Brunhilde Liebrecht

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In der 49. Landtagssitzung am 15. Dezember 2000 hat die CDU-Fraktion die Drs. 3/3941 mit dem Titel „Verbesserung der Hilfen für Demenzkranke in SachsenAnhalt“ eingebracht.
Der Antrag der CDU fordert die Landesregierung auf, Initiativen und Maßnahmen zu ergreifen, um angesichts der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Zahl von Demenzkranken auf deren Probleme stärker einzugehen; denn es werden sich große Probleme in der medizinischen und pflegerischen Versorgung Demenzkranker ergeben, die ein rechtzeitiges Handeln erforderlich machen.
Der Antrag kommt zu dem Ergebnis, dass Leistungsverbesserungen in der derzeitigen Pflegeinfrastruktur wegen der besonderen Bedürfnisse der Demenzkranken notwendig sind. Die Benachteiligung der Demenzkranken in der Pflegeversicherung soll aufgehoben werden.
Zum Antrag der CDU hat die PDS in der Drs. 3/4017 einen Änderungsantrag eingebracht, der von der Landesregierung einen Bericht zu der Anzahl der ambulant, teilstationär oder stationär betreuten demenzkranken Pflegebedürftigen sowie zu den vorhandenen Versorgungsstrukturen einfordert. Ebenso wird der Stand der spezifischen Qualifikation des medizinischen und pflegerischen Personals erfragt. Des Weiteren werden Maßnahmen zur Verbesserung der Situation Demenzkranker und ihrer Angehörigen eingefordert.
Der Landtag hat den Antrag der CDU-Fraktion und den Änderungsantrag der PDS-Fraktion federführend in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie mitberatend in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft überwiesen.
Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat sich mit den Anträgen erstmals in der 33. Sitzung am 8. Februar 2001 befasst und beschlossen, eine Anhörung durchzuführen. Um eine langfristig tragfähige Lösung der Probleme erarbeiten zu können, hat man sich darauf verständigt, im Ausschuss zu diesem Thema Verbände und Institutionen sowie Sachverständige aus dem Pflegebereich anzuhören.
Die Anhörung erfolgte am 10. Mai 2001. Im Ergebnis der Anhörung ist festzuhalten, dass es sinnvoll wäre, sich nicht allein auf Demenzkranke zu beschränken. Der Bereich der Gerontopsychiatrie umfasst nicht nur die Dementen, sondern auch die Patienten, die im Alter an Depressionen oder Psychosen leiden. Dieser sehr große Personenkreis erfährt in Sachsen-Anhalt keine adäquate Versorgung.
Problematisch in der Praxis ist, dass die Diagnostik bei einer Demenz oft verspätet durchgeführt wird. Die Früherkennung von Demenz und Altersdepressionen liegt meist in den Händen der Hausärzte. Der Psychiatrieausschuss empfiehlt, dass die Ärztekammer SachsenAnhalt Schulungen für Hausärzte und interessierte Fachärzte anbieten sollte. Häufig mangelt es niedergelassenen Ärzten an Informationen in Bezug auf komplementäre Hilfsstrukturen und sonstige Angebote in der Behandlung, die sie an Betroffene weitergeben könnten.
Obwohl es bezüglich der Therapie für Demente in den letzten Jahren eine Vielzahl von Neuentwicklungen gegeben hat, ist die Versorgung dieser Patienten mit den modernsten und teuren Medikamenten nicht der Regelfall. Infolgedessen ist es dringend erforderlich, die ambulanten und stationären diagnostischen Möglichkeiten auszuweiten.
Nach Ansicht des Psychiatrieausschusses stellen gerontopsychiatrische Tageskliniken eine adäquate Form der Versorgung im teilstationären Bereich dar. Diese Versorgung ist insbesondere für die Klientel angemessen, für die eine ambulante Behandlung nicht mehr ausreicht, eine stationäre Behandlung jedoch noch nicht erforderlich ist.
Die ambulanten Angebote sind nicht ausreichend. Um der ungenügenden Auslastung der Tagespflegeeinrichtungen entgegenzuwirken, sollte über eine Spezialisierung der Tagespflegeangebote nachgedacht werden.
Ebenso müssen die Angehörigen von Demenzkranken besser geschult, informiert und einbezogen werden.
Insgesamt empfiehlt sich ein komplexes Programm für die Gerontopsychiatrie. Ebenso wäre eine vernetzte Kooperation der Bereiche Geriatrie und Gerontopsychiatrie empfehlenswert.
Der Landespflegeausschuss erwartet, dass der erhöhte Betreuungsaufwand infolge von Altersdemenz in den gesetzlichen Regelungen Berücksichtigung findet. Das umfasst nicht nur den gesamten Problembereich Demenz, sondern auch die Regelungen des Pflegeversicherungsgesetzes. Ebenso geht es hierbei um eine gute Qualität im Betreuungsprozess, die wiederum nach Ausbildung und Weiterbildung verlangt. Dabei ist darauf zu achten, dass kein Notstand in der pflegerischen Betreuung zugelassen wird.
Bezüglich der Finanzierung wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Krankenversicherungsleistungen umgehend aus der Pflegeversicherung ausgegliedert werden müssten, um eine Gleichbehandlung aller Versicherten zu erzielen.
Abschließend wurde in der Anhörung darauf hingewiesen, dass ein Lehrstuhl für Geriatrie die Grundlage der gesamten hausärztlichen Situation verbessern würde und die in der Vergangenheit aufgetretenen Defizite in Bezug auf die Versorgung Demenzkranker verringern könnte.
Anhand dieser Situation, die in der Anhörung fassettenreich dargelegt wurde, wird deutlich, wie umfassend diese Thematik ist und welcher Handlungsbedarf noch erforderlich ist.
Im Ergebnis der Anhörung wurde eine vorläufige Beschlussempfehlung erarbeitet, die in der 43. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 29. November 2001 einstimmig verabschiedet und an den mitberatenden Ausschuss für Bildung und Wissenschaft weitergeleitet wurde.
Kontrovers wurde zwischen dem federführenden Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem mitberatenden Ausschuss für Bildung und Wissenschaft der Antrag auf Einrichtung eines Lehrstuhls für Geriatrie diskutiert. Es wurde darauf hingewiesen, dass weder beabsichtigt sei, eine konkrete Auflage zur Finanzierung eines Lehrstuhls für Geriatrie zu machen, noch dass diesbezüglich in die Autonomie der Hochschulen eingegriffen werden solle.
Der federführende Ausschuss ist in seiner Beschlussempfehlung an den Landtag trotz des gegenteiligen Votums des Bildungsausschusses bei seinem ursprünglichen, in der vorläufigen Beschlussempfehlung ausgewiesenen Vorschlag geblieben. Die fachliche Befassung mit dem Thema lässt einen Lehrstuhl für Geriatrie als politisch wünschenswert erscheinen.
In der 47. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 7. März 2002 wurde die Beschlussempfehlung an den Landtag mit 9 : 0 : 1 Stimmen verabschiedet. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.