Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

Die Deutsche Volksunion meint, dass die Schuld nicht bei den Bürgern zu suchen ist, sondern bei den Ministern und Abgeordneten, die diesen Parteien angehören. Also stellt sich die Frage: Was können wir ändern?

Die Deutsche Volksunion hatte kürzlich schon einen Gesetzesantrag auf Trennung von Amt und Mandat in den Landtag eingebracht. Die Altparteien wollten unserem Begehren nicht folgen. Allzu sehr hat man sich inzwischen an die Privilegien gewöhnt. Im Übrigen legt man seitens der Großkoalitionäre keinen Wert darauf, eine konsequente Trennung der Staatsgewalten durchzusetzen. Mit der Trennung von Amt und Mandat hätten die abgeordneten Minister auch einen Teil ihrer Privilegien verloren.

Meine Damen und Herren, wenn ich so die lichten Reihen sehe, muss ich sagen: Sie sprechen von Europa, aber schaffen es nicht einmal in diesem Raum, Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen und hier zu bleiben.

(Beifall bei der DVU - Zurufe von CDU und SPD)

Prof. Hans-Herbert von Arnim setzt sich in seinem Buch „Die Partei, der Abgeordnete und das Geld" kritisch mit den zusätzlichen Alimentierungen eines Ministers. der gleichzeitig Abgeordneter ist, auseinander. So erhalten in mehreren Bundesländern Minister neben ihrem Amtsgehalt auch noch eine Abgeordnetenentschädigung, obwohl sie neben dem Ministeramt kaum noch etwas für das Mandat tun können.

(Zuruf von der CDU: Unerhört!)

Vorbildlich ist Niedersachsen, so der Verfassun gsrechtler, wo Minister neben ihrem Amtsgehalt überhaupt keine Abgeordnetenentschädigung erhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU) )

Noch besser sind allerdings die Regelungen in Bremen und Hamburg.

- Herr Homeyer, reden Sie doch nicht dazwischen. Wenn Sie etwas sagen wollen, gehen Sie ans Mikrofon; ich werde Ihre Frage gern beantworten.

Warum weigern sich die Altparteien, angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der leeren Kassen Einsparungen von oben nach unten vorzunehmen? Wie Pressemeldungen zu entnehmen war, möchte Minister Schönbohm weitere Millionenbeträge für das Innenressort in den Haushalt einstellen. Warum machen Sie, Herr Minister, nicht bei sich selbst den Anfang?

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, im Moment nicht, ich bin gerade im Redefluss.

(Lachen bei der PDS)

Wir bezweifeln, Herr Ministerpräsident und Herr Minister Schönbohm - Sie waren ja selbst Spitzenkandidaten Ihrer Parteien -, dass Sie überhaupt noch in der Lage sind. Ihr Abgeordnetenmandat ordnungsgemäß auszuüben.

(Zurufe von SPD und CDU)

Seien Sie doch einmal ehrlich! Wenn Sie zu Veranstaltungen gehen, treten Sie als Minister auf. Wenn Sie irgendwo in Parteiveranstaltungen auftreten, treten Sie als erster Parteisoldat auf, aber nicht als Vertreter irgendeiner Institution.

(Zurufe von der CDU)

Sie beklagen ja selbst die Belastung durch Ihr Ministeramt. Wie können Sie dann die typischen Aufgaben eines Abgeordneten wahrnehmen?

(Zuruf von der CDU: Ich habe zwei Abgeordnetenbüros, wie viele haben Sie denn. Herr Abgeordneter?)

- Darauf komme ich noch.

Die Minister sind in keinem Ausschuss vertreten. Das ginge ja auch gar nicht, denn sie haben den Abgeordneten, dem Parlament. den Ausschüssen Rede und Antwort zu stehen; diese kontrollieren schließlich die Regierung. Die Minister haben die Gesetze auszuführen, die von den Abgeordneten verabschiedet werden.

