Dieter Althaus
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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss noch kurz zur Debatte aus meiner Sicht einige Punkte. Ich will beginnen mit dem angeblichen Zitat des Kollegen Fraktionsvorsitzenden der SPD aus dem CDU-Landtagswahlprogramm von 1999. Ich weiß nicht, wo er das, was er hier vorgetragen hat, gelesen hat, das kann jedenfalls nicht aus dem veröffentlichten Programm stammen. Ich zitiere: "Die Spielräume und Möglichkeiten der sozialen Abfederung von Gebühren und Beiträgen im kommunalen Abgabengesetz des Freistaats Thüringen sind inzwischen die bürgerfreundlichsten in ganz Deutschland. Sie erlauben eine einzelfallbezogene Handhabung je nach der wirtschaftlichen Situation des Einzelnen, z.B. durch Streckung der Zahlungszeiträume. Entscheidungsspielräume des Kommunalabgabengesetzes werden wir weiter konsequent zu Gunsten der Bürger nutzen."
So weit unser Programm.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau in diesem Sinn wurde auch bis zur aktuellen Stunde die Landesregierung in dieser Legislaturperiode aktiv. Ich erinnere daran, dass wir in diesem Land sehr viel Geld in den letzten Jahren investiert haben, aber auch über Strukturund Zinshilfe und Finanzhilfe investiert haben. In der Summe sind es über 1,7 Mrd. 88) und als Strukturhilfe ausgezahlt worden sind. Ich erinnere an die Novelle des Kommunalabgabengesetzes, die vorletzte im Jahr 2000. Ich erinnere an die betriebswirtschaftliche Untersuchung der Zweckverbände, die so genannte Tiefenprüfung, und es ist mehrfach angesprochen worden, die Gründung der Wasser- und Abwassermanagement GmbH, die genau dazu führen soll, dass die betriebswirtschaftliche Straffung in einigen Verbänden auch gelingt. Ich erinnere daran, dass wir vor einigen Wochen die Zinshilferichtlinie verbessert haben. All das, um genau diesen Auftrag, Entscheidungsspielräume des Kommunalabgabengesetzes für die Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, auch wirksam werden zu lassen.
Und natürlich kann man auch in der jetzigen Rechtsvorlage eine ganze Reihe von individuellen Lösungen finden, zum Beispiel das angesprochene Problem der Feststellungs- und Leistungsbescheide ist gängige Rechtsmöglichkeit und wird in vielen Verbänden in Thüringen auch als gängige
Rechtsmöglichkeit praktiziert. Natürlich ist das Beispiel, was zum Schluss Kollegin Sedlacik hier dargestellt hat, ein Beweis von kommunaler Inkompetenz, wenn Sie sich als Verbandsrätin bieten lassen,
dass nicht die Transparenz im Mittelpunkt steht, sondern die Intransparenz. Dadurch entstehen bei den Bürgerinnen und Bürgern mit Recht die Sorgen, dass die Politik, und sie unterscheiden da nicht, sowohl die Kommunalpolitik als auch die Landespolitik möglicherweise mit Ihnen Arges im Schilde führt. Transparenz in diesem ganzen Prozess ist das Allerwichtigste, damit die Bürgerinnen und Bürger auch wissen, was möglicherweise auf sie zukommt, um sich auch in diesen Diskussionsprozess einzuschalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau aus diesem Grund, der damals in unserem Landtagswahlprogramm aufgeschrieben wurde, haben wir nach meinen Thüringenbereisungen dieses Kommunalabgabengesetz erneut zur Novelle vorgeschlagen. Dies deshalb, weil bürgernahe und sozialverträgliche Kommunalabgaben nach unserer Überzeugung - und das kann man im Programm auch nachlesen - in ganz Thüringen, in allen Verbänden und für alle Bürgerinnen und Bürger gelten müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe am 1. Mai Ziele vorgegeben - richtig, als Parteivorsitzender -, wir haben aber am 4. Mai, wenige Tage später, im Thüringer Kabinett diese Ziele erneut besprochen und der Innenminister hat die Überarbeitung des Kommunalabgabengesetzes vorgenommen. Wir haben dann am 25. Mai die Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Kabinett beschlossen und genau die vorgegebenen Ziele umgesetzt und jetzt wird angehört. Diese Anhörung ist auch zwingend, weil sie den demokratischen Regeln und auch unseren Gesetzen entspricht,
und wir werden die beschlossenen Gesetze des Thüringer Landtags beachten. Eines hat Wolfgang Fiedler schon heute zitiert. Es funktioniert nicht, dass das Kabinett ohne eine intensive Besprechung zum Beispiel mit den kommunalen Spitzen,
aber auch mit den anderen Kommunalvertretern, Zweckverbandsvertretern und Aufgabenträgern diese Gesetzesnovelle bespricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über fünf Jahre diskutieren, fallen uns andere fünf Jahre ein, nicht die letzten fünf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich interessiert mich der zeitgeschichtliche Beitrag vom Kollegen Gentzel auch, aber mich hätte gefreut, wenn zu dem zeitgeschichtlichen Beitrag an irgendeiner einzigen Stelle auch nur ein Anteil einer Lösung vorgeschlagen worden wäre. Es war halt doch nur ein Beitrag zur Zeitgeschichte
und dabei noch in vielen Teilen fragwürdig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem wir öffentlich deutlich gemacht haben, wie wir den Rahmen verändern, um in allen Regionen und für alle Bürgerinnen und Bürger genau das Ziel, sozialverträgliche Beiträge und Gebühren zu erreichen, kamen plötzlich alle, die eine ganze Reihe von Vorbehalten haben, auf den Plan, zuallererst die nicht ausgebildeten Juristen, die über juristische Bedenken gesprochen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich entschuldige mich dafür, dass diese Vorlage nicht rechtzeitig zu Ihnen gekommen ist. Selbstverständlich hat das Justizministerium die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüft und auch schriftlich bestätigt. Ich habe diese Vorlage auch zugesagt und sie ist aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen nicht bei Ihnen angekommen. Sie liegt Ihnen jetzt vor. Selbstverständlich habe ich auch, bevor ich am 1. Mai eine politische Ankündigung gemacht habe, diese Verfassungsmäßigkeit geprüft. Es wäre ja eine fatale Situation, wenn wir als Landesregierung an der Verfassung vorbei eine Kommunalabgabengesetzgebung auf den Weg bringen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was wir vorschlagen, ist ganz selbstverständlich auch mit der Thüringer Verfassung konform und entspricht auch der Thüringer Kommunalordnung. Genau deshalb haben wir dieses Gesetz auch in der vorgelegten Fassung als Referentenentwurf verabschiedet.
Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt die zweite Debatte, weil Sie spüren, dass Ihnen die juristische Debatte nicht weiterhilft und weil sie letztlich auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht hilft, denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten mit Recht Antworten auf ihre Fragen. Sie interessiert zu Recht nicht, wie die juristischen Fragen gelöst werden. Dann kommt plötzlich die Finanzdebatte, die über Monate keine Rolle spielte. Bei dieser Finanzdebatte will ich ganz klar sagen: Auch da bin ich nicht für eine gespaltene Debatte, wie Sie sie hier immer wieder versuchen. Wir haben inzwischen ganz
klar nachgerechnet, welche Moratoriumszinsbelastung auf das Land zukommt. Nach dieser Erhebung werden es etwa 2,5 Mio. % , 1 schätzungen, die den Landeshaushalt in dreistelliger Millionenhöhe betragsmäßig belastet sehen, entbehren jeder Grundlage und sind erneut der Beweis, dass Sie nicht die Lösung für die Bürgerinnen und Bürger wollen, sondern einfach nur Streit im Land organisieren wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben sehr bewusst nach den Änderungen im Laufe dieser Legislaturperiode - nach der Tiefenprüfung und der Einsetzung der Management GmbH, nach der Verfeinerung der Instrumente im vorgelegten Rahmen - den Rahmen verändert, weil es richtig ist, dass trotz des Engagements der Kommunalpolitiker in einigen Regionen Thüringens eben für die Bürgerinnen und Bürger keine sozialverträglichen Kommunalabgaben realisiert werden können. Wenn dies so ist, dann, meine ich, muss Politik eine Entscheidung fällen. Diese Entscheidung kann nur sein, den Rahmen so zu verändern, dass in allen Regionen und in allen Zweckverbänden und Aufgabenträgerzuständigkeiten der Bürger im Mittelpunkt steht, übrigens auch der Gewerbetreibende mit seinem Gewerbegrundstück.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, würde ich herzlich darum bitten, das Ziel, das vorgegeben wurde, mit zu verfolgen und mit dazu beizutragen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land nicht instrumentalisiert werden und politisch möglicherweise verunsichert werden. Denn eines ist mir aufgefallen in den letzten Wochen, es schadet nicht vor allen Dingen der Landespolitik der CDU allein, es schadet der Demokratie ganz grundsätzlich, wenn in diesem Land die Handlungsfähigkeit der Kommunalpolitik und der Landespolitik und dazu noch der Bundespolitik in einem Atemzug nicht mehr wertgeschätzt wird. Wir sollten alle dazu beitragen, dass die Demokratie solide Grundlagen erhält,
und auch für die Zukunft durch unsere Argumentation einen Beitrag leisten, dass die Handlungsfähigkeit der Demokratie gestärkt wird. Ich habe hier in der letzten Debatte sehr deutlich gesagt, das ist eine Kurskorrektur. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Kurskorrektur heißt auch, dass wir Veränderungen zum bisher Gesagten vornehmen. Ich würde mich freuen, wenn die Partei, die derzeit den Bundeskanzler stellt und auch hier im Thüringer Landtag vertreten ist, ihre Regierung einmal bewegen würde, Kurskorrekturen anzugehen, die dringend notwendig wären in Deutschland, damit wir wieder bessere Gestaltungsmöglichkeiten bekommen.
Ergehen Sie sich also nicht als zeitgeschichtliche Betrachter, ergehen Sie sich auch nicht als Kritikaster ohne wirklichen Hintergrund, tun Sie lieber etwas dafür, dass die Probleme in diesem Land gelöst werden. Dazu haben Sie viel Beitrag zu leisten auf Bundesebene, aber Sie können auch im Land einiges dazu beitragen, indem Sie die Menschen nicht weiter verunsichern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was ich am 1. Mai politisch angekündigt habe, am 4. Mai im Kabinett in Auftrag gegeben habe, am 25. Mai im Kabinett im Referentenentwurf verabschiedet wurde, wird umgesetzt. Wir werden erreichen, dass in ganz Thüringen für alle Bürgerinnen und Bürger und für alle Gewerbetreibende mit Gewerbegrundstücken verträgliche, nachvollziehbare und akzeptable Abgaben entstehen. Und bitte treiben Sie nicht Mieterinnen und Mieter gegen Grundstückseigentümer durch eine unsinnige Debatte. Selbstverständlich werden wir auch dafür Sorge tragen, dass die Gebühren nicht ungehörig steigen, sondern dass die Lasten insgesamt in Thüringen - Gebühren und Beiträge - verträglich, nachvollziehbar und akzeptabel sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ich auch in den letzten Wochen wie Sie in vielen Regionen unterwegs war und auch mit vielen Verbandsvertretern gesprochen habe, so wie in den letzten Monaten überhaupt, habe ich nicht diese Stimmung erlebt, die Sie hier darstellen. Bei meinen Gesprächen mit den Verbandsvertretern, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Kommunalpolitikern habe ich fast ausschließlich gehört, dass sie dankbar sind, dass der Rahmen jetzt so gelegt wird, dass sie in diesem Rahmen eine verbindliche und erträgliche Lösung für alle Bürger und Gewerbegrundstücke bekommen. Ich habe zum Zweiten gehört, dass sie natürlich wollen, dass wir gemeinsam über das Tragen der dann entstehenden Lasten sprechen. Auch das ist wichtig. An dieser Stelle wird es einen Mix geben, vollständig besprochen, zwischen Strukturveränderungen, Einsparungen, Investitionsüberprüfungen, auch im Einzelfall eine Neudiskussion über das Verhältnis von Gebühren und Beiträgen und auch eine Diskussion darüber, wie man dann noch bestehende Lasten für das Land erträglich tragen kann. Das alles ist vorbesprochen und das alles ist mit der Gesetzesverabschiedung bedacht und wir werden es dann auch gemeinsam gestalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, den angekündigten Weg, das vorgegebene Ziel sollten wir im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger gemeinschaftlich verfolgen und dafür sorgen, dass überall verträgliche, nachvollziehbare, akzeptable Abgaben entstehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Weg gehen werden, und ich werde diesen Weg auch gehen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Politik kann nicht abwarten, wenn sich Probleme stellen, sie muss handeln. Das gilt auch für Wahlkampfzeiten.
Wasser und Abwasser fallen in die Zuständigkeit der Kommunen bzw. der kommunalen Zweckverbände und dennoch wenden sich die Menschen mit ihren Sorgen an die Landesregierung. Diese Sorgen nehme ich sehr ernst. Seit Jahren trägt die Landesregierung zu einer Stabilisierung der kommunalen Beiträge und Gebühren bei durch Struktur- und Finanzhilfen in Höhe von bislang 1,7 Mrd. bengesetzes im Jahr 2000, durch die betriebswirtschaftliche Untersuchung der Zweckverbände, die so genannte Tiefenprüfung. Wir haben die Wasser und Abwasser Management GmbH eingesetzt, um den Zweckverbänden Auswege aufzuzeigen, und wir haben vor wenigen Wochen die Zinshilferichtlinie verbessert, damit die Zweckverbände unbebaute Grundstücke dauerhaft beitragsfrei stellen. Trotz all dieser Maßnahmen hat sich die Lage in den zurückliegenden Monaten zugespitzt. Nicht überall, es gibt auch Verbände, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, und dafür danke ich den Verantwortlichen ausdrücklich.
In einigen Teilen des Landes haben die Entscheidungen der Zweckverbände die Menschen aber zu Recht in Harnisch versetzt, abgesehen davon, dass politische Bauernfänger die Lage nutzen, um ihre Geschäfte zu machen.
