Ute Wiedemann
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich in den letzten Jahren den Kontakt zu meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen in der Grundschule und im Hort nicht abgebrochen, sondern aufrechterhalten habe, kamen mir immer häufiger Klagen zu Ohren, dass viele Schulanfänger nicht mehr wissen, wie man einen Stift oder einen Füller hält, wie man mit der Schere schneidet oder wie man mit dem Pinsel malt.
Ja, meine Damen und Herren, auch Kinder, die sich mit sechs Jahren die Babysprache noch nicht abgewöhnt haben und sich nicht allein die Schnürsenkel binden können, werden gemeinsam mit anderen Kindern eingeschult, die bereits Grundkenntnisse am Computer haben. Nun erwartet natürlich keine Lehrerin, dass am ersten Unterrichtstag kleine Perfektionisten zur Schule kommen. Auch wenn ich der Meinung bin, man soll die Kinder dort abholen, wo sie stehen, ein gewisses Maß an Vorbereitung setzt man doch voraus, um es ganz vorsichtig auszudrücken.
Das ist die Aufgabe der Familien und der Kindertagesstätten, die familienunterstützende Betreuungseinrichtungen sind. Hierbei liegt der Hase im Pfeffer: Wie wird dieser Bildungs- und Erziehungsauftrag wahrgenommen?
Ich habe drei Kinder, die allerdings schon dem Kindergartenalter entwachsen sind, und ich möchte auch nicht alles gutheißen, was damals in Krippe und Kindergarten passierte, aber dennoch erinnere ich mich gut und auch gern daran, dass wir Eltern bereits beim Wechsel von der Krippe zum Kindergarten eine Beschäftigungsmappe überreicht bekamen, die eine Dokumentation der Entwicklung unserer Kinder darstellte: erste Fingermalereien, Klebearbeiten, Zeichnungen mit Buntstiften und Malerarbeiten mit dem Pinsel.
Wir Eltern und auch unsere Knirpse waren stolz. Im Kindergarten hatten die Kinder dann richtige Beschäftigungstaschen mit Stiften, Pinseln, Tuschfarben, Buntpapier und Schere. Voller Stolz berichteten sie jeden Tag zu Hause, welche Beschäftigung sie außer spielen und schlafen wieder hatten. Manchmal musste man sich das Schmunzeln schon verkneifen, wenn so ein vierjähriges Kind sagte: Heute hatten wir Mengenlehre. Wenigstens konnten sie unterscheiden, dass fünf blaue Bausteine weniger sind als sieben grüne Bausteine, die daneben lagen.
Für unseren Jüngsten hatten wir sogar einen ganz kleinen Schulranzen gekauft - als Beschäftigungsmappe -, und er war genauso stolz wie seine Schwestern, die schon Schulkinder waren. Er war wahnsinnig enttäuscht, als es dann hieß: Nehmt eure Taschen mit nach Hause, wir machen keine Beschäftigung mehr.
Sicherlich haben die Erzieherinnen weiterhin versucht, den Kindern einiges beizubringen - um es salopp auszudrücken -, aber dies war von Gruppe zu Gruppe und auch von Kindergarten zu Kindergarten unterschiedlich. Unser Sohn antwortete immer häufiger auf die Frage „Was habt ihr denn heute gemacht?“ mit einem enttäuschten „nur gespielt“.
Nun will ich das nicht überbewertet wissen, da Kinder sehr gern spielen; aber Kinder haben auch eine ausgeprägte Neugierde und einen ausgeprägten Wissens- und Bewegungsdrang und eben dies sollte man doch ausnutzen. Sie lernen viel leichter und viel mehr, wenn sie
wollen und wenn es ihnen Spaß macht. Kinder lernen auch viel voneinander.
Sie sehen also, nicht erst die Ergebnisse der Pisa-Studie machen deutlich, welch wichtigen Platz die vorschulische Bildung in der Entwicklung unserer Kinder einnimmt, sondern auch unsere eigenen Erfahrungen. Jedoch wird seit der Pisa-Studie die Diskussion in der Öffentlichkeit nun verstärkt geführt.
Es gibt Länder, in denen fast alle Drei- oder Vierjährigen Kindergärten bzw. Vorschulen besuchen. Da sind Länder, in denen die Schulpflicht bereits mit vier oder fünf Jahren beginnt. Außerdem gibt es Länder, in denen viele Kinder ein Jahr vor Beginn der Schulpflicht eingeschult werden. Dagegen gibt es aber auch Länder, in denen der Schulbesuch erst mit sieben Jahren obligatorisch ist.