Sie, meine Damen und Herren Minister, wissen, dass durch die Europäische Union immer mehr Aufgaben auf Sie zukommen. Richtlinien sind in innerstaatliches Recht umzusetzen, Verträge sind abzuschließen und unzählige Verhandlungen zu führen. Im föderativen System der Bundesrepublik wirken Sie auch an der Gesetzgebung des Bundes mit. Sie haben Termine im Bundesrat wahrzunehmen als Mitelieder dieses wichtigen gesetzgebenden Organs des Bundes. Dies ist ein erneuter Beweis dafür, dass Sie

die typischen Abgeordnetenaufgaben gar nicht mehr wahrnehmen können.

(Zuruf von der CDU: Stimmt doch überhaupt nicht!)

Sie empfangen Staatsgäste wie kürzlich den Staatspräsidenten der Tschechei, Vaclav Havel. Vor allem haben Sie sich eine neue Aufgabe gestellt, nämlich die aktive Mitwirkung an der Osterweiterung der Europäischen Union. Sie verhandeln zu diesem Zweck auch mit der polnischen Regierung, wie heute ja bekannt gegeben. Es geht dabei um wissenschaftliche Fragen, um neue Verkehrswege, um wirtschaftliche und kulturelle Fragen, um die Bereiche Arbeit und Soziales und Projektförderung, um nur einige Punkte zu nennen. Wie kann ein Minister, der ständig auf Dienstreise ist, als Abgeordneter die Sorgen und Nöte der Bürger vor Ort registrieren?

Wenn es einerseits „Nur-Minister" gibt und andererseits abgeordnete Minister, dann liegt auch eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Bezüge vor. Es ist doch völlig unglaubhaft, dass auf dem Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten weniger Aufgaben lasten als auf dem Landwirtschaftsminister oder dem Verkehrsminister. Die DVU-Fraktion hält eine Ungleichbehandlung bei den Einkommen für nicht gerechtfertigt.

Um ein deutliches Zeichen gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu setzen, sollte das Abgeordnetengesetz geändert und Bezüge als Abgeordneter gestrichen werden. Die steuerfreien Entschädigungen sind ebenfalls bedenklich, soweit zum Beispiel Fahrtkosten in Anspruch genommen werden.

Allerdings wollen wir die Frage der Abgeordnetenbüros, Herr Minister, nicht antasten, obwohl auch hier die Frage ansteht, ob es sich nicht um eine verdeckte Parteienfinanzierung handelt.

(Lachen bei der CDU)

Der Parteienverdruss hat auch seine Ursache in der Überprivilegierung jener Personen, die an der Staatsspitze stehen.

Es ist den Bürgerinnen und Bürgern in Mitteldeutschland nicht zu vermitteln, dass das Lohnniveau hier im Vergleich zum Westen bei 86,5 % liegt. Andererseits kassieren Minister und Abgeordnete ähnliche Beträge wie ihre Kollegen in den westlichen Bundesländern.

(Zuruf von der SPD: Stimmt gar nicht!)

Ja, die Diäten liegen in Brandenburg sogar noch weit höher als und das stimmt wirklich - in Hamburg oder Bremen.

Auch wenn Sie unserem Antrag nicht fol gen wollen, so will die Deutsche Volksunion jedoch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ein deutliches Zeichen gegen Steuergeldverschwendung durch die Obrigkeit setzen.

Nun sagen Sie: Die Ministerbezüge dürfen den Bezügen der Industriemanager nicht hinterherhinken, weil sonst keine Fachleute aus dem Bereich der Wirtschaft bereit wären. Staatsämter zu übernehmen. Ich sage Ihnen: Die Wirtschaft ist gar nicht daran interessiert, unfähigen Politikern Managerposten anzubieten.