Die Menschen fragen zum Beispiel, können kommunale Zweckverbände machen was sie wollen? Ich habe die Demonstration am 1. April vor dem Thüringer Landtag auch genauso verstanden. "Die Angst wohnt überall in der Stadt, auch in dem großen Haus an der Straße nach Trusetal.", das ist nur ein Zitat aus einer großen Zahl von Zeitungsartikeln der letzten Wochen. Ich gehe davon aus, dass hier reale Situationen und Empfindungen ausgedrückt sind.
Ich kann und will aber auch Beispiele nennen: gewerblich genutztes großes Grundstück, 7.133 m², ein Zweckverband in Südthüringen, Beitragsbescheid 46.435 Abwasser, für Wasser 11.666 bautes Grundstück, Gartengrundstück, Beitragsbescheid Abwasser 3.580 !"#$ Dazu ein Hausgrundstück für die gleiche Familie, Beitragsbescheid Abwasser 6.414 %%$% miert sich auf 16.998 & 'stücke: dörfliches Gebiet in Westthüringen, Ehepaar, Beitragsbescheid für Wasser 9.585 ( wasser 34.393 ) * mer, sie müssten ihr Eigentum aufgeben oder sich hoch verschulden, weil sie die Beiträge nicht bezahlen können, wiegt schwer und ich kann diese Sorge auch nachvollziehen. Diese Ängste müssen wir den Menschen nehmen und zu einer umfassenden Lösung kommen. Diejenigen, die jetzt anfangen, Eigentümer gegen Mieter und Eigentümer mit großen Grundstücken gegen Eigentümer mit kleinen Grundstücken aufzuwiegeln, schaffen nur Neid und Zwietracht. Sie tragen nicht zu einer für alle verträglichen Lösung bei.
Ich will eine für alle Bürgerinnen und Bürger und Gewerbetreibende verträgliche Lösung. Wenn zum Teil überhöhte und inakzeptable Beiträge erhoben werden oder in Aussicht stehen, wenn Handwerker, Mittelständler und private Hausbesitzer deshalb existenzielle Sorgen haben oder eine kalte Enteignung befürchten, nützt auch keine Stundung. Nein, dann muss gehandelt werden und wir handeln. Zum Teil konnten wir in den letzten Tagen aber den Eindruck haben, bei Wasser- und Abwasserbeiträgen gibt es gar kein Problem mehr in Thüringen. So widersprüchlich ist die wiedergebende Welt. Doch es gibt in einigen Verbänden erhebliche Probleme mit stark überhöhten und inakzeptablen Beiträgen. Wenn trotz Beratung und Erweiterung des Handlungsrahmens keine erträglichen und akzeptablen Lösungen gefunden werden, muss die Politik handeln. Das Recht muss den Menschen
dienen und nicht die Menschen dem Recht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ich erhebliche Verbesserung zugesagt habe, informiere ich Sie heute über die Eckpunkte. Die Maßnahmen stehen in der Kontinuität des Handelns der Landesregierung, nicht nur dieser Landesregierung, sondern aller Landesregierungen seit 1990. Alles, was wir bisher getan haben, hat darauf abgezielt, dass die kommunalen Aufgabenträger die Angebote und Instrumente auch nutzen. Die meisten Aufgabenträger haben die vielfältigen Möglichkeiten, die sich nach der Novelle des Kommunalabgabengesetzes im Sommer 2000 boten, so in Anspruch genommen, wie es die besonderen Verhältnisse gerade im ländlichen Raum erfordern. Dafür meinen herzlichen Dank.
Einige haben das leider nicht getan, dies betrifft insbesondere die Stundungsregeln. Das ist ein Grund, der uns jetzt zum Handeln zwingt. Im Einzelnen: Beim Trinkwasser ist nicht vermittelbar, weshalb für eine vorhandene, funktionierende Trinkwasserversorgung Beiträge für den erstmaligen Anschluss bezahlt werden müssen. So wie bei Strom oder Gas handelt es sich um eine Leistung der Grundversorgung, die heutzutage nicht mehr über Beiträge finanziert werden sollte. Ich halte die weitere Erhebung von Trinkwasserbeiträgen für nicht mehr zeitgemäß. Bereits jetzt erhebt fast die Hälfte aller Wasserversorger keine Beiträge, ohne dass es dadurch zu erhöhten Gebühren gekommen ist. Die Landesregierung wird diesen Weg nun auch für die restlichen Aufgabenträger eröffnen. Trinkwasserbeiträge gehören abgeschafft. Selbstverständlich werden wir darauf achten, dass die Gebühren für Trinkwasser für Bürger und Gewerbetreibende verträglich bleiben.
Beim Abwasser liegen die Dinge anders. Beim Abwasser wird es auch künftig Beiträge geben müssen. Sie sind unvermeidlich, nicht zuletzt weil in diesem Bereich weiterhin hohe Investitionen notwendig sind. Die Frage ist jedoch, wie die Beiträge berechnet werden. Künftig sollen sich die Beiträge nach der tatsächlich Bebauung richten. Für unbebaute Grundstücke werden Beiträge erst dann erhoben, wenn das Grundstück tatsächlich angeschlossen oder bebaut wird. Dies gilt auch für Grundstücke, die geringer bebaut sind, als es zulässig ist. Bei sehr großen Grundstücken werden die Obergrenzen für die Bemessungsgrundlage der Beiträge eingeführt. Das heißt, in diesen Fällen wird nicht mehr die gesamte Grundstücksfläche zur Beitragsermittlung herangezogen und wir werden zwischen Gewerbe- und Privatgrundstücken differenzieren. Wichtig ist, durch diese Maßnahmen werden die Abwasserbeiträge für alle anderen nicht steigen. Bereits gezahlte Beiträge werden in den genannten Fällen auf Antrag der Beitragszahler zurückerstattet.
Das Innenministerium hat am vergangenen Dienstag die Aufgabenträger angehalten, bis zum 1. Oktober 2004 keine neuen Bescheide zu verschicken und den Vollzug bereits verschickter Bescheide auszusetzen. Die Kosten, die dadurch den Aufgabenträgern entstehen, trägt das Land. Auf der Grundlage der vorliegenden Investitionsanmeldung der Aufgabenträger handelt es sich um einen Betrag bis zu 3 Mio. ) Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Die Gesamtzusammenhänge sind komplex. Sicher werden manche auch über eine Weiterentwicklung der Strukturen diskutieren. Das Kabinett wird Ende Mai/Anfang Juni den Referentenentwurf vorlegen. Jeder kann sich also noch vor der Wahl davon überzeugen, dass wir Wort halten.
Wenn Sie lesen können, ja. In die Anhörung werden nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, sondern alle betroffenen Verbände einbezogen,
und mein Kabinett wird das Gesetz bis zum 1. Oktober 2004 beschließen und in den Landtag einbringen.
Ich stehe für meine Aussagen, sehr geehrter Herr Pohl, sonst würde ich sie nicht tun.
Das hat doch keiner bestritten, oder?
Ja sicher, ich begebe mich hier ins Wort. Sie wollen doch immer, dass wir klare Aussagen treffen, Herr Ramelow,
und nicht so populistische wie Sie, die den Leuten Sack und Seil versprechen und nicht erklären, wie man das bezahlen will in diesem Land.
Über Sie wäre vieles zu sagen, das füllte Bücher.
Wer diesen engen zeitlichen Rahmen als zu lang bezeichnet, das sind zum Beispiel Sie, weiß nicht, wovon er redet,
und tritt außerdem die zwingenden rechtlichen Bedingungen, zum Beispiel Anhörungen, mit Füßen.
Parallel werden wir die bestehenden Verordnungen und Richtlinien überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Selbstverständlich wird kurzfristig mit den Verantwortlichen der Zweckverbände Inhalt und Ziel erörtert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist der Weg zu verträglichen, nachvollziehbaren und akzeptablen Beiträgen überall im Land und für alle Bürgerinnen und Bürger geebnet. Ich bitte Sie, uns dabei zu unterstützen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gehört offenbar zum politischen Stil eines Teils dieses Parlaments, dass so ein wichtiges Thema durch politische Oberflächlichkeiten und Gemeinheiten zerredet wird.
Ich habe in den letzten Wochen und im Besonderen in den letzten Tagen zu diesem Thema weder emotional noch überpolitisch agiert, sondern schlicht sachlich orientiert. Sachlich orientiert heißt, ich nehme die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ernst. Und wo Probleme aufgewachsen sind, die wir in der jetzigen Rechtslage nicht umfassend lösen können oder nicht die Möglichkeit haben, die Lösung auch wirklich zu verlangen, müssen wir die Rechtslage ändern und wir werden dies tun.
Das, was wir von der letzten Woche bis zum heutigen Tag in der Öffentlichkeit dargestellt haben und auch heute in unseren beiden Reden, ist vollkommen übereinstimmend und ist auch übereinstimmend erarbeitet. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir diese Debatte in den nächsten Wochen auch mit den Fachleuten weiterführen. Deswegen geht Ihre Schnellschusstheorie ins Leere, aber Sie erwarten natürlich einen Schnellschuss, um möglicherweise daraus politisches Kapital zu schlagen. Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun.
Ja.
Es ist sehr einfach, sehr geehrter Herr Höhn. Es ist an der Zeit, notwendige politische Korrekturen, da, wo sie zwingend sind, auch durchzuführen. Punkt. Schluss.
Es ist seit vielen Jahren, und Herr Schuster hat das auch inhaltlich exakt begründet, eine Unsinnigkeit, Beiträge bei Trinkwasser zu erheben.
Und wenn wir jetzt in der Situation sind, zu überlegen, wie man in den Zweckverbänden mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger Beiträge und Gebühren wirklich umfassend erträglich gestaltet, sollten wir den Mut haben, diese notwendige, fachlich begründete Korrektur auch vorzunehmen.
Sehr geehrter Herr Höhn, das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 1981 ist bekannt. Es war zum Ersten ein Abwasserurteil und es ist in der Begründung überführt worden auf Wasser. Seit dieser Zeit hat sich in Deutschland sehr viel geändert, auch weil Europa sich geändert hat. Was bei Strom und Gas richtig ist, muss dauerhaft auch beim Wasser richtig sein, wir brauchen nämlich viel mehr Fernwasserversorgung in unserem Land, um die wirtschaftliche und landwirtschaftliche Entwicklung im Land auch dauerhaft zu gewährleisten. Deswegen ist dieses Regionalprinzip ein historisch begründetes, aber für die Zukunft
nicht mehr haltbares Prinzip.
Nun mögen Sie kritisieren, warum man in den ersten Jahren des Freistaats Thüringen über alle Regierungen
hinweg, einschließlich der Regierung in der auch Sie aktiv vertreten waren, diese Kurskorrektur nicht schon vorgenommen hat, dann sage ich Ihnen: Es ist richtig, man hätte das auch schon eher tun können. Ich verstehe aber nicht, dass Sie heute diese Entscheidung kritisieren, weil sie sachlich begründet ist.
Sehr geehrter Herr Höhn, wenn es um Populismus geht, dann können wir uns ja untereinander streiten, wer populistischer ist. Das, was Sie hier abgelassen haben, war maximal ein Korkenziehen der Argumentation, aber in sich nicht schlüssig und auch wirklich nicht zielführend.
Und weil Sie auf den Schnellschuss so Wert legen
und sagen, wir müssen ganz schnell entscheiden, damit die Bürgerinnen und Bürger auch sehen, ob das, was ich sage, auch umgesetzt werden soll - die PDS übertreibt es dann sogar und legt ein Gesetz vor, das ohne jede Fristbeachtung in den nächsten Wochen verabschiedet werden soll -, sage ich Ihnen, dieses Thema ist einfach zu kompliziert und es muss intensiv besprochen werden, um es ohne Schnellschuss zum Ergebnis zu bringen. Deswegen wird sich die Landesregierung an ihre Geschäftsordnung halten und wird es im Kabinett verabschieden, wird es dann, wie es üblich ist, in einer intensiven Anhörung - sechs Wochen steht in der entsprechenden Verordnung - mit den Beteiligten, z.B. den kommunalen Spitzen- und Zweckverbänden, erörtern, um mögliche Korrekturen, Probleme, Fragen zu besprechen und abschließend ein Gesetz dem Thüringer Landtag vorzulegen, das dann wirklich in sich konsistent ist und unserem Ziel entspricht, nämlich für die Bürgerinnen und Bürger dauerhaft erträgliche und auch nachvollziehbare Beiträge und Gebühren zu erreichen.
Wir werden keinen Schnellschuss unternehmen, weil es nach meiner Auffassung, nach den vielen Debatten der letzten 14 Jahre, nach den vielen Rechtsänderungen der letzten 14 Jahre auch aufgrund der Rechtsprechung und der vielen Erfahrungen mit der Umsetzung vor Ort der letzte Schuss ist, den wir in diesem Punkt setzen müssen. Deshalb muss das Gesetz und all das, was sich um dieses Gesetz aufbaut, solide erarbeitet sein. Ich habe den
Thüringerinnen und Thüringern nichts vorgemacht, sondern ich habe ihnen versprochen und ich stehe dafür, dass wir dieses dicke Brett bohren und das werden wir.
Ja.
Wir werden spätestens bis zum 1. Oktober das Gesetz dem Thüringer Landtag vorlegen. In diesem Gesetz wird all das mit geklärt, einschließlich der begleitenden Vorschriften, was zwingend ist. Und wenn es im Blick auf den Vollzug notwendig ist, Verjährungen noch einmal neu zu regeln, haben wir in den letzten Jahren aus ganz anderen Gründen die Verjährungen ausgesetzt. Dann besteht auch die Möglichkeit, den Rechtsrahmen so zu schaffen, dass all das, was wir festlegen, in Ruhe, aber auch mit Zielgenauigkeit umgesetzt werden kann.