Das Vorziehen des Einschulungsalters allein führt sicherlich zu keiner Verbesserung der schulischen Qualität. Der Effekt setzt erst ein, wenn vorschulische und schulische Bildung besser aufeinander abgestimmt werden, und darauf zielt unser Antrag.
Die Landesregierung soll eine Rahmenkonzeption erarbeiten, die mit Grundschulen, Elternvertretungen und verantwortlichen Hochschulbereichen abgestimmt wird. Hierzu gibt es zahlreiche Fragen zu klären: Welchen Beitrag kann bzw. muss der Kindergarten leisten, um die vorschulische Bildung und den Schuleintritt besser miteinander zu verzahnen? Muss der Kindergarten eine Bildungsinstitution werden? Sind pädagogische Zielvorgaben für den Kindergarten denkbar und sinnvoll? Können die Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme vorschulischer Bildungs- und Erziehungseinrichtungen in der Art verbessert werden, dass sie von mehr Kindern genutzt werden?
Das zweite Anliegen unseres Antrages ist, gesundheitsfördernde Aspekte in die inhaltliche Ausrichtung unserer Kindertagesstätten einzubringen.
Wie ich zu Beginn meiner Ausführungen bereits sagte, verfügen Kinder über einen ausgeprägten natürlichen Wissens- und Bewegungsdrang; dieser muss ausgenutzt und altersspezifisch gelenkt werden. Dazu sollten die vielfältigsten Angebote und Möglichkeiten genutzt werden. Ich denke dabei an die Mitbenutzung der Turnhalle der benachbarten Schule, Angebote der Krankenkassen, Kooperationen mit Sportvereinen usw.
Gesunde Ernährung und hygienische Maßnahmen müssen im Alltag unserer Kinder eine wichtige Rolle spielen und das muss gelernt werden. Wonach greifen denn die Kinder zuerst? Zu dem „ach so gesunden“ Kinderriegel oder zum Apfel? In der Fernsehwerbung wird ihnen doch täglich erzählt, wie gesund und lecker der Kinderriegel ist.
Da wären wir schon bei dem nächsten Problem. Wie viele Stunden verbringen unsere Kinder vor dem Fernseher oder Videorekorder? Das geschieht leider auch in manchen Kindertagesstätten.
Nun möchte ich aber keinesfalls einen Rundumschlag machen und unsere Kindertagesstätten verunglimpfen. Das liegt mir fern. Ich bin froh und stolz, dass in Sachsen-Anhalt aufgrund eines reich gefächerten Netzes von Kindertagesstätten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich ist.
Die gesunde Ernährung, der Besuch der Zahnärztin, die guten Beziehungen zu Sportvereinen gehören ebenso schon zum normalen Alltag wie die Zusammenarbeit mit der benachbarten Grundschule - zurzeit aber leider nur dort, wo wir interessierte und engagierte Eltern und Pädagogen haben. Deshalb bitte ich Sie im Interesse unserer Jungen und Mädchen, stimmen Sie unserem Antrag direkt zu. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt mich als sozialdemokratische Familienpolitikerin in einen argen Zwiespalt. Herz und Verstand sprechen eine unterschiedliche Sprache. Mein Herz und mein Bauch sagen mir, du musst zustimmen; aber mein Verstand und meine im Gemeinderat, im Kreistag und im Landtag gesammelten Erfahrungen sagen mir, nein, so geht es nicht.
Einigkeit herrscht sicherlich im Saal, dass wir das Wohl aller Kinder im Land nicht aus den Augen verlieren dürfen. Wir müssen uns aber trotz allem im rechtlichen Rahmen bewegen, gerade um alle Kinder gerecht zu behandeln. Sicherzustellen, dass allen Kindern Gerechtigkeit in ihren Familien widerfährt, liegt leider nicht in den Händen der Gesetzgeber. Sie geben den Rahmen vor, aber die Umsetzung liegt bei den Familien. Dessen müssen wir uns immer bewusst sein.
Wenn wir die Familien vor Augen haben, wo beide Elternteile für wenig Geld arbeiten gehen, jeden Pfennig zweimal umdrehen müssen, ehe sie ihn ausgeben, dann bin ich natürlich froh über jede noch so geringe Erhöhung des Kindergeldes. Auch den Familien, die aus irgendwelchen Gründen kurze oder längere Zeit von Sozialhilfe leben müssen, gönne ich jede Unterstützung, die der Staat gewährleisten kann.