(Beifall bei der DVU)

Es gibt natürlich auch Ausnahmen wie zum Beispiel jene Frau IRaffzahn, eine CDU-Bundestagsabgeordnete, die sich von der Industrie reichlich beschenken ließ. Aber hier sind wir bereits in einem Bereich, der auch rechtlich sehr gefährlich ist. Es geht nämlich uni den Verrat von Staatsgeheimnissen. Wer als Minister oder Staatssekretär in die Industrie wechselt, um dort Staatsgeheimnisse zu verraten, ist in der Tat eine Person, auf die die Eigenschaft „niederträchtig" zutrifft.

Mehr Sein als Schein galt einst als preußischer Grundsatz wie Sparsamkeit und Ehrlichkeit. Weil all dieses in der heutigen Zeit bei vielen Politikern der Altparteien verloren gegangen ist, haben wir nicht nur eine Parteien- sondern sogar eine Staatsverdrossenheit. Das Letztere muss uns allen aber sehr bedenklich erscheinen.

Im Landtag findet gegenwärtig eine Ausstellung über das Reichsbanner und die Eiserne Front statt. Wer genau hinsieht, erkennt hier Kampfformationen, die sogar Wehrsportübungen durchführen. Auch zur Weimarer Zeit hatten die Menschen ganz einfach das Gefühl, dass sich die Obrigkeit, voran die Politiker, hemmungslos bereichert, während die Massen am Arbeitsamt Schlange standen.

Das Reichsbanner war trotz seiner Kampfformation nicht in der Lage, den damaligen Staat zu retten. Weimar ist Mahnung und Warnung zugleich.

Es kommt auch darauf an, dass die Ministerbezüge in der Öffentlichkeit Akzeptanz finden. Dies ist nicht der Fall. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass die gegenwärtige Landesregierung nicht in der Lage ist, die Massenarbeitslosigkeit abzubauen. die Staatsverschuldung erheblich zu senken oder die Kriminalität entschlossen zu bekämpfen.

Wir haben bereits die Ausschussüberweisung beantragt. Wir haben dann noch einmal die Gelegenheit, über das im wahrsten Sinne des Wortes volksnahe Anliegen der Fraktion der DVU zu debattieren. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit,

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die SPD- und die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Klein, Sie haben das Wort für die beiden Fraktionen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die DVU-Fraktion bleibt bei ihrer Tradition, bringt Anträge in den Landtag ein, die in anderen Landtagen, in denen sie zufälligerweise auch vertreten ist, schon eine Vorgeschichte hatten. Heute beschäftigt sie sich mit dem wirklich spannenden Problemkreis von Politik und Geld. Was ist interessanter, als über das Geld anderer Leute zu reden? Sie machen das auf eine Art und Weise, die man - ich bin beinahe versucht zu sagen - der heutigen Hitze zurechnen kann.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Die Damen und Herren der DVU wollen eine vollständige Streichun g der Abgeordnetenentschädigung für eine Gruppe von Parlamentariern. Es geht um die Abgeordneten, die gleichzeitig Minister sind. Herr Schuldt hat ja die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat unterstellt, dass die Minister ihre Aufgaben als Ab geordnete nicht erfüllen. Sie wissen aber, Herr Schuldt, dass die Minister nur 25 % der Abgeordnetendiäten erhalten. Ich denke, die Leistung, die sie als Abgeordnete in diesem Hause erbringen, ist deutlich höher zu schätzen als diese 25 %.

(Beifall bei SPD und CDU)

Damit wir uns richtig verstehen: Unsere Grundposition ist so klar wie dicke Tinte. Die Entschädigungs- und Versor gungsregelungen für alle Mitglieder dieses Hauses müssen angemessen, zweifelsfrei und transparent sein. Folgten wir übrigens dem Antrag der DVU, setzten wir uns in Widerspruch zum Bundesverfassungsgericht, das jedem - ich wiederhole: jedem - Abgeordneten, also auch Ministern, eine angemessene Entschädigung zumisst.

Was haben wir hier zu konstatieren? Die DVU betreibt wie immer billige Polemik. Wir werden ihr entschieden entgegentreten, indem wir diesen Antrag ablehnen und nicht überweisen.