Das spricht ja geradezu gegen den Inhalt Ihrer Frage. Wenn es so ist, warum soll es dann nicht auch geschehen in einer dritten Verjährung. Wollen Sie deswegen die Bürgerinnen und Bürger weiter unter möglicherweise überhöhten Beiträgen leiden lassen? Also ich verstehe die Frage nicht, ich habe eine ganz klare Perspektive, die von den Betroffenen aus. Jetzt will ich Ihnen ein Beispiel nennen, warum ich in den letzten Wochen aufgrund der vielen Anhörungen, Gespräche, Telefonanrufe und auch Unterlagen zu einer anderen Entscheidung gekommen bin. Es gibt in diesem Land Zweckverbände und Kommunen, die haben diese Aufgabe von Anfang an hochverantwortlich und hochtransparent erledigt und dort gibt es auch kein Problem.
Ich selbst komme aus einem solchen Zweckverbandsgebiet und weiß deshalb nicht nur wovon ich rede, sondern
kann Ihnen auch sagen, in diesem Zweckverband gab es seit dem Beginn, seit der Gründung, nicht ein einziges Beitragsproblem, nicht ein einziges. Dort hat man, nachdem die Beiträge kalkuliert wurden, Mitarbeiter eingestellt, die durch die Dörfer des Zweckverbandes gegangen sind, im Übrigen ein einziger Zweckverband in dem gesamten Altkreis, und hat dann die Beitragsbescheide mit der Realität verglichen und hat sie auf die reale Bebauung zurückgeführt, grundsätzlich auf die reale Nutzung. Wenn die Verbandsführung das nicht allein entscheiden wollte, dann hat sie eine Zweckverbandsversammlung durchgeführt und hat diese Entscheidung herbeigeführt. Das heißt, in der realen Praxis - und Sie können weitere Zweckverbände in Thüringen finden, die das genauso gehandelt haben - wurde nach der Globalkalkulation aufgeschlüsselt, wurde ein fiktiver Beitrag ermittelt, dann aber den realen Gegebenheiten angepasst. Da sage ich Ihnen, das war immer meine Auffassung, dass war schon immer unser politisches Ziel und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der Rahmen gesetzt wird, dass dieses politische Ziel auch überall in Thüringen erreicht wird.
Sie widersprechen sich im Grundsatz. Auf der einen Seite wollen Sie, dass wir das durchsetzen und auf der anderen Seite argumentieren Sie im Blick von den Zweckverbänden und der kommunalen Selbstverwaltung. Eines geht nur. Wir haben den Rahmen auch jetzt schon durch Stundung, durch Leistungs- und Teilleistungsbescheide bzw. Festsetzungsbescheide und andere Regelungen, veränderte Beitragszahlungen beim Bürger ankommen zu lassen. Das ist auch jetzt schon der Weg. Wir haben nicht zuletzt die Zinsbeihilfe erneut wieder auf die Handlungsebene gehoben, um eben solche Möglichkeiten auch wirklich von den Verbänden anwenden zu lassen. Aber, Sie haben ein schönes Beispiel selbst zitiert, manche tun es nicht. Nun kann man ja darüber diskutieren, warum sie es nicht tun, und ich weiß die Gründe auch zum Teil. Es wurden vom Innenminister und auch zum Teil von Ihnen Argumente geliefert, die zum großen Teil historisch sind. Man kann natürlich diese Vergangenheitsdebatte unendlich führen, z.B. die abwassertechnische Zielplanung in das Feld zu führen, die Frage, welche Einwohnergleichwerte mit welchen Abwassermengen wir in den Gewerbegebieten gerechnet haben, welche Ansiedlungen wir gesehen haben. Das wäre so ähnlich, als wenn wir die Einschätzung der Abfallentwicklung schon in den Jahren 1990-94 zu einem Abschluss gebracht hätten. Dann hätten wir auch erheblich mehr Abfallentsorgungsanlagen in Thüringen gehabt, als wenn wir das jetzt tun. Das ist eine historische Debatte, die ich gern führe. Die sollte man auch weiterführen, um für die nächste Wiedervereinigung nach einem gescheiterten Kommunismus möglicherweise in der Lage zu sein, Fehler auszulassen, aber die bringt uns doch nicht weiter, Herr Höhn, die führt uns keinen einzigen Schritt weiter. Dann sage ich Ihnen eines, und das ist auch Fakt und das ist hier falsch gesagt worden von mehreren Rednern der Opposition: Auch jetzt ist es
so, wenn Überdimensionierungen vorliegen, wenn Fehlinvestitionen geleistet wurden, dürfen die auch derzeit nicht auf die Bürgerinnen und Bürger umgelegt werden.
Wer trägt also dann die Kosten? Der Steuerzahler, also auch die Bürger. Was tun wir denn zurzeit, seit der Zeit, seit Ihr Mitglied Dewes auch schon einmal Innenminister war? Durch Strukturhilfe tun wir nichts anderes, wir subventionieren möglicherweise problembeladene Verbände, damit sie mit anderen, die anders gearbeitet haben, fusionieren können, damit für die Zukunft für den Bürger vernünftig gearbeitet wird. Das heißt, auch jetzt zahlt doch der Steuerzahler dieses Freistaats Thüringen verantwortet über das Parlament und dann exekutiert durch die Regierung nichts anderes. Er zahlt möglicherweise aufgewachsene Probleme und das finde ich auch vernünftig. Ich will nämlich, wenn schon solche Probleme zu bewältigen sind, die Lösung nicht dem Einzelnen aufladen. Weil das aber im Moment immer noch geschieht und weil das eine Menge Menschen im Land in Angst versetzt, mit Recht in Angst versetzt, müssen wir einen Schlussstrich ziehen und eine Zielperspektive vorgeben, die auch nachvollziehbar ist und die auch von uns umgesetzt werden kann und dafür werden wir sorgen.
Sie haben bemängelt, dass die Regierungserklärung nicht üppig war, nicht ausschweifend war, nicht lang war.
Ich habe die Punkte gesagt, die wesentlich sind. Wissen Sie, darauf kommt es auch an in der Politik. Es kommt nicht darauf an, mit vielen Worten nichts zu sagen, sondern die Ziele und die Wege, wie die Ziele zu erreichen sind, zu beschreiben. Ich habe das in aller Klarheit, aber auch in aller Kürze getan, um möglicherweise, so war meine Idee, Ihnen die Chance zu geben, der Polemik zu entfliehen und sich der Sacharbeit zuzuwenden,
aber Sie haben natürlich das Prinzip nicht ernst genommen, sondern haben gedacht, hier ist Wahlkampf. Hier ist kein Wahlkampf, das ist das Parlament.
Mit aller Ernsthaftigkeit sage ich Ihnen, Ihre Beleidigung im Blick auf die Arbeit meiner letzten Monate weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Arbeiten Sie erst einmal so viel für dieses Land, dann haben Sie auch ein Recht zu kritisieren.
Ich sage Ihnen auch, bei meinen vielen Besuchen in den Landkreisen, wo Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Regel dabei waren einschließlich der Landrätinnen und Landräte, habe ich Abend für Abend das Gespräch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und Zweckverbandsmitgliedern geführt. Die Verantwortlichen, auf die ich setzen wollte, auch unsere Landräte, haben sich in die Büsche verkrochen, haben nie mitargumentiert, sondern immer standen wir ganz alleine, wenn es um die Frage ging, wie man denn mit dem überhöhten Beitrag fertig wird. Wenn ich dann gesagt habe, was wir alle gelernt haben, dass die kommunale Selbstverwaltung doch letztlich die Verantwortung in die Hände vor Ort gegeben hat, wurde mir all das gesagt, was zum Teil auch heute richtig gesagt wurde, was aber auch ein Stück Entschuldigung ist. Denn eine große Zahl von Zweckverbänden, eine große Zahl von Gemeinderäten, Bürgermeistern und Landräten haben immer sehr verantwortlich hingeschaut und, bevor sie gehandelt haben, geschaut, wer soll und kann das bezahlen. Das Beispiel, was Sie angesprochen haben, Andreas Trautvetter hat es gesagt, ist ein schönes Beispiel. Irgendwer bezahlt es schon, das ist manchmal so die Philosophie. Irgendwer ist immer der Steuerzahler in diesem Land, weil wir die Gelddruckmaschine, Gott sei Dank, nicht anstellen. Das heißt, wenn es um den Bürger geht, dann haben wir als Politik die wichtige Aufgabe und die Verantwortung darauf zu schauen, dass, wo möglicherweise Fehlentwicklungen sich fortsetzen, diese Fehlentwicklungen gestoppt werden, und dass unter möglicherweise entstandenen Fehlern nicht der einzelne Bürger zu leiden hat.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir gesagt, wenn wir eine Kurskorrektur, aber auch eine Weiterentwicklung vornehmen, dann wollen wir bei Trinkwasser Schluss machen mit dieser nicht mehr nachvollziehbaren Beitragserhebung. Über 50 Prozent der Thüringer Verbände realisieren das auch jetzt schon so und haben die Beiträge gar nicht mit einkalkuliert. Die Stadtstaaten der Bundesrepublik Deutschland tun das schon lange so und andere Länder gehen auch den Weg. Das heißt, was vernünftig ist und sich in der Zeit verändert hat, muss man auch nachvollziehen. Und zum Zweiten, dass wir beim Abwasser sagen, Beiträge müssen weiter sein, aber sie müssen sich erstens bezahlbar gestalten und zweitens auch nachvollziehen lassen. Das heißt, sie müssen sich an der konkreten Nutzung und Bebauung orientieren und bei übergroßen Grundstücken müssen sie dann auch entsprechend gekappt werden.
Weil Sie, Herr Gentzel, natürlich nicht in Apolda waren,
scheint Ihnen nicht übermittelt worden zu sein von Ihrem Landesgeschäftsführer, der dabei war, was ich ge
sagt habe. Ich lese es deswegen wörtlich vor, so wie ich es dort gesagt habe, damit Ihre sehr unterstellende
und zielorientiert unterstellende Verkürzung nicht länger im Raum stehen bleibt. Ich habe dort gesagt: "Mit Andreas Trautvetter und Volker Sklenar habe ich verabredet, das Gesetz zu ändern. Folgende Eckpunkte habe ich festgelegt: Die Beiträge für Trinkwasser werden abgeschafft, Gebühren müssen für Bürger und Gewerbetreibende verträglich sein." Da ist in Kurzform auch gesagt, dass die unsinnige Behauptung, dass die eine Regelung "Abschaffen der Beiträge" zu einer Überdimensionierung und Überbelastung der Gebührenzahler führt, falsch ist.
Zum Zweiten habe ich gesagt: "Beim Abwasser liegen die Dinge anders. Grundlage für Beiträge wird die tatsächliche Bebauung sein, z.B. wird ein Einfamilienhaus nicht mehr wie ein Fünfgeschosser veranschlagt und für große Grundstücke werden die Beiträge gekappt. Es wird eine realistische Größe zugrunde gelegt." Ich habe gesagt, "wir werden" - und ich kann nicht reden als Parlamentarier, sondern ich muss als Regierung reden, weil das meine Verantwortung ist - "die Änderung bis zum 1. Oktober 2004 beschließen. Bis dahin werden keine Beiträge für Wasser und Abwasser erhoben. Das Land trägt die Kosten für die dadurch entstehenden Ausfälle."
Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum wir aussetzen ist doch vollkommen klar. Wir wollen, dass in dieser Zeit nicht weitere Beiträge erhoben werden, damit erst einmal der Rechtsrahmen klar ist. Ich kann nur alle Aufgabenträger und Zweckverbände bitten, doch sich diese Zeit auch im gemeinsamen Sinn zu gönnen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich werden wir das Gesetz nicht nur erlassen, sondern auch rückwirkend für dieses Kalenderjahr erlassen. Deswegen ist es doch sinnvoll, das steht auch im Brief des Innenministeriums, wenn man weiß, dass eine solche Rechtsänderung auf den Weg gebracht wird. Wenn wir sie noch in dieser Legislaturperiode als Referentenentwurf auch vorlegen, dass man dann die weitere Umsetzung draußen ausschließt und deshalb sich diese Zwischenzeit gönnt. Wenn wir ankündigen, dass wir die Zinsausfälle dafür auch tragen, glaube ich, ist für die Verbände auch für maximale Sicherheit gesorgt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Gentzel, Sie haben erneut in einer anderen Form Unsicherheit nach außen gebracht - auch dazu bitte ich, meine Rede zu nehmen und nicht selektiv zu nehmen -, das ist die Frage, dass die Abwasserbeiträge für andere steigen. Ich habe hier formuliert, "wichtig ist", nachdem ich die Maßnahmen referiert habe, "durch diese Maßnahmen werden die Abwasserbeiträge für alle anderen nicht steigen."
Sehr geehrter Herr Höhn, jetzt kommen wir wieder zu dem Thema: Woher kommen denn die Kosten? Warum ist die Globalkalkulation, so wie sie ist? Dieses Bündel an Maßnahmen bin ich gern bereit, auch mit Ihnen zu erörtern. Da kann es Investitionsstreckungen geben, da muss es Investitionsveränderungen geben, da muss es Abschreibungszeitraumveränderungen geben, da muss es aber auch eine Neukalkulation von Beiträgen und Gebühren geben. Das ist ja alles richtig, aber das sind technische und inhaltliche Fragen, die man in Ruhe aufgrund einer neuen Regelung im Gesetz auch besprechen kann. Da gibt es also nicht den Hebel, der gestellt wird, sondern da gibt es ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das man ergreifen kann, um insgesamt auch eine für die Zukunft wichtige Kostenentlastung herbeizuführen. Das Land wird, wie selbstverständlich in den letzten Jahren auch, dazu beitragen, die Lasten, die dann trotzdem übrig bleiben, mitzutragen. Ich sage noch einmal, nichts anderes tun wir derzeit mit der Strukturhilfe, nichts anders. Wenn immer schon richtig war, dass wir eigentlich die Fiktion auf der einen Seite, aber die Realität auf der anderen Seite auch berücksichtigen wollten und die Realität der Nutzung, der Bebauung und auch der realen Belastbarkeit unsere politische Leitlinie sein muss, dann müssen wir den Rechtsrahmen so setzen, dass man unabhängig von individuellen Ausprägungen im Zweckverband, die ich en dètail nicht kritisieren will, aber die man überprüfen muss, genau dieses Ziel erreicht. Genau um dieses Ziel geht es uns. Wir wollen aussetzen, um zu klären, um die Handlungen, die dann angesetzt werden, solide umsetzen zu können. Sie können es mir glauben, die Entscheidung, auf diesem Weg eine sehr umfassende Neuorientierung vorzunehmen, ist weder dem Innenminister noch mir, noch dem ganzen Kabinett leicht gefallen. Dies ganz einfach aus den Gründen, die Sie natürlich anders formulieren und anders sehen, aber die man - wenn man so wie Sie denkt - eigentlich durchaus einfacher hätte haben können. Dann hätte ich schlicht ein Moratorium zur Aussetzung weiterer Beitragserhebungen erlassen und hätte gesagt, in dieser Zeit werden alle Zweckverbände und Beitragsverbescheidungen erneut überprüft. Das wäre der Flaschenhals gewesen, den man sich politisch ohne Mühe genommen hätte, um - wie Sie das vermuten - für die nächsten Wochen Ruhe zu bekommen. Wir haben bei diesem Thema keine Ruhe in diesem Land.