Aber seien wir ehrlich miteinander: Es gibt auch Familien, die verhalten sich anders. Ich möchte nicht polemisieren, aber diese Ausnahmen der Gesellschaft, die es in allen Bevölkerungskreisen gibt, würden doch von der Lösung - so wie es die PDS beantragt hat - profitieren. Sind diese Leute denn überhaupt daran interessiert, nach Wegen zu suchen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und selbst zu erarbeiten?
Es ist keine Stimmungsmache, wenn ich hier sage, dass die Kinder dieser Familien aus einer Nichtanrechnung der Kindergelderhöhung auf die Sozialhilfe nicht den geringsten Nutzen ziehen würden.
Sie würden dann weiter ohne Frühstück in die Kindertagesstätte oder in die Schule gehen, während ihre Eltern oder ein Elternteil schon früh am Morgen Nachschub an Zigaretten und Alkohol besorgen würde.
- Das ist so! Wir können uns doch nicht stets und ständig ein ideales Lebensbild vormalen. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen. Seien wir doch einmal ehrlich miteinander!
Die Ministerin hat die jetzt geltenden Rahmenbedingungen, die begründen, warum wir dem Antrag so zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen können, bereits erläutert. Das will ich nicht noch einmal wiederholen. Nur noch so viel: Der sozialhilferechtlich durchschnittlich anerkannte Lebensunterhalt von Kindern ist höher als das Kindergeld. Die Sozialhilfe gewährt bis zu 495 DM zuzüglich anteiliger Unterkunftskosten; das Kindergeld beträgt zurzeit 270 DM. Deshalb ist das Kindergeld nach der jetzigen Gesetzeslage als der Sozialhilfe vorrangiges Einkommen anzurechnen, weil aus ihm ein Teil des Be
darfes zum Lebensunterhalt gedeckt werden soll und kann.
Die Befürchtungen der Kommunen, dass die Nichtanrechnung zu erheblichen Mehrkosten zulasten der Kommunen führen würde, sind nicht von der Hand zu weisen.
Die letzte Kindergelderhöhung wurde - als Ausnahme nicht auf die Sozialhilfe angerechnet.
Ich weiß, dass es trotz eindeutiger Gesetzeslage im Bund zurzeit immer noch Diskussionen darüber gibt, ob dies anzurechnen ist oder nicht.
Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie einer Überweisung zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Gleichstellungsausschuss zu und lassen Sie uns um Wege streiten, wie wir das Sozialsystem so ändern können, dass Kinder und Familien Nutznießer der staatlichen Unterstützungen werden. Eine Verweigerung im Bundesrat würde womöglich die Erhöhung des Kindergeldes überhaupt verhindern. Das kann familienpolitisch nicht gewollt sein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, gestatten Sie mir, dass ich meine Verwunderung über Ihr Interesse an den Auswirkungen der Rentenreform auf Frauen und Familien zum Ausdruck bringe. Während der Regierungszeit von Herrn Kohl haben wir das leider oft vermisst.
- Der Fasching ist vorbei, Herr Dr. Bergner.
Die Ministerin hat ganz deutlich auf einige Unterschiede zwischen der Rentenpolitik der CDU-Regierung und der Reform der rot-grünen Regierung hingewiesen. Diese möchte ich jetzt nicht wiederholen.
Die jetzige Rentenreform ist nicht das Nonplusultra, das leugnet niemand.
Sie ist aber ein erster Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Rentenpolitik. Diesen hätte man schon früher gehen können. Es werden weitere Schritte folgen müssen, darüber sind wir uns im Klaren.
Die SPD-Fraktion wird einer Berichterstattung im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zustimmen. Deshalb möchte ich das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Wir beantragen aber auch eine Berichterstattung im Ausschuss für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport. Dann können wir in den Ausschüssen unsere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit noch einmal austauschen und gemeinsam überlegen, welche Wege realistisch und in der Zukunft umsetzbar sind. Danke.
Mich würde interessieren, warum eine Ehe schutzwürdiger ist, in der sich beide Partner gegen Kinder entscheiden, weil sie sagen, Kinder würden unseren Lebensstandard verringern und unserer Lebensqualität schaden. Warum würden Sie diese Ehe unter Schutz stellen und gegenüber einer Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Partner fördern, die Kinder erziehen, die eine Partnerin oder ein Partner in die Gemeinschaft eingebracht hat?