ihrer Wahl und wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit. Bitte nehmen Sie jetzt Ihren Platz ein.
Bitte übernehmen Sie die weitere Leitung der Sitzung.