Wenn ich die Medienberichterstattung der letzten Wochen sehe, kann sie widersprüchlicher nicht sein. Ich habe vorhin zitiert aus einem Medium und man könnte viele Zitate bringen. Eine Woche oder einen Tag steht der Bürger im Mittelpunkt, die Frage der Überlastung, die Frage von individuellen Schicksalen. Ein paar Tage später, weil die Politik sagt, wir werden die Sorgen jetzt ernst nehmen und handeln, steht plötzlich die kommunale Selbstverwaltung oder andere Grundprinzipien in unserem
Rechtsstaat im Mittelpunkt der Debatte. Beides muss im Mittelpunkt stehen. Wenn Sie sagen, es muss mit Strukturveränderungen zusammenhängen und veröffentlichen 20 bis 25 Zweckverbände und vorher aber kritisieren, wir würden die Verfassung nicht beachten, dann sage ich Ihnen: Artikel 28 Grundgesetz können Sie nicht einmal greifen und beim nächsten Mal fallen lassen. Wenn es einen Grundbestand an kommunaler Selbstverwaltung gibt, von dem wir ausgehen, dann gilt der allemal dafür, dass sie wichtige Gemeindeangelegenheiten in der Lage sind selbst zu entscheiden. Das heißt, es gibt nicht die Möglichkeit so ganz einfach zu sagen, es gibt so viel Zweckverbände und alles andere hat in Thüringen nicht mehr stattzufinden. Nein, Wasser und Abwasser ist in den letzten Jahren als Gebiet der kommunalen Selbstverwaltung entstanden. Deshalb muss man auch mit den Gemeinden, mit den Zweckverbänden und mit den Spitzenverbänden das Gespräch führen. Das heißt, wir wollen in dem vorhandenen Rechtsrahmen, aber auch bei der veränderten Rechtswirklichkeit aufgrund der Veränderung der wirtschaftlichen Gegebenheiten und auch der Veränderung der Zuständigkeiten von Gemeinden im Blick auf Daseinsvorsorge diese Veränderung organisieren.
Bei der Daseinsvorsorge, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich eines gern noch sagen, weil so der Eindruck vermittelt wird, das wäre ein abgeschlossenes System, das in Deutschland inkognito immer so weiterläuft. Seit Jahren ist das ein intensives Thema, das wissen Sie auch genau, dass es auf europäischer Ebene schon lange darum geht, ob in Deutschland eigentlich dieses Prinzip der Daseinsvorsorge auch auf diesen Gebieten Wasser und Abwasser noch zeitgemäß ist. Dieser Debatte muss man sich doch auch stellen. Man kann doch nicht so tun, als ob die Rechtswirklichkeit von 1981 mit der Rechtswirklichkeit von 2004 noch in Übereinstimmung steht. Wir erleben das doch gerade im Blick auf die Sparkassenordnungen. Wir werden es im öffentlichrechtlichen Rundfunk erleben. Wir werden es in vielen anderen Bereichen sehen, wo das, was historisch von besonderem Wert war, weil eben die Versorgung der Bürger auf Gemeindegebiet im Mittelpunkt stand und deshalb die Daseinsvorsorge auch eine tiefe innere Begründung hatte, sich in der Wirklichkeit aufgrund der Entwicklungen der letzten 10, 20, 30 Jahre vollkommen verändert hat. Die privaten Betreiber, die in Deutschland auf diesem Gebiet tätig sind, gehen ja auch ganz aktiv in diese Richtung. Wir sagen aber, wir wollen derzeit einen Kernbestand an Daseinsvorsorge, an gemeindlicher Zuständigkeit und Eigenverantwortung, aber wir wollen nicht die Augen davor verschließen, was sich an Veränderungen ergibt. Wir haben heute natürlich eine sehr starke und auch von der Zielstellung her sehr umfassende Änderung angekündigt. Wir haben dies nach sehr reiflichen Überlegungen getan. Wir haben es auch getan, nachdem wir festgestellt haben, dass trotz aller Instrumente in dem jetzigen Handwerkskoffer KAG und trotzdem wir weitere Instrumente hinzugelegt haben, die Wirkung nicht überall beim Bürger ankommt. Deswegen haben
wir uns dazu entschieden, einen neuen Instrumentenkoffer zu kaufen, weil nur das Sinn macht. Es macht keinen Sinn, länger darüber nachzudenken, ob der Rechtsrahmen ausreicht. Er reicht nicht aus, weil wir nicht alle Handlungsmöglichkeiten haben. Politik muss, davon bin ich fest überzeugt, auch an solchen Stellen sagen, wir müssen Weiterentwicklung organisieren. Das heißt nicht, Abschied von der Vergangenheit nehmen, das heißt auch nicht, alles für falsch zu erklären, hier ist so viel investiert und auf den Weg gebracht worden sowie Arbeit geschaffen und neue Strukturen geschaffen worden, die sieht man. Warum sind denn unsere Umwelt und unsere Flüsse wieder in einem so vorzüglichen Zustand, weil da viel geschehen ist, weil da viel investiert worden ist und weil wir da gemeinschaftlich, Kommunen und Land, aber auch der Bund, erfolgreich eine Kraftanstrengung durchgeführt haben. Das muss man doch sehen und wertschätzen in diesem Land.
Es ist auch richtig, dass zu Beginn der Wiedervereinigung unseres Vaterlands etwa 50 Prozent des produzierten Wassers Verlust war, weil die meisten Anlagen aus der Vor- und Nachkriegszeit waren und die in der DDR-Zeit gebauten Anlagen im Regelfall noch asbestbelastet waren. Es ist doch auch richtig, dass die übergroße Zahl der Kläranlagen ebenfalls aus Vorkriegs- und Nachkriegszeiten stammte und die allerwenigsten Kläranlagen in der DDR-Zeit gebaut wurden. Weil die DDR unter dem Motto lebte "Am Ende landet es ohnedies im Westen, weil die Flüsse im Westen münden.", hatte es auch nicht so eine große Bedeutung. Wenn man heute die Werra anschaut und alle anderen Flüsse, dann sieht man doch die Fortschritte. Die haben doch etwas mit dem zu tun, was in diesem Land aufgebaut worden ist. Da ist sehr viel Kraft hineingebracht, sehr viel Geld investiert worden. Ich werfe doch überhaupt keinem Kommunalen vor, dass er dies getan hat, weil es in unserem gemeinschaftlichen Interesse richtig ist. Das ist ein positives Beispiel für "Aufbau Ost", meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir wieder die Schöpfung beachten und die Schöpfung liebens- und lebenswert erhalten haben.
Natürlich hat diese starke Investitionskraft auch vor der Gesamtzielvorstellung ein Problem mit sich gebracht von Anfang an. Das war die EU-Vorschrift mit dem Jahr 2005 und die sich daraus rückwärts entwickelnde unwahrscheinliche Dynamik, die jeder für sich auch gesehen hat, auf der einen Seite zwingend wegen der Umwelt, auf der anderen Seite ein junges Land wie Thüringen hoffnungslos überfordernd in dieser kurzen Zeit. Andere Länder in Europa hätten sich viel mehr Gelassenheit gegönnt, im Besonderen im Süden Europas. Die gönnen sie sich bis heute. Aber wir wollen alles, wie wir halt sind in Deutschland, normgerecht und schnell umsetzen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es auch richtig,
dass man heute sagt, damals die abwassertechnische Zielplanung hatte zwar vom Grundsatz her eine richtige Orientierung, aber die Dynamik überfordert ein wachsendes Land wie Thüringen und überfordert auch die Menschen in unserem Land, denn alles, was investiert werden muss - das haben wir gelernt und das sehen wir täglich -, muss erarbeitet werden. Wenn man versucht, es nur durch Verteilung zu erwirtschaften, dann spürt man spätestens nach ein, zwei Jahren, dass immer weniger zu verteilen ist. Dass die Leute jetzt so mobil werden, hat auch Gründe - und da wundern mich etwas die oberflächlichen, nicht tiefgründigen Aussagen der SPD. Warum die Leute jetzt so emotional reagieren, hat doch ganz andere Gründe. Die Rentnerinnen und Rentner haben in diesen Tagen zum ersten Mal seit 1949 - Herr Höhn, auch wenn Sie es nicht hören wollen - keine Rentenerhöhung. Sie werden um den Lohn ihres Lebens und ihrer Arbeit bestraft von Rotgrün. Das ist eine Tatsache.
Das Wirtschaftswachstum - das ist keine Aussage vom Ministerpräsidenten Thüringens, sondern die können Sie von allen sechs Wirtschaftsforschungsinstituten bekommen - stagniert seit drei Jahren in Deutschland. Wir sind Schuldenmacher Nummer 1 und stehen in Europa an letzter Stelle. Das hat doch etwas mit der Einnahmesituation zu tun, die wir im Land spüren, aber die auch die Kommunen spüren und auch jeder Einzelne. Einnahmeverluste sind angesagt auch bei jedem Einzelnen. Wir haben zum anderen eine Situation, in der die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger in diesem Land hoch verunsichert sind, weil eine dilettantisch vorbereitete Gesetzgebung dazu führt, dass derzeit die, die Hilfe, Unterstützung, persönliche Zuwendung brauchen, zu Akten werden, indem zwischen Clement und Bundesagentur für Arbeit nur noch Akten geschoben werden und nicht mehr darüber geredet wird, dass da Schicksale vorhanden sind, um die man sich kümmern muss.
Sie spüren zum anderen, dass mit der Osterweiterung Sorgen verbunden sind, Mittelständler Ihnen sagen, wie können wir jetzt hier erweitern, besser ist, wir gehen nach Tschechien, nach Polen, nach Ungarn. Wie die Großen in dieser Welt sagen, Deutschland ist nicht attraktiv, wir investieren in Slowenien, in der Slowakei. Und wie sie spüren, dass diese Bundesregierung statt Antworten zu finden, Rhetorik betreibt und den osteuropäischen Raum nicht als Motivator nutzt,
sondern ihn beschimpft, indem vor drei Wochen Ihr Bundeskanzler und unser Bundeskanzler sagt, Osteuropa darf nicht länger Steuerdumping auf unsere Kosten betreiben. Statt sich motiviert zu fühlen, endlich auch zu re
formieren, werden andere für unsere Trägheit verantwortlich erklärt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Hintergrund, warum Leute in Thüringen insgesamt verunsicherter sind als vielleicht vor fünf, sechs oder acht Jahren, weil das Wachstum nicht vorhanden ist, weil wir trotz der guten Erfolge in Thüringen mit 8,2 Prozent Industriewachstum und 3,2 Prozent Beschäftigungszuwachs in dem Bereich einen viel zu dramatischen Rückgang der Bauwirtschaft von etwa 8 Prozent haben und damit die Arbeitslosigkeit zwar unter den jungen Ländern immer noch am besten ist und wir auch den besten Rückgang haben vom März zum April mit 0,6 Prozent, aber weil Sie trotzdem spüren, so richtig funkt es nicht. Die Schere geht zwischen Ost und West auseinander und keiner tut etwas dafür, dass die Schere zusammengeht. Im Gegenteil, das, was man für Wirtschaft tun könnte, tritt man noch mit Füßen, indem man über so eine unsinnige Ausbildungsplatzabgabe diskutiert und sogar noch die Stirn hat, sie zu beschließen. Das alles, da können Sie sich mal mit dem Thüringer Handwerk, mit den Mittelständlern und den Leuten auf der Straße unterhalten, bewegt sie. Das bringt sozusagen den gesamten Untergrund für die Debatte. Wenn dann in so einer Situation in einem Zweckverband X ein einziger Bescheid verschickt wird, wie ich ihn vorhin zitiert habe und wie ihn viele zitieren können, dann geht nackte Angst um. Dann wird überhaupt nicht mehr überlegt, trifft uns das in der Rhön oder in der Nähe von Nordhausen oder im Ostthüringer Raum, sondern es wird nur gerechnet. Es wird ein Vergleichswert genommen und es wird auf das eigene Grundstück adaptiert und plötzlich steht die Angst im Gesicht. Wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil ich selber aus einem Zweckverband komme, das will ich noch einmal sagen, wo von Anfang an sehr transparent, sehr ökonomisch und bürgerfreundlich gearbeitet worden ist, habe ich nun nach den vielen Debatten schlicht und ergreifend keine Lust mehr nur noch Debatten zu führen, sondern auch zu sagen, wir werden den Rechtsrahmen so ändern, dass wenigstens das, was wir tun können in Thüringen, die Menschen mit einer Zufriedenheit weiterleben zu lassen, die sie für ihr Grundstück auch brauchen. Es geht um die Sicherheit, dass sie es erhalten und weitergeben können. Dass Handwerker wissen, zu den Belastungen, die ohnedies schon da sind, gibt es nicht noch eine existenziell bedrohende Belastung zusätzlich. Dass wir diese Dinge so ernst nehmen, dass wir sie nicht nur diskutieren, sondern den Handlungsrahmen ändern. Ich habe angekündigt, dass wir das tun mit einer ganz klaren Zielvorgabe, sowohl inhaltlich als auch zeitlich. Ich habe nicht vertuscht, nicht vernebelt, sondern habe gesagt, was wir tun. Sie können mich beim
Wort nehmen, wir tun das. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie helfen würden, dann würden Sie nämlich auch dem Freistaat und den Menschen in diesem Freistaat helfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, ich habe mich deshalb noch zu Wort gemeldet, weil in der Debatte - besonders von der SPDFraktion - auch zu dem Vermittlungsausschuss und seinen Ergebnissen sehr umfassend Stellung bezogen wurde und gefragt wurde, wo unsere Motivation liegt für das, was wir tun und konkret auch meine. Ich kann Ihnen die Motivation ganz eindeutig sagen. Die Arbeitslosigkeit ist viel zu hoch, ist bedrückend hoch. Wenn wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen, dann können wir dies nur, wenn wir noch mehr auf Wirtschaftswachstum setzen, denn das wird uns die Kraft geben, auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Sehr geehrter Herr Höhn, auch wenn Sie jetzt nicht im Saal sind, es hätte mich gefreut, wenn Sie in Ihrer Rede einen einzigen Moment die Fiskalpolitik verlassen hätten oder die Fiskalpolitik eingebaut hätten in eine Gesamtbetrachtung der Politik, denn es geht in Deutschland nicht nur darum, wie wir Haushalte zu bekommen oder nicht zu bekommen, sondern es geht darum, wie wir die sich abwärts drehende Einnahmespirale endlich verlassen und wieder wachsende Einnahmen in Deutschland realisieren.
Genau diese Debatte habe ich auch im Vermittlungsausschuss geführt, übrigens zwischen A und B gleichzeitig. Nämlich auch innerhalb der B-Runde war es durchaus strittig, ob wir jetzt einen solchen Kurs hin auf Wachstum gehen oder ob wir weiter schauen, ob sich irgendwann einmal die Wachstumsspirale wieder in Gang setzt und mehr Einnahmen zu verzeichnen sind. Alle, die hier im Haus seit Jahren Verantwortung tragen, müssten doch auch wissen, dass das das einzige Prinzip ist, an dem wir uns orientieren dürfen. Seit drei Jahren haben wir Steuermindereinnahmen - nicht nur in Thüringen, in ganz Deutschland und in allen Kommunen. Seit drei Jahren stehen wir jedesmal in der Verpflichtung, durch Nachtragshaushalte wichtige politische Zielstellungen zu korrigieren. Es macht doch also gar keinen Sinn, in so einer Situation, noch dazu als junges Land, das noch erhebliche Aufwüchse zu organisieren hat, zu warten, bis irgendwann einmal die Wirtschaftsentwicklung einen grundsätzlich anderen Trend bekommt, sondern es macht jeden Sinn, dafür zu sorgen, unseren Standort Thüringen und unseren Standort Deutschland endlich wieder international wettbewerbsfähig zu gestalten.
Wenn Herr Höhn das Bild, das die Frau Ministerin Diezel gebraucht hat, den entgleisten Zug wieder zur Fahrt zu bringen, etwas als Persiflage missbraucht hat, dann will ich Ihnen sagen, Herr Höhn, falls Sie den Zug, den die Bundesregierung auf die Schiene gestellt hatte, als nicht entgleist bezeichnen, sage ich Ihnen, er fuhr zumindest in eine Sackgasse.
Ich will drei Bereiche herausgreifen, die übrigens nicht nur bei B umstritten waren, sondern - wie Sie gut genug wissen - auch bei vielen Ihrer Kollegen in den A-Ländern. Steuern: Sagen Sie doch den Leuten wirklich, auch in Thüringen, dass mit dem Vorziehen der Steuerreform, wie es Minister Eichel vorgelegt hatte, eine erhebliche zusätzliche Belastung verbunden wäre, weil nämlich die Entfernungspauschale von 42 und 35 Cent auf 15 Cent gesenkt werden sollte. Das hätte viele Thüringerinnen und Thüringer betroffen. Sagen Sie doch bitte den Thüringerinnen und Thüringern auch, dass das bedeutet hätte, dass man in die eine Tasche 1 steckt und aus der anderen Tasche 1,50 zieht. Das ist keine Entlastung, sondern das ist eine Belastung à la Rotgrün.
Wissen Sie, ich weiß ja, dass meine Kollegen Steinbrück und andere genau so gedacht haben und sich deshalb nie zu Wort gemeldet haben in der Debatte. Nicht ein einziges Wort werden Sie von diesen Kollegen gehört haben
in der Öffentlichkeit, weil sie sehr genau wussten, B wird schon für Vernunft sorgen und wir haben für Vernunft gesorgt.
Ich will ein Zweites ansprechen, die Handwerksordnung, die Sie ja schon einmal hier zum Gespräch gebracht haben. Ich weiß nicht, wo Sie leben, jedenfalls nicht in Thüringen. Haben Sie einmal mit den Thüringer Handwerkern gesprochen? Haben Sie einmal mit Präsidenten der Thüringer Handwerkskammern geredet oder auch mit den Handwerkern in Ihren Wahlkreisen? Ich kenne keinen Handwerker in Thüringen, der diesen Anschlag auf das deutsche Handwerk für vernünftig erklärt hatte.
Erklären Sie mir, welchen Sinn es machen soll und dann noch unter der Überschrift "Deregulierung", wie ich gestern lernen sollte, dass man zukünftig statt über 90 Meister nur noch 29 Meister zur Verfügung haben kann, und das in einem Zeitalter, wo wir auf Qualität setzen und diese Qualität auch einen Nachweis haben muss. Deswegen war es richtig, sich für den Meister einzusetzen, weil es ein Standortvorteil für Deutschland ist, ein qualifiziertes Handwerk zu haben und es auch in Zukunft zu behalten.
Wissen Sie, der französische Handwerker wird auch auf deutschem Boden mit Qualität den Nachweis erbringen müssen, ob er besser ist. Und wenn das deutsche Handwerk will, dass dieser Meisterbrief auch in Zukunft gilt, dann hat die Politik nicht die Verantwortung, die Axt an die Wurzel dieses Handwerks zu legen, sondern dann hören Sie bitte auf die Fachleute und glauben nicht politischen Träumereien.
Unternehmen mühen sich derzeit europaweit, durch Zertifikate besondere Qualifikationen nachzuweisen - ISONorm und vieles andere mehr. Das soll den Unternehmen einen Ausweis geben für gute Arbeit. Eines will ich Ihnen auch sagen: Äpfel und Birnen sollte man nicht vergleichen. Der deutsche Handwerksmeister bildet nämlich aus. Der französische Handwerker nicht. Deswegen muss man neben der Managementfähigkeit, die er haben muss und der Fachlichkeit, die er haben muss, auch die Ausbildungsfähigkeit sehen und genau dazu qualifiziert der deutsche Meisterbrief. Ich höre nur Handwerker, die dankbar sind, dass wir uns eingesetzt haben, dass die Kirche im Dorf blieb.
Außerdem gibt es zukünftig die Möglichkeiten, wie Sie gut genug wissen, sich ohne Meisterbrief niederzulassen.
Es sind auch Regelungen, die unsere Unterstützung gefunden haben. Wir haben aber das Kumulationsverbot eingezogen, damit nicht vielfältige Handwerkstätigkeiten dann in der Praxis durchgeführt werden, sondern sie eingeschränkt bleiben. Selbstverständlich können sich auch diejenigen niederlassen und ein Gewerbe durchführen, die keinen Meisterbrief haben.
Ich will ein Drittes ansprechen, die Gemeindefinanzreform. Natürlich sind die kommunalen Spitzen dafür gewesen, weil sie sehr zu Recht zuallererst die Einnahmesituation gesehen haben und diese Einnahmesituation auch verbessert haben wollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es soll, glaube ich, auch richtig sein, dass wir etwas genauer auf die gesamtpolitische Wirkung achten. Jetzt können Sie mir ja erklären, wie das sein soll: Wir müssen uns in Deutschland bemühen, die Steuerlast von der Wirtschaft ein Stück weit zu reduzieren und in Ihrem Gesetz der Gemeindefinanzreform stand, die Freiberufler in eine neue Steuer hineinzunehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wäre eine neue wirtschaftsbelastende Steuer gewesen. Deshalb wollten wir diesen Weg nicht mitgehen.
Wenn Sie meinen, dass man das vor dem Finanzamt dann ausgleichen kann, dann haben Sie Recht, dann hätten Sie aber eine neue Steuerbürokratie in Gang gesetzt und im Zeitalter der Entbürokratisierung sollten wir nicht noch mehr Steuerberater haben, sondern wir sollten uns darauf besinnen, das Steuerrecht zu vereinfachen, sehr geehrter Herr Höhn.
Sie haben hier so großspurig vom Subventionsabbau gesprochen, den die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Sie haben wahrscheinlich über längere Zeit die Veröffentlichungen nicht gelesen. Den Abbau der Subventionen haben wir beschlossen auf der Grundlage der Koch-Steinbrück-Liste, d.h. ein Vorschlag, der aus dem Bundesrat heraus erarbeitet worden ist und dann zur Grundlage genommen wurde, um im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss im November/Dezember zur Entscheidung zu kommen. Die einzigen Subventionen, die Sie abbauen wollten, war die Entfernungspauschale und war die Eigenheimzulage. Beides wäre in unserer Wirtschaftssituation genau der falsche Weg gewesen.
Sie haben auch noch die Gesamtreformdebatte angesprochen. An der Stelle, meine ich jedenfalls, sollten wir uns doch gar nicht widersprechen. Ihr Antrag lautet "Reformansätze in Deutschland" und unserer auch, d.h., wir gehen doch beide davon aus, dass mit dem Dezember der erste Schritt gesetzt wurde. Anders bei der PDS, die immer nur ans Verteilen denkt und dann noch mit Neid anfängt, indem sie die nächste Steuer einführen will, eine Vermögenssteuer. Wir brauchen auch eine umfassende Steuerreform in Deutschland, um die Wettbewerbssituation deutlich und zukunftsfähig zu verbessern. Dazu gibt es klare Vorstellungen der Union. Diese Vorstellungen können Sie nachlesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Vorstellungen bedeuten auch, dass wir eben nicht eine Reform im bestehenden Steuerrecht wollen, sondern, dass wir ein neues Steuerrecht in Deutschland wollen. Ein Steuerrecht, das im Einkommenssteuer- und im Körperschaftssteuerrecht eine neue Grundlage schafft, das transparent ist, das eine Senkung der Steuertarife bedeutet, das damit auch leichter anwendbar ist, weil keine große Zahl von Ausnahmen mehr definiert wird, das außerdem die Familienfreundlichkeit deutlich gestärkt wird und das dazu beiträgt, dass wir international wieder attraktiv für Geld werden. Das ist ganz entscheidend, wenn wir stärkeres Wirtschaftswachstum erreichen wollen, dass wir wieder für Investitionen und für Geld aus dem Ausland hier in Deutschland die Attraktivität steigern, denn sonst werden wir die Wirtschaft nicht voranbringen.
Nun weiß ich ja, dass die Methode des Bundeskanzlers an der Stelle ist, legt es einmal vor, damit ich mich dann auf der Kritik ausruhen kann. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ordnung ist ganz eindeutig. Wenn der Bundeskanzler das, was er nach dem Vermittlungsausschuss angekündigt hat, nämlich, die Reformen gehen weiter und wir brauchen eine umfassende Steuerreform, ernst meint, dann ist er auch in der Verpflichtung. Denn dafür ist er Bundeskanzler, dafür zu sorgen, dass ein neues Steuerrecht als Reformschritt vorgelegt wird. Dann hat die Union sich festgelegt, nicht Nein zu sagen, sondern einen Weg hin auf eine neue Steuerreform in Deutschland mitzugehen. Ich finde, das ist alles, was die Opposition in diesem Moment tun muss. Sie muss aber auch sagen, Bundesregierung leiste endlich deine Arbeit, denn du bist verpflichtet, dass es in Deutschland wieder vorangeht, besonders in den jungen Ländern.
Nun haben wir ja gerade in den letzten Monaten, Herr Höhn, bewiesen, dass wir auch in der Lage sind, zeitgleich Reformen auf den Weg zu bringen. Ich erinnere an die Gesundheitsreform. Das ist ein Projekt, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Über das Er
gebnis kann man viele Debatten in Deutschland zurzeit wahrnehmen. Wir haben bei einem anderen Schritt - Agenda 2010 und Steuerreform - bewiesen, dass wir auch im Ergebnis einen Konsens erreichen können. Ich finde, es ist auch einmal an der Zeit, dass die Bundesregierung in diesem wichtigen Feld der Steuerreform Farbe bekennt und nicht nur durch Rhetorik brilliert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch ein Beispiel nennen, weil Sie ja die besondere Stärke der Bundesregierung und des Reformkonzepts 2010, so wie es ursprünglich vorgelegt wurde, hier benannt haben, das ist der Bereich der Sozialstaatsreform Hartz IV - Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Ich glaube, wenn wir aus Thüringen heraus nicht thematisiert hätten, dass in den jungen Ländern viermal soviel Arbeitslosenhilfeempfänger wie in den alten Ländern sind, dann hätte es noch etwas gedauert, bis die Bundesregierung darauf gekommen wäre. Denn Herr Stolpe hat es erst festgestellt, nachdem wir es gesagt hatten, da war das Gesetzeswerk aber im Kabinett schon verabschiedet. Welche fatale Folge das gehabt hätte, wenn man dies nicht beachtet hätte, das wissen Sie. Die Kommunen wären erheblich mehr belastet worden durch die entsprechenden zusätzlichen Leistungen, durch die Wohnunterbringung. Die jetzt festgelegten Sonderbedarfsergänzungszuweisungen sind das Produkt, das wir dadurch erreicht haben, weil wir im Vermittlungsausschuss auch auf einen Konsens hingearbeitet haben.
Deshalb bitte ich einfach, wenn wir hier die Debatte führen, möglicherweise die politische Kritik anzubringen, das ist Ihnen unbenommen, aber schon auch bei der Wahrheit zu bleiben. Ich habe vom ersten Tag, nachdem diese Gesetze vorgelegt wurden, immer das Gleiche gesagt. Ich habe es nicht nur gesagt, ich habe mich auch dafür eingesetzt, dass diese Linie erfolgreich umgesetzt wurde: Wir wollen uns für das Vorziehen der Steuerreform einsetzen. Ich will keine Gegenfinanzierung akzeptieren, die dem Bürger mehr Geld aus der linken Tasche herausnimmt, als er in der rechten Tasche hineingesteckt bekommt. Ich möchte dafür sorgen, dass wir eine Gemeindefinanzreform haben, die für ein bis zwei Jahre die Möglichkeit gibt, mehr Einnahmen zu realisieren, uns dann aber auch die Chance gibt, eine umfassende Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen. Ich will außerdem erreichen, dass wir im Blick auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eine gemeinsame Verantwortung zwischen Arbeitsämtern bzw. Job-Centern und den Kommunen erreichen. Ich will außerdem den Ausgleich für die zusätzliche Belastung der Kommunen gesichert sehen. Ich will außerdem erreichen, dass wir bei der Handwerksordnung die Kirche im Dorf lassen, d.h., das deutsche Handwerk in der derzeitigen Rechtslage jedenfalls weitestgehend erhalten sehen. Ich will außerdem sichern, dass im Blick auf den Arbeitsmarkt und das Arbeitsrecht die Kündigungsschutzflexibilisierung von 5 bis 10 und keinerlei Zumut
barkeitsgrenzen mehr eingeführt werden. Wir haben dafür gesorgt, dass wir in dem Bereich "Korb 2", wie er genannt wird, zu Ergebnissen kommen. Nun können Sie einmal die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses im Nachgang in Ruhe anschauen und Sie werden feststellen, das ganze Projekt ist 1:1 umgesetzt. Ich bitte also, bei der Wahrheit zu bleiben.
Wenn es nun darum geht, wie man in Zukunft mit weiteren Reformschritten umgeht, will ich noch einmal wiederholen, was ich zum Ausgangspunkt der Debatte gesagt habe, und ich bleibe auch dabei: Wenn wir hier in Thüringen eine erfolgreiche Entwicklung in den letzten Jahren verzeichnen konnten, z.B. Industrie- und Gewerbewachstum im letzten Jahr von 6,4 Prozent, in den ersten zehn Monaten einen Beschäftigungszuwachs von 3,2 Prozent in diesem Bereich, aber trotzdem eine noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit mit 16,4 Prozent haben, wenn wir einen erfolgreichen Ausbau der Infrastruktur vornehmen, ich hoffe sehr, dass der Bund bei seiner Zusage bleibt, auch den ICE weiter zu finanzieren und dass nicht Herr Schmidt von den Grünen Recht bekommt, sondern, dass Sie sich dafür einsetzen, dass nicht noch einmal ein Stopp ausgesprochen wird
versprochen, also, Sie haben das alle gehört, wobei mit dem versprochen, Rente versprochen, da gibt es durchaus Erinnerungen, die mich skeptisch werden lassen
ja, Ihre Kraft ist kräftig, ja,
dann bitte ich, wenn Sie dann noch sehen, welche Chancen wir auch im Blick auf unsere Forschungspotenziale haben, wenn sie mit unseren Unternehmen sprechen, welche Innovationen sie umsetzen, wie sie auf Technologie setzen, wie wir aber gleichzeitig immer noch insgesamt ein zu geringes Wachstum in ganz Deutschland haben, so auch in Thüringen, und dadurch keine wirklichen Arbeitsmarkteffekte entstehen, weil das, was an Wachstum entsteht, derzeit vollständig in Technologie und Rationalisierung umgesetzt wird, dann muss es doch unser gemeinsames Interesse sein, den Tellerrand Thüringens und Deutschlands zu verlassen und zu schauen, wo denn unsere Wachstumsbremsen liegen. Und da wird Herr Weltecke das Gleiche sagen wie alle anderen, das Ganze weltwirtschaft
lich betrachten, wir müssen international wettbewerbsfähiger werden. Wir müssen es vor allen Dingen deshalb, weil unser Mittelstand, unser Handwerk davon abhängt, dass ein Standort wie Thüringen und Deutschland auch im internationalen Konzert für Investitionen interessant ist, weil nur dann unsere Mittelständler auch ihre eigene Kraft im Zusammenwirken mit den großen Unternehmen dieser Welt entwickeln können. Wenn wir diese internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern wollen, dann liegt die IGMetall falsch, die derzeit streiken will und meint, den Menschen einzureden, durch Arbeitszeitkürzung und Lohnerhöhung würde man den Standort bessern; dann liegen Sie aber auch falsch, indem Sie glauben, man bräuchte keine Steuerreform. Wir brauchen ein neues Steuerrecht in Deutschland und wir brauchen eine Weiterentwicklung des Sozialstaats, damit die Menschen, die hier aufwachsen, auch eine gute berufliche und persönliche Zukunft haben, und genau darum geht es uns. Nicht nur um Fiskalpolitik, sondern auch darum, dass unsere Fiskalpolitik der Wirtschaftspolitik unseres Landes dient und unserer Wirtschaftspolitik die Kraft gibt, vernünftige Sozialpolitik zu gestalten. Daraus wird ein Gesamtkonzept, aber nicht, indem man nur einäugig auf die Politik in Thüringen und Deutschland schaut, eben nur als Buchhalter.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Vorbemerkung lassen Sie mich sagen, die am Sachverhalt orientierte Rede des Kollegen Pohl begrüße ich ausdrücklich, weil sie die Debatte zum Thema eröffnet hat. Die unerträgliche und kaum an der Sache orientierte Rede des Kollegen der PDS-Fraktion lehne ich im Namen der Landesregierung in diesem Inhalt voll
ständig ab.
Wir bleiben dabei, sehr geehrte Kollegen der PDS-Fraktion, wir tragen Verantwortung für die innere Sicherheit und diese werden wir auch zukünftig sehr ernst nehmen und d.h., wir werden alle Aufgaben, die Justiz und Polizei haben, wahrnehmen, um in diesem Land innere Sicherheit zu gewährleisten, gerade auch in dem noch größer werdenden und zusammenwachsenden Europa. Ich danke der Thüringer Polizei und der Thüringer Justiz, dass sie dafür engagiert arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber gerade im Blick auf die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten und auch durch die europäische Einigung auf unserem Kontinent nehmen die Herausforderungen, wie jeder weiß, zu. Neue Antworten, z.B. im Blick auf die Fahndung, müssen gesucht werden. Natürlich müssen sie rechtsstaatlich gesichert sein, d.h., sie müssen aber auch den neuen technischen Möglichkeiten entsprechen. Die rechtlichen Leitplanken, so möchte ich sie nennen, sind das Grundgesetz, sind entsprechende Bundesgesetze und Landesgesetze, die diesen rechtsstaatlichen Rahmen bieten, aber - und das will ich auch deutlich sagen - auch die Weiterentwicklung und Veränderung dieses rechtsstaatlichen Rahmens müssen diskutiert werden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Deshalb ist es auch in Thüringen zwingend, dass wir zukunftsorientierte Fahndungsmittel erproben und entwickeln helfen. Wie, wenn man sie nicht entwickelt und erprobt, will man ihre Wirksamkeit prüfen? Genau um diese Prüfung ging es in der ursprünglich geplanten Pilotprojektphase.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die automatische Kennzeichenerfassung, die das Thüringer Innenministerium über längere Zeit geplant hatte und dann auch im Blick auf die Anschaffung der Technik in Vollzug gesetzt hat, hat überhaupt nichts mit Überwachungsstaat zu tun.
Es ging um nichts weiter - und das Thema bleibt auf der Tagesordnung in Deutschland -, wie man gestohlenen oder als Fluchtfahrzeug dienenden Fahrzeugen nachfolgen kann, wie man sie identifizieren kann, um dem Verfahren im Blick auf mehr innere Sicherheit auch entsprechend zum Erfolg zu verhelfen. Zwischen dem Ministerium und der Datenschutzbeauftragten herrschte Einvernehmen darüber, dass für die Pilotphase keine Änderung oder Ergänzung des geltenden Rechts notwendig gewesen wäre. Das heißt, der Rechtsrahmen war und ist aus
reichend für eine solche Pilotphase, auch wenn Sie das von der PDS-Fraktion anders sehen wollen.
Der Test der Installationsfirmen war ebenfalls wichtig, weil es sonst gar nicht erst in eine mögliche Pilotphase eingeführt werden kann. Wenn dort Pannen erfolgt sind, wie das auch heute hier dargestellt wurde, müssen diese aufgearbeitet werden, z.B. die Frage, warum keine Freigabe für die Testphase erfolgt ist, oder die Frage, warum es zur Speicherung von Daten kam, wie sich also die Fehlfunktion erklärt. Diese offenen Fragen müssen beantwortet werden. Aber noch einmal will ich das ganz klar sagen: Die geplanten und nun gar nicht begonnenen Pilotversuche zum Test eines solchen Systems hinsichtlich einer Bewertungsmöglichkeit seiner Funktionsfähigkeit sind zulässig und vom geltenden Thüringer Rechtsrahmen gedeckt. Ich verstehe die auch öffentlich diskutierte Verunsicherung. Ich verstehe auch die Sorge, die sich damit verbindet, weil der innere technische Zusammenhang und die Wirkung eines solchen Verfahrens allzu leicht auch zur allgemeinen Debatte mitgenutzt werden kann, die wir im Blick auf die Videoüberwachung vor einigen Wochen hier durchgeführt haben. Aber ich akzeptiere nicht diese billige Instrumentalisierung eines solchen Themas oder auch die Fehlinformation der Öffentlichkeit.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das will ich sehr deutlich sagen, der Innenminister hat heute umfassend berichtet und der Innenminister Trautvetter hat den Fehler, den entscheidenden Fehler hier am Rednerpult deutlich ausgesprochen. Es ist die Frage, warum er nicht am 10. Dezember en détail das Projekt vorgestellt hat, um das es ging, das aber inzwischen seit dem 28. Oktober nicht mehr weiter verfolgt wurde. Die Fakten lagen zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich auf dem Tisch und hätten berichtet werden können. Dadurch ist ein falscher Eindruck entwickelt worden, als gäbe es unkorrektes, inakzeptables Verhalten, das zu vertuschen wäre. Aber er hat heute sehr deutlich das Verfahren, auch die Genese des Verfahrens und auch die Bewertung seiner konkreten Aussagen am 10. Dezember hier dargestellt. Die Gründe für den Innenminister hat er auch dargestellt. Dieses Verfahren war abgebrochen. Er selbst hat den Abbruch dieses Verfahrens sanktioniert, gerade auch im Blick auf mögliche Fehlinterpretationen - Stichwort Videoüberwachung - und auch die Kurzfristigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen. Und trotzdem, auch das hat er hier mehrfach gesagt, war sein Verhalten, wie er inzwischen selbst gesagt hat, nicht in Ordnung. Ich halte es deshalb für korrekt und angemessen, dass er sich auch, wie er das heute hier getan hat, vor den Mitgliedern des Innenausschusses dafür entschuldigt hat. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein ärgerlicher Vorgang, der hier umfassend dargestellt wird, bietet möglicherweise die Gelegenheit zur politischen Grundsatzdebatte oder auch zur politisch fehlorientierten Debatte, wie das von der PDS-Fraktion genutzt wurde, aber es ist überhaupt kein Grund, den Rücktritt
von Andreas Trautvetter zu fordern
oder mich aufzurufen, ihn zu entlassen. Im Übrigen lege ich Wert auf die Feststellung, die entstandene Verwirrung darf auch nicht dazu führen, dass sich die Innenministerien Deutschlands und auch das Bundesinnenministerium nun nicht mehr der Frage widmen, wie zukünftig besser und technisch moderner und damit auch erfolgreicher gefahndet werden kann. Das bleibt auf der Tagesordnung in Deutschland, denn wir wollen, dass die Menschen in diesem Land gerade in Freiheit ihre Sicherheit leben können, und dazu ist es auch wichtig, sich auf die neuen Entwicklungen einzustellen.
Und dass das nicht nur ein Thema in Thüringen ist, wissen Sie. Die Arbeitsgruppen, die zwischen Bundesinnenministerium und Länderinnenministerium auf diesem Feld arbeiten, tagen natürlich und entwickeln neue Konzepte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch richtig ist natürlich, dass mögliche Vorschläge für Veränderungen dann politisch und juristisch gewertet werden müssen. Auch eine Veränderung des Rechtsrahmens kann dabei und muss dabei diskutabel sein und entschieden werden. In diesem konkreten Fall ist es so weit nicht gekommen. Derzeit wird an der Fortsetzung oder auch der Einführung der Pilotphase nicht weiter gearbeitet. Ich halte das auch für die richtige Entscheidung, damit keine falschen Orientierungen damit verbunden werden, aber ich will auch sehr deutlich machen, die Überinterpretation dieses Themas "automatische Kennzeichenerfassung" hilft nicht, diesem wichtigen Thema auch in Zukunft die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken, denn es bleibt eine wichtige Aufgabe, die automatische Kennzeichenerfassung in Deutschland zukunftsfähig zu entwickeln, damit wir möglichen Verbrechern auch schneller auf die Spur kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, über den Fortgang - und dafür bin ich dem Innenminister auch dankbar, dass er das deutlich gemacht hat - der deutschlandweiten Debatte wird das Kabinett und auch der Innenausschuss informiert. Im Übrigen hat das Thema nun wirklich nichts mit Überwachungsstaat zu tun, denn auch die jetzt schon zur Verfügung stehenden Informationen zeigen ganz eindeutig, dass sowohl vom technischen Verfahren her, vom Abgleich mit möglichen Fahndungslisten, als auch von der Zeitdiskussion im Blick auf Überwachung und Festhaltung der entsprechenden Nummernschilder her überhaupt keine Überwachung von Personen und Identifikation von Personen vorgenommen werden kann. Insofern ist der Begriff "illegal" im Antrag der PDSFraktion vollkommen am Thema vorbei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Rede des Vertreters der PDS-Fraktion ist aber eines deutlich geworden, dass allen Elementen, die der Rechtsstaat zusammen mit der Politik entwickelt, um in unserem Land inneren Frieden zu gewährleisten, dem Extremismus klare Gegenwehr zuteil werden zu lassen und darauf zu achten, dass äußerer und innerer Friede auch gewährleistet wird, von vornherein skeptisch gegenüber gestanden wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDSFraktion, wir bleiben dabei, dass das Thema "innere Sicherheit, Kampf gegen Extremismus" nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen Linksextremismus auf der Tagesordnung steht und dass wir alles dafür tun werden, dass wir diesen Kampf auch erfolgreich führen.
Es bleibt ein ärgerlicher Vorgang, bei dem zum Beispiel durch die klaren Aussagen am 10. Dezember vor dem zuständigen Ausschuss für Klarheit hätte gesorgt werden können über ein Verfahren, das zu dieser Zeit überhaupt nicht mehr verfolgt wurde. Aber es bleibt auch, dass wir keinen Grund haben, an der Arbeit und auch der klaren Verantwortlichkeit des Thüringer Innenministers zu zweifeln, und deshalb ist der Antrag der PDS-Fraktion in Punkt 1 falsch und in Punkt 2 steht er nicht zur Debatte. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Thüringer Landesverfassung, die vor wenigen Wochen zehn Jahre alt geworden ist, nennt die Fundamente, auf denen wir die Zukunft unseres Landes aufbauen: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat. Ich habe vor wenigen Tagen auf der Wartburg deutlich gemacht, dass wir eine gute Verfassung haben. Ich habe auch deutlich gemacht, dass das Land in einer guten Verfassung ist. Ich denke, wir alle sollten daran arbeiten, dass sich diese gute Verfassung weiter stabilisiert und dass wir diesem Land eine gute Zukunft geben.
Der Anschlag auf die Erfurter Synagoge im April 2000, der den Anstoß für die jährlichen Berichte zu "Radikalismus und Extremismus im Freistaat" gab, und weitere antisemitische oder ausländerfeindliche Straftaten in Thüringen und Deutschland machen aber deutlich: Die freiheitliche Demokratie und die sie tragenden Normen sind keine Selbstverständlichkeit. Demokratie ist verletzlich. Sie auf Dauer zu bewahren, heißt auch, totalitären Ideologien und jeglicher Form von Extremismus entschlossen zu begegnen und vorzubeugen. Der jährliche Bericht
zu "Radikalismus und Extremismus" zieht eine Bilanz der Entwicklung und Bekämpfung extremistischer Straftaten und Aktivitäten in Thüringen. Doch geht der Bericht darüber hinaus: Denn ebenso wie in den vergangenen drei Jahren hat die Landesregierung die Friedrich-Schiller-Universität Jena mit einer Studie beauftragt, die nach der Einstellung der Menschen zur Demokratie und ihren Werten fragt. Die Studie wird heute Nachmittag von den Autoren der Öffentlichkeit erläutert. Noch mehr als in den vergangenen Jahren geben die Ergebnisse Anlass zum Nachdenken, aber auch zum Handeln.
Die bisherigen Untersuchungen haben einerseits zu dem erfreulichen Resultat geführt, dass in Thüringen ein festes Fundament demokratischer Einstellungen besteht. Andererseits waren im letzten Jahr, ich zitiere, "feine Risse" im demokratischen Fundament feststellbar geworden.
Meine sehr verehrte Damen und Herren, dieses Ergebnis haben wir sehr ernst genommen, weil wir es nicht zulassen können, dass sich Tendenzen, die die Stabilität unserer Demokratie beeinträchtigen könnten, verfestigen. Deshalb lautete der Auftrag für die diesjährige Studie vor allem, den Belastungsfaktoren für die freiheitlich-demokratische Ordnung nachzugehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Extremismus bekämpfen bedeutet, die demokratische Verfassungsordnung frühzeitig vor jeder Aushöhlung zu schützen. Um es mit Theodor Heuss, dem großen Liberalen, unserem ersten Bundespräsidenten, zu sagen: "Keine Freiheit den Feinden der Freiheit!" Das bleibt unser Auftrag.
Es spricht für die Wirksamkeit unserer Maßnahmen zur Extremismusbekämpfung, dass sich die Zahl politisch motivierter Straftaten, wie bereits 2002, in den ersten neun Monaten dieses Jahres erneut verringert hat. Insgesamt sind es rund 10 Prozent weniger Delikte als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig stieg die Aufklärungsquote. Diese erfreuliche Gesamttendenz ist in erster Linie auf den Rückgang von Straftaten aus dem rechtsextremistischen Umfeld zurückzuführen. Die politisch motivierten Straftaten von Linksextremisten sind auf geringem Niveau leicht gestiegen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden 22 Gewalttaten von rechtsextremen Tätern verübt, im Jahr 2002 waren es noch 30. Die fremdenfeindlichen Straftaten sanken von 55 auf 47. Leider erhöhte sich die Anzahl der antisemitischen Delikte von 28 auf 32.
Es ist deshalb eine gute Nachricht, dass extremistische Organisationen von Ausländern in Thüringen nach wie vor schwach vertreten sind, denn die allgemeine, weltweite Bedrohungslage durch militante Islamisten ist weiterhin vorhanden. Die Bombenanschläge von Djerba und
Bali haben das verdeutlicht. Das heißt, Grund zur Entwarnung besteht insgesamt nicht. Zwar haben die Waffen- und Sprengstofffunde bei Rechtsextremisten in München offenbar ebenso wenig Verbindungslinien nach Thüringen wie die Brandanschläge von Linksextremisten auf Polizeieinrichtungen in Magdeburg, dennoch lässt sich anhand dieser Fälle ermessen, welches Gefahrenpotenzial von extremistischen Gruppen weiterhin ausgehen kann.
Auch in Thüringen hat es leider Beispiele extremer Gewalt der rechtsextremen Szene gegeben. Am 30. Januar 2003, dem 70. Jahrestag der so genannten Machtergreifung, haben neun Tatverdächtige versucht, das Asylbewerberheim in Greiz mit Benzinflaschen in Brand zu setzen; Gott sei Dank ohne Erfolg! Ein Mensch hat dabei allerdings leichte Verletzungen erlitten. Inzwischen ist es bereits zu Verurteilungen gekommen. Ich danke der Justiz und der Polizei für das zügige Handeln.
Eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft ist weiterhin auch im linksextremen Spektrum vorhanden. So hat das Netzwerk "Autonome Thüringer Antifa-Gruppen" (ATAG) über seine Homepage zur Teilnahme am so genannten "Revolutionären 1. Mai" in Berlin aufgefordert. Dort wurden 175 Polizeibeamte verletzt und es entstand enormer Sachschaden.
Auch die jüngst gemeldeten Übergriffe auf ausländische Studenten in Weimar möchte ich nennen. Verabscheuungswürdige Taten, die dem guten, weltoffenen Ruf Thüringens und Weimars Schaden zufügen. Polizei und Justiz werden mit aller Konsequenz handeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch oder besser gesagt vor dem Hintergrund dieser Taten werden wir unsere Anstrengungen zur Bekämpfung des politischen Extremismus fortsetzen, denn die innere Sicherheit bleibt ein Schwerpunkt der Thüringer Landespolitik. Trotz dramatischer Haushaltslage hat es hier keine Abstriche gegeben, und es wird auch keine Abstriche geben.
Eine zentrale Rolle bei der Extremismusbekämpfung hat nach wie vor das Landesamt für Verfassungsschutz. Es leistet eine unentbehrliche Arbeit.
Wesentlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die zügige Bestrafung von extremistisch motivierten Tätern. Sie hat Wirkung gezeigt: Die Sonderdezernate bei den Staatsanwaltschaften und die beschleunigten Verfahren haben sich hervorragend bewährt.
Dank gilt insbesondere der Thüringer Polizei. Ohne ihr entschlossenes Eingreifen wäre die Zahl der politisch motivierten Straftaten in den vergangenen beiden Jahren gewiss nicht in diesem Umfang zurückgegangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der hohe Verfolgungsdruck auf extremistisch motivierte Tätergruppen muss aufrecht erhalten werden.
Das Paket "Innere Sicherheit" trägt dazu wesentlich bei. Seine vollständige Umsetzung steht im Übrigen kurz bevor: Von den 127 Stellen für die Polizei, den Brand- und Katastrophenschutz sowie den Verfassungsschutz sind nur noch 16 zu besetzen. Dafür suchen wir Spezialisten, die, wie jeder weiß, schwierig zu bekommen sind. Und, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes ist die Polizei noch besser in der Lage, wirksam gegen Kriminalität vorzugehen und präventiv tätig zu werden. Dazu gehört auch die gestern hier diskutierte Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten und die Verhängung von Platzverweisen.
Alle Maßnahmen sind selbstverständlich rechtsstaatlichen Grundsätzen unterworfen und daran werden wir uns halten.
Im Übrigen gibt es bereits Videoüberwachungen in zahlreichen kleinen und größeren deutschen Städten,
ich nenne Kassel, Dresden, Leipzig, Bernau, Limburg, Potsdam, Frankfurt am Main und es wären weitere zu nennen. Überall zeigt sich, dass die Straftaten in den überwachten Bereichen erheblich zurückgehen.
Es ist für unsere Politik wesentlich: Den Feinden der Demokratie dürfen wir keinen Raum geben.
Deshalb, aber auch mit Rücksicht auf die Opfer der deutschen Diktaturen, sind Demonstrationen extremistischer Gruppierungen an symbolträchtigen Orten oder zu symbolträchtigen Daten ein Unding, das es zu verhindern gilt.
Deshalb bleiben wir dabei, dass das Versammlungsrecht in diesem Punkt präzisiert werden muss. Thüringen hat, wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Mehrheit der Länder, wiederholt Vorschläge zu einer entsprechenden Gesetzesänderung unterbreitet. Der Bund, der für das Versammlungsrecht zuständig ist, steht nun in der Verantwortung, dass es endlich zu einer substanziellen, rechtsstaatlich vertretbaren Änderung kommt. Angekündigt ist der Gesetzentwurf seit Juni letzten Jahres.
Politischer Extremismus muss mit allen zu Gebote stehenden rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft, die Täter müssen zügig ihrer Strafe zugeführt werden und es muss das rechtsextreme Gedankengut bekämpft werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass straffällig gewordene Täter nicht erneut in die rechts- oder linksextremistische Szene abgleiten. Für rechtsextreme Straftäter in der Jugendstrafanstalt Ichtershausen wird ein solches Konzept zurzeit erarbeitet. Ich hoffe, dass wir es bald umsetzen können.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Karl Jaspers hat Recht, so entscheidend die Maßnahmen staatlicher Extremismusbekämpfung auch sind: "... notwendig ist die Sorge aller für die Freiheit.... Sie kann nur bewahrt werden, wo sie zu Bewusstsein gekommen und in die Verantwortung aufgenommen ist." Das heißt, wenn wir Freiheit und Demokratie langfristig sichern wollen, dann geht es stets um die Frage, ob die Werte, die unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu Grunde liegen, von den Menschen mitgetragen werden.
Die Demokratie ist in Thüringen fest verankert, die Ablehnung von Gewalt und Diktatur ist weiterhin hoch. Zu diesen Gesamtergebnissen kommt die Studie aus Jena auch in diesem Jahr.
77 Prozent der Befragten halten die Demokratie für die beste aller Staatsideen.
Daneben, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es aber auch ein bedenkliches Fazit: Dass sich die Zufriedenheit mit der Demokratie, das heißt, mit der Erfahrung in der Demokratie deutlich verschlechtert hat. Ich zitiere: "Die unzufriedenen Demokraten stellen die relative Mehrheit und dies ist gewiss mehr, als nur ein 'feiner Riss' im demokratischen Fundament", so die Autoren der Studie. Besorgnis erregend ist darüber hinaus, dass die Forscher eine tendenziell wachsende Verbreitung rechtsextremistischer und ausländerfeindlicher Anschauungen sowie eine zunehmende Verharmlosung der DDR-Diktatur registriert haben. Ich zitiere: "Das Liebäugeln mit einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung
und mit national motivierter Diktatur stellen im Ansatz durchaus Gefährdungspotenziale für die Stabilität des demokratischen Systems dar." Alle Demokraten müssen sich durch diese Einschätzung herausgefordert fühlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Wahrnehmung der allgemeinen ökonomischen Lage unmittelbare Auswirkungen auf die Demokratiezufriedenheit hat, hatte sich bereits bei den letzten Umfragen erwiesen. Für mich ist es eindeutig: Anhand der Studie wird die Gefahr offenbar, dass die anhaltende Wachstumsschwäche in Deutschland und damit die Krise auf dem Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen in eine Destabilisierung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung umschlagen kann. Die Forscher sprechen von "sozioökonomischen Stressfaktoren", die "begünstigen rechtsextreme Orientierungen", so wörtlich. Diese These wird in
diesem Jahr bestätigt und schwer wiegend werden solche wirtschaftlichen Belastungsfaktoren nach Ansicht der Forscher vor allem dann, wenn ein Gefühl gesellschaftlicher Diskriminierung hinzukommt. Deswegen ist es keine Kleinigkeit, dass die Forscher ein zunehmendes Empfinden von Benachteiligung gegenüber Westdeutschen feststellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwar bleibt es dabei, dass eine deutliche Mehrheit weiterhin sagt, dass die Vorteile der deutschen Einheit für sie persönlich überwiegen, doch sind die Zustimmungswerte im vergangenen Jahr von 68 auf 64 Prozent zurückgegangen. Die Studie spricht von einem so wörtlich "Liebäugeln" mit der sozialistischen Ordnung. Wenn das Gleichheits- gegenüber dem Freiheits- und Rechtsstaatsdenken überwiegt, dann ist das für eine Demokratie eine Besorgnis erregende Entwicklung, der wir mit aller Kraft entgegenwirken müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich, die Haltung zur Demokratie ist in hohem Maße von der Wahrnehmung der wirtschaftlichen und sozialen Lage abhängig. Aber auch Bildung und Alter haben Einfluss: Je geringer der Bildungsstand und je älter die Befragten, desto größer erweist sich die Anfälligkeit gegenüber antidemokratischen Deutungsmustern. Die Autoren bezeichnen die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen als, so wörtlich, "demokratische Hoffnungsträger". Sie sind mit dem Funktionieren der Demokratie überdurchschnittlich zufrieden und weisen die geringste Neigung zu extremistischen Positionen auf. Ich meine, eine sehr positive Aussage, die uns auch motivieren kann. Es ist die Gruppe, die ihre politische Sozialisation im Wesentlichen im freiheitlichen, wiedervereinigten Deutschland erfahren hat. Es zeigt sich, dass die Maßnahmen zur Förderung eines demokratischen und freiheitlichen Bewusstseins, zur Förderung von Weltoffenheit und Toleranz sowie die eigenen Erfahrungen ihre Wirkungen nicht verfehlen. Es besteht also Anlass, das Engagement an unseren Bildungseinrichtungen, in Schulen, Hochschulen und Erwachsenenbildung, mit Nachdruck fortzuführen, denn die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass wir verstärkt weitere Bevölkerungsgruppen ansprechen müssen. Ich danke allen, die sich in diesem Bildungsprozess engagiert einbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, die Thüringerinnen und Thüringer haben sich 1989 die Bürgerrechte erkämpft. Wenige Tage ist es her, wo die deutsche Einheit die ersten sichtbaren Erfolge zeitigte. Sie wurden und werden auch in erheblichem Umfang ausgeübt. Wenn wir herangehen, die, so wörtlich, "Risse" im demokratischen Fundament zu schließen, können wir auf vieles aufbauen: Das Landesbewusstsein der Thüringerinnen und Thüringer, die Identifika
tion mit ihrem Land, der Stolz auf das Geleistete sind stark ausgeprägt: 46 Prozent der Befragten sehen sich zunächst als Thüringer, 30 Prozent als Deutsche und nur 15 Prozent als Ostdeutsche. 57 Prozent sind der Ansicht, dass Thüringen den Vergleich mit vielen westdeutschen Ländern nicht zu scheuen braucht. 28 Prozent der Befragten billigen dem Land eine wirtschaftliche Vorreiterrolle unter den jungen Ländern zu. Dieses starke Landesbewusstsein der Thüringerinnen und Thüringer ist ein nicht zu unterschätzendes Zukunftspotenzial. Nach meiner Auffassung gibt es die richtige Antwort auf ein rückwärts gewandtes ostdeutsches Sonderbewusstsein. Es macht auch stark gegen Minderwertigkeitsgefühle, denn Thüringen ist mehr als jedes andere deutsche Land dabei, weder Ost noch West, weder jung noch alt, sondern schlicht Thüringen zu sein. Diesen Weg müssen wir fortsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der schwierigen ökonomischen Lage in Deutschland schätzt eine Mehrheit der Thüringer, 53 Prozent, die eigene wirtschaftliche Situation weiterhin gut oder sogar sehr gut ein. Bei den Rentnern sind es sogar 60 Prozent. Es geht also darum, die Arbeitslosigkeit weiter zu bekämpfen. Aber es geht auch darum, deutlich zu machen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte der letzten Jahre nur möglich gewesen sind, weil wir die Chancen der sozialen Marktwirtschaft genutzt haben. Wie soll eine Gesellschaft die Kraft zur Solidarität aufbringen, wenn nicht durch die Leistungskraft und den Ideenreichtum ökonomisch frei handelnder Personen? Ich bin sicher, wenn wir den Sozialstaat leistungsfähig erhalten wollen, dann müssen auch Kenntnisse über seine grundlegenden Funktionsbedingungen Allgemeingut werden. Ebenso erforderlich ist, dass wir eine Grundsatzdebatte über mehr Freiheit und Eigenverantwortung führen, denn Freiheit und Solidarität lassen sich auf Dauer nicht voneinander trennen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Staat darf eben nicht allgegenwärtig sein, die Wirtschaft planen, Arbeitsplätze schaffen oder garantieren und darüber hinaus die Einkommen und Lebensrisiken absichern. Damit unsere Gesellschaft wirtschaftlich prosperiert und die Schwachen stützen kann, müssen die Bürgerinnen und Bürger einen größeren Gestaltungsraum gewinnen und wahrnehmen, und die Wirtschaft muss endlich wieder mehr Wachstumskräfte generieren können.
Dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat der Staat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für individuelle und gesellschaftliche Entwicklungen optimal zu gestalten. Denn wir müssen, und das ist unsere wichtigste Aufgabe und auch unsere Chance, erfolgreich im nationalen und internationalen Wettbewerb sein. Nicht die Verteilung steht an erster Stelle, sondern dass wir wieder über mehr Einnahmen verfügen, individuell und ge
sellschaftlich, muss Ziel unserer Politik sein.
Wir wollen, dass junge Menschen bei uns Ausbildungsund Berufsperspektiven finden. Wir wollen, dass kein Abwanderungsgrund besteht, und wir wollen, dass mit den jungen Leuten, ihrem Potenzial, ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, sich die wichtigen Grundlagen der innovativen Wirtschaft, die sich in den letzten Jahren ausgeprägt haben, weiter ausprägen lassen. Deshalb bleibe ich dabei, dass wir diese Entwicklung nur mit der Wirtschaft voranbringen und deshalb ist eine Ausbildungsplatzabgabe in dieser Situation, aber auch in den nächsten Jahren kontraproduktiv, das falsche Zeichen und schadet der deutschen Wirtschaft.
Wenn Sie dies nicht glauben, schauen Sie sich die Ergebnisse der "Managementgruppe zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Thüringer Wirtschaft" an. Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Politik haben über einen langen Zeitraum diese Studie entwickelt. Wir werden in den nächsten Jahren erheblichen Fachkräftebedarf haben. Deshalb ist es wichtig, die Wirtschaft zu motivieren und nicht zu disziplinieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt landläufig den gebrauchten Satz: "Die Politiker machen ja doch was sie wollen." Die Jenaer Studie bestätigt, dass dieser Satz tatsächlich der Wahrnehmung vieler Menschen entspricht. Drei Viertel der Thüringer glauben, dass sie keinen Einfluss auf die Politik haben. Ich denke, unsere Aufgabe ist es, den Menschen deutlich zu machen, dass nur das aktive Mittun und nicht die Zuschauerrolle die Demokratie trägt und zukunftsfähig macht, denn der Ansatzpunkt ist positiv. Die Studie wörtlich: "Die Thüringer sind politisch überdurchschnittlich interessiert." Ich denke, unsere Aufgabe ist es, dieses Interesse in aktive Beteiligung umzumünzen. Zum Beispiel wollen wir mit der Reihe "Jugend trifft Politik" deutlich machen, dass uns die Meinung von jungen Menschen interessiert. "Du hast die Wahl" oder auch "Juniorwahl" sind zwei Projekte, die sich speziell an Schüler und junge Wähler richten und sie auf die Europa-, Landtags- und Kommunalwahl im nächsten Jahr vorbereiten sollen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, politisches Engagement ergibt sich selten von selbst. Auch zur Übernahme politischer Verantwortung müssen Menschen erzogen und ermutigt werden. Demokratie einzuüben, sie zu praktizieren, ist Teil des Alltags, den junge Menschen erleben, also auch Teil der Schule. Und auch die Schuljugendarbeit ist darauf ausgerichtet; über die Programme entscheiden letztlich Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders erfreulich und als Potenzial zu würdigen ist das ehrenamtliche Engagement, so wie es der Soziologe Ulrich Beck
sagt: "Das ehrenamtliche Engagement ist die Seele der Demokratie."
Wenn über ein Drittel der Thüringerinnen und Thüringer regelmäßig ehrenamtlich tätig sind, ist das die Seele der Demokratie und die Chance der Demokratie. Die Landesregierung hat eine Vielzahl von Projekten auf den Weg gebracht, um das Ehrenamt zu fördern, z.B. die deutschlandweit einzigartige Thüringer Ehrenamtsstiftung. Im März hat sie ihre Arbeit aufgenommen. Wir sind auf ein starkes bürgerschaftliches und demokratisches Bewusstsein der Menschen in unserem Land angewiesen.
Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass gestern die Landtagsfraktionen eine Stärkung der direkt demokratischen Elemente in unserer Verfassung beschlossen haben. Damit ist die Initiative "Mehr Demokratie in Thüringen" und das, was die Fraktionen gemeinsam auf den Weg gebracht haben, ein wichtiger Impuls zur Stärkung und damit auch zur Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie, ich meine, ein gutes Zeichen gelebter Demokratie in unserem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber solange Menschen mit den Ergebnissen von Politik insgesamt unzufrieden sind, wird man sie auch nur schwer zum Mitmachen bewegen können. Das heißt, Politik muss überzeugen, Politik muss bewegen. Seit Jahren ist die Rede von Reformen, aber sie sind bis heute nicht umgesetzt worden. Und um mit Goethe zu sprechen: "Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun." Die Menschen erwarten, dass Deutschland vorankommt oder sie kehren der Politik und den demokratischen Institutionen den Rücken. Als Präsident des Bundesrats und als Thüringer Ministerpräsident werde ich deshalb mein Möglichstes tun, damit die Reformen, die in Deutschland anstehen, verwirklicht werden. Das Ziel muss sein, bei den vorliegenden Reformgesetzen in einem sehr überschaubaren Zeitraum zur Verständigung und zu greifbaren Ergebnissen zu kommen.
Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es spürt jeder, es geht auch darum nachzuweisen, dass Politik handlungsfähig ist; dann wird sie auch an Überzeugungskraft gewinnen. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Länder gemeinsam mit den Gemeinden wieder mehr Gestaltungsspielraum zurückgewinnen. Wenn inzwischen 60 Prozent der Bundesgesetze zustimmungspflichtig sind, dann blockieren wir uns gegenseitig, und es herrscht eine viel zu große Intransparenz. Das heißt, neben den aktuellen Reformen steht die Reform des Föderalismus als ganz
wichtiger Punkt auf der Tagesordnung der deutschen Politik. Die Reform des Föderalismus kann uns die Beweglichkeit, aber auch die Transparenz zurückgeben, die gerade in einer globalisierten Welt von besonderer Bedeutung ist, denn die Handlungsfähigkeit der Politik, aber auch die Handlungsunfähigkeit entscheidet heute sehr viel schneller über Zukunftsfähigkeit, über Wirtschaftswachstum, über Arbeitsplätze.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer heute unter den wirtschaftlichen Folgen des Strukturwandels leidet, der ist vielleicht versucht, so wie es die Jenaer Studie andeutet, sich nach alten Sicherheiten zu sehnen. Aber die Wirklichkeit des totalitären Staates lässt den Satz "So schlimm ist es doch nicht gewesen." nicht zu.
In aller Klarheit: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht relativierbar, sondern sie haben fundamentalen Charakter und sind vom Sozialismus nie beachtet und gelebt worden.
Deshalb geht es darum, das Wissen um die Bedeutung unserer Grundwerte zu bewahren und auch zu stärken. Darin liegt ein zentraler Auftrag, dessen Bedeutung auch angesichts der Umfrageergebnisse noch einmal deutlich wird. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir in Thüringen die Werte vermittelnden und Werte lebenden Institutionen wie Schulen, Kirchen, Einrichtungen der Jugendarbeit, Hochschulen in ihrer Arbeit unterstützen. Aber auch die Medien haben einen wichtigen Auftrag, die Werte der Demokratie durch das, was und wie sie berichten, zu vermitteln und darzustellen. Die Schlagzeile ist wichtig, aber auch die Klärung der Inhalte. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, Politik lebt nicht nur von Schlagzeilen, sondern sie lebt vor allen Dingen durch die Inhalte und durch das, was und wie sie entscheidet. Deshalb müssen die Kerngehalte unserer Verfassung auch vermittelt werden. Sie stehen eben nicht zur freien Disposition, nicht aus formalen Gründen, sondern eben gerade aus inhaltlichen. Gerade wir Politiker müssen dafür ein Beispiel geben. Freiheit zu gestalten heißt auch, in einem umfassenden Sinn Verantwortung für sie zu übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Erinnerung ist eine wichtige Grundlage für den Fortbestand unserer Demokratie. Der Thüringer Landtag macht das gerade in diesen Tagen mit der Ausstellung z.B. über "Euthanasieverbrechen des Nationalsozialismus" hier im Landtagsgebäude deutlich. In der Staatskanzlei dokumentiert eine Ausstellung "Das Leben der Jüdin Felice Schragenheim". Das heißt, zu einem verantwortlichen Umgang mit der Geschichte gehört in Thüringen selbstverständlich auch die Gedenkstättenarbeit. Dass sie auch international viel Anerkennung findet, ist ein Zeichen für die wesentli
chen Fortschritte der vergangenen Jahre. Allein die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora werden jährlich von mehr als 600.000 Menschen aus aller Welt besucht. Wir setzen unsere Anstrengungen auch fort: Im Frühjahr dieses Jahres sind die Gedenkstätten unter dem Dach einer selbständigen Stiftung zusammengeführt worden. Ihre Finanzierung ist trotz schwieriger Haushaltslage in vollem Umfang gesichert. Mit der Fertigstellung des Rohbaus für ein neues Lern- und Dokumentationsgebäude in Mittelbau-Dora ist ebenfalls ein sichtbarer Schritt zur Weiterentwicklung der Gedenkstätten getan. Weil wir die Geschichtsforschung und die Erinnerungsarbeit stärken wollen, haben wir auch die "Stiftung Ettersberg" gegründet. Die Arbeit der Grenzmuseen in Thüringen muss ebenfalls langfristig Zukunft haben und um wissenschaftliche Potenziale gestärkt werden.
Deshalb werden die Aufarbeitungsinitiativen in Jena und Gera, die Grenzmuseen und die "Stiftung Ettersberg" noch stärker zusammenrücken. Wenn Wissen und Kenntnisse z.B. über den Nationalsozialismus, aber auch über das SED-Regime vermittelt werden, dann geht es immer um Wahrhaftigkeit. Es geht darum, die Menschen mit dem Wissen dazu zu führen, sie selbst zu bewerten und Verantwortung zu übernehmen.